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  • 13.03.2012 · IWW-Abrufnummer 121315

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 11.01.2012 – 2 K 1854/11

    Erledigt ein an mehreren Schulen auch als Fachberater tätiger Gymnasiallehrer, der nicht an jeder Schule über einen eigenen Arbeitsplatz verfügt, berufliche Tätigkeiten in einem Raum, der auch mit privaten Einrichtungsgegenstände ausgestattet ist, scheidet ein Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 und 3 EStG i. d. F. des JStG 2010 in Höhe von 1.250 EUR auch nach der Aufgabe des sog. Aufteilungsverbots durch den Beschluss des Großen Senats vom 21.9.2009 GrS 1/06 aus (Anschluss an FG Baden-Württemberg v. 2.2.2011, 7 K 2005/08; Entgegen FG Köln v. 19.5.2011, 10 K 4126/09).


    Im Namen des Volkes
    URTEIL
    In dem Finanzrechtsstreit
    hat der 2. Senat auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 11. Januar 2012 für Recht erkannt:
    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
    3. Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand
    Die Beteiligten streiten um die Frage, ob dem Kläger Werbungskosten wegen eines häuslichen Arbeitszimmers entstanden sind.
    Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Gymnasiallehrer (22 von 26 Wochenstunden), wobei er auch als Fachberater der Bildungsagentur für das Fach Geschichte an zwölf Gymnasien tätig war (4 von 26 Wochenstunden). Für beide Tätigkeiten steht ihm kein eigenes Arbeitszimmer zur Verfügung. Der Kläger bewohnt eine 70,60 m² große Zwei-Raum-Wohnung. Neben einem Zimmer mit 30,72 m² und einem mit 16,45 m² enthält die Wohnung eine Küche (7,52 m²), ein Bad (9,02 m²), einen Flur (4,90 m²) und einen Balkon (9,92 m²), der sich vor dem kleineren Zimmer befindet.
    In seinen Steuererklärungen gab der Kläger bei den Werbungskosten Fahrtkosten wegen seiner Tätigkeit als Fachberater wie folgt an:

    200816. Mai, 30. Mai, 11. Juni, 20. Juni und 18. August 2008
    200929. Januar, 3. Juli und 16. September 2009
    20104. Mai, 1. Juni und 16. September 2009
    Des Weiteren machte er den Pauschalbetrag von EUR 1.250 für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Der Beklagte setzte in den Streitjahren – 2008 wegen der anhängigen Verfahren hinsichtlich des Arbeitszimmers vorläufig – die Einkommensteuer für den Kläger jeweils ohne Berücksichtigung der Kosten für das häusliche Arbeitszimmer fest. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 10. November 2011 als unbegründet zurückwies.
    Der Kläger trägt vor, dass er für seine Unterrichtstätigkeit in den Fächern Deutsch und Geschichte sich umfassend vorbereiten müsse. Dazu zähle auch die Vorbereitung von Präsentationen, das Erstellen von Videoclips, Filmzuschnitte und vieles mehr. Er müsse verschiedenste Texte der Schüler korrigieren. In seiner Funktion als Fachberater sei er Bindeglied zwischen Schule und Bildungsagentur. Hier habe er u.a. Lehrpläne zu erstellen, so insbesondere die veränderten Pläne nach einer Lehrplanrevision in Sachsen. Hierzu gehöre auch die Organisation von Fachkonferenzen und Dienstbesprechungen. Soweit er nicht in verschiedenen Schulen tätig sei, arbeite er beruflich in seinem häuslichen Arbeitszimmer. Besuch bekomme er selten und wenn, würden die Gespräche berufliche Themen betreffen. Er sei geschieden und lebe allein. Entsprechend seiner gesellschaftlichen Stellung, seinen intellektuellen Ansprüchen und Interessen lebe er für seinen Beruf und ordne sein Tun und Handeln seinen beruflichen Interessen unter. Die gesamte Bibliothek bestehe aus Deutsch- und Geschichtsbüchern und sei im Schlafzimmer nicht unterzubringen. Einen reinen Fernsehabend kenne der Kläger nicht. Dafür sei keine Zeit vorhanden, es seien stets dringende Terminarbeiten im Zeitraum bis Mitternacht zu erledigen. Auf jeden Fall werde ein zeitlicher Prozentsatz von 10% an Privatnutzung des 30,72 m² großen Zimmers nicht überschritten.
    Der Kläger beantragt sinngemäß,
    den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 16. Februar 2010 sowie für 2009 und 2010, jeweils vom 30. Mai 2011, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. November 2011, dahingehend zu ändern, dass jeweils weitere Werbungskosten von EUR 1.250 berücksichtigt werden.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Der Beklagte trägt vor, dass das Arbeitszimmer nicht ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflichen Zwecken diene. Es sei nicht glaubhaft, dass ein ca. 31 m² Zimmer, das die Größe des Wohn/Schlafzimmers bei Weitem übersteige, ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt werde. Auch spreche die Einrichtung mit Sofa und Fernsehgerät gegen die Anerkennung als Arbeitszimmer.
    Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die dem Gericht übersandten Steuerakten sowie – insbesondere wegen der weiteren Angaben des Klägers – das Protokoll vom 11. Januar 2012 Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage ist unbegründet.
    I.
    Gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 1 EStG, der für Werbungskosten bei Überschusseinkünften sinngemäß gilt (§ 9 Abs. 5 EStG), sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie Kosten der Ausstattung grundsätzlich nicht abzugsfähig. Dies gilt nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes – JStG – 2010 vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I 2010 S. 1768, BStBl I 2010, 1394) nur für den Fall nicht, dass für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf EUR 1.250 begrenzt; diese Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet. Die gesetzliche Neuregelung ist gemäß § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG (i.d.F. des JStG 2010) rückwirkend erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden, sie gilt damit auch für die Streitjahre.
    Ein vollständiger Werbungskostenabzug steht dem Kläger nicht zu, da er als Lehrer zumindest für 22 Wochenstunden an der Schule tätig ist und auch seine Aufgabe als Fachberater teilweise vor Ort erbringt: Damit liegt nicht der gesamte Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit in einem häuslichen Arbeitszimmer.
    Aufgrund der Bestätigungen der X-Schule vom 6. Oktober 2011 und der Bildungsagentur vom 14. Oktober 2011 ist davon auszugehen, dass dem Kläger für die mit der Tätigkeit als Lehrer und Fachberater verbundenen Arbeiten dort jeweils kein eigener Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Es ist wegen der vom Kläger näher beschriebenen Aufgaben davon auszugehen, dass er beruflich veranlasste Tätigkeiten in einem häuslichen Arbeitszimmer erbringt. Bei dem Begriff des häuslichen Arbeitszimmers handelt es sich um einen Typusbegriff, der im Gesetz nicht näher bestimmt ist. Danach lässt sich nicht allgemein entscheiden, ob ein Raum als häusliches Arbeitszimmer anzusehen ist. Denn aus dem Wesen des Typus des „häuslichen Arbeitszimmers” folgt, dass seine Grenzen fließend sind und dass es Übergangsformen gibt. Der jeweilige Sachverhalt muss dem Typus des „häuslichen Arbeitszimmers” wertend zugeordnet werden. Entscheidend ist dabei das sich aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls aus den konkreten Verhältnissen ergebende Gesamtbild (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. November 2006, BStBl II 2007, 304). Danach ist ein häusliches Arbeitszimmer ein Raum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer bzw. -organisatorischer Arbeiten dient (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. September 2002, BStBl II 2003, 139). Der typische Fall eines „häuslichen Arbeitszimmers” ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs das häusliche Büro, wobei das zentrale Möbelstück des jeweiligen Raumes der Schreibtisch sein sollte (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9. August 2011, VIII R 4/09 zitiert nach juris m.w.N.). Darüber hinaus sollte das häusliche Arbeitszimmer mit Bücher- und Aktenschränken bzw. -regalen, Aktenbock und ähnlichen „Büromöbeln” sowie mit Büchern, Aktenordnern, Schreibmaschinen, Computern und ähnlichen Arbeitsmitteln ausgestattet sein (Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 6. April 2011, EFG 2011, 1416 m.w.N.).
    Die nach der Rechtsprechung erforderliche klare Abgrenzung zwischen dem privaten Wohnbereich des Steuerpflichtigen und dem Arbeitszimmer liegt vor (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 16. August 2005, BFH/NV 2005, 2006), da es sich um einen abgeschlossenen Raum handelt. Das Arbeitszimmer wird aber nicht aufgrund seiner Ausstattung nach so gut wie ausschließlich zu beruflichen Zwecken genutzt (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. November 2006, BStBl II 2007, 308). Nach den vorliegenden Lichtbildern ist das ca.30 m² große Zimmer zu einem Teil mit Regalen, einem Bücherschrank und einem Schreibtisch sowie zu einem anderen Teil mit einem Sofa, einem Fernseher und einem Beistelltisch ausgestattet. Schon diese Ausstattung, die unabhängig von der vom Kläger vorgetragenen zeitlichen Nutzung zu berücksichtigen ist, stellt keine ausschließliche Nutzung als Arbeitszimmer dar. Hinzutritt, dass ein wesentliches Arbeitsmittel des Klägers, nämlich der Computer, sich nicht in diesem Zimmer, sondern in dem anderen Raum befindet.
    Auf eine Einvernahme der Zeugin R, unabhängig von der Frage, ob die in ihr Wissen gestellten Tatsachen darüber Beweis führen könnten, wie viel und wo der Kläger in ihrer Abwesenheit beruflich tätig ist, kam es daher nicht an, da die Lichtbilder die Einrichtung der Wohnung des Klägers wiedergeben.
    Soweit das Finanzgericht Köln (Urteil vom 19. Mai 2011, EFG 2011, 1410) die Auffassung vertritt, dass nach Aufgabe des Aufteilungsverbots (Beschluss des Großen Senats vom 21. September 2009, BStBl II 2010, 672) auch zwischen der Nutzung zum Wohnen und zum Arbeiten eine Aufteilung vorgenommen werden könne, kann sich der Senat dieser nicht anschließen, sondern folgt derjenigen des Finanzgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 2. Februar 2011, EFG 2011, 1055). Erforderlich für eine Aufteilung ist, dass zwischen dem zu schätzenden Anteil von privater zu beruflicher Nutzung eine klare und eindeutige Abgrenzbarkeit möglich wäre. Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob eine Abgrenzung nach räumlicher oder zeitlicher Nutzung zu erfolgen hat. Bei einer Aufteilung nach dem Umfang der Einrichtung ist die Aufteilung schwierig, wenn – wie etwa hier – die Einrichtungsgegenstände sich nicht nur in einem abgrenzbaren Bereich befinden. Bei der zeitlichen Betrachtung kann z.B. im vorliegenden Fall der Senat nicht feststellen, in welchem Umfang der Kläger das Schlafzimmer zu Arbeitszwecken nutzt und in welchem das andere Zimmer. Aber auch dann, wenn nur ein Zimmer genutzt wird, widerspräche es der Pauschalisierung, eine Aufteilung nach zeitlicher Nutzung vorzunehmen. Bei der Regelung in § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 1 EStG handelt es sich um eine Pauschalisierung. Wenn nach der Einrichtung ein häusliches Arbeitszimmer vorliegt und der Steuerpflichtige dies benötigt, weil ihm insoweit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, hat er Anspruch auf die Pauschale, unabhängig davon, wie viel Zeit er in dem Raum verbringt.
    II.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. FGO. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, da das Finanzgericht Köln (a.a.O.) bezüglich der Anwendung des Aufteilungsverbotes eine andere Auffassung vertritt.

    VorschriftenEStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b, EStG § 52 Abs. 12 S. 9, EStG § 9 Abs. 5, EStG § 12 Nr. 1, JStG 2010