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  • · Fachbeitrag · Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012

    Von der Fotovoltaikanlage bis zur Deckelung der Rückstellungshöhe: Die EStÄR 2012 im Überblick

    von StB Dipl.-Finw. (FH) Sonja Steben, Dortmund

    | Bereits im Mai 2012 präsentierte das BMF einen Entwurf für die Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien (EStÄR) 2012. Dass es bis zur finalen Veröffentlichung (EStÄR vom 25.3.13, BStBl I 13, 276) rund zehn Monate gedauert hat, lag insbesondere an zwei kontrovers diskutierten Punkten: Die Anhebung der steuerlichen Herstellungskosten-Untergrenze und die Deckelung der Rückstellungshöhe auf den handelsrechtlichen Wert. Aber nicht nur diese Punkte haben Aufmerksamkeit verdient, wie der nachfolgende Überblick über die Neuerungen zeigt. |

    1. Zeitliche Anwendung

    Die EStÄR 2012 berücksichtigen neuere Entwicklungen im Einkommensteuerrecht aufgrund von Rechtsänderungen und der BFH-Rechtsprechung. Sie stellen grundsätzlich die Sichtweise der Finanzverwaltung ab dem VZ 2012 dar, gelten aber auch bereits für frühere VZ, wenn sie lediglich die bereits bestehende Rechtslage erläutern.

    2. Erstattungsüberhang bei Sonderausgaben

    Durch § 10 Abs. 4b EStG führt ein Erstattungsüberhang bei Sonderausgaben seit dem VZ 2012 nur noch in Ausnahmefällen zu einer Korrektur des Sonderausgabenabzugs für das Jahr, in dem die Aufwendungen geltend gemacht wurden. Vielmehr sind Erstattungsüberhänge grundsätzlich durch eine Hinzurechnung zum Gesamtbetrag der Einkünfte zu berücksichtigen (10 Abs. 4b S. 3 EStG, R 2 Abs. 1 EStÄR 2012).

     

    Hinweis | Ausführliche Informationen zur neuen Rechtslage, die insbesondere bei der Kirchensteuer relevant ist, erhalten Sie in MBP 12, 96.

    3. Fotovoltaikanlagen als eigenständiges Wirtschaftsgut

    Dachintegrierte Fotovoltaikanlagen sind wie selbstständige bewegliche Wirtschaftsgüter zu behandeln, sodass u.a. ein Investitionsabzugsbetrag nach 
§ 7g EStG zulässig ist (R 4.2 Abs. 3 S. 4 EStÄR 2012).

     

    Der private Stromverbrauch ist keine private Verwendung der Anlage, sondern eine Sachentnahme des produzierten Stroms (R 4.3 Abs. 4 S. 2 EStÄR 2012). Damit ist ein Investitionsabzugsbetrag auch bei einem Selbstverbrauch von mehr als 10 % möglich (vgl. u.a. MBP 13, 63).

    4. Bilanzänderung bei Mitunternehmerschaften

    Eine Bilanzänderung ist möglich, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung steht und soweit die Auswirkung der Bilanzberichtigung auf den Gewinn reicht (§ 4 Abs. 2 
S. 2 EStG). Bei einer Mitunternehmerschaft beziehen sich beide Maßnahmen auf die Bilanz der Mitunternehmerschaft (Gesamthandsbilanz, Ergänzungsbilanz und Sonderbilanz), sodass z.B. durch die Berichtigung der Gesamthandsbilanz eine Bilanzänderung in der Ergänzungs- oder Sonderbilanz möglich wird (R 4.4 Abs. 2 S. 6 EStÄR 2012).

    5. Gewerbesteuerrückstellungen ab 2008

    Durch R 5.7 Abs. 1 S. 2 EStÄR 2012 wird nunmehr auch in den Richtlinien klargestellt, dass Gewerbesteuerrückstellungen in der Steuerbilanz zu passivieren und die steuerlichen Gewinnkorrekturen nach § 4 Abs. 5b EStG außerbilanziell vorzunehmen sind.

    6. Anhebung der Herstellungskosten-Untergrenze

    Im Handelsrecht besteht ein Wahlrecht, wonach Kosten der allgemeinen Verwaltung, Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs sowie für freiwillige soziale Leistungen und die betriebliche Altersversorgung in die Herstellungskosten einbezogen werden können (§ 255 Abs. 2 S. 3 HGB). Nach den Bestimmungen in der R 6.3 Abs. 4 S. 1 EStR 2008 galt dieses Wahlrecht bisher auch für steuerliche Zwecke. Demgegenüber sehen die nun veröffentlichten EStÄR 2012 eine steuerliche Aktivierungspflicht vor.

     

    Diese Aktivierungspflicht wurde im Vorfeld vielfach kritisiert. Beispielsweise hatte die Bundessteuerberaterkammer in ihrer Stellungnahme vom 21.11.12 darauf hingewiesen, dass die Verwaltungsauffassung dem Bestreben des BilMoG widerspreche, die handelsrechtlichen Herstellungskosten an die steuerlichen anzupassen. Die geforderte Aktivierungspflicht hebe die steuerliche Untergrenze an und führe zu einem erneuten Abweichen zwischen handelsrechtlichen und steuerlichen Herstellungskosten.

     

    PRAXISHINWEIS |  Noch vor der Veröffentlichung der EStÄR 2012 im Bundessteuerblatt ist die Finanzverwaltung nunmehr etwas „zurückgerudert“. In einem separaten Schreiben hat sie nämlich verfügt, dass es nicht beanstandet wird, „wenn bis zur Verifizierung des damit verbundenen Erfüllungsaufwandes, spätestens aber bis zu einer Neufassung der EStR bei der Ermittlung der Herstellungskosten nach der R 6.3 Abs. 4 EStR 2008 verfahren wird“ (BMF 25.3.13, IV C 6 - S 2133/09/10001 :004). Demzufolge ist zumindest vorerst weiterhin ein Gleichklang zwischen Handels- und Steuerrecht möglich.

     

    7. Rücklage für Ersatzbeschaffung

    Die Aufdeckung stiller Reserven kann in bestimmten Fällen der Ersatzbeschaffung vermieden werden. Voraussetzungen sind nach R 6.6 Abs. 1 EStR u.a.:

     

    • Ein begünstigtes Ereignis (höhere Gewalt oder behördlicher Eingriff),
    • Ausscheiden des Wirtschaftsguts gegen Entschädigung und
    • Anschaffung bzw. Herstellung eines funktionsgleichen Ersatzwirtschaftsguts innerhalb bestimmter Fristen.

     

    Erfolgt die Ersatzbeschaffung in einem späteren VZ, kann in Höhe der aufgedeckten stillen Reserven eine steuerfreie Rücklage gebildet werden. Wegen der neuen Rechtsprechung des BFH (12.1.12, IV R 4/09) wurden die Übertragungsfristen an § 6b EStG angeglichen (R 6.6 Abs. 4 S. 3 bis S. 6 EStÄR 2012):

     

    • Scheidet ein Wirtschaftsgut i.S. des § 6b Abs. 1 S. 1 EStG (i.W. Grund und Boden sowie Gebäude) aus dem Betriebsvermögen aus, beträgt die Reinvestitionsfrist vier Jahre; bei neu hergestellten Gebäuden sechs Jahre.

     

    • Für bewegliche Wirtschaftsgüter beträgt die Frist weiterhin ein Jahr. Macht der Steuerpflichtige jedoch glaubhaft, dass die Ersatzbeschaffung noch ernstlich geplant und zu erwarten ist, aber aus besonderen Gründen noch nicht durchgeführt werden konnte, kann die Frist auf bis zu vier Jahre (sechs Jahre bei neu hergestellten Gebäuden) verlängert werden.

     

    MERKE | Sowohl bei der Übertragung für Ersatzbeschaffung als auch in den Fällen des § 6b EStG handelt es sich um Wahlrechte, die nur steuerlich zulässig sind. Wegen der Abweichung zum handelsrechtlichen Ansatz ist das Wirtschaftsgut in ein besonderes, laufend zu führendes Verzeichnis i.S. des § 5 Abs. 1 S. 2 EStG aufzunehmen (R 6.6 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EStÄR 2012, R 6b.2 Abs. 1 S. 1 EStÄR 2012). Bei der Rücklagenbildung genügt zur Erfüllung dieser Aufzeichnungspflichten jedoch die Passivierung in der Steuerbilanz (R 6.6 Abs. 4 S. 7 EStÄR 2012; R 6b.2 Abs. 2 EStÄR 2012).

     

    8. Deckelung der Rückstellungshöhe

    Nach R 6.11 Abs. 3 S. 1 EStÄR 2012 dürfen die Rückstellungen in der Steuerbilanz - mit Ausnahme der Pensionsrückstellung nach § 6a EStG - den zulässigen Ansatz in der Handelsbilanz nicht überschreiten („Deckelungu“). Hintergrund sind die seit BilMoG geltenden Bewertungsgrundsätze, die z.B. wegen unterschiedlicher Abzinsungszeiträume und -zinssätze zu einem höheren Wertansatz der Rückstellung in der Steuerbilanz führen können (insbesondere bei Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen).

     

    Da sich durch die sofortige Teilauflösung der Rückstellungen zum Teil erhebliche Auflösungsgewinne ergeben könnten, stimmte der Bundesrat den EStÄR 2012 am 14.12.12 (BR-Drs. (B) 681/12) nur unter dem Vorbehalt eines Verteilungswahlrechts zu. Diese Forderung hat das BMF umgesetzt. In R 6.11 Abs. 3 S. 2 EStÄR 2012 heißt es: „Für den Gewinn, der sich aus der erstmaligen Anwendung des BilMoG durch die Auflösung von Rückstellungen ergibt, die bereits in dem vor dem 1.1.10 endenden Wirtschaftsjahr passiviert wurden, kann jeweils i.H. von 14/15 eine gewinnmindernde Rücklage passiviert werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens 1/15 gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum).“

    9. Krankenversicherungsbeiträge der Kinder

    Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG können eigene Beiträge eines (steuerlich berücksichtigungsfähigen) Kindes zur Basiskranken- und gesetzlichen Pflegeversicherung bei den Eltern als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Voraussetzung ist, dass die Eltern für das Kind Unterhaltsleistungen (z.B. Unterkunft und Verpflegung) erbringen, nicht jedoch, ob das Kind eigene Einkünfte erzielt. Da der Abzug entweder bei den Eltern oder beim Kind möglich ist, muss die Vorteilhaftigkeit im Einzelfall geprüft werden (R 10.4 EStÄR 2012).

    10. Verlustabzug in Erbfällen

    Zum Todeszeitpunkt nicht aufgezehrte Verluste des Erblassers können bei der Veranlagung des Erben grundsätzlich nicht im Rahmen des Verlustausgleichs und -abzugs berücksichtigt werden. Diese Änderung der Rechtsprechung (BFH 17.12.07, GrS 2/04) wurde in R 10d Abs. 9 EStÄR 2012 aufgenommen.

     

    Hinweis | Bei Erbfällen mit nicht ausgeglichenen Verlusten sollte die neue Verwaltungsanweisung wegen der hier vorgenommenen Differenzierungen näher betrachtet werden. Beispielsweise sind folgende Aspekte aufgeführt:

     

    • Werden Ehegatten für das Todesjahr zusammen veranlagt und erfolgt für das Vorjahr ebenfalls eine Zusammenveranlagung, ist ein Rücktrag des nicht ausgeglichenen Verlusts des Erblassers in das Vorjahr möglich.

    11. Ehegattenveranlagung

    Mit Wirkung ab dem VZ 2013 werden die Veranlagungsarten für Eheleute von sieben auf vier Veranlagungs- und Tarifvarianten reduziert. Demzufolge sind die EStR 2008 für den VZ 2012 weiter anzuwenden (R 25 Abs. 2, R 26 Abs. 3, 
R 26a EStÄR 2012).

    12. Aufwendungen wegen Krankheit, Behinderung und für Integrationsmaßnahmen (§ 33 EStG)

    Steuerpflichtige haben die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen (bestätigt durch BFH 19.4.12, VI R 74/10). Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) ist dieser Nachweis durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen. Bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, wird ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung verlangt (u.a. bei Bade- und Heilkuren).

     

    Die Nachweispflichten standen bisher in R 33.4 EStR 2008. Da die Voraussetzungen durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 in § 64 EStDV normiert worden sind, ist in R 33.4 Abs. 1 S. 1 EStÄR 2012 nur noch ein Verweis enthalten.

     

    Behinderungsbedingte Umbaukosten eines Hauses oder einer Wohnung können im VZ des Abflusses eine außergewöhnliche Belastung darstellen, soweit die Baumaßnahme durch die Behinderung bedingt ist. Eine Verteilung der Kosten auf mehrere Jahre ist nicht zulässig (R 33.4 Abs. 5 S. 2 EStÄR 2012).

    Hinweis | In R 33.4 Abs. 5 S. 3 EStÄR 2012 ist aufgeführt, welche Unterlagen für den Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen ausreichend sind (z.B. Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung).

     

    Aufwendungen für Deutschkurse sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Gleiches gilt für Integrationskurse - es sei denn, es wird eine Bestätigung nach § 6 Abs. 1 S. 1 und 3 der Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler vorgelegt, nach der die Teilnahme verpflichtend war (R 33.4 Abs. 6 EStÄR 2012).

    13. Unterhalt für eine bedürftige Person (§ 33a EStG)

    Aufwendungen für den Unterhalt oder eine Berufsausbildung einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person sind bis zu 8.004 EUR p.a. als außergewöhnliche Belastung gem. § 33a Abs. 1 EStG abziehbar, wenn für die Person kein Anspruch auf Kindergeld besteht, sie bedürftig ist und nur geringes Vermögen besitzt. Eigene Einkünfte und Bezüge des Unterhaltsempfängers mindern den Höchstbetrag um den Betrag, um den die Einkünfte und Bezüge 624 EUR im Kalenderjahr übersteigen.

     

    Einkünfte werden nach der Verwaltungsanweisung auch dann vollständig berücksichtigt, wenn sie zur Bestreitung des Unterhalts tatsächlich nicht zur Verfügung stehen (z.B. unverzichtbare Versicherungsbeiträge (R 33a.1 Abs. 3 S. 1 und S. 2 EStÄR 2012). Darüber hinaus ist beispielhaft aufgeführt, welche Einnahmen als Bezüge gewertet werden (z.B. Kapitalerträge im Rahmen der Abgeltungsteuer ohne Abzug des Sparer-Pauschbetrags; R 33a.1 Abs. 3 S. 4 EStÄR 2012). Werden keine mit den Bezügen im Zusammenhang stehende Aufwendungen geltend gemacht, wird pauschal ein Betrag von 180 EUR abgezogen (R 33a.1 Abs. 3 S. 5 EStÄR 2012).

     

    PRAXISHINWEIS |  Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der unterhaltenen Person können zusätzlich zum Höchstbetrag von 8.004 EUR steuerlich geltend gemacht werden, wenn beim Unterhaltsleistenden kein Sonderausgabenabzug möglich ist. Es ist nicht notwendig, dass die Beiträge tatsächlich von dem Unterhaltsverpflichteten gezahlt oder erstattet wurden. Vielmehr genügt es, dass er seiner Unterhaltsverpflichtung nachkommt (R 33a Abs. 5 EStÄR 2012).

     

    14. Behinderten- und Pflegepauschbetrag (§ 33b EStG)

    Der Nachweis der Behinderung nach § 65 EStDV gilt auch dann als geführt, wenn die Bescheinigungen den behinderten Menschen nur in elektronischer Form übermittelt werden und der Steuerpflichtige einen Ausdruck der Bescheinigung vorlegt (R 33b Abs. 9 EStÄR 2012).

     

    Der Pflegepauschbetrag nach § 33b Abs. 6 EStG wird einer pflegenden Person zur Abgeltung ihrer Aufwendungen nur dann zugestanden, wenn sie für die Pflege keine Einnahmen erhält. Die von der Pflegekasse übernommenen Beiträge zur Renten-, Kranken- oder Pflegeversicherung der pflegenden Person führen nicht zu schädlichen Einnahmen (R 33b Abs. 7 EStR 2012).

    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 86 | ID 37418760