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  • · Fachbeitrag · Personengesellschaften

    BFH erleichtert die gewinnneutrale Realteilung bei Ausscheiden eines Mitunternehmers

    von Dipl.-Finw. (FH) Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg

    | Durch eine aktuelle Entscheidung hat der BFH (17.9.15, III R 49/13, Abruf-Nr. 146459 ) die gewinnneutrale Realteilung einer Mitunternehmerschaft erleichtert und neue Gestaltungsspielräume geschaffen. Denn nach der neuen Sichtweise muss die Gesellschaft nicht mehr zwingend beendet werden. Der Beitrag veranschaulicht die alte und neue Rechtsauffassung und zeigt zudem, dass noch einige Fragen zu klären sind. |

    1. Gesetzliche Grundlagen

    Werden bei der Realteilung einer Mitunternehmerschaft Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen, sind die Wirtschaftsgüter mit den Buchwerten anzusetzen, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist (§ 16 Abs. 3 S. 2 EStG).

     

    Beachten Sie | Durch eine Realteilung lässt sich die ansonsten erforderliche Aufdeckung der stillen Reserven verhindern. Um dieses Ergebnis nicht zu gefährden, muss die dreijährige Sperrfrist des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG beachtet werden, innerhalb derer die übertragenen Wirtschaftsgüter nicht veräußert werden dürfen.

    2. Bisherige Auffassung des BFH

    In Anlehnung an das Zivilrecht hat der BFH den Begriff der Realteilung bislang als eine Form der Auseinandersetzung einer aufgelösten Mitunternehmerschaft verstanden. In Abgrenzung zur zivilrechtlichen Naturalteilung setzt die steuerrechtliche Realteilung zusätzlich voraus, dass die von den Beteiligten übernommenen Wirtschaftsgüter weiterhin Betriebsvermögen bleiben (BFH 11.4.13, III R 32/12; BFH 29.3.11, VIII R 28/08). Der BFH definierte die Realteilung ertragsteuerlich als die Aufgabe einer Mitunternehmerschaft durch Aufteilung des Gesellschaftsvermögens unter den Mitunternehmern, bei der zumindest ein Mitunternehmer ihm bei der Aufteilung zugewiesene Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen überführt.

    3. Ansicht der Finanzverwaltung

    Auch die Finanzverwaltung (BMF 28.2.06, IV B 2 - S 2242 - 6/06) sieht die Realteilung als auf der Ebene der Mitunternehmerschaft verwirklichten Tatbestand der Betriebsaufgabe an. § 16 Abs. 3 EStG hat Vorrang vor

    • § 6 Abs. 3 EStG (unentgeltliche Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils) sowie
    • § 6 Abs. 5 EStG (Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen).

     

    Eine Realteilung setzt voraus, dass mindestens eine wesentliche Betriebsgrundlage (sowohl quantitative als auch funktionale Betrachtungsweise) nach der Realteilung Betriebsvermögen eines Realteilers bleibt.

     

    Von der Realteilung unterscheidet die Finanzverwaltung die Veräußerung oder die Aufgabe eines Mitunternehmeranteils bei Fortbestehen der Mitunternehmerschaft. Dies bedeutet: Scheidet ein Mitunternehmer aus einer mehrgliedrigen Mitunternehmerschaft aus und wird diese von den verbleibenden Mitunternehmern fortgeführt, liegt nach Verwaltungssicht keine Realteilung vor. Dies gilt auch dann, wenn der ausscheidende Mitunternehmer wesentliche Betriebsgrundlagen des Gesamthandsvermögens enthält. In diesen Fällen kommt eine Buchwertfortführung daher nur unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 oder Abs. 5 EStG in Betracht.

     

    Beachten Sie | Die Verwaltung lehnt eine Realteilung ebenfalls ab, wenn ein Mitunternehmer aus einer mehrgliedrigen Mitunternehmerschaft ausscheidet, sein Anteil allen verbleibenden Mitunternehmern anwächst und er einen Abfindungsanspruch in Form einer Sachwertabfindung gegen die Gesellschaft erhält.

    4. Änderung der BFH-Rechtsprechung

    Die bisherige enge Sichtweise war nicht unumstritten. So wird im Schrifttum für die Anwendung der Realteilungsgrundsätze auch bei Ausscheiden eines oder mehrerer Mitunternehmer aus einer fortbestehenden Mitunternehmerschaft plädiert (z. B. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG, Rz. 542). Stahl (in Korn, § 16 EStG, Rz. 296) nimmt eine Realteilung bei fortbestehender Mitunternehmerschaft auch dann an, wenn die ausscheidenden Mitunternehmer nur Einzelwirtschaftsgüter erhalten.

     

    Der BFH (17.9.15, III R 49/13) hat seine bisherige Rechtsprechung und die damit enge Definition der Realteilung nun aufgegeben. Nach neuer Sichtweise schließt die Realteilung i.S. des § 16 Abs. 3 S. 2 EStG jedenfalls das Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehenden Gesellschaft unter Mitnahme eines - weiterhin zum Betriebsvermögen des Ausgeschiedenen gehörenden - Teilbetriebs ein.

     

    Die Realteilung will der BFH als eine Aufgabe des Mitunternehmeranteils i. S. des § 16 Abs. 3 S. 1 EStG verstanden wissen, die nach Satz 2 nicht zur Aufdeckung stiller Reserven führt, wenn und soweit der übernommene Teilbetrieb weiterhin Betriebsvermögen des Ausgeschiedenen bleibt. Im Gegensatz zur bisherigen Sichtweise von Rechtsprechung und Verwaltung ist es unerheblich, ob die Mitunternehmerschaft insgesamt aufgelöst wird oder ob nur einzelne Mitunternehmer einer mehrgliedrigen Mitunternehmerschaft ausscheiden und die Gesellschaft von den verbliebenen Mitunternehmern fortgeführt wird.

     

    Zur Begründung verweist der BFH auf den mit dem Rechtsinstitut der Realteilung verfolgten Zweck, wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungsvorgänge steuerlich nicht zu belasten, solange die steuerliche Erfassung stiller Reserven sichergestellt ist. Da der Begriff der „Realteilung“ ein steuerrechtlicher Begriff ist, ist seine Auslegung nicht mehr - wie die frühere BFH-Rechtsprechung angenommen hat - an das Zivilrecht gebunden.

    5. Offene Fragen

    Diese richtungsweisende Entscheidung hat in der Besteuerungspraxis für Aufsehen gesorgt. Allerdings hat der 3. Senat des BFH in seiner Urteilsbegründung auch einige interessante Fragen ausdrücklich offengelassen - und zwar zum Beispiel:

     

    • Greifen die Realteilungsgrundsätze auch bei Mitnahme von Einzelwirtschaftsgütern in das Betriebsvermögen des ausgeschiedenen Gesellschafters oder kommt in einem solchen Fall § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG zur Anwendung?

     

    • Kann unter dem Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer i.S. des § 16 Abs. 3 S. 2 EStG auch das Gesamthandsvermögen einer neuen Mitunternehmerschaft verstanden werden, an der neben dem ausgeschiedenen Mitunternehmer auch ein Mitunternehmer beteiligt ist, der zugleich weiterhin der bisherigen Mitunternehmerschaft angehört?

     

    Die Teilbetriebsübertragung ist grundsätzlich auch insoweit gewinnneutral, als dem übernommenen Teilbetrieb vor dem Ausscheiden des Gesellschafters erhebliche liquide Mittel zugeordnet wurden. Ob dies aber auch dann gilt, wenn die Gesellschafter kurz vor dem Ausscheiden eines Gesellschafters Einlagen leisten oder Darlehen aufnehmen und diese Mittel dann im Rahmen der Realteilung dem Teilbetrieb des ausscheidenden Gesellschafters zuordnen, blieb (leider) unbeantwortet.

     

    Beachten Sie | Im Streitfall musste der BFH hierüber nicht entscheiden, da die Geldmittel bereits vor dem Ausscheiden der Mitunternehmerin aus der Gesellschaft im Betriebsvermögen vorhanden waren.

     

    FAZIT | Mit diesen und weiteren Rechtsfragen wird sich der BFH wohl zukünftig auseinandersetzen müssen. Fest steht, dass die neue Sichtweise des BFH erheblich größere Gestaltungsspielräume als bisher enthält, um das Ausscheiden eines Mitunternehmers erfolgsneutral zu Buchwerten zu ermöglichen.

     

    Fraglich ist jedoch, wie die Finanzverwaltung auf die Änderung der Rechtsprechung reagieren wird. Es wäre nicht das erste Mal, wenn sich der Gesetzgeber gefordert sehen würde und in § 16 Abs. 3 EStG eine eigenständige Definition der Realteilung im Sinne der bisherigen (engen) Auffassung des BFH implementieren würde. Bei anstehenden Gestaltungen sollte man die weitere Rechtsentwicklung demzufolge genau verfolgen.

     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2016 | Seite 81 | ID 43948211

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