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  • 15.05.2012 · IWW-Abrufnummer 121953

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 25.01.2012 – 4 K 2121/11

    1. Ein Verzögerungsgeld kann auch gegen nicht buchführungspflichtige Steuerpflichtige festgesetzt werden, wenn diese der Außenprüfung unterliegen.

    2. Die Festsetzung des Verzögerungsgeldes ist nicht auf die Fälle der Verlagerung der Buchführung in das Ausland beschränkt.

    3. Die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes setzt voraus, dass die Prüfungsanordnung, auf deren Grundlage die Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen erfolgt ist, rechtmäßig ist.

    4. Bestehen gleichzeitig zwei Prüfungsanordnungen, deren Regelungsinhalte sich nicht widersprechen, sind diese nicht nach § 125 AO nichtig.

    5. Ob das FA die Außenprüfung aus eigener oder abgeleiteter Zuständigkeit durchführt, ist nicht Regelungsinhalt der Prüfungsanordnung, sondern eine Frage der örtlichen Zuständigkeit und somit der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung.

    6. Setzt das FG die Vollziehung eines Verwaltungsakts aus, gegen den bereits eine Klage beim FG anhängig ist und äußert es sich nicht über den Zeitraum, für den die Aussetzung gelten soll, bezieht sich die Aussetzung nur auf den jeweiligen Verfahrensabschnitt vor dem Finanzgericht.

    7. Wird der gerichtliche Aussetzungsantrag während des laufenden Einspruchsverfahrens gestellt, ist die Aussetzung der Vollziehung auf die Dauer des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens beschränkt.


    Im Namen des Volkes
    Urteil
    In dem Finanzrechtsstreit
    hat der 4. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2012 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richterinnen …
    für Recht erkannt:
    1) Die Klage wird abgewiesen.
    2) Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
    3) Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand
    Streitig ist, ob der Bescheid des Beklagten (Bekl) vom 29. März 2011 über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes rechtmäßig ist.
    Mit Urteil vom… hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg die Prüfungsanordnung (PA) des Bekl vom 11. Dezember 2006, die sich gegen den Kläger (Kl) und seine Ehefrau, Frau C.X., richtete und die Einkommensteuer (ESt) einschließlich gesonderter Feststellungen, die Gewerbesteuer (GewSt) und die Umsatzsteuer (USt) – jeweils für die Jahre 2001 bis 2004 – zum Gegenstand hatte, mangels örtlicher Zuständigkeit des Bekl aufgehoben. Die vom Bekl gegen das finanzgerichtliche Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 14. Januar 2010 (Az. VIII B 104/09) als unbegründet zurückgewiesen.
    Bereits mit Schreiben vom 10. November 2009 hatte sich der Bekl an das Finanzamt B
    das Wohnsitzfinanzamt des Kl – gewandt und ausgeführt, „Bei dem Konzern A.X. …, in Q, Konzernnummer: 99…)” werde derzeit eine Betriebsprüfung durchgeführt (Beginn der Prüfung: Dezember 2006; Prüfungszeitraum: 2001 – 2004). (…). Zum Konzernbereich gehöre nachstehendes Unternehmen:
    Eheleute A. und C.X., in F.
    Unter Hinweis auf die §§ 13 ff der Betriebsprüfungsordnung (BpO) sei es zweckmäßig, dieses Unternehmen von Q aus zu prüfen, weil
    sich die Buchführung hier befinde und
    sich die Auskunftspersonen hier befänden.
    Der Bekl bat daher um Übertragung der Befugnis zum Erlass der PA. Der Prüfungsauftrag solle – so der Bekl – insbesondere die ESt und die USt umfassen und jeweils gesondert für Herrn A.X. (StNr. …) – den Kl – und Frau C.X. (StNr. …) erfolgen. Bislang liege beim Bekl eine Beauftragung durch das nicht zuständige BetriebsprüfungsFinanzamt D vom 30. März 2009 vor. Da es sich um einen Fall der „AP-B” handle, müsse vom Finanzamt B auch der Auftrag erteilt werden. Aufgrund drohender Verjährung des Prüfungszeitraums 2002 werde um baldmöglichste Antwort gebeten.
    Mit Schreiben vom 23. November 2009 teilte das Finanzamt B dem Bekl unter Bezugnahme auf dessen Schreiben vom 10. November 2009 mit, es übertrage ihm hiermit die Befugnis zur Anordnung und Durchführung einer AP bei den genannten Steuerpflichtigen (Eheleute A. und C.X.) gemäß § 195 Satz 2 Abgabenordnung (AO) und § 5 Abs. 1 Satz 1 BpO. Der Prüfungszeitraum solle die Jahre 2001 bis 2004 betreffen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Finanzamts B vom 23. November 2009 Bezug genommen.
    Mit einem weiteren Schreiben gleichen Datums erging eine gesonderte Beauftragung hinsichtlich der Ehefrau des Kl. Auch diesbezüglich wird wegen der Einzelheiten auf das genannte Schreiben Bezug genommen.
    Der Bekl ordnete daraufhin mit PA vom 1. Dezember 2009 gegenüber dem Kl die Durchführung einer Außenprüfung (AP) an. Die PA hat den folgenden Wortlaut:
    „Anordnung einer Außenprüfung
    Sehr geehrter Herr A.X.,
    zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlgen ist bei Ihnen auf Grund des § 193 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) i.V.m. den § 194-196 AO eine Außenprüfung durchzuführen. Bei dieser Prüfung sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind, zu ermitteln.
    Geprüft werden:

    Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen2002 – 2004
    Umsatzsteuer2002 – 2004
    Das Finanzamt Q wurde vom zuständigen Finanzamt B mit Schreiben vom 23.11.2009 mit der Prüfung beauftragt.
    Diese Prüfungsanordnung tritt neben die Prüfungsanordnung an die Eheleute X vom 11.12.2006.
    Diese Prüfung beginnt am 21.12.2009 um 8:00 Uhr und erfolgt in Zusammenhang mit der für den o.g. Prüfungszeitraum laufenden Betriebsprüfung der Firmengruppe X in Q.

    Bezugnehmend auf die am 18.12.2006 begonnene Prüfung bitten wir hiermit erneut um Vorlage der damals für den nunmehr relevanten Prüfungszeitraum angeforderten Unterlagen und Auskünfte. Eine entsprechend ergänzte Anforderung ist zur Vereinfachung als Anlage beigefügt.
    Als Prüfer sind Herr H, Finanzamt Q, und Herr K (Finanzamt Q) vorgesehen.
    Die Prüfungsanordnung umfasst nicht die Sachverhalte (Tat im prozessualen Sinne), welche durch die Einleitung des Steuerstrafverfahrens vom 06.03.2009 abgedeckt werden.
    Sollte aus dienstlichen Gründen der Prüfungsbeginn verlegt oder ein anderer Prüfer beauftragt werden müssen, wird Ihnen dies mitgeteilt werden.
    Mit freundlichen Grüßen
    L”.
    Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 17. Dezember 2009 legte der Kl Einspruch gegen die PA ein. Zugleich beantragte er, ihre Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen. Zur Begründung machte er geltend, die PA sei nichtig, aber zumindest rechtswidrig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsbegründung Bezug genommen.
    Mit Bescheid vom 20. Januar 2010 lehnte der Bekl die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der PA ab. Zur Begründung führte er aus, Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der PA seien nicht ersichtlich. Der Ermessensgebrauch sei mit Schreiben vom 15. Januar 2010 offengelegt worden. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit seien ebenfalls nicht ersichtlich.
    Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 legte der Kl Einspruch gegen die Ablehnung der AdV ein, der vom Bekl mit Einspruchsentscheidung vom 5. März 2010 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Auf die Begründung der Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen.
    Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 8. März 2010 beantragte der Kl beim FG, die Vollziehung der PA vom 1. Dezember 2009 wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen.
    Mit Beschluss vom 3. Mai 2010 (Az. …) setzte das FG die Vollziehung der PA vom 1. Dezember 2009 aus. Der Tenor lautete:
    1)„Die Vollziehung der Prüfungsanordnung des Antragsgegners vom 1. Dezember 2009 wird ausgesetzt.
    2)Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.”
    Wegen der Gründe wird auf die Ausführungen in dem genannten Beschluss Bezug genommen.
    Mit Einspruchsentscheidung vom 3. August 2010 wies der Bekl den Einspruch des Kl gegen die PA vom 1. Dezember 2009 als unbegründet zurück. Wegen der Gründe wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
    Die vom Kl hiergegen eingereichte Klage war beim FG Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen … anhängig.
    Mit Schreiben vom 28. Oktober 2010 teilte der Bekl dem Kl das Folgende mit:
    „Sehr geehrter Herr X,
    nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 03.08.2010 reichte ihr Verfahrensbevollmächtigter, Herr …, durch Schreiben vom 27.08.2010 Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg ein. Aussetzung der Vollziehung wurde nicht beantragt.
    Deshalb ist beabsichtigt, die Prüfung am
    Mittwoch, 17.11.2010
    in den Räumen Q zu beginnen. Die Prüfer H und K werden um 9:00 Uhr zu Prüfung erscheinen.
    Mit freundlichen Grüßen
    L”
    Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 2. November 2010 wandte sich der Kl gegen das Vorhaben des Bekl, am 17. November 2010 mit der AP zu beginnen und berief sich auf den AdV-Beschluss des FG vom 3. Mai 2010. Ein erneuter AdV-Antrag sei daher nicht nötig. Er wäre nach dem Verständnis der Klägerseite sogar unzulässig. Daher werde die AP am 17. November 2010 nicht beginnen.
    Mit Schreiben an den Kl vom 17. November 2010 beharrte der Bekl auf dem angekündigten Prüfungsbeginn am 17. November 2010 und übermittelte dem Kl erneut die Prüferanfrage vom 1. Dezember 2009 mit der Bitte um vollständige Beantwortung der darin enthaltenen Fragen und um Vorlage der angeforderten Unterlagen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Prüferanfrage vom 1. Dezember 2009 Bezug genommen.
    Der Kl sandte das Schreiben mit dem Vermerk „Absender nicht erkennbar, wahrscheinlich Finanzamt Q” ungeöffnet an den Bekl zurück.
    Nach weiterem Schriftwechsel setzte der Bekl dem Kl mit Schreiben vom 10. Januar 2011 eine Frist zur Beantwortung der Fragen bzw. zur Vorlage der angeforderten Unterlagen entsprechend der Prüferanfrage vom 1. Dezember 2009 und drohte ein Verzögerungsgeld in Höhe von jeweils 2.500 EUR für den Fall an, dass der Kl die Fragen nicht fristgerecht beantworte bzw. die angeforderten Unterlagen nicht fristgerecht vorlege.
    Nachdem die vom Bekl gestellten Fragen nicht beantwortet und die angeforderten Unterlagen nicht eingereicht worden waren, setzte der Bekl mit Bescheid vom 29. März 2011 ein Verzögerungsgeld gegenüber dem Kl fest.
    Der Bescheid hat den folgenden Wortlaut:
    „Bescheid über die Festsetzung von Verzögerungsgeld (§ 146 Abs. 2b Abgabenordnung – AO –)
    Außenprüfung 2002 bis 2004
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    Sie sind meiner Aufforderung vom 17.11.2010 zur Vorlage angeforderter Unterlagen/Erteilung von Auskünften i.S.d. § 200 Abs. 1 AO, hier die Frage 2. (Vorteile Aufsichtsrat) und Frage 3. (Umsatzverprobung)
    bisher nicht innerhalb der gesetzten Frist (08.12.2010) nachgekommen.
    Daher wird für jede nicht beantwortete Frage ein Verzögerungsgeld gem. § 146 Abs. 2b AO festgesetzt in Höhe von
    jeweils 2.500,– EUR, somit 2 × 2.500 EUR 5.000,– EUR.
    Erläuterungen:
    Das Verzögerungsgeld ist mit Angabe der Steuernummer innerhalb eines Monats nach Zugang dieser Festsetzung auf ein Konto des Veranlagungsfinanzamts B zu überweisen. (Dt. Bundesbank Fil. S Kto …, BLZ …). Ein Verzögerungsgeld kann abermals festgesetzt werden, wenn Sie der erneuten Aufforderung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkommen. Sie werden hiermit aufgefordert, die Fragen 2. und 3. meiner Aufforderung vom 17.11.2010 nunmehr zu beantworten. Im anderen Falle muss erneut ein Verzögerungsgeld in Höhe von jeweils 2.500,– EUR festgesetzt werden.
    Darüber hinaus fordere ich Sie auf, aus der Aufforderung vom 17.11.2010 die Frage 4a (Frage nach Gewinnausschüttungen), 4b (Frage nach Ausschüttungen, die von Betriebsprüfungen im Ausland festgestellt wurden), 4c (von ausländischen Gesellschaften gewährte Vorteile) und 4d (Gesellschafterkonten bei ausländischen Gesellschaften) bis zum 25. März 2011 zu beantworten. Werden diese Fragen nicht beantwortet, muss für jede nicht beantwortete Frage ein Verzögerungsgeld von jeweils 2.500,– EUR festgesetzt werden.
    Mit freundlichen Grüßen
    L”
    Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30. März 2011 legte der Kl Einspruch ein. Zur Begründung verwies die Klägerseite auf ihre Schreiben vom 1. Dezember 2010 und vom 27. Januar 2011.
    Mit Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2011 wies der Bekl den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, gemäß § 200 Abs. 1 AO habe ein Steuerpflichtiger im Rahmen einer AP bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein könnten, mitzuwirken. Er habe insbesondere Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben. Nach § 146 Abs. 2b AO – eingeführt durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794) – könne ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500,00 EUR bis 250.000,00 EUR festgesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer AP innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkomme. Bei der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes handle es sich um eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde. Sie entscheide nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO), ob und in welcher Höhe sie das Verzögerungsgeld festsetze. Der Kl habe die am 17. November 2010 – nicht zum ersten Mal – erhaltende Anfrage bis zum heutigen Datum nicht beantwortet. Die Verzögerung habe zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides über die Festsetzung des Verzögerungsgeldes ca. vier Monate betragen. Die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes sei ermessensgerecht. Die Höhe entspreche dem gesetzlichen Mindestbetrag, so dass eine gesonderte Begründung diesbezüglich entbehrlich sei. Eine vorherige Fristsetzung und ein Hinweis auf die Möglichkeit der Festsetzung sei im Schreiben vom 17. November 2010 erfolgt, so dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes vorlägen. Auch biete die gerichtsanhängige PA in Form der Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2009 eine ausreichende Grundlage für die Festsetzung des Verzögerungsgeldes. Das diesbezügliche Verfahren vor dem FG Baden-Württemberg sei noch nicht abgeschlossen. Die Vollziehung der PA sei durch gerichtlichen Beschluss vom 3. Mai 2010 ausgesetzt worden. Die AdV sei auf Antrag des Kl durch das Gericht gemäß § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordung (FGO) während des Einspruchsverfahrens erfolgt. Die Aussetzung sei vom FG zeitlich nicht befristet worden. Sie gelte in diesem Fall nur für den jeweiligen Verfahrensabschnitt (vgl. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Kommentar, § 69 FGO Rn. 906). Das Einspruchsverfahren sei gegenüber dem Klageverfahren ein eigener Verfahrensabschnitt. Die Einspruchsentscheidung würdige die Bedenken des Gerichts gegen die Rechtmäßigkeit der gerichtsanhängigen PA, indem sie die dort als unzureichend bezeichneten Ermessenserwägungen nachhole und sich mit dem Beschluss des Gerichts dezidiert auseinandersetze. Nach der Einspruchsentscheidung habe sich die Sach- und Rechtslage somit wieder geändert. Ein weiterer Antrag auf AdV wäre nach Erlass der Einspruchsentscheidung im Klageverfahren zu stellen gewesen, sei jedoch nicht gestellt worden. Die PA in der Gestalt der Einspruchsentscheidung sei vollziehbar und stelle somit eine rechtmäßige Grundlage für die Festsetzung des Verzögerungsgeldes dar. Das Verzögerungsgeld könne bereits nach dem Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten im Rahmen einer AP gemäß § 200 Abs. 1 AO festgesetzt werden. Die AP im Sinne von § 200 Abs. 1 AO umfasse daneben alle Arten von AP'en. So sei auch die Festsetzung von Verzögerungsgeld bei AP'en gemäß § 193 Abs. 2 AO bei Überschusseinkünften zulässig. Dies könne dem auf der Homepage des Bundesministeriums der Finanzen eingestellten Fragekatalog des Referats IV A 4 zum Verzögerungsgeld unter der Antwort zur Ziffer 8 (für jedermann abrufbar) entnommen werden. Die Gesetzesbegründung zum Jahressteuergesetz 2009 besage zum gesetzgeberischen Willen nichts Gegenteiliges. Insoweit gehe die Einspruchsbegründung des Kl schon im Ansatz fehl, wenn er behaupte, § 146 Abs. 2b AO sei nur im Rahmen von Pflichtverletzungen bei der Buchführungsverlagerung anwendbar. Der Einspruch sei daher als unbegründet zurückzuweisen.
    Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 7. Juni 2011 erhob der Kl Klage. Zur Begründung lässt er im Wesentlichen vortragen, der Bescheid des Bekl über Festsetzung von Verzögerungsgeld vom 29. März 2011 sei rechtswidrig. Gemäß § 146 Abs. 2b AO könne ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500,00 EUR bis 250.000,00 EUR festgesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Abs. 2a Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer AP innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkomme oder er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagere. § 146 Abs. 2b AO könne allerdings vorliegend keine Anwendung finden. Die systematische Auslegung spreche dafür, dass Verzögerungsgelder bei sonstigen Verletzungen von Mitwirkungspflichten nur im Rahmen einer Buchführungsverlagerung nach § 146 Abs. 2a AO festgesetzt werden könnten (vgl. Carlé, KÖSDI 09, 16346; v. Wedelstädt DB 09, 84). Zum einen spreche die Einfügung dieser relativ neuen Sanktionsmöglichkeit in § 146 AO nach dessen Abs. 2a dafür, das Verzögerungsgeld nur im Zusammenhang mit einer ohne Bewilligung der Finanzbehörde erfolgten Verlagerung der Buchführung ins Ausland zu sehen. Zum anderen deute auch die Überschrift des § 146 AO „Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen” nicht darauf hin, dass in dieser Norm Sanktionsvorschriften für eine Verletzung von Mitwirkungspflichten im Rahmen einer AP enthalten seien. Zwar könne sich die Ansicht, wonach das Verzögerungsgeld als allgemeine Sanktion für Mitwirkungspflichten eingeführt worden sei, auf die Gesetzesbegründung stützen (Bundestagsdrucksache – BT-Drucks. – 16/10189, 81):
    „Um eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die ihre Bücher und sonstigen Aufzeichnungen im Ausland führen, gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die dies im Inland tun, zu vermeiden, gilt für diese Personen die Anwendung des Verzögerungsgeldes im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten gleichermaßen.”
    Allerdings sei diese Gesetzesbegründung verfehlt und widersprüchlich, denn der Gleichheitssatz verlange nicht die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte. Da § 146 Abs. 2a AO von der Grundentscheidung des § 146 Abs. 2 S. 1 AO, Bücher im Inland zu führen, eine Ausnahme mache, aber trotz der Verlagerung der elektronischen Buchführung ins Ausland eine effiziente Kontrolle durch die Steuerverwaltung und damit die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherstellen wolle (explizit: BT-Drucks. 16/10189, 80), bestehe allein im Auslandsfall ein Sicherungsbedürfnis und damit auch ein Sanktionsbedürfnis. Das in der Gesetzesbegründung angeführte Gleichheitsargument auf der Tatbestandsseite widerspreche damit dem Gleichheitsargument auf der Sanktionsebene (vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, § 146 AO Rn. 51). Die abzulehnende „zergliedernde” Auslegung des § 146 Abs. 2b AO stieße im Übrigen auf ernste verfassungsrechtliche Zweifel wegen fehlender Erkennbarkeit. Die Grundsätze der Normenklarheit und Normenwahrheit verlangten eine Sanktionsklarheit, weil die Folgen unzureichender oder verspäteter Mitwirkung für den Steuerpflichtigen hinreichend erkennbar sein müssten. Dies sei hier gerade nicht der Fall, weil die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes bei Verletzung der Mitwirkungspflichten des § 200 AO eben genau an dieser Stelle und nicht etwa versteckt unter § 146 AO „Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen” erwartet würden. Aber selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung den Anwendungsbereich von § 146 Abs. 2b AO im vorliegenden Fall für eröffnet halte, stelle sich die Festsetzung des Verzögerungsgelds als rechtswidrig dar. Ungeschriebene Voraussetzung für die Anwendung dieser Norm sei nämlich, dass die Vollziehung des zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes nicht ausgesetzt worden sei. Im vorliegenden Fall habe der 4. Senat des FG Baden-Württemberg aber mit Beschluss vom 3. Mai 2010 gerade die AdV der PA angeordnet. Diese ungeschriebene Voraussetzung ergebe sich sowohl aus den zu § 146 Abs. 2b AO ergangenen finanzgerichtlichen Entscheidungen, als auch aus dem Sinn und Zweck der AdV. Der oben genannte Sinn und Zweck der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes als Druckmittel, um den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Mitwirkung anzuhalten, könne bei einer AdV durch das FG nicht erreicht werden. Die AdV habe ja gerade zur Folge, dass von dem Verwaltungsakt kein Gebrauch mehr gemacht werden dürfe (Seer, in: Tipke/Kruse, § 69 FGO Rn. 170). Eine zeitnahe Mitwirkung des Steuerpflichtigen könne kraft gerichtlicher Entscheidung also nicht mehr erzwungen werden. Entsprechend stelle beispielsweise das Schleswig-Holsteinische FG in seinem Urteil vom 1. Februar 2011 (Az. 3 K 64/10) vor der Prüfung der Voraussetzungen des § 146 Abs. 2b AO ausdrücklich fest, dass der dem Verzögerungsgeld zu Grunde liegende Verwaltungsakt – in dem entschiedenen Fall ebenfalls eine PA – vollziehbar gewesen sei und stelle fest, dass die Anträge auf AdV abgelehnt worden seien. Somit sehe auch das Schleswig-Holsteinische FG die Voraussetzung der Vollziehbarkeit des dem Verzögerungsgeld zu Grunde liegenden Verwaltungsakt als ungeschriebene Voraussetzung für die Anwendung dieser Norm an. Für das Erfordernis der Vollziehbarkeit spreche zudem § 251 Abs. 1 S. 1 AO. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen müssten auch bei der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes vorliegen, da es zumindest auch als präventives Zwangsmittel anzusehen sei (vgl. Brockmeyer in: Klein, AO, Kommentar, § 329 Rn. 8 und § 146 Rn. 5b).
    Die gerichtliche Anordnung der AdV sei auch nach wie vor wirksam. Das FG habe die Vollziehung nämlich unbefristet, also ohne Beschränkung auf die Dauer des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens ausgesetzt. Enthalte die Entscheidung des Gerichts keine Angaben über die Dauer der AdV, sei diese nach herrschender Meinung und der Rechtsprechung des BFH so auszulegen, dass sie für die Dauer des Verfahrensabschnittes und somit für die gesamte Dauer des finanzgerichtlichen Verfahrens gelte (Gräber, FGO, Kommentar, § 69 Rn. 151 m.w.N.; Kühn/von Wedelstädt, FGO, Kommentar, § 69 Rn. 24). D.h. die AdV des FG wirke nur dann nicht mehr, wenn Revision beim BFH eingelegt werde. Bei der Auslegung einer AdV-Entscheidung sei nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 18. Februar 1997, BStBl II 1997, 339) in analoger Anwendung der § 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Zweifel stets das für den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen. Im Urteilsfall sei die Formulierung „bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens” in der AdV nach § 361 AO so ausgelegt worden, dass die Aussetzung nicht auf das außergerichtliche Verfahren beschränkt gewesen sei, sondern sich auch auf das finanzgerichtliche Verfahren erstreckt habe, da die Formulierung nicht eindeutig gewesen sei. Werde gar keine Befristung bestimmt, müsse diese Auslegung zugunsten des Steuerpflichtigen erst Recht gelten.
    Im Klageverfahren gegen die PA vom 1. Dezember 2009 (Az. …) hat der Kl u.a. geltend gemacht, die PA sei nichtig. Hierzu hat er insbesondere das Folgende vortragen lassen: Der Bekl führe in der PA vom 1. Dezember 2009 aus, die PA trete neben die PA an die Eheleute X vom 11. Dezember 2006, nehme im Weiteren Bezug auf die am 18. Dezember 2006 angeblich begonnene Prüfung und bitte um Vorlage der damals angeforderten Unterlagen und Auskünfte für den nunmehr relevanten Prüfungszeitraum. Diese Ausführungen und Anforderungen des Bekl führten zur Nichtigkeit der PA. Das FG Baden-Württemberg habe mit Urteil vom 18. März 2009 die PA des Bekl vom 11. Dezember 2006 aufgehoben und festgestellt, dass die Bestimmung des Prüfungsbeginns vom 11. Dezember 2006 auf den 18. Dezember 2006 rechtswidrig gewesen sei. Das FG habe diese Entscheidung damit begründet, dass der Bekl für den Erlass dieser Steuerverwaltungsakte nicht zuständig gewesen sei. Der Bekl habe gegen dieses Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Am 1. Dezember 2009 sei über die Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht entschieden gewesen. Der Bekl sei, nachdem er die Nichtzulassungsbeschwerde erhoben habe, am 1. Dezember 2009 offensichtlich immer noch davon ausgegangen, er sei für den Erlass der PA vom 11. Dezember 2006 zuständig gewesen. Nichtsdestotrotz habe er das Finanzamt B um einen Auftrag zum Erlass der PA gebeten. Der Bekl habe somit sowohl aufgrund einer PA, die er als beauftragtes Finanzamt erlassen habe, als auch aufgrund einer PA, die er als aus seiner Sicht originär zuständiges Finanzamt erlassen habe, zu prüfen beabsichtigt. Der Bekl berufe sich somit auf zwei PA'en, die sich widersprächen und verknüpfe diese sogar noch. Der Steuerpflichtige habe die erneut erlassene PA (Auftragsprüfung durch den Bekl) gar nicht befolgen können, da sie der bestehenden PA (Prüfung durch den Bekl aufgrund eigener Zuständigkeit) widersprochen habe. Der Bekl, der behauptet habe, nach wie vor für den Erlass von PA'en gegenüber den Eheleuten X zuständig zu sein, habe für den Fall der Erfolglosigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde rein vorsorglich den Auftrag des aus seiner Sicht unzuständigen Finanzamts eingeholt. Dieses Verhalten sei rechtlich nicht zulässig und führe zur Nichtigkeit der am 1. Dezember 2009 gegenüber dem Kl erlassenen PA. Denn als der Bekl die PA vom 1. Dezember 2009 erlassen habe, habe der BFH über die Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht entschieden gehabt. Der BFH habe die Nichtzulassungsbeschwerde erst mit Beschluss vom 14. Januar 2010 als unbegründet zurückgewiesen. Das heiße, die Unwirksamkeit der PA vom 11. Dezember 2006 sei zum Zeitpunkt des Erlasses der erneuten PA noch nicht festgestellt gewesen. Der Bekl habe mit der Nichtzulassungsbeschwerde weiter die Auffassung vertreten, er sei für den Erlass der PA vom 11. Dezember 2006 zuständig. Er habe also zwei sich widersprechende Verwaltungsakte erlassen. Da der Kl die beiden sich widersprechenden PA'en tatsächlich nicht habe befolgen können, sei gemäß § 125 Abs. 2 Nr. 2 AO Nichtigkeit gegeben. Daher sei mit Urteil die Nichtigkeit der PA vom 1. Dezember 2009 gemäß § 125 Abs. 2 AO festzustellen. Das Finanzamt sei nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) an Recht und Gesetz gebunden. Die Zuständigkeitsvorschriften der Finanzämter seien klar gesetzlich geregelt. Der Bekl müsse somit seine Unzuständigkeit akzeptieren. Dies habe er nicht getan, sondern rein vorsorglich Prüfungsaufträge eines aus seiner Sicht unzuständigen Finanzamts eingeholt. Der Bekl löse sich mit diesem Verhalten von Recht und Gesetz. Vor Anregung der Beauftragung durch das Finanzamt B hätte er somit zumindest die Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH zurücknehmen und damit die finanzgerichtliche Feststellung seiner Unzuständigkeit für den Erlass von PA'en gegenüber den Eheleuten X akzeptieren müssen. Entgegen der Auffassung des Bekl könne ein nichtiger Verwaltungsakt auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt wirksam werden. Die Auffassung des Bekl, die PA werde mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde ein wirksamer Verwaltungsakt, sei abzulehnen. Ein nichtiger, damit unwirksamer und nicht vorhandener Verwaltungsakt müsse durch die Finanzbehörde rechtswirksam erlassen werden, um wirksam zu werden. Anderenfalls könne ein Steuerpflichtiger nicht wissen, welche Anordnung der Behörde ihm gegenüber gültig sei.
    Der Kl beantragt,
    den Bescheid über die Festsetzung von Verzögerungsgeld vom 29. März 2011
    und die Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2011 aufzuheben,
    hilfsweise die Revision zuzulassen sowie
    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
    Der Bekl beantragt,
    die Klage abzuweisen,
    hilfsweise die Revision zuzulassen.
    Er verweist auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung und erwidert im Übrigen, die Darlegung des Sachverhalts in der Klagebegründung sei nicht vollständig, weil die im Verfahren wegen der PA (Az. …) ergangenen Schriftsätze und Verfügungen nicht erwähnt bzw. beigefügt gewesen seien. Hier werde – auch um Wiederholungen zu vermeiden – auf die Einspruchsentscheidung vom 3. August 2010 hingewiesen. Diese würdige die Bedenken des Finanzgerichts gegen die Rechtmäßigkeit der ursprünglich gerichtsanhängigen PA, indem sie die dort als vermeintlich unzureichend bezeichneten Ermessenserwägungen nachhole. Die Auffassung des Kl, wonach § 146 Abs. 2b AO nur bei sonstigen Verletzungen von Mitwirkungspflichten im Rahmen einer Buchführungsverlagerung in das Ausland anwendbar sei, gehe schon im Ansatz fehl. Dies sei dem Klägervertreter bereits durch die Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2011 erläutert worden und werde inzwischen durch eine Entscheidung des BFH vom 16. Juni 2011 bestätigt. Demnach sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass ein Verzögerungsgeld auch verhängt werden könne, wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamts zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen im Rahmen einer AP nicht fristgerecht nachkomme. Vom Klägervertreter würden Bedenken an der Vollziehbarkeit der dem Verzögerungsgeld zu Grunde liegenden PA geäußert. Hierzu trage der Kl keine neue Sach- und Rechtslage vor, weshalb – um Wiederholungen zu vermeiden – nochmals auf die Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2011 verwiesen werde.
    Entscheidungsgründe
    I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
    Nach § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 EUR bis 250.000 EUR festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer AP innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt oder seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagert hat.
    A. Die Vorschrift des § 146 Abs. 2b AO ist – entgegen der Auffassung der Klägerseite (vgl. Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2012) – auch auf nicht buchführungspflichtige Steuerpflichtige anzuwenden, die der AP unterliegen. Zwar ist der Hinweis der Klägerseite zutreffend, dass die Regelung des § 146 Abs. 2b AO im 1. Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts des Vierten Teils der AO angesiedelt wurde, der die Überschrift „Führung von Büchern und Aufzeichnungen” trägt. Durch die Bezugnahme dieser Vorschrift auf § 200 Abs. 1 AO, der die Mitwirkungspflichten von Steuerpflichtigen im Rahmen einer AP regelt und für alle Steuerpflichtigen gilt, bei denen eine AP durchgeführt wird, und nicht nur buchführungspflichtige, wird deutlich, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Festsetzung von Verzögerungsgeldern für alle von AP'en betroffenen Steuerpflichtigen möglich sein soll. Die systematische Stellung des § 146 Abs. 2b AO tritt daher in den Hintergrund. Diese Auslegung ist auch aus gleichheitsrechtlichen Gründen naheliegend, da nicht ersichtlich ist, weshalb die Sanktionierung der Verletzung der Mitwirkungspflichten gemäß § 200 Abs. 1 AO durch die Festsetzung von Verzögerungsgeldern von der Gewinnermittlungsart abhängig sein sollte (vgl. zur nur eingeschränkten Bedeutung der systematischen Einordnung der Regelung des § 146 Abs. 2b AO: BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BStBl II 2011, 855 und vom 28. Juni 2011 X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833).
    B. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes ist zunächst, dass die PA, auf deren Grundlage die durch die Festsetzung des Verzögerungsgeldes durchzusetzende Aufforderung gemäß § 200 Abs. 1 AO zur Beantwortung von Fragen bzw. zur Vorlage von Unterlagen erfolgt ist, wirksam und vollziehbar ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 1. Februar 2011 3 K 64/10, EFG 2011, 202). Denn die Aufforderung zur Beantwortung von Fragen bzw. zur Vorlage von Unterlagen gemäß § 200 Abs. 1 AO stellt eine Form der Durchsetzung der PA dar.
    1) Wirksamkeit der PA
    Entgegen der Auffassung des Kl ist die PA vom 1. Dezember 2009 nicht nichtig. Zwar hat der Bekl diese PA zu einem Zeitpunkt erlassen, zu dem die vorherige PA vom 11. Dezember 2006, die erst mit dem Beschluss des BFH vom 14. Januar 2010 (Az. VIII B 104/09) über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde des Bekl aufgehoben wurde, noch wirksam war (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 1. Fall FGO). Das vorübergehende gleichzeitige Bestehen beider PA'en führt jedoch nicht zur Nichtigkeit der streitgegenständlichen PA, denn die Voraussetzungen von § 125 Abs. 1 oder Abs. 2 AO sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Klägerseite widersprechen sich die beiden PA'en in ihrem Regelungsgehalt nicht. Denn es wird in diesen übereinstimmend angeordnet, dass der Kl eine AP durch den Bekl zu dulden habe. Ob der Bekl die AP aus eigener oder aus abgeleiteter Zuständigkeit durchzuführen beabsichtigt, ist indes nicht Bestandteil des Regelungsgehalts im Sinne des § 118 AO, sondern – lediglich – eine Frage der örtlichen Zuständigkeit und damit der Rechtmäßigkeit der jeweiligen PA. Diese ist im Rahmen der jeweiligen Rechtsbehelfsverfahren selbständig zu prüfen.
    Ebenfalls nicht zur Nichtigkeit führt der Umstand, dass der Bekl den Prüfungsumfang in der PA vom 1. Dezember 2009 dahingehend eingeschränkt hat, dass diejenigen „Sachverhalte (Tat im prozessualen Sinne)” von der AP nicht umfasst würden, die durch die Einleitung des Steuerstrafverfahrens vom 6. März 2009 abgedeckt würden. Denn für den Kl war aus dieser einschränkenden Formulierung in der PA vom 1. Dezember 2009 – wie auch für jeden objektiven Dritten – erkennbar, dass von der PA die Sachverhalte nicht umfasst werden sollten, die bereits Gegenstand des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens seien. Auf die Frage, ob der Begriff der „Tat im prozessualen Sinne” nach strafprozessualen Kriterien zutreffend verwandt wurde oder nicht, kommt es, da der Erklärungsgehalt ausreichend klar war, nicht an.
    2) Vollziehbarkeit der PA
    Im Streitfall war die Vollziehung der PA vom 1. Dezember 2009 zum Zeitpunkt des Erlasses der Aufforderung zur Beantwortung bestimmter Fragen bzw. zur Vorlage bestimmter Unterlagen vom 10. Januar 2011 nicht ausgesetzt. Zwar hatte der erkennende Senat mit Beschluss vom 3. Mai 2010 (Az. …) mit der in zeitlicher Hinsicht nicht weiter eingeschränkten Tenorierung „Die Vollziehung der Prüfungsanordnung vom 1. Dezember 2009 wird ausgesetzt” AdV gewährt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine solche Tenorierung der Auslegung zugänglich. Setzt das FG die Vollziehung eines Verwaltungsakts aus, gegen den bereits eine Klage beim FG anhängig ist und äußert sich nicht über den Zeitraum, für den die Aussetzung gelten soll, bezieht sich die Aussetzung nur auf den jeweiligen Verfahrensabschnitt vor dem FG (BFH-Beschlüsse vom 3. Januar 1978 VII S 13/77, BStBl II 1978, 157; vom 10. Oktober 1985 V S 4/85, BFH/NV 1986, 183 und vom 3. August 2007 V S 20/07, BFH/NV 2007, 2309).
    Bei der im Streitfall gegebenen Sachlage, in der der gerichtliche Aussetzungsantrag während des noch laufenden Einspruchsverfahrens gestellt wurde, ist die zeitlich nicht weiter eingeschränkte Tenorierung im AdV-Beschluss des Senats vom 3. Mai 2010 dahingehend auszulegen, dass die AdV auf die Dauer des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens beschränkt wurde. Denn die zeitliche Wirkung einer AdV hängt davon ab, ob sich die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts voraussichtlich im Einspruchsverfahren werden beheben lassen oder nicht (vgl. FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. März 1984 IX V 440/83, EFG 1984, 564; Hessisches FG, Beschluss vom 25. Juni 2001 6 V 1764/01, EFG 2001, 1308).
    Im Streitfall hätten die Mängel in der Darstellung der Ermessenserwägungen im Zusammenhang mit der Erteilung des Prüfungsauftrags gemäß § 195 Satz 2 AO noch bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens behoben werden können, so dass zu diesem Zeitpunkt eine Zäsur eintrat und sich eine neue Beurteilungsgrundlage für die Frage der Gewährung der AdV ergab. Denn sowohl bei der PA als auch bei der Beauftragung gemäß § 195 Satz 2 AO handelt es sich um Ermessensentscheidungen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass eventuelle Ermessensfehler gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO bis zum Abschluss des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens durch Nachholung von Ermessenserwägungen geheilt werden können.
    C. Weitere Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes ist, dass eine Aufforderung zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 AO erfolgt ist. Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen, von der „PA” unabhängigen Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO. Eine solche Aufforderung seitens des Bekl ist mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 10. Januar 2011, erfolgt. Dieser Verwaltungsakt muss außerdem vollziehbar sein (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BStBl II 2011, 855 und vom 28. Juni 2011 X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt, da von der Klägerseite kein Antrag auf AdV dieses Verwaltungsakts gestellt wurde.
    D. Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds auch nicht auf die Fälle der Verlagerung der Buchführung ins Ausland gemäß § 146 Abs. 2a AO beschränkt. Denn die Regelung des § 146 Abs. 2b AO ist über den direkten Normzusammenhang zu § 146 Abs. 2a AO auch in anderen Fällen anwendbar, in denen – ohne Verlagerung der Buchführung ins Ausland – ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamts zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne von § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer AP innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt (BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BStBl II 2011, 855 und vom 28. Juni 2011 X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833) mit weiteren Nachweisen – m.w.N. –; anderer Ansicht: Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 146 AO Rn. 51).
    E. 1) Die dem Kl mit Schreiben vom 10. Januar 2011 eingeräumte Frist zur Beantwortung bestimmter Fragen bzw. zur Vorlage bestimmter Unterlagen entsprechend der Prüferanfrage vom 1. Dezember 2009 ist nicht ermessensfehlerhaft. Insoweit hat der Kl auch keine Beanstandungen erhoben.
    2) Die Höhe des festgesetzten Verzögerungsgeldes ist ebenfalls nicht ermessensfehlerhaft. Da der Bekl für jede Frage, die der Kl nicht fristgerecht beantwortet hat bzw. für jede Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen, der er nicht fristgerecht nachgekommen ist, nur den gesetzlichen Mindestbetrag von 2.500 EUR festgesetzt hat, war insoweit die Darlegung von Ermessenserwägungen entbehrlich. Hinsichtlich der Höhe des festgesetzten Verzögerungsgeldes hat der Kl auch keine Einwendungen erhoben.
    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
    III. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

    VorschriftenAO § 146 Abs. 2a, AO § 146 Abs. 2b, AO § 200, AO § 125, AO § 118, AO § 126

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