17.10.2012 · IWW-Abrufnummer 123161
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 15.08.2012 – 7 K 7310/10
1. Der Anschluss eines Grundstücks, das zuvor durch einen Brunnen versorgt und durch eine Grube entsorgt wurde, an zentrale Trinkwasserver- und Abwasserentsorgungsanlagen ist eine Modernisierung i. S. d. § 35a Abs. 2 S. 2 EStG.
2. Die Steuerermäßigung nach § 35a EStG ist nicht auf Leistungen beschränkt, die genau innerhalb der räumlichen Grenzen des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundstücks erbracht werden. Vielmehr sind Erschließungsleistungen auch begünstigt, soweit die Arbeiten auf öffentlichem Straßenland vor dem Grundstück durchgeführt wurden.
3. Dem Abzug der begehrten Ermäßigungen steht nicht entgegen, dass die Anschlusskosten den Klägern von einem Träger öffentlicher Gewalt durch Verwaltungsakt auferlegt wurden.
FG Berlin-Brandenburg v. 15.08.2012
7 K 7310/10
Tatbestand:
Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger erwarben mit Kaufvertrag vom 20.12.2001 das Grundstück C …-straße 4 in D … und errichteten darauf in 2002 ein Einfamilienhaus, das sie seit der Fertigstellung für eigene Wohnzwecke nutzten. Zunächst wurde das Objekt durch einen Brunnen mit Trinkwasser versorgt. Das Abwasser wurde über eine Grube entsorgt.
Ab 2005 schloss der zuständige Zweckverband das Grundstück an zentrale Anlagen der Trinkwasserversorgung und der Abwasserentsorgung an. Für die Herstellung der Hausanschlüsse setzte der Zweckverband gegenüber den Klägern mit Bescheiden vom 20.06.2007 und 21.06.2007 Kostenersatzbeträge in Höhe von 910,21 EUR und 651,99 EUR fest, die die Kläger am 31.07.2007 durch Überweisung von ihrem Bankkonto beglichen. Nach den vom Beklagten nicht bestrittenen Angaben der Kläger sind ferner Kosten für die Installation eines Wasserzählers in Höhe von 58,75 EUR entstanden, die ebenfalls durch Überweisung getilgt wurden.
Die o.g. Aufwendungen machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung 2007 als Handwerkerleistungen i.S. des § 35a Einkommensteuergesetz – EStG – geltend, ohne dafür Belege beizufügen. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2007 mit Bescheid vom 13.02.2009 fest und ließ dabei wegen der fehlenden Belege die Aufwendungen i.S. des § 35a EStG außer Ansatz.
Daraufhin beantragten die Kläger unter Vorlage von Kontoauszügen den Einkommensteuerbescheid zu ändern und die Aufwendungen i.S. des § 35a EStG zu berücksichtigen. Der Beklagte lehnte diesen Antrag ab, da er der Auffassung war, dass Handwerkerleistungen nicht nach § 35a EStG begünstigt seien.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein, dem der Beklagte mit Bescheid vom 05.08.2009 teilweise abhalf, indem er Aufwendungen für die Heizungswartung und den Schornsteinfeger in Höhe von 160,– EUR berücksichtigte. Im Übrigen wies er mit Einspruchsentscheidung vom 17.09.2010 den Einspruch als unbegründet zurück, da die Steuerermäßigung nach § 35a EStG für hoheitliche Maßnahmen nicht in Betracht komme. Die Vorschrift sei in erster Linie geschaffen worden, um die Schwarzarbeit zu bekämpfen und einen Anreiz für mehr Beschäftigung im haushaltsnahen Bereich zu bieten. Eine hoheitliche Maßnahme könne diesem Zweck nicht dienen, da diese öffentlich-rechtliche Aufgaben verfolge.
Daraufhin haben die Kläger am 20. 10 .2010 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vortragen, nach den Erlassen der Finanzverwaltung seien die streitigen Aufwendungen begünstigt.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 16.03.2009 und 05.08.2009 und der Einspruchsentscheidung vom 17.09.2010 zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 05.08.2009 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Aufwendungen für Handwerkerleistungen i.S. des § 35a EStG in Höhe von 1.620,95 EUR festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage unter Hinweis auf seine Einspruchsentscheidung für unbegründet und trägt ergänzend vor, dass die Arbeiten ganz oder teilweise auf öffentlichem Straßenland durchgeführt worden und daher nicht begünstigt seien. Ferner sei nicht erkennbar, in welchem Umfang die erhobenen Beiträge auf Arbeitskosten entfielen.
Mit Verfügung vom 22.09.2011 hat das Gericht den Klägern (zuletzt mit Frist bis zum 01.11.2011) aufgegeben darzulegen, wie groß der Anteil der auf dem Grundstück der Kläger ausgeführten Arbeitsleistungen am gesamten durch den Hausanschlussbeitrag abgegoltenen Leistungen war, und dies durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachzuweisen. Darauf haben sich die Kläger in der Sache nicht geäußert.
Dem Gericht haben eine Heftung Einkommensteuervorgänge, die unter der Steuer-Nr. …/…/… geführt werden, und eine Einheitswertakte, die unter der Steuer-Nr. …/…/…/… geführt wird, vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht übt das ihm gemäß § 94a Finanzgerichtsordnung – FGO – eingeräumte Ermessen dahin gehend aus, dass es ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt ist schriftsätzlich eingehend erörtert worden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Erörterung durch eine mündliche Verhandlung weiter gehend gefördert werden könnte. Die Beteiligten haben trotz eines entsprechenden Hinweises keine mündliche Verhandlung beantragt.
Die Klage ist teilweise begründet.
Die Kläger werden durch die Ablehnung der begehrten Änderung verletzt, soweit der Beklagte die Berücksichtigung von Handwerkerleistungen i.S. des § 35a EStG in Höhe von 973,– EUR versagt. Der Beklagte war nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a Abgabenordnung verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid vom 13.02.2009 bzw. 05.08.2009 im vorgenannten Umfang zu ändern. Die gegenteiligen Ablehnungsbescheide vom 16.03.2009 und (konkludent mit dem Einkommensteuerbescheid einhergehend) vom 05.08.2009 sind aufzuheben.
Nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, um 20 %, höchstens um 600 EUR. Nach § 35a Abs. 2 Satz 3 EStG gilt die Ermäßigung nur für Arbeitskosten.
Aus dem Merkmal „im Haushalt” folgt, dass Handwerkerleistungen nur begünstigt sind, wenn sie im räumlichen Bereich eines vorhandenen Haushalts erbracht werden, wozu auch der damit verbundene Grund und Boden gehört (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 13.07.2011 VI R 61/ 10 , Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 234, 391, BStBl 2012 II S. 232).
Im Streitfall war vor den Jahren 2005 – 2007 bereits ein Haushalt auf dem Grundstück der Kläger vorhanden, so dass jedenfalls die auf dem Grundstück der Kläger durchgeführten Bauarbeiten als Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in Betracht kamen.
Ferner stellt sich der Anschluss an zentrale Ver- und Entsorgungsanlagen als Modernisierung im Sinne des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG dar. Es handelt sich nicht um Maßnahmen der erstmaligen Herstellung, da das Grundstück zuvor durch einen Brunnen versorgt und durch eine Grube entsorgt wurde.
Entgegen der Auffassung des Beklagten beschränkt sich die Steuerermäßigung nach § 35a EStG nicht auf Leistungen, die genau innerhalb der räumlichen Grenzen des Grundstücks erbracht werden. Vielmehr sind die streitigen Erschließungsleistungen auch insoweit begünstigt, als die Arbeiten auf öffentlichem Straßenland vor dem Grundstück der Kläger durchgeführt wurden. Der gegenteiligen Auffassung des Finanzgerichts – FG-Köln (Urteil vom 26.01.2011 4 K 1483/ 10 , Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG-2011, 978) folgt das Gericht nicht. Es sieht demgegenüber die erforderliche räumliche Verbindung zum Haushalt noch dadurch als gegeben an, dass es sich um eine einheitliche, die Grundstücksgrenze überschreitende Anlage handelt, die exklusiv dem Grundstück der Kläger dient und auch in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zum Grundstück der Kläger steht. Der Fall ist nicht vergleichbar mit einer nicht mit dem Grundstück des Steuerpflichtigen verbundenen Notrufzentrale ( FG Hamburg, Urteil vom 20.01.2009 3 K 245/08, Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst – DStRE – 2009, 1177) oder Grabstelle (Niedersächsisches FG, Urteil vom 25.02.2009 4 K 12315/06, EFG 2009, 761).
Entgegen der Auffassung des Beklagten steht dem Abzug der begehrten Ermäßigungen auch nicht entgegen, dass die Anschlusskosten den Klägern von einem Träger öffentlicher Gewalt durch Verwaltungsakt auferlegt wurden. Dem Wortlaut des § 35a Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG lässt sich eine derartige Einschränkung nicht entnehmen. Die Vorschrift stellt allein auf die Art der durchgeführten Arbeiten ab, nicht darauf, wer sie erbringt. Auch aus der Entstehungsgeschichte lässt sich eine solche Einschränkung nicht rechtfertigen. Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG 2007 geht zurück auf das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26.04.2006 (Bundesgesetzblatt I 2006, 1091). Dieses Gesetz wiederum geht zurück auf einen Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 14.02.2006 (Bundestags-Drucksache-BT-Drs.-16/643). In der Begründung dieses Gesetzesentwurfs wird ausgeführt, dass die neu eingeführte Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG der Förderung von Wachstum und Beschäftigung diene (BT-Drs.16/643, 10 ). Beschäftigungseffekte werden jedoch auch dann ausgelöst, wenn eine öffentlich-rechtliche Körperschaft als Leistungserbringer gegenüber den Abnehmern auftritt, da sie die durchgeführten Arbeiten entweder mit eigenen Arbeitnehmern erledigen oder – wie wohl im Streitfall – dafür gewerbliche Unternehmen beauftragen muss. Zwar lässt sich der auch für Handwerkerleistungen geltenden Regelung des § 35a Abs. 2 Satz 5 EStG, nach der der Steuerpflichtige die Aufwendungen durch Vorlage einer Rechnung und eines Zahlungsbeleges eines Kreditinstituts nachweisen muss, entnehmen, dass die Regelung auch der Bekämpfung der Schwarzarbeit dient. Dem lässt sich jedoch andererseits nicht entnehmen, dass nur Aufwendungen aus schwarzarbeitgefährdeten Branchen oder von für Schwarzarbeit anfälligen Gruppen von Unternehmern begünstigt sein sollen.
Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen nicht allein Arbeitskosten im Sinne des § 35a Abs. 2 Satz 3 EStG umfassen. Vielmehr geht der Bau von Hausanschlüssen für Trinkwasser und Abwasser mit dem Verbrauch von Rohr- und Dichtungsmaterialien einher. Welchen Anteil der Materialaufwand am Gesamtaufwand ausmacht, kann das Gericht nur griffsweise schätzen, da die Kläger trotz wiederholter Aufforderung dazu keine sachdienlichen Angaben gemacht und keine erhellenden Unterlagen vorgelegt haben. Das Gericht geht zwar davon aus, dass die mit der Herstellung der Hausanschlüsse verbundenen Tiefbauarbeiten höhere Arbeitskosten als Materialkosten nach sich gezogen haben. Dass diese Materialkosten jedoch von gänzlich untergeordneter Bedeutung sind, kann das Gericht andererseits nicht unterstellen. Daher schätzt es den Anteil der Arbeitskosten am Gesamtaufwand auf 60 %. Bei streitigen Aufwendungen von 1.620,95 EUR entfallen 973 EUR auf Arbeitskosten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § § 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10 , 711 Zivilprozessordnung – ZPO – analog.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, da bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu vorliegt, ob Arbeiten im räumlichen Zusammenhang mit, jedoch außerhalb eines Wohngrundstücks nach § 35a EStG begünstigt sind.