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  • 06.12.2012

    Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 09.10.2012 – 1 K 164/11

    Die Häuslichkeit beruflich genutzter Räumlichkeiten bestimmt sich danach, ob sie sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als dem Wohnbereich und damit der privaten Lebenssphäre des Steuerpflichtigen zugehörig darstellen. In die häusliche Sphäre eingebunden ist ein Arbeitszimmer regelmäßig nur dann, wenn es sich in einem Raum befindet, der unmittelbar zur privat genutzten Wohnung bzw. zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen (einschließlich der Zubehörräume wie Abstell-, Keller- und Speicherräume) gehört. Davon ist auszugehen, wenn die Räumlichkeiten aufgrund der unmittelbaren räumlichen Nähe mit den privaten Wohnräumen des Steuerpflichtigen als gemeinsame Wohneinheit verbunden sind.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob die Arbeitszimmer der Kläger als „häusliche” zu beurteilen sind.

    Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Personenschützer, die Klägerin als Grafikerin nichtselbständig tätig. Hierfür stehen Ihnen bei ihren Arbeitgebern Arbeitsplätze zur Verfügung.

    Die Kläger mieteten ab 01.04.2006 eine Wohnung im Zweifamilienhaus A-Straße, A-Stadt. Hierzu gehörten im Erdgeschoss ein Wohn- und Esszimmer, jeweils ein Schlaf-, Gäste- und Kinderzimmer sowie Küche, Bad und WC. Die Erdgeschossräume waren über ein Treppenhaus von außen zugänglich. Der Mietvertrag erstreckte sich auch auf drei Kellerräume, wobei einer als Lager für die Wohnung und zwei als jeweils 15 qm große Arbeitszimmer mit Schreibtisch, Stuhl, Regal und Personalcomputer eingerichtet waren. Im Kellergeschoss befanden sich daneben noch ein Waschraum, ein Heizraum mit Öllager, ein Anschlussraum und ein WC. Ein weiterer Lager- und ein Wohnraum waren für die weitere Wohnung im Obergeschoss des Hauses bestimmt. Der Zugang zu diesen Kellerräumen erfolgte ebenfalls über das Treppenhaus und den Kellerflur. Die Wohnfläche der Räume im Erdgeschoss betrug lt. Mietvertrag 130 qm.

    Im Obergeschoss des Zweifamilienhauses befand sich eine ähnlich große Wohnung wie im Erdgeschoss mit Wohn- und Esszimmer, einem Schlaf- und zwei Kinderzimmern sowie Bad, Küche und Speisekammer. Diese Wohnung war ebenfalls über das Treppenhaus zugänglich. Da der Eigentümer diese Obergeschosswohnung zur möglichen Nutzung seines Sohnes vorgesehen hatte, stand diese seit dem Umbau des Hauses im Jahr 2004 leer.

    Der Kläger nutzte eines der Arbeitszimmer im Kellergeschoss zur Erstellung von Sicherheitskonzepten, Schwachstellenanalysen, zu Schulungsvorbereitungen und Reisekostenabrechnungen im Rahmen seiner nichtselbständigen Tätigkeit. Die Klägerin nutzte das andere Arbeitszimmer im Kellergeschoss zur Weiterbildung und Erstellung von Grafiken sowie ausnahmsweise um für ihren Arbeitgeber Arbeiten fertig zu stellen.

    Nach § 4 des Mietvertrages entfiel die Kaltmiete von 850 € mit 690 € auf die Wohnung, mit 100 € auf die zwei Kellerräume und mit 60 € auf eine Doppelgarage. Aus den sonstigen Vereinbarungen zum Mietvertrag ergibt sich noch, dass die beiden zusätzlichen Kellerräume separat gekündigt werden konnten, wodurch die Kaltmiete sich um 100 € mindern würde.

    Die Kläger beantragten in ihrer Einkommensteuererklärung 2009 jeweils 827 € als Werbungskosten bei nichtselbständiger Tätigkeit für die zwei Räume im Kellergeschoss. Diese Beträge errechneten sich aus der anteiligen Miete, anteiliger Nebenkostenpauschale und anteiligen Stromkosten. Das Finanzamt ließ diese Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid vom 29.06.2010 unberücksichtigt, da die Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer greife und andere Arbeitsplätze zur Verfügung stünden. Als Werbungskosten bei nichtselbständiger Tätigkeit zog es lediglich 4.147 € bzw. 2.164 € ab. Die Kläger legten erfolglos Einspruch ein. Die Einspruchsentscheidung erging am 12.01.2011.

    Die Kläger haben Klage erhoben und vorgetragen, dass es sich um außerhäusliche Arbeitszimmer handle. Die weiteren Kellerräume seien zusätzlich angemietet worden, nicht mit der Wohnung verbunden, nur über das öffentliche Treppenhaus erreichbar und deshalb nicht in die häusliche Sphäre eingebunden.

    Die Wohnung im Obergeschoss werde ab und zu im Auftrag des Vermieters von einer Putzfrau geputzt, insbesondere weil sich im August 2012 herausgestellt habe, dass der Sohn des Vermieters die Wohnung nicht nutzen werde und deshalb in letzter Zeit Besichtigungen von Mietinteressenten stattfänden. In früheren Jahren sei seltener geputzt worden. Die Gartenpflege erfolge durch einen vom Vermieter beauftragten Gärtner, der die Toilette im Keller ab und zu nutze. Diese werde auch ab und zu von der Putzfrau gereinigt. Auch der Vermieter habe einen Schlüssel für das Haus und komme manchmal, um nach dem Rechten zu sehen.

    Die Kläger haben beantragt, den Einkommensteuerbescheid vom 29.06.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.01.2011 dahin zu ändern, dass für jeden der Ehegatten zusätzliche Werbungskosten aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 827 € berücksichtigt werden.

    Das Finanzamt hat beantragt, die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung hat es angeführt, dass die als Arbeitszimmer genutzten Kellerräume zur Wohnung der Kläger gehörten. Das Zweifamilienhaus werde ausschließlich von der Familie der Kläger bewohnt. Die Kellerräume seien vom selben Vermieter angemietet worden.

    Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens wird auf die Steuer- und Finanzgerichtsakten verwiesen.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet. Bei den Räumen im Kellergeschoss handelt es sich nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls um häusliche Arbeitszimmer, da sie – jedenfalls solange keine weitere Partei in diesem Haus wohnt - in die Privatsphäre der Kläger eingebunden sind.

    Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in der für das Streitjahr 2009 geltenden Fassung (vgl. § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG) kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie seine Ausstattung nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt (Satz 3 Halbsatz 1 der Vorschrift). Die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (Satz 3 Halbsatz 2 der Vorschrift).

    1. Die zu beurteilenden Räume erfüllen zweifelsfrei die Merkmale, die die Rechtsprechung für Arbeitszimmer herausgearbeitet hat. Für die Abzugsbeschränkung kommt es daher auf die Häuslichkeit der Arbeitszimmer im Kellergeschoss an.

    2. Die Häuslichkeit beruflich genutzter Räumlichkeiten bestimmt sich danach, ob sie sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als dem Wohnbereich und damit der privaten Lebenssphäre des Steuerpflichtigen zugehörig darstellen. In die häusliche Sphäre eingebunden ist ein Arbeitszimmer regelmäßig nur dann, wenn es sich in einem Raum befindet, der unmittelbar zur privat genutzten Wohnung bzw. zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen (einschließlich der Zubehörräume wie Abstell-, Keller- und Speicherräume) gehört. Davon ist auszugehen, wenn die Räumlichkeiten aufgrund der unmittelbaren räumlichen Nähe mit den privaten Wohnräumen des Steuerpflichtigen als gemeinsame Wohneinheit verbunden sind. Die häusliche Sphäre der Privatwohnung erstreckt sich allerdings dann auf weitere, beruflich genutzte Räumlichkeiten, wenn aufgrund besonderer Umstände ein innerer Zusammenhang zwischen den beiden Bereichen besteht. Ob ein solcher Zusammenhang im Einzelfall vorliegt oder ob dieser ggf. aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles aufgehoben oder überlagert wird, ist von den Finanzgerichten aufgrund wertender Betrachtung zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 09.11.2006 IV R 2/06, BFH/NV 2007, 677).

    Der innere Zusammenhang zwischen den beruflich genutzten Räumen und den privaten Wohnräumen des Steuerpflichtigen, der beide zu einer gemeinsamen Wohneinheit verbindet, wird durch die baulichen Gegebenheiten bestimmt. Insbesondere ist zu beurteilen, ob die private Sphäre der Wohnung verlassen werden muss, um in die Arbeitszimmer zu gelangen.

    Dabei wird regelmäßig ein Arbeitszimmer, dass an die eigengenutzte Wohnung angrenzt oder ihr gegenüber liegt, durch seine unmittelbare räumliche Nähe als mit der Wohneinheit verbunden zu betrachten sein. Aber auch wenn der Zugang jenseits der eigentlichen Wohnungstür oder gar der Haustür erfolgt, kann sich dies noch in der privaten Sphäre abspielen. So ist ein Arbeitszimmer im Keller des vom Steuerpflichtigen und seiner Familie bewohnten Einfamilienhauses (BFH-Urteil vom 19.09.2002 VI R 70/01 BStBl II 2003, 139), in einem nur vom straßenabgewandten Garten aus zu betretenden Anbau (BFH-Urteil vom 13.1.2002 VI R 164/00, BStBl II 2003, 350) oder im Dachgeschoss eines Einfamilienhauses (BFH-Urteil vom 26.02.2003 VI R 156/01, BStBl II 2004, 75) als häusliches zu werten.

    Muss dagegen der Steuerpflichtige Verkehrsflächen nutzen, die der Allgemeinheit zugänglich gemacht wurden, so fehlt regelmäßig eine innere Bindung zwischen der Wohnung und dem beruflich genutzten Räumen. Die öffentlichen Verkehrsflächen können auch innerhalb eines Hauses die Privatwohnung und das Arbeitszimmer trennen. Danach kann eine innere Verbindung zur häuslichen Sphäre bei einem Mehrfamilienhaus nicht allein deshalb angenommen werden, weil sich eine als Arbeitszimmer genutzte Wohnung in demselben Haus und unter demselben Dach wie die Privatwohnung des Steuerpflichtigen befindet (vgl. BFH-Urteil vom 18.05.2005 VI R 39/04, BStBl II 2006, 428).

    Dementsprechend geht die Rechtsprechung davon aus, dass bei Mehrfamilienhäusern die Nutzung weiterer eigenständiger Wohnungen (auf anderen Etagen als der Privatwohnung) zur Nutzung als Arbeitszimmer wegen der entgeltlichen Nutzung anderer Wohnungen durch Dritte regelmäßig kein häusliches Arbeitszimmer betrifft (BFH-Urteil VI R 39/04, a.a.O.). Gleiches gilt, wenn ein Kellerraum in einem Mehrfamilienhaus separat angemietet wird (BFH-Urteil vom 26.02.2003 VI R 160/99, BStBl II 2003, 515). Der innere Zusammenhang ist auch gelöst, wenn das Haus verlassen werden muss und der Zugang über Verkehrsflächen, die auch vom Mieter einer anderen Wohnung im Haus oder Besuchern der Büroräume auf der straßenzugewandten Seite genutzt werden, erfolgt (BFH-Urteil vom 10.06.2008 VIII R 52/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2009, 456).

    Ob der Nutzer des Arbeitszimmers Eigentümer der gesamten Immobilie ist und einen Teil der Wohnungen an Dritte vermietet hat oder das Mehrfamilienhaus im Eigentum eines anderen steht und der Nutzer die jeweiligen Wohnungen wie andere Mieter des Hauses nur angemietet hat, spielt für die Abziehbarkeit der Aufwendungen keine Rolle. Infolgedessen kann die Abziehbarkeit der Aufwendungen nicht davon abhängen, ob die Mieter anderer Wohnungen in dem betroffenen Mehrfamilienhaus Angehörige des das Arbeitszimmer Nutzenden sind, sofern das jeweilige Mietverhältnis einem Fremdvergleich standhält (BFH-Urteil VIII R 52/07, a.a.O.).

    3. Im Streitfall sind die beiden Arbeitszimmer der privaten Lebenssphäre der Kläger zuzuordnen und daher als „häusliche” zu beurteilen.

    Die Kläger müssen keine der Allgemeinheit zugänglichen Verkehrsflächen durchqueren um zwischen beiden Bereichen zu wechseln.

    In dem Mehrfamilienhaus ist zwar im Obergeschoss eine weitere Wohnung vorhanden. Da diese bisher jedoch nicht durch Dritte genutzt wird, dringen diese nicht in die Privatsphäre der Kläger beim Zugang über das Treppenhaus ein. Das Bereithalten einer Wohnung führt noch nicht dazu, dass die für den Vermietungsfall als gemeinsam vorgesehene Verkehrsfläche der Allgemeinheit zugänglich gemacht wird. Dies muss bereits deshalb gelten, weil andernfalls Räume, die der Steuerpflichtige selbst als potentieller Vermieter bereit hält, seine private Lebenssphäre zerteilen würden. Da es nach der BFH-Entscheidung VIII R 52/07 nicht darauf ankommt, ob fremde Dritte oder Angehörige die Räume im selben Gebäude nutzen, wäre ein Bereithalten für diese Personen objektiv nicht nachprüfbar. Einkünfte würden nicht erzielt; Vermietungsaktivitäten wären nicht Voraussetzung des Bereithaltens. Die Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer findet ihre Berechtigung aber gerade in der Möglichkeit, berufliche Vorgänge in der Privatsphäre zu verbergen (BFH-Urteil VI R 39/04, a.a.O.). Die Abzugsbeschränkung würde leer laufen.

    Den Klägern ist zwar zuzugestehen, dass sie als Mieter der einen Wohnung im Mehrfamilienhaus es nicht in der Hand haben, ob und wann die weitere Wohnung durch Dritte genutzt wird. Solange dies jedoch nicht geschieht, werden sie in diesem Haus nicht in ihrer Privatsphäre beeinträchtigt. Eine solche Beeinträchtigung liegt auch nicht im Betreten des Treppenhauses durch den Vermieter oder durch die von ihm beauftragten Personen. Unabhängig davon, ob im Streitjahr bereits die Obergeschosswohnung regelmäßig geputzt wurde und ob der Gärtner und die Putzfrau tatsächlich das WC im Kellergeschoss nutzten, erreichten diese Störungen nicht den Umfang, der die Einheit der Wohnung teilen könnte. Betretungsrechte aus privat- oder öffentlich-rechtlichen Beziehungen gehören zu den hinnehmbaren Beeinträchtigungen privater Wohnbereiche.

    4. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO im Hinblick auf das anhängige BFH-Verfahren VIII R 7/10 zuzulassen, da die dort formulierte Rechtsfrage (vgl. Beilage Nr. 3/2012 zum BStBl II Nr. 15/2012, S. 34) für die hier zu entscheidende Konstellation von Bedeutung ist.

    5. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen, da sie in der Sache unterlegen sind (§ 135 Abs. 1 FGO).

    VorschriftenEStG §§ 9 Abs. 5, 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1