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  • 01.03.2016 · IWW-Abrufnummer 146472

    Kammergericht Berlin: Urteil vom 12.02.2015 – 20 U 114/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Kammergericht Berlin

    Urt. v. 12.02.2015

    Az.: 20 U 114/14

    In dem Rechtsstreit

    D### N###,

    E#######, 1## B###,

    Beklagter, Widerkläger und Berufungskläger,

    - Prozessbevollmächtigter:

    Rechtsanwalt D### K###,

    G#######, 1## B###, -

    g e g e n

    D# D#### Z####### R###### GmbH,

    vertreten durch deren Geschäftsführer,

    M#######, 7## S####,

    Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte,

    - Prozessbevollmächtigte:

    Rechtsanwälte R# R###### V## GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft,

    vertreten durch deren Geschäftsführer F## V##,

    S######, 7## F#####, -

    Streithelfer der Klägerin:

    Dr. J#### E####,

    K#########, 1## B###,

    - Prozessbevollmächtigte:

    Rechtsanwälte Dr. M### H### u.a.,

    K#######, 4## D#####, -

    hat der 20. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Budde, die Richterin am Kammergericht Schulz und den Richter am Kammergericht Baldszuhn auf die mündliche Verhandlung vom 12.2.2015 für Recht erkannt:
    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.6.2014 verkündete Urteil der Zivilkammer 8 des Landgerichts Berlin teilweise geändert:

    Die Klägerin wird auf die Widerklage hin verurteilt, an den Beklagten 603,93 € zu zahlen.

    Die Kosten erster Instanz haben die Klägerin zu 91 %, der Beklagte zu 9 % zu tragen mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Kosten, die die Klägerin allein zu tragen hat. Die Kosten der Streithilfe hat der Streithelfer zu 91 %, der Beklagte zu 9 % zu tragen.

    Die Kosten der Berufungsinstanz hat die Klägerin zu tragen mit Ausnahme der Kosten der Streithilfe, die der Streithelfer zu tragen hat.

    Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.
    Gründe

    Die Berufung mußte Erfolg haben. Die Klägerin schuldet dem Beklagten Ersatz der dem Beklagten entstandenen vorgerichtlichen Kosten in Höhe einer Geschäftsgebühr einschließlich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer von insgesamt 603,93 €.

    Tritt ein Zahnarzt eine Honorarforderung an eine Verrechnungsstelle ab, verlangt diese von dem Patienten den abgetretenen Betrag und bedient sich der Patient zur außergerichtlichen Abwehr dieser Forderung eines Rechtsanwaltes, hat die Verrechnungsstelle dem Patienten die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten im Rahmen des Schadensersatzes gemäß §§ 280 I, 311 BGB zu ersetzen, wenn die Forderung nicht besteht oder erfolgreichen Einwendungen ausgesetzt ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Forderung nicht plausibel ist und/oder der Zahnarzt hätte erkennen können und müssen, daß die Forderung aufgrund der völligen Unbrauchbarkeit seiner zahnärztlichen Leistungen nicht besteht. Die abgetretene Forderung kann nicht anders behandelt werden, als hätte sie der Zahnarzt selbst geltend gemacht.

    So liegt der Fall hier. Die zahnärztlichen Leistungen des Streithelfers waren teilweise, nämlich im Rahmen der in Höhe von 6.927,93 € abgewiesenen Klageforderung, völlig wertlos und unbrauchbar. Dies hat das Landgericht aufgrund der Gutachten des Sachverständigen G### festgestellt (Urteil Seite 6). Die Neuanfertigung der Brücke 17-14 war erforderlich, ebenso die Prothese 24-26 sowie die Krone auf Zahn 46. Eine Nachbesserung kam nicht mehr ernsthaft in Betracht, und der Beklagte mußte dem Streithelfer keine Gelegenheit zur Nachbesserung einräumen. Diesen Ausführungen folgt der Senat.

    Die genannten, für einen medizinischen Fachmann offensichtlichen Mängel mußten sich auch dem Streithelfer, der Zahnarzt ist und der den Beklagten behandelte, aufdrängen. Er hätte zumindest wissen müssen, daß die genannten Arbeiten für den Beklagten wertlos waren. Er hätte sodann, ausgehend von einer Bewertung aus der Sphäre eines rechtlichen Laien, zur Kenntnis nehmen müssen, daß ein auf diesen Arbeiten beruhender, von den übrigen Leistungen abgrenzbarer Honoraranspruch nicht besteht.

    Hätte der Streithelfer diesen Anspruch gegen den Beklagten selbst geltend gemacht, hätte er im Rahmen des Schadensersatzes Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten geschuldet, die der Beklagte zur Forderungsabwehr aufgewendet hätte. Dies stellt auch die Klägerin nicht in Abrede. Der BGH hat keinen Zweifel daran gelassen, daß ein solcher Schadensersatzanspruch begründet ist, wenn der Gläubiger fahrlässig nicht erkennt, daß ein solcher Anspruch nicht besteht, der Gläubiger die Grundlage für den Anspruch nicht sorgfältig prüft und vor Inanspruchnahme des Schuldners nicht berücksichtigt (vgl. BGH VIII ZR 246/06 vom 23.1.08, Rdnr. 12, 14, zitiert nach juris). An anderer Stelle formuliert der BGH, daß der Gläubiger die Forderung nur dann geltend machen darf, wenn diese plausibel, deren Nichtbestehen mithin nicht seinem Verantwortungsbereich zuzuordnen ist (BGH V ZR 133/08 vom 16.1.09, Rdnr. 20, zitiert nach juris). Die abgewiesene Honorarforderung war ersichtlich nicht plausibel, weil die darauf beruhenden Arbeiten, spiegelbildlich ebenso plausibel, wertlos waren.

    Die Abtretung ändert nichts daran, daß die Forderung so, wie sie bestand, nämlich als Arzthonoraranspruch, mit allen Einreden und Gegenrechten auf die Klägerin überging (vgl. § 404 BGB, der im weitesten Sinne auszulegen ist; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Auflage 2015, § 404 Rdnr. 2), mögen diese Gegenrechte, wie hier, entweder auf einem gegen die Honorarforderung gerichteten vertraglichen Schadensersatzanspruch oder, wie das Landgericht ausgeführt hat, auf einer entsprechenden Anwendung des § 628 I 2 BGB beruhen. Mit der Abtretung wurde, entgegen der Ansicht der Klägerin und des Streithelfers, ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien begründet, dessen Verletzung in der unberechtigten Inanspruchnahme des Beklagten liegt. Der Schuldner soll, was allgemeiner Rechtsansicht entspricht, aufgrund der Abtretung nicht schlechter gestellt werden als er ohne die Abtretung stünde. Daraus folgt, daß der Zessionar nach der Abtretung dem Einwand des Schuldners, die Forderung bestehe nicht, ebenso ausgesetzt ist wie der Zedent vor der Abtretung. Umgekehrt besteht kein Anlaß, den Zessionar nach erfolgter Abtretung insoweit besser zu stellen. Ist ein unberechtigtes Zahlungsverlangen des Streithelfers eine Verletzung des Arztvertrages, ändert sich daran nichts dadurch, daß nunmehr die Klägerin die - nicht bestehende oder Einwendungen ausgesetzte - Forderung geltend macht. Auch dann durfte sich der Beklagte durch Einholung anwaltlichen Rechtsrates gegen das entsprechende Berühmen der Klägerin, eine angeblich berechtigte Forderung geltend zu machen, zur Wehr setzen. Die ihm hierdurch entstandenen Kosten sind schadensadäquat und zu ersetzen. Es wäre auch tatsächlich absurd, könnten sich sowohl Zedent als auch Zessionar allein durch die Abtretung gegen die angebliche Forderung gerichteten berechtigten Einwendungen entziehen, welche gegen den Zedenten ohne Abtretung bestanden.

    Der Beklagte mußte sich im Rahmen dieses Schadensersatzanspruchs auch nicht an den Streithelfer wenden. Dieser hatte die Forderung abgetreten und war deshalb mangels einer Rückabtretung als Schadensersatzverpflichteter nicht (mehr) passivlegitimiert.

    Der Beklagte war gegenüber der Klägerin auch nicht auf den deliktsrechtlichen Schutz beschränkt. Der BGH hat deutlich ausgeführt, daß ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 311 BGB in Betracht kommt, wenn jemand unberechtigt als angeblicher Schuldner außergerichtlich mit einer Forderung konfrontiert wird und ihm bei der Abwehr dieser Forderung Kosten entstehen (BGH VIII ZR 246/06 aaO., Rdnr. 10). Damit wird klar, daß ein deliktischer Schutz eines Schein-Schuldners jedenfalls bei einer unberechtigten fahrlässigen Inanspruchnahme durch den Schein-Gläubiger nicht genügt. Im übrigen liegt hier die von der Klägerin in Abrede gestellte schuldrechtliche Sonderverbindung bereits darin, daß der Streithelfer seine Forderung, die teilweise berechtigt, im übrigen nicht berechtigt war, an die Klägerin abgetreten hatte. Damit verblieb es nicht bei einem Schuldverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Streithelfer, sondern es entstand das hier zu beurteilende Schuldverhältnis zwischen den Parteien.

    Ob die Klägerin darauf vertrauen durfte, daß die Forderung bestand, führt zu keiner anderen Beurteilung. Forderungen können nicht gutgläubig erworben werden. Die Ausnahmeregelung des § 405 BGB liegt hier nicht vor. Die Klägerin zieht sich auf die Begründung zurück, sie habe sich darauf verlassen können, daß die Forderung bestand. Eben dies gilt nicht. Die Forderung blieb durch den Streithelfer schuldhaft ungeprüft und ging in eben diesem Zustand der schuldhaft unterlassenen Prüfung infolge der Zession auf die Klägerin über. Der Mangel sorgfältiger Prüfung der Forderung durch den Streithelfer wird durch die Abtretung weder geheilt noch infolge Gutgläubigkeit der Klägerin gegenstandslos. Im übrigen ist bereits nicht einsichtig, daß und weshalb die Klägerin darauf vertrauen darf, daß ihr abgetretene Arzthonorarforderungen stets bestehen und daher einwendungsfrei gegen den Patienten geltend gemacht werden können. Die Erfahrungen des Senats belegen das Gegenteil. Mithin muß sich die Klägerin die bereits bei dem Streithelfer bestandene Inplausibilität der Forderung zurechnen lassen und handelte bei der außergerichtlichen Geltendmachung von Honorarforderungen gegenüber dem Patienten mit Blick auf dessen mögliche Schadensersatzforderungen wegen Inanspruchnahme eines Anwaltes auf eigenes Risiko. Nicht der Beklagte, sondern die Klägerin hat sich deswegen ggf. an den Streithelfer zu halten. Ebensowenig kommt es darauf an, wie sich etwaige Bereicherungsansprüche auswirken. Es geht hier nicht um diese, sondern um eine einwendungsbehaftete Honorarforderung.

    Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen ergibt sich die Schadensersatzpflicht der Klägerin auch aus deren Eigenverschulden. Die Klägerin verdient nicht deshalb Schutz, weil sie hätte annehmen dürfen, der Streithelfer habe den Grund seiner Forderung hinreichend geprüft und habe die Forderung nach dieser Prüfung berechtigterweise als bestehend angesehen. Der Zessionar übernimmt eine Forderung in der Regel, ohne sich um deren Entstehungsgrund zu kümmern und ohne mögliche Einwendungen zu untersuchen. Dann darf er sich in keinem Fall darauf verlassen, daß die Forderung bereits durch den Zedenten als bestehend überprüft wurde. Das gilt auch für auf Behandlungsverträgen bestehende Honoraransprüche. Wenn der Zessionar diese gegenüber dem Schuldner, dem Patienten, geltend macht, geschieht dies durchweg schlicht ins Blaue hinein. Der Zessionar erwirbt eine Forderung, deren Schicksal er nicht kennt. Erspart er sich aus Kosten- oder sonstigen Gründen eine nähere Überprüfung, hat er auch die Nachteile hinzunehmen, für den Fall unberechtigter Inanspruchnahme des Schuldners dessen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu sein. Dann besteht ein solcher Schadensersatzanspruch aufgrund eigenen Verschuldens des Zessionars, der Klägerin, das auf deren unterlassene eigene Prüfung der Forderung gründet, die vor der Abtretung dem Zedenten oblag. In diesem Sinne ist offensichtlich die vorgenannte Rechtsprechung des BGH zu verstehen, derzufolge eine unbegründete Inanspruchnahme eines vermutlichen Schuldners Schadensersatzansprüche auslösen kann. Dem ist zu entnehmen, daß jeder, der einen anderen mit einer Forderung überzieht, deren Bestehen sorgfältig überprüfen muß, andernfalls wegen unberechtigter Inanspruchnahme des vermeintlichen Schuldners haftet, wenn dieser dann, berechtigt, einen Anwalt mit der Abwehr dieser Forderung beauftragt.

    Wenn der Beklagte, wie der Streithelfer vorträgt, die vorgerichtlichen Kosten nicht bezahlt hatte, ändert dies an dem Ergebnis nichts. Dann hätte der Beklagte gegen die Klägerin zunächst einen Freistellungsanspruch, der sich infolge endgültiger und ernsthafter Erfüllungsverweigerung der Klägerin in einen Zahlungsanspruch verwandelt hätte (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Auflage 2015, § 250 Rdnr. 2 mwN).

    Der Vortrag der Klägerin, es handele sich nicht um eine Geschäftsgebühr, sondern um eine Vergütungsvereinbarung nach § 3 a RVG, führt nicht weiter. Der Beklagte verlangt allein die gesetzliche Geschäftsgebühr, und diese ist erstattbar (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage 2014, RVG § 3a Rdnr. 21).

    Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I, 92 I, 97 I, 101 I Fall 2, 708 Nr. 10, 713, 543 ZPO.

    RechtsgebietAnwaltsgebührenVorschriften§ 280 Abs. 1 BGB; § 311 BGB