20.11.2012
Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 22.02.2012 – 2 K 1679/08
1. Für die betriebliche Nutzung eines PKW, welcher dem Betriebsvermögen des Ehegatten zuzuordnen ist, kann der andere Ehegatte in seiner Gewinnermittlung keine Betriebsausgaben geltend machen.
2. Beabsichtigt der die – Pkw-Aufwendungen – zahlende Ehegatte nicht mit Drittleistungswillen die Schulden des anderen Ehegatten zu tilgen (sondern die eigenen Schulden), ist der sog. Drittaufwand nicht abzugsfähig.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt – 2. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. Februar 2012 durch den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Weber als Vorsitzender, den Richter Pröve, den Richter am Finanzgericht Schulz, den ehrenamtlichen Richter Herr … und die ehrenamtliche Richterin Frau …
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin für die unentgeltliche Nutzung eines Fahrzeugs, welches zum Betriebsvermögen des Ehemanns der Klägerin gehört, Betriebsausgaben ansetzen darf.
Der Ehemann der Klägerin betreibt einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Zum Betriebsvermögen des Ehemanns gehört ein PKW der Marke Mazda. Die Klägerin betreibt einen Veranstaltungsservice. Im Betriebsvermögen der Klägerin befand sich kein Fahrzeug. Im Privatvermögen der Klägerin und ihres Mannes befand sich in den Streitjahren ein Ford Transit.
Die Klägerin hatte in den Gewinnermittlungen der Streitjahre Reisekosten für die Nutzung eines Fahrzeugs mit 0,30 EUR je km als Betriebsausgabe angesetzt. Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) hatte den von der Klägerin für die Streitjahre erklärten Gewinn jeweils erklärungsgemäß festgestellt.
Das Finanzamt … führte sowohl beim Ehemann der Klägerin als auch bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 2001 bis 2003 durch. Während der Betriebsprüfung beim Ehemann erklärte dieser, dass die Klägerin für berufliche Fahrten den Ford Transit genutzt habe. Der Prüfer konnte jedoch anhand der Fahrleistung des Ford Transit ermitteln, dass die Klägerin auch andere Fahrzeuge für ihre gewerbliche Tätigkeit genutzt haben musste. Der Ehemann der Klägerin räumte daraufhin ein, dass die Klägerin für ihre betrieblichen Fahrten auch den in seinem Betriebsvermögen befindlichen Mazda genutzt hatte. Im Rahmen der Schlussbesprechung der Prüfung bei der Klägerin erklärte diese, dass sie für ihre gewerbliche Tätigkeit neben dem Mazda und dem Ford Transit auch andere Fahrzeuge von Verwandten und Bekannten genutzt habe. Der Prüfer ging daraufhin davon aus, dass die Klägerin die betrieblich zurückgelegte Fahrstrecke, soweit diese nicht durch die Fahrleistung des Ford Transit abgedeckt war, zur Hälfte mit dem Mazda des Ehemanns zurückgelegt hatte, und kürzte die Betriebsausgaben der Klägerin entsprechend. Er begründete die Kürzung damit, dass die Klägerin selbst keine Aufwendungen für die Nutzung des Fahrzeugs des Ehemanns getragen habe. Nachrichtlich ermittelte der Prüfer auch die Kürzung für die Jahre 2004 und 2005.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Beträge:
2001 | 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | |
Gewerbliche km der Klägerin | 5.682 km | 11.639 km | 10.812 km | 12.051 km | 4.273 km |
Fahrleistung Ford Transit | -2.983 km | -5.812 km | -6.096 km | -5.913 km | -2.895 km |
Differenz | 2.699 km | 5.827 km | 4.716 km | 6.138 km | 1.378 km |
Davon 50% (= Fahrten Mazda) | 1.350 km | 2.914 km | 2.358 km | 3.069 km | 689 km |
Kürzung des Aufwands bei der Klägerin (50 % der Differenz × 0,3 EUR) | 405,00 EUR | 874,20 EUR | 707,40 EUR | 920,70 EUR | 206,70 EUR |
Beim Ehemann der Klägerin hatte der Prüfer neben der 1%-Regelung für die private Nutzung des Fahrzeugs auch eine Nutzungsentnahme für die betriebliche Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin berücksichtigt.
Zur Begründung der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, die Kürzung der Reisekosten führe zu einer steuerlichen Doppel(nicht)berücksichtigung, da die Nutzung des Fahrzeugs beim Ehemann der Klägerin erfolgswirksam berücksichtigt worden sei. Es könne nicht sein, dass der Ehemann die Nutzung zu versteuern habe, sie aber keine Aufwendungen geltend machen könne. Im vorliegenden Fall handele es sich letztlich um einen abgekürzten Vertragsweg. Aufwendungen könnten auch dann „abgezogen werden, wenn sie von einem Dritten zuvor geschenkt wurden oder – statt den Geldbetrag unmittelbar zu geben – in seinem Einvernehmen die Schuld getilgt wird”. Die Aufwendungen seien der Klägerin zuzurechnen, da „die Verträge (teilweise) im Interesse der Klägerin abgeschlossen” worden seien.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin eine Niederschrift vom 21. Februar 2012 über die mündliche Vereinbarung vom 1. Februar 2000 betreffend die Nutzung des PKW Mazda vorgelegt. Danach darf die Klägerin den Mazda für ihren gewerblichen Betrieb nutzen. Als Gegenleistung hat die Klägerin die Aufwendungen für den Haushalt und für die Versorgung der Familie zu tragen.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über die gesonderte Feststellung des Gewinns für die Jahre 2001 bis 2005 vom 24. Januar 2008 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 27. Oktober 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt das FA vor, es liege nicht abzugsfähiger Drittaufwand vor. Der Betrieb des Ehemanns habe alle Kosten getragen, die mit dem Mazda im Zusammenhang stünden. Der Ehemann sei Versicherungsnehmer gewesen und habe die Kfz-Steuer getragen. Von einem abgekürzten Zahlungsweg könne nicht ausgegangen werden. Der Ehemann bleibe mit den Anschaffungskosten und allen laufenden Betriebsausgaben des PKW belastet.
Ebenso wenig könne davon ausgegangen werden, dass ein abgekürzter Vertragsweg vorliege. Der Ehemann der Klägerin sei Halter und Versicherungsnehmer des PKW Mazda. Es sei nicht erkennbar, dass der Ehemann der Klägerin einen diesbezüglichen Vertrag für die Klägerin „vorgelagert übernommen” hätte.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht in ihren Rechten verletzt.
Nach § 4 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Zwar ergibt sich aus dieser Vorschrift nicht, wer die durch den Betrieb veranlassten Aufwendungen getragen haben muss. Nach den für die Gewinnermittlung geltenden allgemeinen Grundsätzen muss jedoch jeder Aufwand, der in der Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigt werden soll, das Eigenkapital des Steuerpflichtigen mindern. Deshalb darf jeder Steuerpflichtige bei der Gewinnermittlung nur die ihm persönlich zuzurechnenden Einnahmen und Aufwendungen ansetzen. Danach kann die Klägerin keine pauschalen Kosten für die betriebliche Nutzung des Fahrzeugs des Ehemanns in ihrer Gewinnermittlung als Betriebsausgaben absetzen, denn es handelt sich hierbei – aus ihrer Sicht – um sog. Drittaufwand. Darunter ist ein Aufwand zu verstehen, der durch die Einkunftserzielung des Steuerpflichtigen veranlasst ist, den dieser jedoch nicht – auch nicht im Wege eines verkürzten Vertrags- und Zahlungsweges – getragen hat, sondern ein Dritter (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 7. Juni 2000 III R 82/97, BFH/NV 2000, 1462 m.w.N.). In Bezug auf den Mazda hat nicht die Klägerin, sondern ihr Ehemann die mit dem Fahrzeug verbundenen Aufwendungen getragen.
Zwar ist es in bestimmten Fällen möglich, dass der Steuerpflichtige Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten geltend machen kann, obwohl er diese nicht (unmittelbar) getragen hat. Hat ein Dritter dem Steuerpflichtigen ein Geldbetrag zugewendet und dieser davon Betriebsausgaben bezahlt, steht dem Steuerpflichtigen der Betriebsausgabenabzug zu. Gleiches soll in den Fällen der Verkürzung des Zahlungsweges gelten, z.B., wenn ein Dritter Werbungskosten trägt, anstatt dem Steuerpflichtigen den Geldbetrag hierfür vorher zu schenken (vgl. BFH-Urteil vom 15. Januar 2008 IX R 45/07 BStBl 2008, 572 m.w.N. und Heinicke in Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. 500 bis 503).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der vorliegende Fall jedoch mit dem vom BFH mit Urteil vom 15. Januar 2008 IX R 45/07 entschiedenen Fall nicht vergleichbar. In dem dortigen Fall beauftragte ein Dritter einen Handwerker mit der Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen und bezahlte die entstandenen Kosten. Bei der Verkürzung des Zahlungsweges soll der Zahlende mit „Drittleistungswillen dessen Schuld tilgen” wollen (Heinicke in Schmidt § 4 Rz. 503). Hiervon kann nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall keine Rede sein. Der Ehemann der Klägerin hat Steuer, Versicherung und Anschaffungskosten sowie laufende Betriebskosten nicht getragen, um die Schuld eines anderen zu tilgen, sondern um seine eigenen Schulden zu tilgen. Denn der Ehemann der Klägerin wollte das Fahrzeug selbst nutzen und hat es tatsächlich auch selbst genutzt. Lediglich daneben durfte auch die Klägerin das Fahrzeug nutzen.
Der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Niederschrift vom 21. Februar 2012 über eine mündliche Vereinbarung vom 1. Februar 2000 misst der Senat keine entscheidungserhebliche Bedeutung bei. Es bestehen aus Sicht des Senats ganz erhebliche Zweifel, ob eine solche Vereinbarung im Februar 2000 tatsächlich geschlossen wurde. Die Klägerin hat weder während der Betriebsprüfung, noch im Einspruchsverfahren die erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Vereinbarung erwähnt, obwohl dies geboten gewesen wäre, weil der Prüfer und das FA die Auffassung vertreten hatten, dass die Klägerin die Aufwendungen des Fahrzeugs nicht getragen hat und auch keine Gegenleistung erbracht hat. Außerdem erscheint dem Senat die gegenseitige Leistungsbeschreibung zu ungenau. Weder ist der Umfang der Fahrzeugüberlassung näher geregelt, noch die wertmäßige Höhe der Gegenleistung („Aufwendungen für den Haushalt und die Versorgung der Familie”). Ebenso fehlt jegliche Regelung für die dauerhafte Sicherung der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung.
Das FA durfte die angefochtenen Bescheide schließlich auch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern. Für das FA war der Umstand, dass die Klägerin für ihre betrieblichen Fahrten das Fahrzeug des Ehemanns unentgeltlich nutzt, eine neue Tatsache im Sinne dieser Vorschrift.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.