Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 24.03.2011 · IWW-Abrufnummer 110966

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 26.01.2011 – 4 K 1483/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FG Köln v. 26.01.2011

    4 K 1483/10

    Tenor: Die Klage wird abgewiesen.
    Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand
    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen nach § 35a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die jährlich anfallenden Kosten der Müllabfuhr zu gewähren ist.
    Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In der Einkommensteuererklärung 2008 beantragten die Kläger den Abzug von Müllgebühren in Höhe von 195,37 € als Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen gemäß § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG. Mit Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 29.01.2010 veranlagte der Beklagte die Kläger erklärungsgemäß mit Ausnahme der geltend gemachten Müllgebühren.
    Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch verlangten die Kläger die Berücksichtigung der Müllgebühren und führten zur Begründung an, Reinigungskosten der Wohnung seien als haushaltsnahe Dienstleistungsaufwendungen zu berücksichtigen, wenn hierfür ein Dienstleister in Anspruch genommen werde. Dies sei bei der Müllabfuhr der Fall. Die Leistung fände in der Wohnung statt, weil der Müll aus der Wohnung entfernt werde.
    Mit Einspruchsentscheidung vom 30.04.2010 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück, da die Müllabfuhr nicht zu den haushaltsnahen Dienstleistungen im Sinne des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG gehöre. Zwar falle der Müll im Haushalt an und werde auch dort abgeholt. Die eigentliche Leistung der Müllabfuhr sei jedoch nicht das Ausleeren der Mülltonnen, sondern das Transportieren und Entsorgen bzw. Verwerten des Mülls. Dies erfolge außerhalb des Haushalts und sei deshalb nicht begünstigt.
    Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
    Die Kläger sind der Ansicht, das Tatbestandsmerkmal "im Haushalt" sei räumlich zu verstehen, wobei es unschädlich sei, dass sich der Müll zum Zeitpunkt der Entsorgung in der Mülltonne und damit außerhalb der Wohnung befinde, weil die Mülltonne Zubehör des Grundstücks nach § 97 Abs. 1 BGB sei. Die Räumlichkeit sei aus Sicht des Leistungsempfängers zu beurteilen. Dies ergebe sich aus dem Dienstleistungscharakter der Leistung. Die Ursache für die zugrundeliegenden Leistungen werde durch den im Haushalt anfallenden Müll gesetzt. Für den Steuerpflichtigen stehe das Entfernen des Mülls aus seiner Wohnung im Vordergrund der Leistung. Geschehe eine Müllentfernung nicht, so werde seine Wohnsituation nachhaltig beeinträchtigt. Für die Entsorgung des Mülls würden die Kläger nur deshalb ein Entsorgungsunternehmen in Anspruch nehmen, weil ein entsprechender Anschluss- und Benutzungszwang bestehe. Ansonsten würden sie die Müllentsorgung anderweitig erledigen. Ohne Müll gebe es daher keine Transport- oder Verwertungsleistung.
    Die Kläger beantragen,
    den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 29.01.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.04.2010 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Aufwendungen für Müllabfuhr in Höhe von 195,37 € gemäß § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG festgesetzt wird.
    Der Beklagte beantragt,
    1. die Klage abzuweisen,
    2. hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Er ist der Auffassung, seine ablehnende Entscheidung sei, unter Verweis auf die Einspruchsentscheidung vom 30.04.2010 sowie auf das BMF-Schreiben vom 15. Februar 2010 Rz. 12 (IV C 4-S 2296-b/07/0003,2010/0014334 BStBl. I 2010, 140), wonach Aufwendungen nicht begünstigt seien, bei denen die Entsorgung im Vordergrund stehe, rechtmäßig.
    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2008 verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte hat zu Recht die Aufwendungen für die Müllabfuhr nicht als haushaltsnahe Dienstleistungen i. S. d. § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2008 (EStG) anerkannt.
    Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer auf Antrag um 20%, höchstens 600 €, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die diesem für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen entstanden sind und die nicht Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Aufwendungen für eine geringfügige Beschäftigung i.S. des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch darstellen und soweit sie nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt worden sind. Es sind nur die in den Aufwendungen enthaltenen Arbeitskosten berücksichtigungsfähig, § 35a Abs. 2 Satz 3 EStG.
    Die Frage, ob Müllgebühren eines öffentlichen Versorgungsträgers als haushaltsnahe Dienstleistungen im Rahmen des § 35a EStG zu berücksichtigen sind, ist bislang – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung noch nicht entschieden. In der Literatur wurde früher einmal die Meinung vertreten, dass Müllgebühren, soweit diese auf die Entleerung der Mülltonnen entfalle, begünstigt sein könnten (vgl. Schmidt/Drenseck EStG-Kommentar 28. Auflage 2009, § 35a Rz. 8).
    Der erkennende Senat ist allerdings der Auffassung, dass Müllgebühren bereits nach dem Wortlaut nicht unter das Tatbestandsmerkmal der "haushaltsnahen Dienstleistung", fallen. Der Begriff der haushaltsnahen Dienstleistungen wird weder in § 35a EStG noch einer anderen Vorschrift näher definiert und ist deshalb durch Auslegung zu ermitteln. Unter haushaltsnahen Dienstleistungen werden in der Rechtsprechung solche Leistungen verstanden, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG, also eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung aufweisen (vgl. z.B. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 29. Januar 2009 VI R 28/08, BFH/NV 2009, 823). Eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung besteht in räumlicher Hinsicht nur dann, wenn die Dienstleistung innerhalb der Grenzen des Grundstücks, in dem sich der Haushalt befindet, ausgeübt wird (vgl. Bundestag-Drucksachen 15/91, 19; 16/643, 10; Finanzgericht - FG - Münster, Urteil vom 21. Mai 2010 14 K 1141/08 E, EFG 2010, 1385). Nicht erfasst sind nach der Rechtsprechung die außerhalb dieses Bereichs erbrachten Leistungen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 25. Februar 2009 4 K 12315/06, EFG 2009, 761; FG Hamburg, Urteil vom 20. Januar 2009 3 K 245/08, DStRE 2009, 1177). Liegen gemischte Leistungen – wie hier das Abholen und die Verwertung des Mülls – vor, richtet sich die Einstufung, ob eine Leistung im Sinne des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG vorliegt, nach zutreffender Rechtsprechung des Thüringer FG (Urteil vom 13. Oktober 2005 II 165/05, EFG 2006, 121) nach der zugrundeliegenden Hauptleistung. Eine Aufspaltung in berücksichtigungsfähige und nicht berücksichtigungsfähige Aufwendungen, scheidet demnach aus, wenn die Hauptleistung nicht abzugsfähig ist (Thüringer FG, Urteil vom 13. Oktober 2005 II 165/05, a.a.O.).
    Den Klägern ist zwar zuzugeben, dass der Hausmüll im Haushalt anfällt und auch in unmittelbarer räumlicher Nähe hierzu abgeholt wird. Die Hauptleistung bzw. der Schwerpunkt der Leistung der Müllabfuhr ist aber nach Auffassung des Senats die Verarbeitung bzw. die Lagerung des Mülls. Diese Hauptleistung wird nicht innerhalb der Grundstücksgrenzen der Kläger ausgeübt. Sie findet vielmehr an den Entsorgungs- bzw. Verwertungsstellen des Entsorgungsunternehmens statt. Die Ausleerung sowie der Transport des Mülls stellen hingegen unselbständige Hilfsleistungen im Hinblick auf die durchgeführte Hauptleistung dar, die von der Hauptleistung grundsätzlich nicht getrennt werden können. Stellt man auf den Schwerpunkt bzw. die Hauptleistung ab, steht hiermit auch im Einklang, dass nach dem BMF-Schreiben vom 15. Februar 2010 (IV C 4-S 2296-b/07/0003,2010/0014334 BStBl. I 2010, 140 Rz. 12) eine Entsorgungsleistung unter § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG fallen kann, wenn es sich dabei lediglich um eine Nebenleistung zu einer nach dieser Vorschrift abzugsfähigen Hauptleistung, wie es z.B. beim Entsorgen von Gartenabfällen durch einen Gärtner der Fall wäre, handelt.
    Bestätigt sieht sich der Senat in seiner Ansicht auch im Hinblick auf eine grammatikalische Auslegung der Vorschrift. Der Begriff der Haushaltsführung ist neben dem Abstellen auf den rein räumlichen Aspekt auch im Hinblick auf die Haushaltsführung als solche auszulegen. Anhaltspunkte, was unter Haushaltsführung zu verstehen ist, gibt § 1356 Abs. 1 BGB (Fischer in Kirchhoff, EStG, 8. Auflage, § 35a Rdnr. 6). Demnach ist entscheidend, dass der Haushalt in eigener Verantwortung geführt wird (Palandt/Brudermüller, BGB, § 1356 Rdnr. 3). Die Entsorgung und Verwertung von Müll obliegt aber nicht dem freien und somit disponiblen Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen, sei er auch in dessen Haushalt angefallen und deshalb durch diesen veranlasst. Denn die Müllentsorgung ist nach § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG, § 9 Abs. 1 und Abs. 1a LAbfG in Verbindung mit der regionalen Abfallsatzung seinem Verantwortungsbereich entzogen. Für die Stadt A wird ein solcher Anschluss- und Benutzungszwang in § 6 Abs. 1 und 2 der Abfallsatzung der Stadt A (AbfS) geregelt. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anschluss- und Benutzungszwang, wonach jeder Eigentümer eines im Gebiet der Stadt A liegenden Grundstücks, auf dem Abfall zur Verwertung oder zur Beseitigung aus privaten Haushaltungen oder Abfall zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen anfallen kann, verpflichtet ist, sein Grundstück im Rahmen der AbfS an die Abfallentsorgung durch die Stadt A anzuschließen (Anschlusszwang) und die auf dem Grundstück oder sonst bei ihm angefallenen Abfälle der öffentlichen Abfallentsorgung zu überlassen (Benutzungszwang). Neben der Entsorgung der Abfälle beinhaltet der Benutzungszwang auch das Einsammeln und Befördern des Abfalls, § 6 Abs. 5 AbfS. Eine eigenverantwortliche Beförderung oder Entsorgung von Abfällen findet dagegen nur dann statt, wenn eine Ausnahme nach § 6 Abs. 5 oder 6 AbfS vorliegt oder auf einen gestellten Antrag eine entsprechende Befreiung nach § 7 Abs. 1 AbfS erteilt worden ist.
    Es ist weder ersichtlich, dass die Kläger Aufwendungen für die Entsorgung von Abfall geltend machen, der unter eine Ausnahme nach § 6 Abs. 5 oder 6 AbfS fällt, noch dass sie aufgrund eines von ihnen gestellten Antrags nach § 7 Abs. 1 AbfS von dem Benutzungszwang befreit sind. Aus demselben Grund sind wiederum auch die Nebenleistungen des Ausleerens der Müllbehälter sowie des Transports des Mülls nicht berücksichtigungsfähig. Denn diese Vorgänge sind in dem Anschluss- und Benutzungszwang enthalten.
    Einer Berücksichtigung von Müllgebühren im Rahmen des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG steht darüber hinaus nach Auffassung des Senats der Sinn und Zweck dieser Norm nach dem Willen des Gesetzgebers entgegen. Diese bestehen darin, einen Anreiz für Beschäftigungsverhältnisse im Privathaushalt zu schaffen und die Schwarzarbeit in diesem Bereich zu bekämpfen. Demnach fallen unter den Begriff der haushaltsnahen Tätigkeit unter anderem die Zubereitung von Mahlzeiten im Haushalt, die Reinigung der Wohnung des Steuerpflichtigen, die Gartenpflege und die Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern, Kranken, alten Menschen und pflegebedürftigen Personen (Bundestag-Drucksache 15/91, 19). Es stehen solche Leistungen im Vordergrund, welche die Mitglieder des Privathaushalts gewöhnlich selbst erledigen und für die ein selbständiger Dienstleister oder eine Dienstleistungsagentur in Anspruch genommen wird (BFH, Urteil vom 29. Januar 2009, a.a.O.). Kann die Leistung dagegen aufgrund eines gesetzlichen Anschluss- und Benutzungszwangs nicht selbst durchgeführt und aus diesem Grund auch nicht auf einen Dritten übertragen werden, so kann weder der Zweck der Bekämpfung der Schwarzarbeit noch die Schaffung eines Anreizes für ein Beschäftigungsverhältnis erfüllt werden. Würden auch solche Aufwendungen im Rahmen des § 35a EStG erfasst werden, bliebe unbeachtet, dass der Gesetzgeber mit dem Tatbestandsmerkmal "haushaltsnahe" Dienstleistungen eine Grenze für die Auslegung gezogen hat, um nicht jede Dienstleistung, soweit sie nur mit dem Haushalt oder der Führung eines Haushalts zusammenhängt, zu erfassen (vgl. Thüringer FG, Urteil vom 13. Oktober 2005, a.a.O.). Da § 35a EStG als Lenkungsnorm ausgestaltet ist, ist das Tatbestandsmerkmal "haushaltsnah" vielmehr grundsätzlich anhand der vorgenannten Kriterien eng auszulegen und hat sich an dem in der Gesetzesbegründung umschriebenen Förderzweck zu orientieren (Thüringer FG, Urteil vom 13. Oktober 2005 a.a.O.; FG München, Urteil vom 30. Juni 2005 5 K 2262/04, EFG 2005, 1612; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. September 2004, 4 K 2030/04, EFG 2004, 1769).
    Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    Die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.