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  • 28.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131691

    Verwaltungsgericht Köln: Urteil vom 05.02.2013 – 19 K 1142/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Verwaltungsgericht Köln

    19 K 1142/11

    Tenor

    Die Beklagte wird unter Änderung der Bescheide vom 16.07.2010 und 16.09.2010 sowie Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2011 verpflichtet, dem Kläger auf seinen Antrag vom 22.03.2010 eine weitere Beihilfe in Höhe von 437,75 € zu bewilligen.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

    T a t b e s t a n d:

    Der Kläger ist als Beamter der Beklagten in Höhe eines Bemessungssatzes in Höhe von 80 % für krankheitsbedingte Aufwendungen seiner berücksichtigungsfähigen Tochter K. beihilfeberechtigt.

    Er beantragte unter dem 22.03.2010, ihm eine Beihilfe u.a. zu Aufwendungen in Höhe von 1.121,21 € zu bewilligen, die die Zahnärzte Drs. C. und A. mit Rechnung vom 17.03.2010 für eine in der Zeit vom 04.03.2010 bis zum 11.03.2010 durchgeführte zahnärztliche Behandlung in Rechnung gestellt hatten. Die zahnärztliche Behandlung umfasste die operative Entfernung von 4 Weisheitszähnen.

    Die Beklagte zahlte dem Kläger unter dem 06.05.2010 auf die zu erwartende Beihilfe einen Abschlag von 500,00 € und zog für die Beurteilung der Berücksichtigungsfähigkeit einzelner Gebührenziffern der GOÄ und der Berechtigung zur Überschreitung des 2,3-fachen Steigerungssatzes einzelner Gebührenpositionen das Gesundheitsamt des Rhein-Erft-Kreises heran. In ihrer Stellungnahme vom 05.07.2010 teilte die Amtszahnärztin I. mit, dass die nach GOÄ Ziffn. 440, 1479, 2442, 444 und 4 abgerechneten Leistungen nicht angemessen seien. Die GOÄ Nr. 56 sei zwar nach einer Narkosebehandlung notwendig, werde jedoch in der Regel vom Anästhesisten abgerechnet. Die Schwellenwertüberschreitungen seien nicht ausreichend begründet worden.

    Mit Bescheid vom 16.07.2010 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Beihilfe in Höhe von 444,12 € (beihilfefähige Aufwendungen 555,15 €). Dabei erkannte sie die geltend gemachten Gebührenpositionen GOZ 304 (insges. 4-mal regio 18, 28, 38, 48) nur in Höhe eines Steigerungssatzes von 2,3 (sog. Schwellenwert) an, weil sie die vom Zahnarzt gegebene Begründung für die Überschreitung des Schwellenwertes nicht für ausreichend ansah. Die Gebührenpositionen GOÄ 4, 440, 1479, 2442 ( 2x), 444, 56 sowie das im Zusammenhang mit der Leistung GOÄ 2442 verwandte Verbrauchsmaterial (39,10 €) erkannte die Beklagte nicht als beihilfefähig an. Zur Begründung verwies sie auf die amtsärztliche Stellungnahme vom 05.07.2010, wonach die nach der GOÄ abgerechneten Leistungen nicht angemessen seien.

    Mit seinem Widerspruch vom 12.08.2010 legte der Kläger eine Stellungnahme des für den Zahnarzt tätigen Inkassounternehmens vom 16.08.2010 vor. In dieser Stellungnahme wurde darauf hingewiesen, dass für die nach der GOÄ abgerechneten Gebührenpostionen keine vergleichbaren Gebührenpositionen in der GOZ bestehen würden.

    Mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2011 erkannte die Beklagte die GOÄ Ziffer 56 in Höhe von 18,88 € als beihilfefähig an, bewilligte dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 15,10 € (insgesamt 459,22 €) und wies den Widerspruch des Klägers im Übrigen unter Berufung auf eine weitere amtszahnärztliche Stellungnahme vom 21.12.2010 zurück.

    Der Kläger hat am 24.02.2011 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, die vom Zahnarzt in Rechnung gestellten Aufwendungen seien dem Grunde nach beihilfefähig und auch der Höhe nach angemessen.

    Der Kläger beantragt,

    die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 16.07.2010 und 16.09.2010 sowie Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2011 zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 22.03.2010 eine weitere Beihilfe in Höhe von437,75 € zu bewilligen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie nimmt zur Begründung Bezug auf die Gründe des Widerspruchsbescheides.

    Das Gericht hat Beweis erhoben u.a. zur medizinischen Notwendigkeit der in Rechnung gestellten Gebührenpositionen GOÄ 440, 1479, 2442, 444 und 4 durch Einholung eines zahnmedizinischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen Dr. X. vom 27.10.2012. Die Beteiligten haben nach Vorlage des schriftlichen Sachverständigengutachtens auf Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet. Wegen weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Veraltungsvorganges.

    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

    Die Klage hat Erfolg.

    Das Gericht konnte gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung erklärt.

    Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW 2009 einen Anspruch auf die Bewilligung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 437,75 €.

    Nach beihilferechtlichen Grundsätzen sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (vgl. § 3 Abs. 1 BVO NRW 2009). Bei der Behandlung durch Ärzte und Zahnärzte beurteilt sich die Angemessenheit ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der maßgebenden ärztlichen Gebührenordnung. Besteht zwischen dem behandelten Beihilfeberechtigten und dem behandelnden Arzt Streit über die Berechtigung der ärztlichen Honorarforderung, ist für die Entscheidung, ob nach den Maßstäben des Beihilferechts Aufwendungen für ärztliche Leistungen angemessen sind, die Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgebend. Ist – wie hier - eine Entscheidung im ordentlichen Rechtsweg nicht ergangen, hat der Dienstherr – und im Streitfall das Verwaltungsgericht – zu prüfen, ob die vom Arzt geltend gemachten Ansprüche nach materiellem Gebührenrecht begründet sind,

    vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.2009 – 2 C 79/08 -, NVwZ-RR 2010, 365.

    Vorliegend hat der behandelnde Zahnarzt die Gebührenpositionen GOÄ 440, 1479, 2442, 444 und 4 zu Recht berechnet. Nach den überzeugenden Ausführungen der Stellungnahme des Sachverständigen Dr. X. vom 27.10.2012, denen die Beklagte nicht entgegengetreten ist, war die Durchführung der in den Gebührenpositionen der GOÄ beschriebenen Leistungen medizinisch notwendig und angemessen. Der Ansatz eines den Schwellenwert von 2,3 überschreitenden Steigerungssatzes im Falle der GOÄ 4 war nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen gerechtfertigt, weil die Tochter des Klägers im Zeitpunkt ihrer Behandlung noch minderjährig war und deshalb auch ihre Mutter über den Verlauf der Operation und die postoperativen Verhaltensweisen aufgeklärt werden musste.

    Der Zahnarzt war auch zum Ansatz der Verbrauchsmaterialien in Höhe von 39,07 € berechtigt. Denn darf der Zahnarzt – wie hier – ausnahmsweise nach der GOÄ abrechnen, kann er Auslagenersatz nach § 10 GOÄ für solche Materialien verlangen, die er im Zusammenhang mit den nach der GOÄ abgerechneten Leistungen verwendet hat,

    vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2004 – III ZR 264/03 – juris.

    Die Auslagen sind dem behandelnden Zahnarzt im Zusammenhang mit der GOÄ 2442 entstanden. Der nach der GOZ geltende Grundsatz (vgl. § 4 Abs. 3 GOZ), dass Materialkosten mit den Gebühren der GOZ abgegolten sind, greift für die zu Recht in Ansatz gebrachten Leistungen der GOÄ nicht.

    Schließlich hat der behandelnde Zahnarzt den Schwellenwert von 2,3 auch im Falle der Positionen GOZ 304 und 309 in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) überschritten. Nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ ist ein Überschreiten des Schwellenwertes nur zulässig, wenn Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen. Bei einem Überschreiten des Schwellenwertes hat der Zahnarzt nach § 10 Abs. 3 eine schriftliche Begründung vorzulegen. Auf Verlangen hat er diese näher zu erläutern (§ 10 Abs. 3 Satz 2 GOZ). Nach dem Zweck der Pflicht zur schriftlichen Begründung, dem Patienten eine lediglich grobe Handhabe zur Einschätzung der Berechtigung des geltend gemachten Gebührenanspruchs zu geben, sind keine überzogenen Anforderungen an eine ausreichende Begründung zu stellen. Andererseits muss die Begründung aber geeignet sein, das Vorliegen solcher Umstände nachvollziehbar zu machen, die nach dem materiellen Gebührenrecht eine Überschreitung des Schwellenwertes rechtfertigen können. Keine Überschreitung des Schwellenwertes können zunächst diejenigen Umstände rechtfertigen, die schon zum Inhalt der in der jeweiligen Gebührenziffer beschriebenen Leistung gehören. Vorliegen müssen vielmehr auf die Person des Behandelten bezogene Besonderheiten, die sich von den Gegebenheiten der übrigen Behandlungsfälle unterscheiden, die noch keine Überschreitung des Schwellenwertes rechtfertigen,

    vgl. OVG Nds. Beschluss vom 12.08.2009 – 5 LA 368/08 -, juris; BGH, Urteil vom 08.11.2007 – III ZR 54/07 -, juris.

    Die vom Zahnarzt gegebenen schriftlichen Begründungen reichen zwar zur Darlegung überdurchschnittlicher Schwierigkeiten nicht ohne weiteres aus. Vor dem Hintergrund der in den amtsärztlichen Stellungnahmen genannten Erwägung, dass im Falle der Tochter des Klägers grundsätzlich leichter zu ziehende Weisheitszahnkeime entfernt wurden, hätte der behandelnde Zahnarzt ausführlicher begründen müssen, warum die Behandlung der Tochter des Klägers überschurchschnittlich schwieriger war als bei anderen Patienten. Für die Feststellung der besonderen die Überschreitung des Schwellenwertes rechtfertigenden Umstände gelten aber die allgemeinen Regeln für die Sachverhaltsaufklärung in Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren. Die schriftliche Begründung für die Überschreitung des 2,3fachen Gebührensatzes kann vom behandelnden Zahnarzt jederzeit nachgereicht oder ergänzt werden. Ebenso genügt die Feststellung durch die Beihilfestelle oder durch das Verwaltungsgericht auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens,

    vgl. OVG Nds., Beschluss vom 12.08.2009 – 5 LA 368/08 – juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 20.03.2008 – 2 C 19/06 -, juris.

    Ein solcher Fall ist hier gegeben. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. X. war bei der Entfernung der Zähne 18,28, 38 und 48 (GOZ 304 und 309) ein erhöhter Schwierigkeitsgrad gegeben. Dieser erhöhte Schwierigkeitsgrad beruht nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen darauf, dass es sich bei den Zähnen 18, 28 38 und 48 um retinierte, d.h. verlagerte Zähne handelte, die in unmittelbarer anatomischer Nähe zur Kieferhöhle und sehr nah am Nervkanal des „n.mandibularis“ gelegen waren. Das Gericht war aufgrund des für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes gehalten, auch diese Feststellungen des Sachverständigen zu berücksichtigen, obwohl die Schwellenwertüberschreitungen bei den Gebührenpositionen GOZ 304 und 309 nicht Gegenstand des Beweisbeschlusses vom 17.07.2012 waren.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.