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  • · Fachbeitrag · Vermietung und Verpachtung

    15 Jahre alter Nießbrauchserlass neu gefasst: Die wichtigsten Neuerungen im Überblick

    von Dipl.-Finw. (FH) Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg

    | Zur einkommensteuerlichen Behandlung des Nießbrauchs und anderer Nutzungsrechte bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung hatte die Verwaltung ihre Rechtsauffassung zuletzt in 1998 dargelegt ( BMF 24.7.98, IV B 3 - S 2253 - 59/98 ). Nach nunmehr rund 15 Jahren wurde der Nießbrauchserlass wegen der zwischenzeitlichen Entwicklung in Gesetzgebung und Rechtsprechung aktualisiert ( BMF 30.9.13, IV C 1 - S 2253/07/10004 , Abruf-Nr. 133233 ). Nachfolgend werden die wesentlichen Änderungen vorgestellt. |

    1. Dingliche Nutzungsrechte

    Nutzungsrechtsbestellungen bzw. -vorbehalte spielen sich in aller Regel bei Grundstücksübertragungen zwischen nahen Angehörigen ab. Aus der Nutzungsrechtsbestellung können steuerrechtliche Folgerungen indes nur dann gezogen werden, wenn ein bürgerlich-rechtlich wirksames Nutzungsrecht begründet worden ist und die Beteiligten die zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen auch tatsächlich durchführen (BFH 16.1.07, IX R 69/04).

     

    Bei einer Nießbrauchsbestellung zugunsten minderjähriger Kinder ist die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers erforderlich, wenn der Nießbraucher in bestehende Mietverhältnisse eintreten oder zur Vermietung verpflichtet sein soll. Dies gilt auch, wenn sich der Nießbrauchsbesteller verpflichtet, die den Nießbraucher nach §§ 1041, 1045, 1047 BGB treffenden Kosten und Lasten zu tragen (Bruttonießbrauch). Die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft ist jedoch nur für die Bestellung und nicht für die Dauer des Nießbrauchs erforderlich (BMF, a.a.O., Rz. 4).

     

    Hinweis | Die fehlende Mitwirkung eines Ergänzungspflegers ist in diesen Fällen jedoch unschädlich, wenn das Familiengericht die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers für entbehrlich gehalten hat (BMF, a.a.O., Rz. 5).

     

    Anwendungsregelung: Die Grundsätze in Rz. 4 und Rz. 5 sind in allen Fällen anzuwenden, in denen der Nießbrauch nach dem 30.6.92 notariell beurkundet oder der Überlassungsvertrag nach dem 30.6.92 abgeschlossen worden ist. Für zuvor getätigte Rechtsgeschäfte ist Rz. 4 bzw. Rz. 53 des Schreibens des BMF (15.11.84, IV B 1 - S 2253 - 139/84) weiter anzuwenden (BMF, a.a.O., Rz. 69).

    2. Obligatorische Nutzungsrechte

    Wird ein dingliches Nutzungsrecht befristet, erlischt es kraft Gesetz. Bei einem schuldrechtlichen Nutzungsrecht führt die Befristung zur Beendigung der Rechtswirkungen dieses Geschäfts. Allerdings kann ein schuldrechtliches Nutzungsrecht auch nach Ablauf der Befristung fortbestehen, wenn dies ausdrücklich oder konkludent für den Zeitraum nach Ablauf der Frist vereinbart wird (BMF, a.a.O., Rz. 7).

    3. Hoher Erhaltungsaufwand bei unentgeltlichem Zuwendungsnießbrauch

    Räumt der Eigentümer eines vermieteten Grundstücks einem Dritten unentgeltlich ein (zeitlich befristetes oder unbefristetes) Nießbrauchsrecht an dem Grundstück ein, tritt der Nießbraucher in die Rechtsstellung des Eigentümers als Vermieter ein. Nimmt er diese Rechtsstellung auch wahr, geht die Einkünfteerzielung auf den Nießbraucher über, der nunmehr Einkünfte aus § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt.

     

    Größere Erhaltungsaufwendungen kann der Zuwendungsnießbraucher nach § 82b EStDV auf mehrere Jahre verteilen. Endet der Nießbrauch vor Ablauf des Verteilungszeitraums, darf der Nießbraucher den noch nicht berücksichtigten Teil des Erhaltungsaufwands nur noch im Jahr der Beendigung des Nießbrauchs abziehen. Hierzu stellt Rz. 22 des BMF-Schreibens klar, dass die von einem Steuerpflichtigen geleisteten Aufwendungen nach seinem Tod in der für ihn durchzuführenden Veranlagung zu berücksichtigen sind, sodass eine spätere Verteilung nach § 82b EStDV durch den Rechtsnachfolger ausgeschlossen ist.

    4. Entgeltlicher Zuwendungsnießbrauch gegen Einmalzahlung

    Der entgeltlich bestellte Zuwendungsnießbrauch hat zur Folge, dass der Eigentümer durch das Entgelt für die Nießbrauchsbestellung weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt und damit auch weiterhin zum Werbungskostenabzug, insbesondere zum Abzug der Gebäude-AfA, berechtigt ist. Der Nießbraucher kann die Aufwendungen für den Erwerb des Nießbrauchsrechts als Werbungskosten abziehen. Allerdings sind bei Leistung einer Einmalzahlung die Rechtsfolgen des § 11 Abs. 1 S. 3 und § 11 Abs. 2 S. 3 EStG zu beachten.

     

    4.1 Behandlung beim Nießbraucher

    Nach § 11 Abs. 2 S. 3 EStG sind Vorauszahlungen für eine Nutzungsüberlassung auf den Zeitraum der Nutzung gleichmäßig zu verteilen, sofern die Nutzungsüberlassung mehr als fünf Jahre beträgt. Dies gilt auch bei einer entgeltlichen Nießbrauchsbestellung (BMF, a.a.O., Rz. 26). Der Sofortabzug einer Einmalzahlung ist daher nur dann möglich, wenn die Laufzeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt.

     

    Bei einer Nießbrauchsbestellung auf Lebenszeit sind die Aufwendungen für den Erwerb des Nießbrauchs auf die mutmaßliche Lebenszeit der betreffenden Person zu verteilen, sofern diese mehr als fünf Jahre beträgt. Dabei ist die Lebenserwartung nach der jeweils aktuellen Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes zu bestimmen (§ 14 Abs. 1 BewG).

     

    Hinweis | Leistet der Nießbraucher hingegen ausschließlich gleichmäßige laufende Zahlungen, sind diese Beträge für das Kalenderjahr als Werbungskosten abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.

     

    4.2 Behandlung beim Eigentümer

    Beim Eigentümer ist das für die Nießbrauchsbestellung gezahlte Entgelt grundsätzlich im Jahr des Zuflusses als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Erfolgt eine Vorausleistung für mehr als fünf Jahre, können die Einnahmen auf den Zeitraum verteilt werden, für den die Zahlung geleistet wird (§ 11 Abs. 1 S. 3 EStG; BMF, a.a.O., Rz. 28).

     

    MERKE | Die alte Billigkeitsregelung - auf Antrag konnte die Zahlung des gesamten Entgelts in einem Kalenderjahr auf die Laufzeit des Nießbrauchs, längstens über einen Zeitraum von 10 Jahren, gleichmäßig verteilt werden - wurde aufgehoben.

     

     

    Anwendungsregelung: Die in den Rz. 26 und Rz. 28 vorgestellten Grundsätze sind erstmals auf Vorausleistungen anzuwenden, die nach dem 31.12.03 geleistet wurden. Auf vor dem 1.1.04 getätigte Vorausleistungen finden die Rz. 26 und Rz. 28 sowie die Billigkeitsregelung gemäß Rz. 29 des BMF-Schreibens vom 24.7.98 (a.a.O.) weiter Anwendung.

    5. Zugewendetes dingliches Wohnrecht

    Bei einem zugewendeten dinglichen Wohnrecht gelten die für den Zuwendungsnießbrauch maßgebenden Grundsätze entsprechend. Wird ein Grundstück mit der Verpflichtung übertragen, dieses mit einem Wohngebäude zu bebauen und dem Veräußerer ein dingliches Wohnrecht an einer Wohnung zu bestellen, vertrat die Finanzverwaltung bislang die Auffassung, dass hierin eine entgeltliche Rechtsbestellung zu sehen ist. Dies hatte zur Folge, dass der Erwerber in Höhe des Grundstückswerts bis zur Höhe des Kapitalwerts des Wohnrechts Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung erzielt.

     

    Von dieser Rechtsauffassung ist das BMF (a.a.O., Rz. 33) nun jedoch abgerückt, indem es in diesem Vorgang keine entgeltliche Überlassung des Wohnrechts sieht, sondern ein auf die Anschaffung des Grundstücks gerichtetes Rechtsgeschäft. Der Kapitalwert des Wohnrechts führt somit zu Anschaffungskosten des Grundstücks, das (insoweit) entgeltlich erworben wird.

     

    Anwendungsregelung: Die neue Sichtweise der Finanzverwaltung gilt in allen noch offenen Fällen. Sofern sich gegenüber der bisherigen Verwaltungsauffassung allerdings Nachteile ergeben, sind die Grundsätze erstmals anzuwenden, wenn die Bestellung eines dinglichen Nutzungsrechts gegen Übertragung eines Grundstücks im privaten Bereich nach dem 31.5.06 erfolgt ist (BMF, a.a.O., Rz. 72).

    6. Vorbehaltenes dingliches Wohnrecht

    Wird ein Grundstück gegen Einräumung eines vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts übertragen, darf der Eigentümer AfA auf das entgeltlich erworbene Grundstück nur in Anspruch nehmen, soweit sie auf den unbelasteten Teil entfällt. Die AfA-Bemessungsgrundlage ist in folgenden Schritten zu ermitteln (BMF, a.a.O., Rz. 50):

     

    • Aufteilung des Kaufpreises (zzgl. Nebenkosten) auf die Wirtschaftsgüter Grund und Boden sowie Gebäude nach dem Verhältnis der Verkehrswerte.

     

    • Minderung des Gebäude-Verkehrswerts um den kapitalisierten Wert des Wohnrechts.

     

    • Ermittlung des Anteils des unbelasteten Gebäudeteils an den Gebäudeanschaffungskosten: Verhältnis des Verkehrswerts des unbelasteten Teils zum Verkehrswert des gesamten Gebäudes abzüglich des kapitalisierten Werts des Nutzungsrechts.

     

    PRAXISHINWEIS | Allerdings haben die Vertragsparteien die Möglichkeit, den Kaufpreis auf einzelne Wirtschaftsgüter aufzuteilen und somit auf die Höhe der steuerrelevanten AfA-Bemessungsgrundlage Einfluss zu nehmen. Eine derartige Zuordnung ist nach dem BMF-Schreiben (a.a.O., Rz. 50) grundsätzlich der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit der Verkehrswert des Wirtschaftsguts nicht überschritten wird (BFH 27.7.04, IX R 54/02) und soweit sie nicht zum Schein getroffen oder missbräuchlich vorgenommen wurde (BFH 1.4.09, IX R 35/08).

     

     

    • Beispiel

    A überträgt ein aus zwei gleich großen Wohnungen bestehendes Zweifamilienhaus (das OG ist vermietet, das EG durch A selbstgenutzt) auf seinen Sohn B gegen Zahlung eines Gleichstellungsgeldes an seine Schwester C i.H. von 110.000 EUR und unter Vorbehalt eines lebenslänglichen Wohnrechts an der Wohnung im EG.

     

    Verkehrswert Grund und Boden:

    80.000 EUR

    Verkehrswert Gebäude:

    200.000 EUR

    Kapitalwert Wohnrecht:

    60.000 EUR

     

     

    Für die vermietete Wohnung im OG ergibt sich ein Verkehrswert von 100.000 EUR. Der Verkehrswert der wohnrechtsbelasteten Wohnung im EG beträgt 40.000 EUR (100.000 EUR ./. 60.000 EUR).

     

    Wird nun im Kaufvertrag vereinbart, dass der Kaufpreis von 110.000 EUR ausschließlich für die wohnrechtsunbelastete (vermietete) Wohnung gezahlt werden soll (und zwar i.H. von 100.000 EUR für die Wohnung und i.H. von 10.000 EUR für den Grund und Boden) und die wohnrechtsbelastete Wohnung unentgeltlich übergehen soll, muss die Finanzverwaltung dieser (sich in den Grenzen der Verkehrswerte haltenden) Aufteilung grundsätzlich folgen.

     

    Durch diese Gestaltung werden für die zur Einkunftserzielung dienende Wohnung abschreibungsfähige Anschaffungskosten in Höhe des Verkehrswerts von 100.000 EUR generiert und somit die maximal mögliche Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen erreicht.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Vorbehalts- und Zuwendungsnießbrauch: Die rechtzeitige Gestaltung ist das A & O (Günther, MBP 11, 86)
    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 51 | ID 42459860