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  • · Fachbeitrag · Sozialversicherung

    Alles Wichtige zur Rentenversicherungspflicht bei selbstständigen Handwerkern

    von StB Dipl.-Finw. (FH) Jutta Liess, Traunreut

    | Existenzgründer können ihre Altersvorsorge nicht immer frei wählen. Insbesondere bei Handwerkern führt der Weg in die Selbstständigkeit oftmals nicht an der gesetzlichen Rentenversicherung vorbei. Der Beitrag zeigt, in welchen Fällen Rentenversicherungspflicht besteht und welche Befreiungs- und Wahlmöglichkeiten genutzt werden können. |

    1. Rentenversicherungspflicht

    Handwerker unterliegen der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht grundsätzlich dann, wenn sie ein zulassungspflichtiges Handwerk selbstständig ausüben. Die Versicherungspflicht trifft somit selbststuändig tätige Handwerker, die in der Anlage A der Handwerksordnung (HwO) eingetragen sind. Darunter fallen insbesondere Maurer, Zimmerer, Tischler, Steinmetze, Glaser, Maler, Schornsteinfeger, Mechaniker, Installateure, Elektrotechniker, Bäcker, Fleischer, Augenoptiker, Zahntechniker und Friseure.

     

    PRAXISHINWEIS | Unter die zulassungsfreien Handwerke (Anlage B) fallen hingegen u.a. Fliesenleger, Schumacher, Maßschneider, Sattler, Raumausstatter, Gebäude- oder Textilreiniger, Fotografen, Drucker. Wer jedoch zum 31.12.03 als zulassungspflichtiges Handwerk der Versicherungspflicht unterlag und durch die Änderung der HwO nun ein zulassungsfreies Handwerk ausübt, unterliegt weiterhin der Handwerkerpflichtversicherung.

     

    Der Versicherungspflicht unterliegen nicht nur die Inhaber eines Einzelbetriebs, sondern auch Personengesellschafter mit der entsprechenden handwerksrechtlichen Qualifikation. In der Regel ist dies der Meistertitel, in manchen Handwerksberufen können nach § 7b HwO aber auch Gesellen mit sechsjähriger Berufserfahrung - davon vier Jahre in leitender Stellung - über eine Ausübungsberechtigung in die Handwerksrolle eingetragen werden (mit der Folge der Versicherungspflicht auch ohne Meistertitel). Zudem bestehen z.B. für Hochschulabsolventen Ausnahmeregelungen, die zur Eintragung berechtigten.

     

    Keine Versicherungspflicht besteht demgegenüber für

    • Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft,
    • Gesellschafter einer Personengesellschaft ohne einen handwerkerrechtlichen Befähigungsnachweis,
    • Betriebsinhaber, die selbst nicht die entsprechende Qualifikation haben, sondern z.B. einen Meister beschäftigen,
    • Nachlassverwalter,
    • Witwen bzw. Witwer oder Erben, die nach dem Tod des qualifizierten Inhabers den Betrieb weiterführen sowie
    • Inhaber eines handwerklichen Nebenbetriebs i.S. der HwO.

     

    Beachten Sie | Auch bei einem nicht zulassungspflichtigen Handwerk kann eine Rentenversicherungspflicht eintreten - und zwar insbesondere dann, wenn es sich um arbeitnehmerähnliche Selbstständige handelt (vgl. § 2 S. 1 
Nr. 9 SGB VI: Personen, die auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind und regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen).

     

    Der Beginn der Versicherungspflicht fällt grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit, bei eventuell erst späterer Eintragung in die Handwerksrolle auf das Datum der Eintragung. Wird die Tätigkeit nachweislich nicht ausgeübt, kann es zu einer beitragsfreien Unterbrechung der Versicherungspflicht kommen, was insbesondere bei längerer Krankheit, Schwangerschaft oder Mutterschutz zum Tragen kommt. Hierüber ist der Rentenversicherungsträger zu unterrichten. Für diese Zeit sind dann keine Pflichtbeiträge zu leisten, können aber freiwillig weiterbezahlt werden. Die Versicherungspflicht endet bei Löschung aus der Handwerksrolle oder bei Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit.

     

    PRAXISHINWEIS |  Beim Einstieg in die Selbstständigkeit sollte mit der Deutschen Rentenversicherung die Rentenversicherungspflicht anhand des Vordrucks V010 (unter www.iww.de/sl275) geklärt werden. Ein Merkblatt (V015) zur Versicherungspflicht kann unter www.iww.de/sl274 heruntergeladen werden.

     

    2. Befreiungsmöglichkeit und Versicherungsfreiheit

    Nach 18-jähriger Beitragszahlung können sich Handwerker von der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen. Dazu muss man für insgesamt 216 Kalendermonate Pflichtbeiträge entrichtet haben, wozu auch die Zeiten vor der Selbstständigkeit zählen.

     

    Die Befreiung muss bei der Deutschen Rentenversicherung beantragt werden. Wird der Antrag innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Voraussetzungen gestellt, wirkt die Befreiung zurück auf diesen Zeitpunkt. Bei späterer Antragsstellung gilt die Freistellung erst ab dem Eingang des Antrags. Zu beachten ist, dass die Befreiung nur für die jeweilige Tätigkeit gilt. Erfolgt nach Löschung in der Handwerksrolle ein späterer Wiedereintrag, ist ein neuer Antrag erforderlich.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Befreiung sollte wohl überlegt sein, da u.a. der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente verloren gehen kann und sich die späteren Rentenleistungen reduzieren. Zumindest sollte vor einem Ausstieg eine Beratung hinsichtlich eines freiwilligen Beitrags (mindestens 85,05 EUR) eingeholt werden.

     

     

    Ein Handwerker ist versicherungsfrei, wenn er eine geringfügige selbstständige Tätigkeit (seit 2013 bis 450 EUR) ausübt. Hatte er bis Ende 2012 ein Arbeitseinkommen von über 400 EUR und bis zu 450 EUR, bleibt die bisherige Versicherungspflicht bei einem aktuellen Einkommen innerhalb dieser Einkommensgrenzen bis Ende 2014 bestehen (vgl. die Hinweise im Merkblatt V015).

    3. Freiwillige Versicherung/Pflichtversicherung auf Antrag

    Nicht gesetzlich rentenversicherungspflichtige Handwerker können - außer oder neben einer privaten Altersabsicherung - freiwillig Beiträge zahlen oder eine Pflichtversicherung auf Antrag (grundsätzlich innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Tätigkeit) wählen. Wer sich für die Pflichtversicherung auf Antrag entscheidet, kann diese nicht mehr kündigen, sondern bleibt bis zur Beendigung der selbstständigen Tätigkeit pflichtversichert. Anders als bei der freiwilligen Versicherung ist ein freiwilliges Ausscheiden somit nicht möglich. Demgegenüber besteht eine unmittelbare Berechtigung auf die Riester-Förderung (nicht bei freiwillig Versicherten) sowie ein Anspruch auf Rehabilitationsleistungen und Eingliederungshilfen.

     

    PRAXISHINWEIS |  Weitere Informationen zur Pflichtversicherung auf Antrag sind in dem Merkblatt V025 der Deutschen Rentenversicherung enthalten (unter www.iww.de/sl276). Über die freiwillige Versicherung informiert die Broschüre „Freiwillig rentenversichert: Ihre Vorteile“ (unter www.iww.de/sl277).

     

    4. Beitragshöhe

    Für Pflichtversicherte (auch auf Antrag) gibt es drei Beitragsvarianten, zwischen denen frei gewählt werden kann:

     

    • Regelbeitrag: Ohne Rücksicht auf die Höhe der Einkünfte zahlen Selbstständige einen regulären Monatsbeitrag von derzeit 509,36 EUR in den alten bzw. 429,98 EUR in den neuen Bundesländern (18,9 % von der SV-Bezugsgröße i.H. von 2.695 EUR bzw. 2.275 EUR).

     

    • Halber Regelbeitrag: Junghandwerker zahlen bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nur die Hälfte, derzeit also monatlich 254,68 EUR bzw. 214,99 EUR (Ost). Auf Antrag können sie den vollen Beitrag einzahlen (§ 165 Abs. 1 SGB VI).

     

    • Einkommensgerechter Beitrag: Bei einem Nachweis des tatsächlichen Gewinns können Handwerker auch niedrigere oder höhere Beiträge als den Regelbeitrag zahlen. Als Nachweis dient der letzte ESt-Bescheid oder im Jahr der Gründung eine - z.B. von einem Steuerberater bescheinigte - vorgelegte gewissenhafte Gewinnschätzung.

     

    • Hinweis | Auf Antrag ist vom laufenden Arbeitseinkommen auszugehen, wenn dieses voraussichtlich um mindestens 30 % geringer ist als das Arbeitseinkommen aus dem letzten ESt-Bescheid (§ 165 Abs. 1a SGB VI).

     

    Freiwillig rentenversicherte Handwerker können die Beitragshöhe selbst bestimmen. Der Mindestbeitrag beträgt in 2013 monatlich 85,05 EUR, der Höchstbeitrag 1.096,20 EUR. Auch die Anzahl der Monatsbeiträge kann gewählt werden, es müssen also nicht zwölf pro Kalenderjahr sein. Allerdings sollte bedacht werden, dass die eingezahlten Beiträge die spätere Rentenhöhe wesentlich bestimmen.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 106 | ID 39543190