· Fachbeitrag · Kostenerstattung Zahntechnik
Leistungskürzungen durch die PKV bei Erstattung von Laborkosten ‒ wann sind sie berechtigt?
von Rechtsanwältin Doris Mücke, Bad Homburg
| Nach wie vor nehmen private Krankenversicherer regelmäßig Leistungskürzungen bei den von Zahnärzten in Rechnung gestellten Laborkosten vor. Zu der Streitfrage, in welchem Umfang die Versicherung erstattungspflichtig ist, wenn der Patient in einem sogenannten unbeschränkten (alten) Bestandstarif versichert ist, hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt jüngst einige Feststellungen getroffen ‒ so insbesondere zu der Frage, wann die zahntechnischen Laborkosten in einem auffälligen Missverhältnis zu der erbrachten Leistung stehen ( Beschluss vom 07.08.2020, Az. 7 U 235/19, Abruf-Nr. 219498 ). |
Die unterschiedlichen Versicherungstarife
Seit Längerem bieten private Krankenversicherer hinsichtlich der Laborkosten Tarife mit sogenannten Sachkostenlisten für zahntechnische Laborleistungen an. Je nach Umfang des Versicherungsschutzes gibt es unterschiedliche Sachkostenlisten (Sachkostenlisten I‒III), die unterschiedlich hohe Erstattungspreise vorsehen. Erhebliche Unterschiede zwischen den Preisen der verschiedenen Sachkostenlisten bestehen nicht. Insgesamt liegen die Preise der Sachkostenlisten in der Regel erheblich unter den individuellen nach § 9 GOZ (Auslagenersatz für Eigenlabor- oder Fremdlaborkosten) berechneten Preisen, die auf der Grundlage freier Kalkulation nach BEB berechnet werden.
Neben den Tarifen mit Sachkostenlisten existieren Tarife, die keine besonderen Regelungen zu den erstattungsfähigen zahntechnischen Laborkosten enthalten. Überwiegend handelt es sich hierbei um sogenannte Bestandstarife, die vor längerer Zeit abgeschlossen worden sind. Private Krankenversicherer stützen ihre Leistungskürzungen, die sie bei den unbeschränkten Tarifen vornehmen, in der Regel auf das Argument, die berechneten Laborkosten seien unverhältnismäßig hoch oder sie würden die ortsüblichen Preise in erheblichem Maße übersteigen.
Der Fall: Bestandstarifpatient klagte auf höhere Erstattung
Dem o. g. Beschluss des OLG Frankfurt lag die Klage eines privatversicherten Patienten zugrunde, der in einem sogenannten unbeschränkten Tarif versichert ist. Der Patient hatte gegen Leistungskürzungen seiner Versicherung bei den Laborkosten geklagt.
Bereits in erster Instanz hatte das Landgericht Frankfurt dem Versicherten einen Teil der gekürzten Laborkosten zugesprochen. Für die Höhe der zurückzunehmenden Kürzungen hatte das Gericht den Mittelwert von vier Vergleichsangeboten zugrunde gelegt, die der beauftragte Sachverständige eingeholt hatte. Dies stellte den Patienten nicht zufrieden.
Seine Berufung begründete er wie folgt: Das Einholen von vier Vergleichsangeboten würde nicht der gesetzlichen Vorgabe entsprechen, dass das Kürzungsrecht des Versicherer nur insoweit besteht, als die zahntechnischen Laborkosten in einem auffälligen Missverhältnis zu der erbrachten Leistung stünden. Bei Beachtung dieser Vorgabe ergäbe sich ein höherer Anspruch als ihm von dem Landgericht zugesprochen worden sei ‒ eine Anzahl von vier Vergleichsangeboten sei nicht repräsentativ für die Marktlage.
Die Aussagen des OLG zum „auffälligen Missverhältnis“
Zur Streitfrage, in welchem Umfang die Versicherung erstattungspflichtig ist, wies das OLG Frankfurt in seinem Beschluss zunächst darauf hin, dass sich die beklagte Versicherung auf ein Leistungskürzungsrecht berufe. Maßgeblich für dieses Kürzungsrecht sei nicht § 9 GOZ, der nur im Verhältnis zwischen Zahnarzt und Patient bzw. Zahlungspflichtigem gelte, sondern § 5 Abs. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Versicherung (§ 5 Abs. 2 MB/KK) bzw. § 192 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Demnach sei der Versicherer zur Leistung insoweit nicht verpflichtet, als die Aufwendungen für Heilbehandlung oder sonstige Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zur erbrachten Leistung stünden. Dem entspreche § 5 Abs. 2 MB/KK, auch wenn dort von einer unangemessen hohen Vergütung die Rede sei. Beide Begriffe dürften gleich zu verstehen und gleich auszulegen sein.
Gelten für das „auffällige Missverhältnis“ die Regeln wie beim Wucher?
Das OLG Frankfurt zog allerdings in Zweifel, ob zur Bestimmung eines auffälligen Missverhältnisses die gleichen Grundsätze zu gelten haben wie sie für das wucherische Rechtsgeschäft im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB gelten. Demnach liegt ein auffälliges Missverhältnis dann vor, wenn die Vergütung das Doppelte des marktüblichen Wertes beträgt. Das OLG zieht hier die Auslegung vor, dass ein auffälliges Missverhältnis bereits unter der Schwelle des § 138 Abs. 2 BGB liegen kann. Die juristische Literatur nimmt dies je nach Einzelfall auch schon bei 80‒90 Prozent Kostenüberschreitung an.
Die Frage, wann ein auffälliges Missverhältnis vorliegt, setze jedenfalls (so auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, z. B. Urteil vom 12.03.2003, Az. IV ZR 278/01) maßgeblich voraus, dass zur Ermittlung des objektiven Wertes einer Leistung ein Marktvergleich erforderlich sein dürfte. Dabei sei das vereinbarte Entgelt dem üblichen Preis, den die Mehrzahl der übrigen Anbieter für vergleichbare Leistungen fordert, gegenüberzustellen. Die Beweislast für ein solches auffälliges Missverhältnis trage der Versicherer, der sich auf sein Leistungskürzungsrecht beruft. Diese Grundsätze hat das Landgericht nach Auffassung des OLG nicht hinreichend beachtet und auch die Beweislast verkannt. Vor diesem Hintergrund gebe es auch Bedenken gegen die Feststellungen des Sachverständigen.
Das Verfahren endete in einem Vergleich
Um eine weitergehende aufwendige Beweisaufnahme zu vermeiden, einigten sich die Parteien schließlich im Vergleichswege. Dieser Vergleich brachte dem Patienten einen deutlich höheren Erstattungsbetrag als ihm bereits von dem Landgericht zugesprochen worden war.