25.04.2013 · IWW-Abrufnummer 132692
Bundesfinanzhof: Urteil vom 12.12.2012 – I R 27/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) unterhielt bei der Beigeladenen, einer Bank, ein Direkt-Depot, auf das im Jahre 2006 Inhaber-Genussscheine ... der Y-AG zum Nominalwert von 5.160 € von der Sparkasse ... übertragen worden waren. Die Genussscheine gewährten ihrem Inhaber einen gegenüber dem Gewinnanteil der Aktionäre vorrangigen Anspruch auf Gewinnausschüttung sowie auf Rückzahlung nach Beendigung der Genussscheine (§ 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 15 der Genussscheinbedingungen --GB--). Dem Inhaber standen keinerlei Teilnahme-, Mitwirkungs- oder Stimmrechte in der Hauptversammlung der Y-AG zu (§ 3 Abs. 2 GB). Sein Gewinnanteil betrug vorbehaltlich eines ausreichenden Konzernjahresüberschusses für jedes volle Geschäftsjahr 15 % des Grundbetrags von 10 € je Genussschein (§ 4 Abs. 1 Satz 1 GB); der auf den Grundbetrag entfallende und aus der sog. negativen Gesamtkapitalrendite abgeleitete Verlustanteil war gesondert auszuweisen und durch Gewinnanteile der Folgejahre auszugleichen (§ 5 GB). Nach § 15 Abs. 6 GB nahm das Genusskapital im Falle der Auflösung der Y-AG nicht am Liquidationserlös teil. Der --gegebenenfalls um noch nicht ausgeglichene Verluste gekürzte-- Rückzahlungsanspruch war gegenüber den Forderungen der anderen Gläubiger nachrangig.
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Nachdem die Y-AG die Genussscheininhaber am 2. Februar 2010 zur Abgabe von Verkaufsangeboten zum Kurs von 180 % aufgefordert hatte, veräußerte der Kläger seine Anteilsscheine am 1. März 2010 zu einem Preis (Kurswert) von 9.228 €. Hiervon behielt die Beigeladene Kapitalertragsteuer in Höhe von 696,60 € sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von 38,31 € ein. Beide Beträge wurden bei der Kapitalertragsteueranmeldung vom 1. April 2010 (betreffend März 2010) berücksichtigt.
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Hiergegen legte der Kläger am 13. April 2010 Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass die Genussscheine lange vor 2006 angeschafft worden seien und den Bestandsschutzregeln zur Einführung der Abgeltungssteuer unterlägen (hier: § 52a Abs. 10 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes 2009 --EStG 2009--). Der Rechtsbehelf blieb, nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Beigeladene zum Einspruchsverfahren hinzugezogen hatte (§ 360 Abs. 3 der Abgabenordnung --AO--), ohne Erfolg.
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Der Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben und die angemeldeten Steuerbeträge (Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag) in dem beantragten Umfang herabgesetzt (Hessisches FG, Urteil vom 16. Februar 2012 4 K 639/11, Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1163).
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Mit der Revision beantragt das FA sinngemäß,
das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
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II. Die Revision ist nicht begründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger anfechtungsbefugt und die Klage damit zulässig ist. Die von der Beigeladenen angemeldete Kapitalertragsteuer (§ 45a EStG 2009) steht nach § 168 AO --ebenso wie der angemeldete Solidaritätszuschlag (vgl. § 1 Abs. 2 und 3 sowie § 3 Abs. 1 Nr. 5 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 --SolZG 1995--; Blümich/ Lindberg, § 1 SolZG 1995 Rz 5)-- einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Zwar ist deren Regelungsgehalt darauf beschränkt, dass die Beigeladene die angemeldeten Beträge abzuführen hat (Senatsbeschluss vom 13. August 1997 I B 30/97, BFHE 184, 92, BStBl II 1997, 700). Da jedoch der Kläger als Gläubiger der Kapitalerträge nach § 44 Abs. 1 Satz 1 EStG 2009 (i.V.m. § 1 Abs. 2 SolZG 1995) die Kapitalertragsteuer sowie den im Abzugsverfahren erhobenen Solidaritätszuschlag schuldet und demgemäß die Beigeladene die Steuerabzüge für Rechnung des Klägers vorgenommen hat (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG 2009 i.V.m. § 1 Abs. 2 SolZG 1995), werden im Fall der Rechtswidrigkeit der nach § 168 AO fingierten Steuerbescheide rechtlich geschützte Interessen des Klägers berührt (§ 40 Abs. 2 FGO; vgl. Senatsurteil vom 10. März 1971 I R 73/67, BFHE 102, 242, BStBl II 1971, 589; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 168 Rz 24; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 168 Rz 16, jeweils m.w.N.).
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2. Nach ständiger Rechtsprechung ist hierbei allerdings zu beachten, dass sich die mit der Steueranmeldung verbundene Steuerfestsetzung gegen den Vergütungsschuldner richtet (hier: die Beigeladene) und deshalb im Rahmen einer hiergegen vom Vergütungsgläubiger (hier: dem Kläger) im Wege der sog. Drittanfechtung erhobenen Klage die Steuerfestsetzung nur darauf überprüft werden kann, ob der Vergütungsschuldner die Steueranmeldung vornehmen durfte. Zwar ist dies bereits dann zu bejahen, wenn die Voraussetzungen für den Steuereinbehalt zweifelhaft sind (Senatsbeschluss vom 25. November 2002 I B 69/02, BFHE 201, 114, BStBl II 2003, 189; Senatsurteil vom 28. Januar 2004 I R 73/02, BFHE 205, 174, BStBl II 2005, 550; Senatsbeschluss vom 7. November 2007 I R 19/04, BFHE 209, 300, BStBl II 2008, 228; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 168 Rz 25, m.w.N.). Auch ist im Rahmen dieses eingeschränkten Prüfungsumfangs im Grundsatz davon auszugehen, dass der Vergütungsschuldner zum Kapitalertragsteuerabzug dann berechtigt ist, wenn er sich hierbei --wie vorliegend-- auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) stützen kann (vgl. zur Veräußerung obligationsähnlicher Genussrechte BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009, BStBl I 2010, 94, Rz 319; ebenso BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2012, BStBl I 2012, 953, Rz 319). Gleichwohl gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos. Er ist jedenfalls dann zu durchbrechen, wenn die Ansicht des Vergütungsgläubigers dem eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen entspricht und auch aus deren Entstehungsgeschichte und Zweck kein Anhalt für ein abweichendes Regelungsverständnis besteht. Von Letzterem ist im Streitfall auszugehen.
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a) Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 EStG 2009 wird bei Kapitalerträgen i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG 2009 die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer) erhoben; gleiches gilt für den hierauf entfallenden Solidaritätszuschlag (§ 1 Abs. 2 und 3 und § 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG 1995).
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Zwischen den Beteiligten besteht Einvernehmen darüber, dass es sich bei den vom Kläger gehaltenen Genussscheinen um Kapitalforderungen i.S. von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG 2009 gehandelt hat und ein aus ihrer Veräußerung erzielter Gewinn die tatbestandlichen Merkmale für den Ansatz von Kapitaleinkünften nach dem --im Zuge der Einführung der Abgeltungsteuer durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630)-- neu geschaffenen § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG erfüllt hat.
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Der Senat teilt diese Beurteilung. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2009 erfasst Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art unter der Voraussetzung, dass die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Hierzu gehörten auch die Genussrechte des Klägers; da sie keine Beteiligung an einem Liquidationserlös der Y-AG und damit keine i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2009 gesellschafterähnliche Rechtsstellung vermittelten (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Mai 2005 VIII R 34/01, BFHE 210, 247, BStBl II 2005, 857; Senatsurteil vom 19. Januar 1994 I R 67/92, BFHE 173, 399, BStBl II 1996, 77; Intemann in Herrmann/Heurer/Raupach, § 20 EStG Rz 56), waren sie angesichts ihres "obligationsähnlichen" Charakters (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. November 1992 II ZR 230/91, BGHZ 120, 141) den sonstigen Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2009 zugeordnet.
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b) Kein Einvernehmen besteht zwischen den Beteiligten jedoch darüber, ob die hierdurch ausgelöste Pflicht zur Anmeldung und Abführung von Kapitalertragsteuer auch im Streitfall greift, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Genussscheine vor dem Jahre 2006 und damit vor Einführung der Abgeltungsteuer zum 1. Januar 2009 durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 erworben worden sind.
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aa) Die Übergangsbestimmung des § 52a Abs. 10 Satz 6 EStG 2009 sieht vor, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG in der Fassung des Art. 1 des Unternehmersteuerreformgesetzes 2008 erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anzuwenden ist. Nach § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 1 EStG 2009 ist jedoch für Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem 1. Januar 2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung (im Folgenden: EStG 2002), aber nicht Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 waren, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG 2009 nicht anzuwenden. Durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) wurde § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG 2009 um einen weiteren Halbsatz ergänzt, nach dem Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 auch dann vorliegen, wenn die Rückzahlung nur teilweise garantiert ist oder wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint. Letztere Regelung ist --nach Inkrafttreten einer weiteren, für das vorliegende Verfahren jedoch nicht einschlägigen Änderung des § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG 2009 durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 8. Dezember 2010, BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394 (betreffend Stückzinsen)-- heute Gegenstand des letzten Halbsatzes der Vorschrift.
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bb) Das FG hat zu Recht angenommen, dass nach der Übergangsbestimmung des § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG 2009 die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG 2009 auf die vom Kläger erzielten Veräußerungsgewinne keine Anwendung findet und deshalb auch ein Steuerabzug vom Kapitalertrag nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 EStG 2009 (i.V.m. § 1 Abs. 2 und 3 sowie § 3 Nr. 5 SolZG 1995) nicht vorzunehmen war.
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aaa) Auszugehen ist hierbei davon, dass die --nach den Feststellungen der Vorinstanz vor dem Jahre 2006 erworbenen-- Genussscheine zwar zu Kapitalforderungen im Sinne der vor dem 1. Januar 2009 maßgeblichen Fassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2002, nicht jedoch zu den Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 gehört haben. Diese, durch das Gesetz zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50) in das Einkommensteuergesetz eingefügte Bestimmung stand im Zusammenhang damit, dass nach der gleichfalls neu gefassten Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1990 der Begriff der steuerbaren Kapitalerträge auf Erträge aus sog. Finanzinnovationen ausgedehnt wurde und solche Einkünfte nicht nur bei Einlösung der Wertpapiere, sondern auch im Falle ihrer Veräußerung erfasst werden sollten (BTDrucks 12/6078, S. 122 f.). Demgemäß war u.a. in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG 1990/1997/2002 vorgesehen, dass zu den Kapitaleinkünften auch Einnahmen aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen mit Zinsforderungen gehörten, wenn die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhing.
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Der Senat lässt unbeantwortet, ob hierunter tatbestandlich auch Genussscheine fielen, die wie vorliegend sowohl im Hinblick auf ihre Verzinsung als auch bezüglich der Kapitalrückzahlung dem Risiko der Verlustbeteiligung ausgesetzt waren (vgl. zum Erfordernis der Rückzahlungsgarantie z.B. BFH-Urteil vom 13. Dezember 2006 VIII R 79/03, BFHE 216, 187, BStBl II 2007, 562; v. Beckerath in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 20 Rz 405). Jedenfalls war die Neuregelung nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 5 EStG 2002 insgesamt nicht auf Genussrechte i.S. von § 43 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002 und damit auch nicht auf die vom Kläger gehaltenen Anteilsscheine anzuwenden. In den Materialen zum Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz wird hierzu erläutert, dass "bei Genußscheinen ... im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 2 EStG ... wie bisher nur die Erträge aus der Einlösung der Wertpapiere der Einkommensteuer" unterliegen (BTDrucks 12/6078, S. 123).
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Demnach waren die Genussrechte auch im Sinne der Übergangsvorschrift des § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 1 EStG 2009 nicht zu den Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 zu rechnen. Letzteres ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Überleitungsbestimmung, der nicht nur auf die in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 (hier: Buchst. c) EStG 2002 genannten Kapitalanlageformen, sondern auf die Gesamtregelung jener Vorschrift und damit auch auf deren Satz 5 mit der Folge verweist, dass die --nicht § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 unterstehenden-- Genussrechte insgesamt dem Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Sätze 1 bis 4 EStG 2002 entzogen waren; sie konnten deshalb nicht zu den in Satz 1 dieser Bestimmung genannten Kapitalanlagen gerechnet werden. Darüber hinaus entspricht nur dieses Gesetzesverständnis dem aus den Materialien zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 abzuleitenden Zweck des § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 1 EStG 2009. Hiernach soll die mit der Einführung der Abgeltungsteuer verbundene Steuerbarkeit von Veräußerungsgewinnen für solche "Kapitalforderungen (keine Anwendung finden), die noch vor 2009 erworben wurden und nicht unter die bis Ende 2008 geltende Fassung von § 20 fielen" (BTDrucks 16/4841, S. 73); die "bislang steuerfreie(n) Kursgewinne aus vor dem 1. Januar 2009 erworbenen zinstragenden Forderungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 (sollten) auch weiterhin steuerfrei bleiben" (BTDrucks 16/5491, S. 21).
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bbb) Anderes ist nicht aus § 52a Abs. 10 Satz 7, letzter Halbsatz EStG 2009 abzuleiten, nach dem Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 auch dann vorliegen, wenn die Rückzahlung nur teilweise garantiert ist oder wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint.
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Ob letztere Voraussetzung auf die vom Kläger gehaltenen Genussrechte zugetroffen hat, kann offenbleiben. Zum einen deshalb, weil § 52a Abs. 10 Satz 7, letzter Halbsatz EStG 2009 nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut unberührt lässt, dass Genussrechte nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 5 EStG 2002 insgesamt nicht den im Falle der Veräußerung oder Abtretung sog. Finanzinnovationen geltenden Besteuerungsgrundsätzen unterworfen waren; unberührt bleibt damit auch die Grundregel des § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 1 EStG 2009, nach welcher im Falle der Veräußerung der vor dem 1. Januar 2009 erworbenen Genussrechte § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG 2009 nicht anwendbar und infolgedessen ein Kapitalertragsteuerabzug nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 EStG 2009 nicht vorzunehmen ist. Zum anderen wird dieses Verständnis durch die Entstehungsgeschichte des § 52a Abs. 10 Satz 7, letzter Halbsatz EStG 2009 gestützt. Mit der durch das Jahressteuergesetz 2009 (zunächst als zweiter Halbsatz) eingefügten Bestimmung sollte auf die Rechtsprechung des BFH reagiert werden, der zufolge eine Versteuerung von Veräußerungs- und Einlösungsgewinnen nach der sog. Marktrendite (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 EStG 2002) für solche Finanzanlagen ausgeschlossen war, bei denen die Ertragsebene ohne weiteres rechnerisch von einer die Vermögensebene betreffenden Wertveränderung getrennt werden konnte (z.B. BFH-Urteile vom 13. Dezember 2006 VIII R 6/05, BFHE 216, 206, BStBl II 2007, 571; VIII R 62/04, BFHE 216, 199, BStBl II 2007, 568). Darüber hinaus war nach der Rechtsprechung die Steuerbarkeit in dem Sinne beschränkt, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 nur den auf die garantierte Mindestrückzahlung einer Finanzanlage entfallenden Teil des Veräußerungsüberschusses erfasste (z.B. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2007 VIII R 53/05, BFHE 219, 339, BStBl II 2008, 563). Der Gesetzgeber wollte beide (einzelfallbezogenen) Differenzierungen im Interesse der Handhabbarkeit des Kapitalertragsteuerabzugs nach Einführung der Abgeltungsteuer nicht fortführen. Er hat hierzu erläutert, dass der mit der Neuregelung verbundenen sog. unechten Rückwirkung kein überwiegend schutzwürdiges Vertrauen der Anleger gegenüberstehe, da sich vor Bekanntwerden der einschränkenden Rechtsprechung des BFH die Steuerbarkeit bei Veräußerung aller Finanzprodukte aus dem Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG (2002) ergeben habe (BTDrucks 16/10189, S. 66 f.; Hahne/Krause, Deutsches Steuerrecht 2008, 1724, 1728; Blümich/Treiber, § 52a EStG Rz 20). In Anbetracht dessen ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die darauf ausgerichtete, in dem beschriebenen Umfang rechtsprechungskorrigierende Übergangsbestimmung des § 52a Abs. 10 Satz 7, letzter Halbsatz EStG 2009 über ihren Wortlaut hinaus Anlass geben könnte, den Kapitalertragsteuerabzug auf vor dem 1. Januar 2009 erworbene Genussrechte und damit auf Kapitalanlagen zu erstrecken, die nach der unmissverständlichen und von der Rechtsprechung auch nicht in Frage gestellten Fassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 5 EStG 2002 unabhängig davon nicht der Veräußerungsgewinnbesteuerung für Finanzinnovationen unterlagen, ob nach den Genussrechtsbedingungen die Rückzahlung des Anlagebetrags garantiert oder eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich war (gl.A. Haisch/Danz, Deutsche Steuer-Zeitung 2008, 392, 397; Elser/Bindl, Finanz-Rundschau 2010, 360, 367).