30.05.2003 · IWW-Abrufnummer 031248
Bundesfinanzhof: Urteil vom 26.02.2003 – VI R 160/99
Werden im Keller eines Mehrfamilienhauses Räumlichkeiten, die nicht zur Privatwohnung des Steuerpflichtigen gehören, als Arbeitszimmer genutzt, so kann es sich hierbei um ein "außerhäusliches" Arbeitszimmer handeln, das nicht unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG fällt.
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Diplomwirtschaftsingenieurin und als Steuerassistentin nichtselbständig tätig. Sie bewohnt seit 1994 eine im zweiten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses gelegene Drei-Zimmer-Wohnung. Zu dieser Wohnung gehört auch ein elf qm großer Abstellraum im Keller.
Im Streitjahr (1997) mietete die Klägerin in demselben Haus von einem anderen Vermieter zwei weitere, zusammenhängende Kellerräume an. Diese nutzte sie als Arbeitszimmer, und zwar zur Vor- und Nachbereitung ihrer beruflichen Tätigkeit, für Literaturarbeiten und zu Studienzwecken. Die Dauer der Nutzung betrug den Angaben der Klägerin zufolge wöchentlich 15 Stunden. Die Kellerräume waren mit drei Regalen, einem Schreibtisch, Bürostuhl, Teppich, Beleuchtung, PC nebst Drucker und Radio ausgestattet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die hierfür geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 1 951 DM nicht als Werbungskosten an mit der Begründung, dass es sich bei den Kellerräumen um ein häusliches Arbeitszimmer handele und die Klägerin über einen anderen Arbeitsplatz bei ihrem Arbeitgeber verfüge. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien nicht erfüllt.
Das Finanzgericht (FG) entschied dagegen, dass die zusätzlich angemieteten Kellerräume kein "häusliches" Arbeitszimmer seien und daher nicht unter die Abzugsbeschränkung fielen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 169 abgedruckt.
Mit der Revision macht das FA geltend, das FG habe § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 EStG unzutreffend ausgelegt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne auch ein Raum im Keller oder im Dachgeschoss eines Wohnhauses ein häusliches Arbeitszimmer sein (Hinweis auf Urteile vom 7. Dezember 1988 X R 15/87, BFHE 155, 353, BStBl II 1989, 421, und vom 16. Februar 1994 XI R 52/91, BFHE 174, 65, BStBl II 1994, 468). Es sei nicht notwendig, dass das Arbeitszimmer in die Wohnung des Steuerpflichtigen integriert sei. Auch der Umstand, dass es sich um zusätzlich angemietete Räume handele, führe nicht dazu, dass der räumliche Zusammenhang mit dem Privatbereich der Klägerin aufgehoben werde. Gehe man jedoch von einem außerhäuslichen Arbeitszimmer aus, sei die Vorentscheidung gleichwohl aufzuheben; denn das FG habe verkannt, dass ein Arbeitszimmer nach der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 EStG zum Ausdruck gekommenen gesetzlichen Wertung erforderlich sein müsse und dies auch bei außerhalb des Hauses gelegenen Arbeitszimmern von Bedeutung sei (Hinweis auf BFH-Urteil vom 27. September 1996 VI R 47/96, BFHE 181, 305, BStBl II 1997, 68).
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Nichtanerkennung der vom FG berücksichtigten "weiteren Werbungskosten" von 1 951 DM festzusetzen.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
II.
Die Revision des FA ist unbegründet. Die Entscheidung des FG, dass die beiden Kellerräume der Klägerin kein häusliches Arbeitszimmer im Sinne der Abzugsbeschränkung sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach Satz 2 der letztgenannten Vorschrift u.a. dann nicht, wenn dem Steuerpflichtigen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird nach Satz 3 Halbsatz 1 der Vorschrift (in der hier maßgeblichen Fassung) die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2 400 DM begrenzt. Die Beschränkung der Höhe nach entfällt, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (Satz 3 Halbsatz 2 der Vorschrift).
2. Werden im Keller eines Mehrfamilienhauses Räumlichkeiten, die nicht zur Privatwohnung des Steuerpflichtigen gehören, als Arbeitszimmer genutzt, so kann es sich hierbei um ein "außerhäusliches" Arbeitszimmer handeln, das nicht unter die Abzugsbeschränkung fällt.
a) Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Der Rechtsprechung des BFH zufolge erfasst die Abzugsbeschränkung das häusliche Büro, d.h. einen Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (BFH-Urteile vom 19. September 2002 VI R 70/01, BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139; vom 16. Oktober 2002 XI R 89/00, BStBl II 2003, 185; vom 13. November 2002 VI R 164/00, BFH/NV 2003, 550).
b) In die häusliche Sphäre eingebunden ist ein Arbeitszimmer regelmäßig dann, wenn es sich in einem Raum befindet, der zur privat genutzten Wohnung bzw. zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen gehört (BFH-Urteile vom 23. September 1999 VI R 74/98, BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7; in BStBl II 2003, 185, und in BFH/NV 2003, 550). Dies betrifft nicht nur die eigentlichen Wohnräume, sondern ebenso Zubehörräume (Abstell-, Keller- und Speicherräume etc.).
In diesem Sinne hat der Senat die "Häuslichkeit" eines Arbeitszimmers im Keller des von dem Steuerpflichtigen und seiner Familie bewohnten Einfamilienhauses grundsätzlich bejaht (BFH-Urteil in BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139). Das Gleiche gilt für ein Arbeitszimmer in einem Anbau zum Einfamilienhaus, der nur vom straßenabgewandten Garten aus betreten werden kann (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 550), und für ein Arbeitszimmer im Dachgeschoss eines Einfamilienhauses (BFH-Urteil vom 26. Februar 2003 VI R 156/01, zur Veröffentlichung bestimmt).
c) In Bezug auf Räumlichkeiten in einem Mehrfamilienhaus, die nicht --auch nicht als Zubehörräume-- zur Privatwohnung des Steuerpflichtigen gehören, hat der Senat entschieden, dass diese jedenfalls dann der häuslichen Sphäre zuzurechnen sind, wenn sie unmittelbar an die Privatwohnung angrenzen bzw. dieser auf derselben Etage direkt gegenüberliegen (BFH-Urteile vom 26. Februar 2003 VI R 124/01, VI R 125/01, die Entscheidungen sind ebenfalls zur Veröffentlichung bestimmt). Die unmittelbare räumliche Nähe zur Privatwohnung begründet in einem solchen Fall eine innere, "häusliche" Verbindung mit der privaten Lebenssphäre. Wegen der Einzelheiten wird auf die beiden genannten Entscheidungen Bezug genommen.
d) Fehlt es hingegen an einer solchen inneren Verbindung zur Privatwohnung, so dass der nicht zur Wohnung gehörende, aber als Arbeitszimmer genutzte Raum der privaten Lebenssphäre des Steuerpflichtigen nicht zugerechnet werden kann, handelt es sich um ein außerhäusliches Arbeitszimmer, das nicht unter die Abzugsbeschränkung fällt. Dem vom FA aufgenommenen Gedanken einer Übertragung der gesetzlichen Wertung der Abzugsbeschränkung auch auf außerhäusliche Arbeitszimmer (vgl. BFH-Urteil in BFHE 181, 305, BStBl II 1997, 68) ist der Senat nicht weiter gefolgt.
e) Soweit sich das FA zur Begründung seiner Auffassung auf die Rechtsprechung des BFH zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte) beruft, verweist der Senat auf sein Urteil in BFH/NV 2003, 550. Dort ist ausgeführt, warum diese Rechtsprechung nicht auf die Abzugsbeschränkung zum häuslichen Arbeitszimmer übertragen werden kann.
3. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die beiden als Arbeitszimmer genutzten Kellerräume nicht in die häusliche Sphäre der Klägerin eingebunden sind.
Die Kellerräume gehören nicht zur Privatwohnung der Klägerin. Es handelt sich insbesondere nicht um Zubehörräume dieser Wohnung. Das FG hat hierzu festgestellt, dass die Privatwohnung der Klägerin über einen eigenen Abstellraum verfügt. Die zusätzlich angemieteten Räumlichkeiten sind weder mit diesem noch mit der Privatwohnung verbunden.
Darüber hinaus grenzen die beiden Kellerräume auch nicht unmittelbar an die Privatwohnung der Klägerin an. Eine unmittelbare räumliche Nähe im Sinne der oben (unter 2. d) genannten Rechtsprechung besteht im Streitfall nicht.