Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Chirurgische Leistungen

    Die Berechnungsmöglichkeiten zur Behandlung traumatischer Verletzungen

    | Traumatische Verletzungen im Mund- und Kieferbereich erfordern eine systematische Behandlungsplanung und eine zielorientierte Vorgehensweise. Der einzelne Behandlungsfall stellt beinahe immer eine besondere Herausforderung für den Behandler dar. Die Abrechnung von Unfallverletzungen hingegen wirft häufig Fragen auf und führt nicht immer zu einer aufwands- und leistungsgerechten Honorierung. |

    Beispiel: Frontzahntrauma mit Kronen-Wurzelfraktur

    Im folgenden Beispiel wird die Versorgung eines Patienten im Anschluss an das Unfallgeschehen geschildert. Dabei werden Berechnungsmöglichkeiten in Anlehnung an einen aktuellen Behandlungsfall aufgezeigt, wobei nicht alle Behandlungsschritte und Materialien detailliert erläutert werden. Es handelt sich um einen Privatpatienten, dessen Versorgung nicht in den Zuständigkeitsbereich einer Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse eingeordnet werden konnte. Daher erfolgte die Berechnung auf Grundlage der GOZ/GOÄ.

     

    Der Patient erlitt - bedingt durch einen Treppensturz - ein Frontzahntrauma mit Verdacht auf eine komplizierte Kronen-Wurzelfraktur. Nach der Notfallversorgung alio loco stellte er sich am Folgetag in der Praxis vor.

     

    Der Zustand bei Erstvorstellung

    Es lag eine leichte Lazerationsverletzung der Oberlippe vor. Die OK-Frontzähne waren zum Zeitpunkt des Unfalls nicht mit Restaurationen versorgt. Zahn 11 wies eine komplizierte Kronen-Wurzelfraktur auf. Das Kronenfragment befand sich noch in situ.

     

    Klinische Untersuchung und diagnostische Maßnahmen

    Die Sensibilitätsprüfung der Ober- und Unterkiefer-Frontzähne war positiv. Zahn 11 wurde von der Sensibilitätsprüfung ausgenommen. Die Frontzähne waren nicht gelockert und wiesen Sondierungstiefen von 2 mm auf. Die Gingiva zeigte keine entzündlichen Veränderungen.

     

    Nach umfangreicher Untersuchung erfolgte eine konsiliarische Erörterung mit dem Zahnarzt, der die Notfallversorgung vorgenommen hatte. Die angefertigten Röntgenbilder bestätigten eine komplizierte Kronen-Wurzelfraktur an Zahn 11, mit tief subkrestal verlaufender Frakturlinie palatinal. Soweit röntgenologisch möglich wurde eine Fraktur des Knochens ausgeschlossen. Mit dem Patienten wurden verschiedene Therapiemöglichkeiten ausführlich erläutert. Mit eingeschlossen wurden zeitliche und finanzielle Aspekte sowie die Prognose und die Behandlungsrisiken der einzelnen Alternativen.

     

    Zur eingeleiteten klinischen und röntgenologischen Diagnostik konnten die folgenden Leistungen berechnet werden:

     

    Zahn/Gebiet
    Leistungsbeschreibung
    GOZ/GOÄ

    Beratung

    1 x Ä1

    Vollständige Untersuchung des stomatognathen Systems

    1 x Ä6

    11

    Sensibilitätsprüfung

    1 x 0070

    11

    Röntgenaufnahme

    1 x Ä5000

    OK/UK

    Orthopantomogramm

    1 x Ä5004

    OK/UK

    Planungsmodelle (plus Material- und Laborkosten)

    1 x 0060

    Konsiliarische Erörterung

    1 x Ä60

     

    Die Therapieplanung

    Geplant wurde die endodontische Behandlung des frakturierten Zahns 11, die Extraktion und Drehung der Wurzel um 180 Grad um die Längsachse mit anschließender Reimplantation zur Lageveränderung und Stabilisierung, im Sinne einer intensionellen Reimplantation. Damit lag die Frakturlinie nun suprakrestal. Nach entsprechender Ausheilzeit sollte der Zahn aufgebaut und mit einer Vollkeramikkrone definitiv versorgt werden.

     

    Der Behandlungsablauf

    Wie geplant wurde in der ersten Behandlungssitzung zunächst das Kronenfragment entfernt und die endodontische Behandlung von Zahn 11 begonnen. Auf eine Isolierung mittels Kofferdam wurde bei dem tief frakturierten Wurzelrest verzichtet. Nach der Versorgung mit einer medikamentösen Einlage wurde die frakturierte Zahnkrone zum Brückenglied umgearbeitet und als provisorische Adhäsivbrücke unter Einbeziehung der Nachbarzähne eingegliedert. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Leistungen der ersten Sitzung:

     

    Zahn/Gebiet
    Leistungsbeschreibung
    GOZ/GOÄ

    11

    Infiltrationsanästhesie

    1 x 0090 + Material

    11

    Fremdkörperentfernung

    1 x Ä2009

    11

    Vitalexstirpation

    1 x 2360

    11

    Wurzelkanalaufbereitung

    1 x 2410

    Zuschlag für OP-Mikroskop

    1 x 0110

    Materialkosten für Nickel-Titan-Einmalinstrumente

    xx Euro

    11

    Zusätzliche Anwendung elektrophysikalisch-chemischer Methoden, je Kanal

    1 x 2420

    11

    Elektrometrische Längenbestimmung des Wurzelkanals

    2 x 2400

    11

    Röntgenmessaufnahme

    1 x Ä5000

    11

    Medikamentöse Einlage

    1 x 2430

    11

    Speicheldichter Verschluss

    1 x 2020

    11

    Besondere Maßnahmen beim Präparieren oder Füllen

    1 x 2030

    12-21

    Eingliederung eines Zahnfragments als provisorische Adhäsivbrücke

    Analog § 6 Abs.1 GOZ + Material- und Laborkosten

     

     

    Das Umarbeiten der frakturierten Zahnkrone und die Eingliederung als provisorische Adhäsivbrücke ist nicht als Gebührenposition in der GOZ 2012 enthalten. Da es sich um eine selbstständige Leistung handelt, erfolgt die Berechnung gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog. Als Analogposition kommt eine nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertige Leistung aus der GOZ oder GOÄ infrage. Die Wahl der geeigneten Analogposition liegt im Ermessen des Behandlers. Häufig wird vom Behandler die GOZ-Nr. 5150a gewählt.

     

    Im zweiten Behandlungsschritt wurde die provisorische Adhäsivbrücke dann wieder entfernt und die medikamentöse Einlage gewechselt. Nach der Anfertigung eines Röntgenbildes erfolgte nun unter Infiltrationsanästhesie die schonende Extraktion der Wurzel von 11. Der Zahn wurde anschließend 180 Grad um seine eigene Längsachse gedreht und reimplantiert. Verursacht durch die Drehung der Wurzel musste das - zunächst als Adhäsivbrücke eingegliederte - Kronenfragment erneut umgearbeitet, angepasst und dann befestigt werden. Es diente gleichzeitig zusammen mit den Nachbarzähnen zur Befestigung einer Stabilisierungsschiene. Die Schiene sollte nach vier bis sechs Wochen entfernt werden.

     

    Zahn/Gebiet
    Leistungsbeschreibung
    GOZ/GOÄ

    12,21

    Provisorische Adhäsivbrücke abgenommen

    2 x 2290

    11

    Medikamentöse Einlage gewechselt

    1 x 2430

    11

    Speicheldichter Verschluss

    2020

    11

    Röntgenaufnahme

    1 x Ä5000

    11

    Entfernung eines tief frakturierten Zahnes

    1 x 3020

    11

    Reimplantation eines Zahnes

    1 x 3140

    12-21

    Anlegen eines Schienenverbandes

    1 x Ä2698* + Material

    Zuschlag für OP-Mikroskop

    1 x Ä440

    Zuschlag für ambulante operative Leistung

    1 x Ä445

    Eingliederung eines Zahnfragments als provisorische Krone

    Analog § 6 Abs. 1 GOZ**

     

     

    * Die Ä2698 wurde gewählt, weil es keine entsprechenden GOZ-Positionen gibt. Die Zuschläge Ä440 (für die Verwendung eines OP-Mikroskops) und Ä445 (für die ambulante Durchführung operativer Leistungen) ergeben sich daraus.

     

    **Hier ist eine Analogabrechnung möglich, da es sich um eine selbstständige Leistung handelt, die nicht in der GOZ/GOÄ enthalten ist. Häufig wird die GOZ-Nr. 2120a gewählt.

     

    Drei Tage später erfolgte eine Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff. Die Vitalität der OK-Frontzähne mit Ausnahme von 11 wurde positiv getestet.

     

    Zahn/Gebiet
    Leistungsbeschreibung
    GOZ/GOÄ

    13,12,21,22,23

    Vitalitätsprüfung

    1 x 0070

    11

    Nachbehandlung nach einem chirurgischen Eingriff

    1 x 3300

     

    Nach Ablauf von drei Wochen konnte die Wurzelkanalfüllung an 11 erfolgen. Als berechnungsfähige Leistungen wurden in Ansatz gebracht:

     

    Zahn/Gebiet
    Leistungsbeschreibung

    GOZ/GOÄ

    12,21

    Sensibilitätsprüfung

    1 x 0070

    11

    Zusätzliche Anwendung elektrophysikalisch-chemischer Methoden, je Kanal

    1 x 2420

    11

    Elektrometrische Längenbestimmung des Wurzelkanals

    2 x 2400

    11

    Röntgenmessaufnahme

    1 x Ä5000

    11

    Wurzelfüllung, je Kanal

    1 x 2440

    11

    Röntgenkontrolle der Wurzelfüllung

    1 x Ä5000

    Zuschlag für OP-Mikroskop

    1 x 0110

    11

    Speicheldichter Verschluss

    1 x 2020

     

    Weitere drei Wochen später wurde die Schienung entfernt. Der Zahn konnte mit einem Glasfaserstift stabilisiert und mit einer Aufbaufüllung zur Aufnahme einer Krone versehen werden. Eine provisorische Krone wurde angefertigt.

     

    Zahn/Gebiet
    Leistungsbeschreibung

    GOZ/GOÄ

    Beratung

    1 x Ä1

    Symptombezogene Untersuchung

    1 x Ä5

    12-21

    Abnahme der Schienung

    1 x Ä2702

    12,21

    Vitalitätsprüfung

    1 x 0070

    11

    Infiltrationsanästhesie

    1 x 0090 + Material

    11

    Besondere Maßnahmen beim Präparieren oder Füllen

    1 x 2030

    11

    Glasfaserstift

    1 x 2195 + Material

    Zuschlag für das OP-Mikroskop

    1 x 0110

    11

    Adhäsive Befestigung

    1 x 2197

    11

    Röntgenkontrolle Glasfaserstift

    1 x Ä5000

    11

    Aufbaufüllung

    1 x 2180

    11

    Adhäsive Befestigung

    1 x 2197

    11

    Provisorische Krone mit Abformung

    1 x 2270

     

    Der Patient wurde abschließend über die Ausheilzeit und die Möglichkeiten der Kronenversorgung beraten. Wie geplant konnte einige Wochen später eine Vollkeramikkrone eingegliedert werden.

    Das Behandlungsziel war der Erhalt des eigenen Zahns

    Abschließend bleibt festzuhalten: Im vorliegenden Behandlungsfall konnte der eigene Zahn durch aufwendige Behandlungsmaßnahmen erhalten werden. Eine Implantation oder auch eine Versorgung der Lücke durch eine Brücke wurde auf diese Weise vermieden. Die Versorgung traumatischer Verletzungen stellt besonders hohe Anforderungen an den Behandler. Nur so kann sich ein langfristiger Erfolg einstellen.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 12 | ID 42597456