08.01.2010
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 11.11.1999 – 14 K 174/94
1. Ein im Streitjahr in einem Steuerberatungsbüro angestellter Diplom-Kaufmann, der mit der Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung begonnen, diese zwei Jahre später abgelegt und sich drei Jahre später selbständig gemacht hat, kann im Hinblick auf diese künftige selbständigen Einkünfte im Streitjahr noch keine vorweggenommenen Werbungskosten geltend machen, wenn keine objektiv nachprüfbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger bereits im Streitjahr endgültig den Entschluss gefasst hatte, später eine eigene Kanzlei zu eröffnen.
2. Davon abgesehen setzt die geltend gemachte Einlage bisher für die Erzielung von Überschusseinkünften genutzter geringwertiger Wirtschaftsgüter in einen bestehenden oder zumindest in Gründung befindlichen Betrieb eine eindeutige nach Außen dokumentierte Einlagehandlung voraus.
3. Werden Ausbildungskosten i.S. von § 10 Abs.1 Nr.7 EStG mit Darlehensmitteln finanziert, sind die Dalehenszinsen, nicht aber die Darlehenstilgung als Sonderausgaben abzugsfähig; Voraussetzung ist aber, dass die Verwendung des Darlehens für Ausbildungszwecke konkret nachgewiesen wird (hier: keine Anerkennung eines kurz vor Studienende laut Darlehensvertrag für „Möbelkauf” aufgenommenen Kredits).
Bei der Einkommensteuerveranlagung 1991 ist streitig, ob Darlehenszinsen in Höhe von 973 DM als Ausbildungskosten gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) abzugsfähig sind. Außerdem ist streitig, ob und mit welchem Wert geringwertige Wirtschaftsgüter im Jahr 1991 in ein im Jahr 1994 eröffnetes Steuerberatungsbüro eingelegt worden sind und als Betriebsausgaben abgezogen werden können.
Die im Jahr 1963 geborenen Kläger sind verheiratet. Sie haben zwei Söhne, die 1984 und 1985 geboren wurden. Bis Mitte 1990 wohnten sie in, wo die Klägerin als Arzthelferin tätig war. Der Kläger studierte an der Fernuniversität Hagen Wirtschaftswissenschaft. Das Studium schloß er im Juni 1990 mit dem Grad eines Diplom-Kaufmanns ab. Ab 01. Juli 1990 war er bei einer Steuerberatungsgesellschaft in angestellt, wo die Kläger von diesem Zeitpunkt an unter Vermittlung der Arbeitgeberin für die Dauer des Arbeitsverhältnisses eine teilmöblierte 130 qm große Vierzimmerwohnung mieteten.
Einen Monat zuvor hatten sie am 29. Mai 1990 bei der Volksbank als Gesamtschuldner ein Darlehen in Höhe von 20.000 DM zu einem Zinssatz von 10 % aufgenommen. Als Sicherheit wurde eine Lebensversicherung an die Bank abgetreten. In dem Darlehensvertrag ist als Verwendungszweck „Möbelkauf angegeben. Der Darlehensbetrag wurde in zwei Teilbeträgen in Höhe von je 10.000 DM am 29. Mai 1990 und am 28. Juni 1990 dem Girokonto des Klägers gutgeschrieben.
Während seiner Tätigkeit in bereitete sich der Kläger auf die Steuerberaterprüfung vor, die er im Herbst 1993 ablegte. Im Frühjahr 1994 erhielt er die Bestellung zum Steuerberater. Im Anschluß daran eröffnete er in Winterberg ein Steuerberatungsbüro. Im Laufe des Jahres 1994 zogen die Kläger von nach zurück.
Im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 1990 machte der Kläger mit Schreiben vom 02. Juni 1991 geltend, zur Vorfinanzierung der ihm von seiner Arbeitgeberin erstatteten Kosten für den Umzug von nach im Jahr 1990 in Höhe von 3.300 DM sowie für die Anschaffung von Gegenständen für sein häusliches Arbeitszimmer in in Höhe von insgesamt 4.766 DM habe er bei der Volksbank ein Darlehen aufnehmen müssen. An Zinsen und Gebühren seien im Jahr 1990 1.502 DM entstanden, um deren Berücksichtigung er nachträglich bitte. In der Einkommensteuererklärung 1990 hatte er die folgenden Gegenstände als Arbeitsmittel geltend gemacht:
Rechnung vom | DM | |
Computer u. Zubehör | November 1989 | 3.633,84 |
Möbel für Arbeitszimmer (Schreibtisch Schreibmaschinentisch, Unterschrank) | 17. Mai 1990 | 2.199,00 |
ergonomischer Stuhl | 113,83 | |
weitere Möbel (u. a. Schlafcouch) | 21. Mai 1990 | 488,00 |
6.434,67 |
Nachdem das damals zuständige Finanzamt den Kläger aufgefordert hatte, die Verwendung der Kreditmittel nachzuweisen, und darauf hinwies, daß ein Großteil der im Jahr 1990 geltend gemachten Werbungskosten bereits vor Auszahlung des Darlehens bezahlt und daher nicht aus den Darlehensmitteln finanziert sein könne (z. B. Anschaffung des Computers Ende 1989 und der Möbel für das Arbeitszimmer im Mai 1990) reichte der Kläger die folgende Bestätigung seiner Mutter vom 17. März 1992 ein:
BESTÄTIGUNG
„ Hiermit bestätige ich, 4, daß ich meinem Sohn übergangsweise ein Darlehen gewährt habe, damit er seinen berufsbedingten Umzug vollziehen konnte. Es war vereinbart, daß das Geld zur Anschaffung des Computers und zur Anschaffung der Arbeitszimmermöbel zu verwenden ist. Das Darlehen wurde ratenweise bar ausgezahlt und ratenweise bar wieder zurückgezahlt.
, den 17.3.1992
Monika
Das Finanzamt Freiburg-Land erkannte die Darlehenszinsen zur Hälfte als Werbungskosten an und setzte die Einkommensteuer 1990 durch Änderungsbescheid vom 03. Juni 1992 auf 0 DM herab. Dabei ging es davon aus, daß die nach Aufnahme des Darlehens bei der Volksbank am 29. Mai 1990 angefallenen Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung, Fachliteratur, die Vorfinanzierung der Umzugskosten usw. in Höhe von insgesamt rd. 10.280 DM aus den Darlehensmittel finanziert worden sind.
Bei der Einkommensteuerveranlagung für den im vorliegenden Verfahren streitigen Veranlagungszeitraum 1991 machte der Kläger Darlehenszinsen in Höhe von 1.945,43 DM als Werbungskosten geltend. Außerdem beantragte er u. a. die Anerkennung von Bewerbungskosten in Höhe von 761,80 DM (Stellenanzeige, Fahrtkosten zum Vorstellungsgespräch bei Steuerberater am 30. Oktober 1991 und Verpflegungsmehraufwand). Das Finanzamt Freiburg-Land erkannte im geänderten Einkommensteuerbescheid 1991 vom 13. September 1992 – ebenso wie bereits im Vorjahr – nur 50 % der Zinsen als Werbungskosten an. Im Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die restlichen Zinsen seien als Ausbildungskosten bei den Sonderausgaben zu berücksichtigen. Ausbildungsdarlehen wie z. B. nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) würden zur Absicherung des Lebensunterhaltes verwendet, da in der Regel keine ausreichenden Einnahmen vorhanden seien. Es gebe weder eine Verwendungseinschränkung noch einen Verwendungsnachweis. Zinsen für Ausbildungsdarlehen seien bis zur Höchstgrenze von 900 DM abzugsfähig. Selbst eine vollkommen dem privaten Bereich zuzuordnende Verwendung könne nicht schädlich sein. Auch könne nicht ausschlaggebend sein, ob das Ausbildungsdarlehen vom BAFöG-Amt gezahlt oder ob ein Finanzierungsinstitut in Anspruch genommen worden sei. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Darlehensaufnahme und der Ausbildung des Klägers sei zum einen dadurch gegeben, daß er bedingt durch die Ausbildung nur ein geringes Einkommen erzielt habe. Zum anderen sei im Sommersemester 1990 seine BAFöG-Förderungshöchstdauer ausgelaufen.
Das Finanzamt Freiburg-Land wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 1994 als unbegründet zurück. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Dagegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 26. Februar 1994 Klage, die am 02. März 1994 bei Gericht einging. Zur Begründung wiederholen sie im wesentlichen ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren. Ergänzend tragen sie vor, hinsichtlich der Zinsaufwendungen sei zu berücksichtigen, daß nach herrschender Meinung von der Fiktion auszugehen sei, daß bei Mischfinanzierungen privat veranlaßte Darlehensteile vorrangig getilgt würden. Dementsprechend reduziere sich Jahr für Jahr der nichtabzugsfähige Teil der Zinsen. Mit Schreiben vom 10. Juni 1995 machte der Kläger „hilfsweise” geltend, die bisher für den Veranlagungszeitraum 1991 beantragten Werbungskosten seien bis auf die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als vorabentstandene Betriebsausgaben zu werten, da der Zusammenhang mit einer inzwischen teilweise realisierten selbständigen Tätigkeit als Steuerberater größer sei, als die Beziehung zum Arbeitslohn. Nach Beendigung seines Studiums habe festgestanden, daß er schnellstmöglich an der Steuerberaterprüfung teilnehme. Aus diesem Grunde habe er von 1990 bis 1994 jede freie Minute in zusätzliche Fortbildung investiert. Dadurch sei es möglich gewesen, die Prüfung auf Anhieb mit nur wenigen Seminarbesuchen zu bestehen. Zudem sei es unüblich, daß ein Arbeitnehmer derart hohe Fachliteraturkosten aufwende. Das für seine Arbeitnehmertätigkeit notwendige Büchermaterial sei vom Arbeitgeber gestellt worden. Die Aufteilung der Kosten im Verhältnis der Einkünfte werde von der herrschenden Meinung abgelehnt. Stünden Aufwendungen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit mehreren Einkunftsarten, seien sie grundsätzlich – ggf. im Schätzungswege – jeweils nach ihrer sachlichen Veranlassung aufzuteilen. Sei eine solche Aufteilung nicht möglich, so seien die gesamten Aufwendungen bei der Einkunftsart zu berücksichtigen, mit der sie unter Anlegung objektiver Maßstäbe nach Anlaß und Wesen die engere Beziehung hätten. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, daß Aufwendungen bereits vor Erzielung von Einnahmen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig seien, wenn sie in einem ausreichend bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart stünden. Ein solcher Zusammenhang bestehe von dem Zeitpunkt an, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen lasse, daß ein Steuerpflichtiger den Entschluß zur Einkunftserzielung in der angestrebten Einkunftsart endgültig gefaßt habe. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Urteil vom 14. April 1993 – I R 95/92 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV – 1994, 157) entschieden, daß Aufwendungen zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung als vorweggenommene Betriebsausgaben abzugsfähig seien.
Das Finanzamt Freiburg-Land teilte mit Schreiben vom 27. Juli 1995 mit, daß dem Antrag auf Anerkennung der bisher geltend gemachten Werbungskosten als vorabentstandene Betriebsausgaben teilweise entsprochen werden könne. Die für 1991 beantragten Aufwendungen für den Computer, das Arbeitszimmer, die Fachliteratur, ein Seminar, den Bürobedarf, die Aktentasche und die Schuldzinsen stünden in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der selbständigen Tätigkeit und könnten deshalb als Betriebsausgaben in Höhe von 5.829,85 DM berücksichtigt werden. Die Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die Bewerbungen und das Diktiergerät hätten dagegen ihre Veranlassung in der unselbständigen Tätigkeit und könnten nur dort berücksichtigt werden.
Das nach dem Umzug der Kläger von nach nunmehr örtlich zuständige Finanzamt erließ daraufhin am 28. November 1995 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1991, in dem es die Einkommensteuer 1991 von bisher 6.034 DM um 220 DM auf 5.814 DM herabsetzte. Dabei berücksichtigte es einen Verlust aus selbständiger Arbeit in Höhe von 5.829 DM und bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit statt der bisherigen Werbungskosten in Höhe von 6.877 DM den Arbeitnehmerpauschbetrag in Höhe von 2.000 DM.
Der Kläger beantragte daraufhin mit Schreiben vom 26. Dezember 1995, das am 29. Dezember 1995 bei Gericht einging, den Änderungsbescheid zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens zu machen. Durch den Änderungsbescheid sehe er sich veranlaßt, die Klage zu erweitern. Die Nichtanerkennung des Diktiergerätes halte er für willkürlich. Es habe seinerzeit ausschließlich der Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung gedient. Derartige technische Hilfsmittel würden von führenden Lernwissenschaftlern empfohlen. Eine Verwendung im Büroalltag komme nicht in Betracht, weil auf diesem Gerät ausschließlich Kassetten in normaler Größe und nicht die bei Diktiergeräten üblichen Minikassetten besprochen werden könnten. Der BFH habe mit Urteil vom 27. April 1994 – IV R 101/92 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 1994, 638) entschieden, daß geringwertige Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungskosten im Rahmen einer Überschußeinkunftsart. z. B. bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, berücksichtigt worden seien, mit dem Teilwert ins Betriebsvermögen einzulegen seien, wenn die Einlage nach Ablauf von drei Jahren nach der Anschaffung erfolge. Nach dieser Rechtsprechung seien die folgenden geringwertigen Wirtschaftsgüter verlusterhöhend zu berücksichtigen:
• Schreibmaschine | 250,00 |
• Pilotenkoffer | 110,00 |
• Aktenkoffer | 110,00 |
• Aktenschrank | 500,00 |
• Regale | 200,00 |
• Grundwerk NWB/BBK | 150,00 |
• Rechenmaschine | 140,00 |
• Briefwaage | 35,00 |
• Diskettenbox | 20,00 |
• Bibliothek inkl. umfangreichen Materials aus dem Studium, einzeln zu bewerten, jedoch Summe | 1.200,00 |
Summe | DM 2.825,00 |
Der Berichterstatter wies die Beteiligten mit Schreiben vom 12. Januar 1996 darauf hin, daß ein Beklagtenwechsel stattgefunden habe und nunmehr das Finanzamt Brilon Beklagter sei, nachdem es den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1991 durch Bescheid vom 28. November 1995 geändert habe und die Kläger diesen zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hätten.
Das vom Finanzamt mit der weiteren Prozeßführung beauftragte Finanzamt Freiburg-Land forderte die Kläger mit Schreiben vom 27. Februar 1996 auf, Belege über die o.a. geringwertigen Wirtschaftsgüter soweit vorhanden vorzulegen oder jeweils Angaben über das Anschaffungsdatum und die Anschaffungskosten zu machen sowie zur Teilwertermittlung Stellung zu nehmen. Der Kläger beantragte daraufhin mit Schreiben vom 27. Mai 1996, die eingelegten Wirtschaftsgüter in Augenschein zu nehmen. Gleichzeitig legte er Belege aus folgenden Jahren vor:
1983 | diverse Fachliteratur | 535,59 DM |
1984 | Bürobedarf | 166,75 DM |
1984 | Fachliteratur | 527,21 DM |
1984 | Rechner | 148,50 DM |
1986 | elektrische Schreibmaschine einschließlich Zubehör (Farbband usw.) | 533,06 DM |
Ergänzend trug der Kläger vor, weitere Belege hätten seinerzeit beim Werbungskostenabzug dem Finanzamt vorgelegen und seien anerkannt worden. Der BFH habe mit Urteil vom 21. Januar 1994 die Möglichkeit der Einlage der geltend gemachten Wirtschaftsgüter bestätigt. Das Finanzamt versuche mit überhöhten Nachweis- und Beleganforderungen dieses Urteil zu umgehen. Der BFH habe mit Urteil vom 14. Juli 1993 (BStBl II 1994, 15) selbst die Einlage von geschenkten Wirtschaftsgütern mit dem Teilwert zugelassen. In derartigen Fällen sei noch nicht einmal die Dreijahresgrenze zu berücksichtigen. Da in diesen Fällen überhaupt keine Belege vorhanden sein könnten, sei die Forderung des Finanzamts nicht haltbar. Der BFH stelle auf die tatsächliche Existenz der Wirtschaftsgüter ab, die durch Inaugenscheinnahme nachweisbar sei. Diese Inaugenscheinnahme werde beantragt. Bei der Teilwertermittlung der eingelegten Wirtschaftsgüter sei folgendes zu berücksichtigen:
Die Schreibmaschine sei auch im Computerzeitalter zur Bearbeitung von Formularen zwingend erforderlich. Es seien inzwischen kaum noch Schreibmaschinen zu bekommen, die einen beweglichen Wagen hätten.
Auf der eingelegten Rechenmaschine sei der Kläger derart eingearbeitet, daß eine Neuanschaffung Zeit- und Sicherheitsrisiken nach sich ziehen würde.
Die Auffassung des Finanzamts, daß die Fachliteratur inzwischen wertlos sei, sei nicht haltbar. Da es nach § 169 Abgabenordnung (AO) teilweise sogar Festsetzungsfristen von zehn Jahren gebe, könne der hier zu bewertende Literaturbestand nicht veraltet sein. Ein Steuerberater müsse in der Lage sein, selbst derart zurückliegende Veranlagungsjahre zu bearbeiten. Zudem gebe es auch im Steuerrecht genügend Teilbereiche, die langfristig unverändert geblieben seien. Ferner sei zu berücksichtigen, daß sich zahlreiche Bücher mit betriebswirtschaftlichen oder gesellschaftsrechtlichen Problemen beschäftigten, welche unverändert geblieben seien; z. B. steuerliche Beratungen im Rahmen von Gründungs-, Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen oder bei der Jahresabschlußanalyse. Außerdem sei bei den Loseblattsammlungen durch die ständig eingehenden Fortsetzungslieferungen Aktualität gewährleistet. Diese Fortsetzungslieferungen stellten Erhaltungsaufwand dar. Anschaffungszeitpunkt sei der Erstbezug.
Die Kläger haben in der Klageschrift beantragt,
den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1991 auf den Einkommensteuerbetrag zu ermäßigen, der sich bei einer Berücksichtigung von weiteren Sonderausgaben in Höhe von 973 DM ergibt. Außerdem haben sie mit Schreiben vom 26. Dezember 1995 die Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben in Höhe von insgesamt 2.825 DM geltend gemacht.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung fest, daß die streitigen Darlehenszinsen nicht als Sonderausgaben abzugsfähig seien. Die Anschaffungsdaten, Anschaffungspreise und Teilwerte der in das Steuerberatungsbüro eingelegten geringwertigen Wirtschaftsgüter seien nicht in ausreichendem Maße nachgewiesen worden.
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Rechtsstreit wurde durch Beschluß des Senats vom 18. Oktober 1999 auf den Einzelrichter übertragen. Vor diesem hat am 11. November 1999 eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
Dem Gericht haben die für die Kläger geführten Einkommensteuerakten für die Veranlagungszeiträume 1987 bis 1991 vorgelegen.
Die Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht im streitigen Veranlagungszeitraum 1991 weder der begehrte Betriebsausgaben- noch der beantragte Sonderausgabenabzug zu.
1. Betriebsausgabenabzug:
Gemäß § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Nach ständiger Rechtsprechung können Aufwendungen bereits vor der Erzielung von Einnahmen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig sein (sog. vorabentstandene Betriebsausgaben oder Werbungskosten), wenn sie in einem ausreichend bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart stehen. Ein solcher Zusammenhang besteht von dem Zeitpunkt an, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen läßt, daß ein Steuerpflichtiger den Entschluß zur Einkunftserzielung in einer bestimmten Einkunftsart endgültig gefaßt hat. Unter diesen Voraussetzungen können z. B. auch Aufwendungen zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung als vorabentstandene Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit abzugsfähig sein (vgl. Urteil des BFH vom 14. April 1993 – I R 95/92, BFH/NV 1994, 157).
Im vorliegenden Fall liegen keine objektiv nachprüfbaren Anhaltspunkte dafür vor, daß der Kläger bereits im streitigen Veranlagungszeitraum 1991 den endgültigen Entschluß gefaßt hat, ein Steuerberatungsbüro zu eröffnen. Aus den vorliegenden Akten ist nicht ersichtlich, ob der Kläger bereits im streitigen Veranlagungszeitraum 1991 oder erst zu einem späteren Zeitpunkt begonnen hat, sich auf die Steuerberaterprüfung vorzubereiten, die er im Herbst 1993 abgelegt hat. Aufwendungen für ein entsprechendes Vorbereitungsseminar hat er im Jahr 1991 weder als Werbungskosten noch als vorabentstandene Betriebsausgaben geltend gemacht. Selbst wenn der Kläger bereits 1991 mit der Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung begonnen hätte, wäre dies für sich allein kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, daß er den Entschluß, Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu erzielen endgültig gefaßt hat. Denn in Steuerberatungsbüros angestellte Arbeitnehmer, die sich auf die Steuerberaterprüfung vorbereiten, sind nach Bestehen der Prüfung sehr häufig noch längere Zeit oder auf Dauer – in der Regel mit erhöhten Bezügen – im Angestelltenverhältnis tätig. Die Eröffnung eines Steuerberatungsbüros erfordert neben dem Bestehen der Steuerberaterprüfung weitere unternehmerische Maßnahmen; z. B. Anmietung von Büroräumen, Anschaffung der Büroausstattung, Einstellen von Personal, Abstandszahlung für den Erwerb eines Mandantenstammes usw. Solange keine objektiv nachprüfbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Kläger sich endgültig entschlossen hat, derartige Maßnahmen zu ergreifen, liegt noch nicht der Beginn einer selbständigen Tätigkeit vor, mit der Folge, daß vor diesem Zeitpunkt angefallene Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
Wie sich aus der Anlage N 1991 ergibt, hat sich der Kläger im Oktober 1991 bei einem Steuerberater als Arbeitnehmer beworben und die Aufwendungen für die Stellenanzeige, die Fahrtkosten zum Vorstellungsgespräch und Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von insgesamt 761,80 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht. Dies spricht dafür, daß er im streitigen Veranlagungszeitraum 1991 den Entschluß, als Steuerberater Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu erzielen, noch nicht endgültig gefaßt hat. Jedenfalls liegen hierfür keine objektiv nachprüfbaren Anhaltspunkte vor. Der begehrte Betriebsausgabenabzug ist daher abzulehnen.
Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die vom Kläger behauptete Einlage der streitigen geringwertigen Wirtschaftsgüter (sh. Tatbestand S. 8) gemäß § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG einen bestehenden oder zumindest in Gründung befindlichen Betrieb und eine eindeutige nach Außen dokumentierte Einlagehandlung voraussetzt (vgl. Ludwig Schmidt, Kommentar zum EStG. 18. Auflage 1999, § 4 Rdnr. 316, 318, 336, 360 Stichwort Vorbereitungshandlungen, § 15 Rdz. 129 m.w.N.). Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß mit der Gründung der im Jahr 1994 eröffneten Steuerberatungspraxis bereits im Jahr 1991 begonnen wurde, sind nicht erkennbar. Dasselbe gilt für die für die Annahme einer Einlage der geringwertigen Wirtschaftsgüter erforderlichen Einlagehandlungen.
2. Sonderausgabenabzug:
Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der für den streitigen Veranlagungszeitraum 1991 maßgeblichen Fassung sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder seine Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf bis zu 900 DM im Kalenderjahr als Sonderausgaben abzugsfähig. Dieser Betrag erhöht sich auf 1.200 DM, wenn der Steuerpflichtige wegen der Ausbildung oder Weiterbildung außerhalb des Ortes untergebracht ist, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält. Zu den Aufwendungen für die Berufsausbildung oder Weiterbildung gehören nicht Aufwendungen für den Lebensunterhalt, es sei denn, daß es sich um Mehraufwendungen handelt, die durch eine auswärtige Unterbringung entstanden sind (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 EStG 1991). Voraussetzung für die Anerkennung des Sonderausgabenabzugs ist, daß die Aufwendungen mit dem Ausbildungszweck in einem sachlichen Zusammenhang stehen und nicht zu den Lebenshaltungskosten gehören (Ausnahme im Fall der auswärtigen Unterbringung). Zu den Ausbildungskosten im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören z. B. Studiengebühren, Aufwendungen für Lernmaterial, Fahrten, zum Studienort usw. (vgl. Ludwig Schmidt, a.a.O., § 10 Rdz. 131 m.w.N.). Werden derartige Aufwendungen mit Darlehensmitteln finanziert, so sind die Darlehenszinsen nicht aber die Darlehenstilgung als Sonderausgaben abzugsfähig (vgl. Ludwig Schmidt, a.a.O., § 10 Rdz. 5 m.w.N.).
Die Kläger haben trotz wiederholter Aufforderung des Finanzamts keinen konkreten Nachweis erbracht, zu welchem Zweck sie das am 29. Mai 1990 bei der Volksbank Winterberg aufgenommene Darlehen in Höhe von 20.000 DM im einzelnen verwendet haben. Der im Darlehensvertrag angegebene Zweck „Möbelkauf” spricht dafür, daß das Darlehen im Zusammenhang mit dem Umzug von Winterberg nach Heitersheim und dem Bezug der neuen Wohnung im Sommer 1990 überwiegend für die private Lebensführung verwendet wurde, mit der Folge, daß die Darlehenszinsen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 EStG 1991 nicht als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Gegen die Annahme, mit dem Darlehen seien Ausbildungszwecke finanziert worden, spricht auch die Tatsache, daß das Darlehen am 29. Mai 1990 zu einem Zeitpunkt aufgenommen wurde, als die Ausbildung des Klägers zum Diplom-Kaufmann nahezu abgeschlossen war. Sie endete im Juni 1990. Ein Sonderausgabenabzug, der an die Volksbank Winterberg gezahlten Darlehenszinsen kommt daher nicht in Betracht.
Hieran ändert auch nichts die Bestätigung der Mutter des Klägers vom 17. März 1992. Aus ihr ergibt sich nicht, in welchem Zeitpunkt, in welcher Höhe und zu welchem Zinssatz der Kläger bei seiner Mutter ein Darlehen aufgenommen und in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt er Zins- und Tilgungsleistungen an seine Mutter erbracht hat.
Die Klage ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.