· Fachbeitrag · Umsatzsteuer
§ 13b UStG bei Bauleistungen: Der Gesetzgeber stellt den alten Status quo wieder her
von Dipl.-Finw. (FH) Thomas Meurer, Baesweiler
| Der Wechsel der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen entwickelt sich zu einem Dauerbrenner im Umsatzsteuerrecht. Durch das kürzlich verkündete „Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vom 25.7.14 (BGBl I 14, 1266) hat der Gesetzgeber die BFH-Rechtsprechung aus 2013 ausgehebelt und den alten Status quo (weitgehend) wiederhergestellt. Alle Fragen, insbesondere zu den Altfällen, sind aber noch nicht geklärt. |
1. Bisherige Verwaltungsmeinung
Nach der bisherigen Verwaltungsmeinung schuldete der Leistungsempfänger bei Bauleistungen die Umsatzsteuer, wenn er ein Unternehmer ist, der selbst derartige Bauleistungen erbringt. Dies sollte für Unternehmer gelten, die nachhaltig Bauleistungen erbringen, d.h., der Unternehmer musste im vorangegangenen Kalenderjahr mehr als 10 % seines Weltumsatzes durch Bauleistungen erbracht haben (A 13b.3 Abs. 2 UStAE a.F.). Daneben war davon auszugehen, dass der Leistungsempfänger nachhaltig Bauleistungen erbringt, wenn er gegenüber dem leistenden Unternehmer eine Bescheinigung i.S. des § 48b EStG verwendete. Darüber hinaus konnten sich die Beteiligten in Zweifelsfällen über die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers einvernehmlich verständigen (Vereinfachungsregelung in A 13b.8 UStAE a.F.).
2. Neue BFH-Rechtsprechung
Dieser Ansicht ist der BFH (22.8.13, V R 37/10) jedoch explizit entgegengetreten. Es kommt, so der BFH, vielmehr darauf an, ob der Leistungsempfänger die bezogene Bauleistung unmittelbar zur Ausführung einer eigenen Bauleistung verwendet.
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Elektromeister E erneuert die Elektroinstallation in dem Geschäftslokal des Fliesenlegers F.
Nach bisherigem Verständnis war F als Leistungsempfänger Steuerschuldner, da die Elektroarbeiten eine Bauleistung darstellen und F als Fliesenleger selbst nachhaltig Bauleistungen erbringt (10 %-Grenze erfüllt). Nach den neuen Grundsätzen liegt kein Fall des § 13b UStG vor, da F die bezogene Bauleistung nicht unmittelbar zur Ausführung einer eigenen Bauleistung verwendet. |
Darüber hinaus ist der Leistungsempfänger für nichtunternehmerische Leistungsbezüge - entgegen § 13b Abs. 5 S. 6 UStG - ebenfalls kein Steuerschuldner mehr, da diese Leistungen nicht zur Ausführung von eigenen Bauleistungen bezogen werden.
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Dachdecker D lässt an seinem privaten EFH die Elektroinstallation erneuern.
Bisher galt D als Steuerschuldner, da er eine Bauleistung bezieht und selbst nachhaltig Bauleistungen erbringt (10 %-Grenze erfüllt). Nach Auffassung des BFH verwendet D die Eingangsleistung allerdings nicht zur Ausführung einer eigenen Bauleistung, weshalb D nicht zum Steuerschuldner wird. |
Darüber hinaus stellte der BFH heraus, dass Bauträger mit dem Verkauf von bebauten Grundstücken keine Bauleistungen in Form von Werklieferungen erbringen, da hierfür die Bearbeitung einer fremden Sache (fremdes Grundstück) erforderlich wäre. Die Finanzverwaltung hatte bislang jedoch auch Bauträgergeschäfte als Bauleistungen angesehen, soweit die Grundstücksgeschäfte zu einem Zeitpunkt vor der Fertigstellung erfolgten.
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Im Auftrag des Bauträgers B übernimmt Dachdecker D regelmäßig die Dacharbeiten. Beim Projekt 1 wurde bereits vor Baubeginn vertraglich festgehalten, dass B das bebaute Grundstück an ein Ehepaar verkauft. Im Rahmen des Projekts 2 wird B als Generalunternehmer für ein Ehepaar tätig und bebaut - wie vertraglich vereinbart - das den Auftraggebern gehörende Grundstück. Bei beiden Projekten werden die Dacharbeiten durch den D im Auftrag des B erbracht.
Nach bisheriger Auffassung der Verwaltung waren auch Grundstücksgeschäfte durch Bauträger grundsätzlich als Bauleistungen anzusehen, weshalb Bauträger regelmäßig die 10 %-Grenze überschritten und zum Steuerschuldner für bezogene Bauleistungen wurden. Demnach war B für die Leistungen des D in beiden Projekten Steuerschuldner.
Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 22.8.13 muss differenziert werden. Im Rahmen des Projekts 1 erbringt B eine reine Grundstückslieferung und demnach keine eigene Bauleistung, weshalb B für die Leistung des D nicht zum Steuerschuldner wird. Da B beim Projekt 2 aber selbst eine Bauleistung (Errichtung eines Gebäudes) erbringt und hierfür unmittelbar eine Bauleistung bezieht, wird er für die Leistung des D insoweit zum Steuerschuldner. |
In zwei Schreiben hatte das BMF (5.2.14, IV D 3 - S 7279/11/10002 und BMF 8.5.14, IV D 3 - S 7279/11/10002-03) die Rechtsprechung des BFH uneingeschränkt übernommen und das Urteil im BStBl veröffentlicht. Die Bekanntgabe des ersten Schreibens im BStBl erfolgte am 14.2.14, sodass vor allem die folgenden Grundsätze ab dem Folgetag (15.2.14) anzuwenden sind:
- Der Leistungsempfänger muss die Bauleistung selbst zur Erbringung einer derartigen Leistung verwenden. Auf die 10 %-Grenze kommt es nicht mehr an (A 13b.3 Abs. 1 S 2 UStAE).
- Einer Bescheinigung i.S. des § 48b EStG kommt keine Bedeutung mehr zu.
- Über die Anwendung des § 13b UStG ist zwischen den Parteien keine einvernehmliche Verständigung mehr möglich.
Beachten Sie | Zudem hat die Finanzverwaltung für „Altfälle“ sowie „Anzahlungsfälle“ umfangreiche Übergangs- bzw. Nichtbeanstandungsregelungen verfügt.
3. Neue Gesetzesregelung
Durch das sogenannte „Kroatiengesetz“ vom 25.7.14 hat der Gesetzgeber den alten Status quo (weitgehend) wiederhergestellt. Die Änderungen treten allerdings erst am 1.10.14 in Kraft, damit sowohl die Praxis als auch die Finanzverwaltung genügend Zeit haben, um sich auf die geänderte Vorgehensweise einzustellen.
Der neue § 13b Abs. 5 S. 2 UStG n.F. führt zukünftig aus, dass der Leistungsempfänger für bezogene Bauleistungen dann Steuerschuldner wird, wenn er ein Unternehmer ist, der nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt. Davon ist auszugehen, wenn ihm das FA eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Bescheinigung darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Für diese Zwecke hat das BMF (26.8.14, IV D 3 - S 7279/10/10004) den Vordruck USt 1 TG neu aufgelegt.
Beachten Sie | Laut Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 18/1995 vom 2.7.14) soll durch Verwaltungsanweisung zudem geregelt werden, dass diese Bescheinigung dann auszustellen ist, wenn der Unternehmer im vorangegangenen Kalenderjahr zu mindestens 10 % (Verhältnis zum Weltumsatz) Bauleistungen erbracht hat oder bei Neugründung im laufenden Jahr beabsichtigt, zu erbringen. Der Leistungsempfänger soll auch dann Steuerschuldner werden, wenn er die ihm erteilte Bescheinigung im konkreten Fall nicht verwendet.
Auf den vom BFH kreierten Umstand, dass die Eingangsleistung unmittelbar für eine eigene Bauleistung verwendet werden muss, kommt es nicht mehr an. Dies ist auch im neuen § 13b Abs. 5 S. 2 UStG n.F. geregelt („... unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Leistung i.S. des Abs. 2 Nr. 4 S. 1 verwendet ...“). Somit werden nachhaltige Bauleister insbesondere auch für nichtunternehmerische Leistungsbezüge wieder zum Steuerschuldner.
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Dass der Leistungsempfänger F die Bauleistung zur Ausführung einer eigenen Bauleistung bezieht, ist nicht mehr relevant. Somit wird F als nachhaltiger Bauleister für Leistungsbezüge des E wieder zum Steuerschuldner. |
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Da die konkrete Verwendung nicht mehr entscheidend ist und D als Dachdecker nachhaltiger Bauleister ist, wird D für bezogene Eingangsleistungen auch dann zum Steuerschuldner, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird. |
Nicht durch den Gesetzgeber umgesetzt wurde der Vorschlag des Bundesrates, die Steuerschuld des Leistungsempfängers durch gesetzliche Regelung auch auf klassische Bauträger auszudehnen. Unternehmer, die nachhaltig eigene Grundstücke nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG steuerfrei veräußern, sind hinsichtlich der bezogenen Bauleistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Nach der Gesetzesbegründung hätte eine Einbeziehung dieser Unternehmer in die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers eine größere Gefahr der Nichtbesteuerung der Eingangsumsätze beim Leistungsempfänger zur Folge, als eine Nichtbesteuerung beim leistenden Unternehmer.
Beachten Sie | Insoweit werden Bauträger für bezogene Bauleistungen nur dann Steuerschuldner, wenn diese mit ihren übrigen Bauleistungsumsätzen (u.a. als Generalunternehmer) die 10 %-Grenze erreichen.
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Es kommt nicht mehr auf die jeweilige Einzelverwendung der Eingangsleistung an, sondern vielmehr auf den Umstand, ob B die 10 %-Grenze mit seinen übrigen Bauleistungsumsätzen erfüllt.
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PRAXISHINWEIS | Weder der Gesetzestext noch die Gesetzesbegründung enthalten Aussagen für die Konstellationen, in denen der Leistungsempfänger die Voraussetzung der Nachhaltigkeit (10 %-Grenze) zwar erfüllt, aber eine Bescheinigung nicht beantragt. Nach dem Gesetzeswortlaut „... ist [von der Nachhaltigkeit] auszugehen, wenn ihm das zuständige FA eine … Bescheinigung … erteilt hat …“. Da der Gesetzeswortlaut kein „insbesondere“ enthält, muss davon ausgegangen werden, dass die Bescheinigungsausstellung die einzige Möglichkeit darstellt, die zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers führt. Dann müsste die Finanzverwaltung die Bescheinigungen - zwecks Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung - aber auch von Amts wegen ausstellen. Zur Vermeidung von Streitigkeiten sollte von betroffenen Unternehmern in jedem Fall eine Bescheinigung beantragt und verwendet werden. |
Explizit in das Gesetz aufgenommen wurde die bisherige Verwaltungsanweisung, wonach sich die Beteiligten in Zweifelsfällen auf die Anwendung des § 13b UStG verständigen können. Es bleibt demnach in Zweifelsfällen bei der einvernehmlichen Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auch dann, wenn „... dies nach der Art der Umsätze unter Anlegung objektiver Kriterien nicht zutreffend war …“ (§ 13b Abs. 5 S. 7 UStG n.F.). Dies soll aber nur solange gelten, wie hierdurch keine Steuerausfälle entstehen (§ 13b Abs. 5 S. 7 2. HS UStG).
Beachten Sie | Demnach bleibt diese Regelung - wie bisher - auf Zweifelsfälle beschränkt. Ist eine Anwendung von § 13b UStG völlig abwegig (z.B. weil definitiv keine Bauleistung vorliegt oder der Leistungsempfänger in einer komplett anderen Branche tätig oder eine Privatperson ist), kann eine Einigung nicht erfolgen.
4. Behandlung von Altfällen
Wie die Lösung des Beispiels 3 unter Abschnitt 2 zeigt, wurden nach der bisherigen Verwaltungsauffassung auch Bauträger regelmäßig zum Steuerschuldner. Dabei hatten diese die Umsatzsteuer mangels Vorsteuerabzug auch an das FA abzuführen. Nach der neuen Rechtsprechung des BFH vom 22.8.13 waren die Bauträger - wie oben dargestellt - aber regelmäßig nicht Steuerschuldner, weshalb diese die bisherigen Steuerfestsetzungen grundsätzlich korrigieren lassen können.
Die Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG n.F. regelt nun rückwirkend (für Umsätze, die vor dem 15.2.14 ausgeführt wurden), dass in den Fällen, in denen die Leistungsempfänger nachträglich einen Korrekturantrag stellen, die Steuer bei den leistenden Unternehmern nachzufordern ist. Ein Vertrauensschutz i.S. des § 176 AO soll dem nicht entgegenstehen.
Zur Vereinfachung des Verfahrens wurde gesetzlich geregelt, dass der leistende Unternehmer in diesen Fällen seinen zivilrechtlichen Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer gegenüber dem Leistungsempfänger an das FA abtreten kann, welches im Anschluss mit der Forderung des Leistungsempfängers aufrechnen wird. Demzufolge wird eine Erstattung der Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger (Bauträger) nicht erfolgen.
PRAXISHINWEIS | Sicherlich werden viele betroffene Unternehmer hierzu eine andere Auffassung vertreten. Somit dürfte die Regelung für Altfälle vermutlich in einem finanzgerichtlichen Verfahren auf den Prüfstand gestellt werden. |
Im Hinblick auf die Anwendung von § 27 Abs. 19 UStG n.F. hat die Finanzverwaltung bereits ausführlich Stellung genommen (BMF 31.7.14, IV A 3 - S 0354/14/10001). In diesem Schreiben wird u.a. ausgeführt, dass der Antrag des Leistungsempfängers auf Erstattung der zunächst von ihm entrichteten Umsatzsteuer als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 233a Abs. 2a AO gilt.
Der Zinslauf von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO beginnt in diesen Fällen folglich erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist. Demzufolge wird es gegenüber den leistenden Unternehmen grundsätzlich nicht zur Festsetzung von Nachzahlungszinsen kommen.