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  • · Fachbeitrag · Praxisfall

    Avulsion eines Zahns: Behandlung und Abrechnung am Beispiel der gesetzlichen Unfallversicherung

    | Bei der totalen Luxation (Avulsion) ist die schnelle und richtige Lagerung des Zahns für das spätere Ergebnis genauso von Bedeutung wie ein schneller Behandlungsbeginn. Die optimale Aufbewahrung eines avulsierten Zahns ist die vorübergehende Lagerung in einer Zahnrettungsbox und die sich möglichst sofort anschließende Behandlung. Milch oder andere Flüssigkeiten - zum Beispiel Speichel - sind bei fehlender Zahnrettungsbox für einen kurzen Zeitraum möglich, stellen aber nicht die beste Lösung dar. Die Ursache für ein Frontzahntrauma kann unfallbedingt, durch Fremdeinwirkung oder in Verbindung mit Sportverletzungen sein. Erfahrungsgemäß betrifft dies Kinder und Jugendliche in der Altersgruppe von 7 bis 16 Jahren. |

    Gesetzliche Unfallversicherung: Das Wichtigste in Kürze

    In PA 03/2014 wurden Abrechnungsbeispiele für Traumata anhand der Behandlung beim Privatpatienten aufgezeigt. Handelt es sich jedoch um einen Arbeits-, Schul-, Wege- oder Kita-Unfall, so übernimmt die jeweilige gesetzliche Unfallversicherung die Kosten der Erstversorgung und auch die der eventuell notwendigen Folgebehandlungen. Somit verbleibt der Patient für diesen Fall immer in der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Ob der Unfallverletzte Mitglied einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung ist, ist nicht ausschlaggebend. Somit gehören auch Patienten, die keiner GKV angehören, zum versorgungsberechtigten Personenkreis.

     

    Auschlaggebend für die Durchführung ist das Abkommen vom 1. Januar 2014, das zwischen der DGUV, dem Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung und der KZBV geschlossen wurde (www.dguv.de, hier unter „Rehabilitation/Leistungen“, dann „Vergütung der Leistungserbringer“ und hier unter „Zahnärzte“). Die Unfallversicherung tritt ein für: Sofortverletzungen (direkte Unfallschäden); Folgeschäden (sekundäre Unfallschäden); Spätschäden indirekte Unfallschäden (zum Beispiel WSR, Krone); Kosten und Folgekosten der Rehabilitation.

     

    Die zahnärztliche Vergütung erfolgt auf Grundlage der Gebührentarife der Angestellten-Ersatzkassen für Zahnärzte. Für die Behandlung zulasten der DGUV gilt der § 28 Nr. 3 des SGB VII. Leistungen, die darüber hinausgehen bzw. im Abkommen der Vertragsparteien nicht enthalten sind, müssen vom Versicherten oder Sorgeberechtigten getragen werden. Hierfür ist eine Behandlungsvereinbarung zu treffen bzw. ein Heil- und Kostenplan zu erstellen.

     

    Therapien, die nicht im BEMA (Kons/Chir) aufgeführt sind, werden nach der GOÄ abgerechnet. Bei der Erbringung von GOÄ-Leistungen lautet der Divisor auf Basis des Unfallversicherungsabkommens 10:1. Der zu berechnende Punktwert für einen BEMA-oder DGUV-Punkt beträgt 1,12 Euro gemäß der Gebührentarife der Angestellten-Ersatzkassen für Zahnärzte (Stand 1. Januar 2014). Die Abrechnung erfolgt immer direkt mit der jeweiligen Unfallversicherung; sie kann formlos erfolgen.

     

    Hinweis | Protokollnotiz zu Nr. 2.1 des Abkommens: In Abweichung von Nr. 3 der allgemeinen Bestimmungen des BEMA verständigen sich die Vertragsparteien auf eine vorläufige Festsetzung des Divisors bei der Erbringung von GOÄ-Leistungen auf Basis des Unfallversicherungsabkommens auf 10:1, dies jedoch nur vorbehaltlich von Umsetzungsschwierigkeiten in der Praxis. Sollte es bei der praktischen Anwendung zu Umsetzungsschwierigkeiten kommen, verständigen sich die Vertragsparteien auf eine neue Regelung.

     

    Wünscht der Unfallverletzte eine private Behandlung, so besteht für den Zahnarzt gegenüber dem Unfallversicherungsträger ein Anspruch auf Honorierung nur in der Höhe, wie sie diese Vereinbarung vorsieht (Nr. 2.4 des Abkommens).

     

    Implantologische Leistungen sind nicht Bestandteil des Abkommens, werden aber unter Umständen bezahlt bzw. bezuschusst. Ist eine implantologische Versorgung mit eventuellen präimplantologischen Maßnahmen geplant, wird ein Heil- und Kostenplan gemäß GOZ/GOÄ erstellt und der DGUV zur Genehmigung eingereicht. Erst nach Zustimmung durch die Versicherung darf mit der Arbeit begonnen werden, sonst entfällt der Versicherungsschutz! Die prothetische Versorgung unterliegt einem gesonderten Gebührenverzeichnis. Nur dieses kann für die Versorgung herangezogen werden (siehe dazu im Abkommen das Gebührenverzeichnis zur „Versorgung der Unfallverletzten und Berufserkrankten mit Zahnersatz und Zahnkronen“).

    Rundschreiben der KZBV aus dem Jahr 2011

    Die im Gebührenverzeichnis „Zahnersatz und Zahnkronen“ unter den Ziffern 4 und 10 definierten prothetischen Leistungen (Brücken und Kronen) erfassen auch vollverblendete Brücken und Kronen, Vollkeramikkronen und auch alle Brücken und Kronen auf Implantaten, sodass insofern eine Abrechnung nach den entsprechenden GOZ-Ziffern mit dem Unfallversicherungsträger ausgeschlossen ist. Eine „Mehrkostenabrechnung“ für diese zahnärztlichen Leistungen mit dem Patienten ist ebenfalls nicht möglich.

    Chirurgische Behandlung und Abrechnung nach Schulunfall

    Nachfolgend wird anhand eines Schulunfalls die zahnärztliche chirurgische Behandlung und deren Abrechnung aufgezeigt.

     

    • Beispiel

    Der Patient, 12 Jahre alt, erscheint mit seinem Lehrer in der Praxis. Die Eltern wurden durch die Schule benachrichtigt. Der Zahn 22 wurde im Sportunterricht ausgeschlagen und befindet sich in einer Zahnrettungsbox. Die Lippe weist eine Verletzung von einem halben Zentimeter auf. Nach eingehender extra- und intraoraler Untersuchung sowie Röntgenaufnahmen zum Ausschluss von Frakturen an den Nachbarzähnen bzw. am Alveolarfortsatz und Kieferbereich wird der Unfall genau dokumentiert und im Formular „Zahnärztliche Auskunft“ aufgenommen.

     

     

    Der Behandler entscheidet sich für eine extraorale Wurzelkanalbehandlung, die Wurzelspitze wird geglättet. Das in der Alveole befindliche Koagulum wird mittels einer Spülung vorsichtig entfernt (keine Kürettage!) und dann der Zahn reimplantiert. Es erfolgt eine semirigide Schienung mittels Titanium-Trauma-Splint und Kompositmaterial für 7 bis 10 Tage. Die Schienung umfasst die beiden unmittelbar benachbarten nicht gelockerten Zähne 11 und 21 sowie 23 und 24 und wird unter Okklusionskontrolle befestigt. Die Lippe wird nach Infiltrationsanästhesie atraumatisch vernäht.

     

    Die Schule hat den Unfall der Unfallversicherung zu melden und die Praxis wird anschließend aufgefordert, eine zahnärztliche Auskunft zu erteilen (Gebühr 18 Euro zzgl. Portokosten). Unabhängig davon kann die Praxis den Unfallbericht auch ohne Aufforderung an die DGUV senden.

     

    Der Patient bzw. die Eltern werden auf eine aktuelle Tetanusimpfung bzw. Auffrischung hingewiesen.

     

    Geb.-Nr.
    Anzahl
    Leistungsbezeichnung
    Punkte DGUV
    Faktor Euro 1,12

    Ä 1

    1

    Beratung

    9

    10,08

    8

    1

    Vitalitätsprüfung der Nachbarzähne

    6

    6,72

    Ä 925a

    2

    Röntgenaufnahmen

    12

    13,44

    Ä 935d

    1

    Orthopantomogramm beider Kiefer

    36

    40,32

    40

    1

    Infiltrationsanästhesie

    8

    8,96

    31

    Trepanation eines Zahnes extraoral

    11

    12,32

    32

    Wurzelkanalaufbereitung extraoral

    29

    32,48

    35

    Wurzelkanalfüllung extraoral

    17

    19,04

    Hinweis: Eine extraorale WSR kann nicht berechnet werden!

    55

    Reimplantation eines Zahnes

    72

    80,64

    Ä 2697

    2

    Anlegen von Drahtligaturen, Drahthäkchen oder dergleichen, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich, als selbstständige Leistung

    35

    78,40

    Material Schiene/Kunststoff

    xx

    40

    1

    Infiltrationsanästhesie - Lippe

    8

    8,96

    Ä 2001

    Versorgung einer kleinen Wunde einschließlich Naht

    13

    14,56

    Atraumatisches Nahtmaterial

    xx

    Zahnärztliche Auskunft an Unfallversicherung

    18,00

    Versandkosten Porto

    xx

    38

    Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff W- Lippe

    10

    11,20

    8

    Vitalitätsprüfung der Zähne

    6

    6,72

    Ä 2702

    Wiederanbringen gelöster Apparatur oder kleine Änderungen, teils Erneuerung von Schienen oder Stützapparaten - auch Entfernen von Schienen, je Kiefer

    30

    33,60

     

    Schwierigkeit und Zeitaufwand bei einer Schienung sind mit der GOÄ-Nr. 2697 nicht immer gedeckt. Hier könnte ggfs. die GOÄ-Nr. 2698 (Anlegen und Fixation einer Schiene am unverletzten Ober- oder Unterkiefer, 150 DGUV-Punkte) angesetzt werden. Es empfiehlt sich, mit der UV Rücksprache zu halten.

     

    Wenn der Zahn nicht avulsiert, sondern durch den Sturz gelockert wurde, wird dieser geschient und wenn nötig vorher reponiert. Hierfür steht ebenfalls die GOÄ-Nr. 2697 zur Verfügung. Wird der Zahn mit einer semipermanenten Schiene mittels Säure-Ätz-Technik von 11 bis 24 befestigt, dann ist diese Ziffer je Interdentalraum abzurechnen.

     

    Geb. Nr.
    Anzahl
    Leistungsbezeichnung
    Punkte DGUV
    Faktor Euro 1,12

    2685

    1

    Reposition eines Zahns

    20

    22,40

    K4

    4

    Semipermanente Schienung unter Anwendung der Säure-Ätz-Technik, je Interdentalraum

    44

    49,28

    K7

    Kontrollbehandlung, ggf. einfache Korrekturen der Fixierung

    6

    6,72

    2702

    Entfernen von Schienen, je Kiefer

    30

    33,60

     

     

    Der Patient erhält selbstverständlich weitere Termine zur klinischen und röntgenologischen Verlaufskontrolle.

     

    Hinweis | Ärztliche Leistungen von Mund- Kiefer und Gesichtschirurgen werden nach der UV-GOÄ abgerechnet (siehe dazu Punkt 2.3 des Abkommens).

     

    Zahnarzt rechnet direkt mit der Versicherung ab

    Die Kosten der zahnärztlichen Behandlung von Unfallfolgen rechnet der Zahnarzt direkt mit der jeweiligen Unfallversicherung ab. Die Abrechnung kann formlos erstellt werden. Die folgenden Angaben müssen gemäß dem Abkommen unter Nennung des Aktenzeichens erfolgen:

     

    • die Personaldaten des Unfallverletzten
    • der Unfalltag
    • der Unfallbetrieb (zum Beispiel Arbeitsstelle mit Namen und Anschrift des Arbeitgebers, Schule, Hochschule oder Kindertagesstätte)
    • das Datum der erbrachten Leistungen
    • die Gebührennummern gemäß Angestellten-Ersatzkassen für Zahnärzte bzw. Gebührenverzeichnis für die prothetische Behandlung (siehe Anlage 4)
    • der Betrag für Material- und Laborkosten bzw. der baren Auslagen
    • der Gesamtrechnungsbetrag

     

    Die Zahlung durch den Unfallversicherungsträger soll spätestens nach vier Wochen erfolgen (siehe dazu 2.6 des Abkommens). Besteht allerdings Klärungsbedarf bezüglich der Rechnung, so teilt der Unfallversicherungsträger dies dem Zahnarzt mit. Der unstrittige Betrag muss ausgezahlt werden, sofern er nicht weniger als 200 Euro beträgt.

     

    Erfahrungsgemäß werden in vielen Fällen zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt weitere Behandlungen erforderlich, die - zum Beispiel nach Verlust des reimplantierten Zahnes durch resorptive Vorgänge - eine umfangreiche chirurgisch-prothetische Versorgung erfordern können. Wie schon beschrieben tritt die GUV auch für solche Folgeschäden auf. Daher sollten Patient oder Eltern diesbezüglich genau informiert und das entsprechende Aktenzeichen sollte über Jahre hinweg aufbewahrt werden.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 9 | ID 42618860