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  • 30.09.2010 · IWW-Abrufnummer 103127

    Landgericht Stuttgart: Urteil vom 15.07.2002 – 27 O 304/01

    1.Implantate gehören zum heutigen zahnmedizinischen Standard. Sie sind
    medizinisch notwendig, wenn die zur Verfügung stehenden Alternativmethoden bezüglich Tragekomfort, Haltbarkeit und Nachsorgeaufwand nicht adäquat sind.



    2.Bei einem 41-jährigen Patienten ist die Versorgung mit festsitzendem Zahnersatz trotz höherer Behandlungskosten als medizinisch notwendig anzusehen, wenn die zu
    erwartenden Folgekosten einer teleskopgetragenen Modellgußprothese sich nach Jahren als ungleich höher erweisen, weil dann auf Grund der fortgeschrittenen Athrophie nur noch eine aufwendige, implantologische Behandlung-u.U. nach Knochenaufbau möglich ist.



    3. Die Ablehnung der Kostenerstattung für Implantate aus grundsätzlichen, prämienkalkulatorischen Erwägungen ist treuwidrig, wenn der vereinbarte Tarif eine ausdrückliche Leistungszusage für Implantate enthält. 4. Unter Praxiskosten versteht der allgemeine Sprachgebrauch die für den Betrieb der Praxis anfallenden Kosten, wie z.B. Miete, Strom, Wasser, Personalkosten, Versicherungen etc.
    Zum Sprechstundenbedarf gehören nach der Begründung zu § 4 GOZ nur die für den täglichen Bedarf notwendigen „Einmalsachen“. 5. Der Feststellungsantrag, dass die
    Versicherung verpflichtet ist, auch die Fertigstellung der bereits begonnenen
    Behandlung zu bezahlen, ist zulässig, da dem Versicherungsnehmer keine bessere Rechtsschutzmöglichkeit zur Verfügung steht.


    LG Stuttgart
    Urteil vom 15.07.2002
    27 O 304/01

    Im Namen des Volkes
    Urteil
    In Sachen
    hat die 27. Zivilkammer des LG
    S T U T T G A R T
    auf die mündliche Verhandlung vom 29. 5. 2002
    durch Richterin am LG Borrmann
    - als Einzelrichterin -
    für Recht erkannt:
    1. Die Bekl. wird verurteilt, an den Kl. 2.972,88 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 19.6.2001 zu bezahlen.
    2. Es wird festgestellt, dass die Bekl. verpflichtet ist, dem Kl. die angemessenen Kosten der zahnärztlichen Behandlung gem. dem Heil- und Kostenplan vom 22.2.2001 des Dr. Obeida Kraemer entsprechend den tariflichen Bestimmungen zu erstatten, soweit die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach Durchführung der Behandlung noch vorliegen.
    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Bekl. 75 %, der Kl. 25 % zu tragen.
    5. Ziff. 1 und 4 der Entscheidung sind gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
    T A T B E S T A N D :
    Die Parteien streiten darüber, in welchem Umfang die Bekl. verpflichtet ist, dem Kl. eine zahnärztliche Behandlung zu bezahlen.
    Die Bekl. ist der private Krankenversicherer des Kl.. Dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag liegen die Musterbedingungen 1994 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK) zugrunde. Für Zahnbehandlungen besteht Versicherungsschutz nach dem Tarif ZM 3, wonach bei zahnärztlicher Heilbehandlung die Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen einschließlich gezielter Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, Zahnkronen, Zahnersatz (z.B. Prothesen, Brücken), funktionsanalytische, funktionstherapeutische und implantologische Leistungen sowie Kieferorthopädie erstattungsfähig sind. Bezüglich des Umfangs der erstattungsfähigen Aufwendungen ist geregelt, dass bei Zahnkronen, Zahnersatz... und implantologische Leistungen 75 %, bei sonstigen zahnärztlichen Leistungen 100 % und bei zahntechnischen Laborarbeiten und Materialien der Prozentsatz erstattet wird, wie bei der zugrundeliegenden zahnärztlichen Leistung.
    Als Zahnersatz gelten auch die vorbereitenden Maßnahmen.
    Am 22.2.2001 wurde beim Kl. von Dr. Obeida Kraemer eine erhebliche Behandlungsbedürftigkeit des Unterkiefers festgestellt. In einem Heil- und Kostenplan von diesem Tage wird ein voraussichtlicher Betrag von 31.780,36 DM für die Behandlungsmaßnahmen geschätzt. Dr. Kraemer sah vor, im Unterkiefer in Regio 4 6, 4 2, 3 2, 3 5, 3 6, 3 7 jeweils ein Implantat zu setzen, um auf diesen Implantaten nach deren Einheilung einen festsitzenden Zahnersatz einzugliedern. Nach Vorlage des Heil- und Kostenplanes bei der Bekl. lehnte diese alsbald die medizinische Notwendigkeit für die vorgesehenen Behandlungsmaßnahmen im Unterkiefer ab und sagte dem Kl. lediglich zu, die Kosten einer Behandlungsalternative, nämlich der teleskopkronengetragenen Modellgussprothese zu ersetzen.
    In dem Zeitraum von Januar 2001 bis April 2001 wurden die chirurgischen Leistungen durchgeführt. Dr. Kraemer stellte hierfür 9.639,50 DM in Rechnung. Die Bekl. erstattete dem Kl. lediglich 2.104,59 DM und lehnte im Übrigen die Übernahme der Behandlungskosten ab.
    Mit der Klage begehrt der Kl. die Erstattung des Restbetrages der Rechnung vom 27.4.2001. Gleichzeitig will er die Eintrittspflicht der Bekl. für die noch anfallenden Kosten der Behandlungsmaßnahmen festgestellt wissen.
    Der Kl. behauptet, die im Heil- und Kostenplan vorgesehene Behandlung sei medizinisch notwendig. Die Implantatversorgung sei nach dem heutigen Stand der medizinischen Erkenntnisse und Behandlungsmethoden der Eingliederung einer herausnehmbaren Prothese deutlich überlegen. Zu berücksichtigen seien nicht nur die Kosten des zahnärztlichen Ersatzes selbst, sondern insbesondere auch Gesichtspunkte wie der Langzeiterfolg, der Nachsorgeaufwand und eine ganze Reihe von medizinischen Gesichtspunkten. Insbesondere der Schutz vor weiterem Abbau des Kieferknochens sei bei der Implantatbehandlung erheblich besser gewährleistet.
    Der Kl. beantragt,
    die Bekl. zu verurteilen, an den Kl. 7.534,91 DM (= 3.852,54 Euro) nebst Zinsen seit dem 19.6.2001 zu bezahlen,
    festzustellen,
    dass die Bekl. verpflichtet ist, dem Kl. die Kosten der zahnärztlichen Behandlung gem. dem Heil- und Kostenplan des Herrn Dr. Obeida Kraemer vom 22.2.2001 bezüglich einer Zahnimplantation zu zahlen.
    Die Bekl. beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Die Bekl. steht auf dem Standpunkt, der Feststellungsantrag des Kl. sei unzulässig, da hier nicht die Feststellung eines gegenseitigen Rechtsverhältnisses, sondern die Feststellung einer zukünftigen Leistungspflicht begehrt werde.
    Ein schutzwürdiges Interesse an einer solchen Feststellung bestünde nur in Ausnahmesituationen, wenn ein Versicherungsnehmer geltend mache, die Behandlungskosten überstiegen seine finanziellen Verhältnisse bei weitem, er sei auf die vorherige verbindliche Zusage angewiesen. Ein solcher Fall liege hier nicht vor.
    Die Bekl. behauptet, es handle sich bei der gem. Heil- und Kostenplan vom 22.2.2001 vorgesehenen Behandlung nicht um eine medizinisch notwendige Behandlung, sondern um eine außerordentlich aufwendige Versorgung, die über das medizinisch Erforderliche weit hinausgehe. Die Wiederherstellung der Kau- und Sprechfunktion wäre ebenso gut durch eine Versorgung mit sechs Teleskopkronen auf den noch vorhandenen Zähnen 4 7, 4 5, 4 4 , 4 3, 3 3 und 3 4 sowie einer Modellgussprothese zum Ersatz der fehlenden Zähne möglich. Diese Art der Versorgung mit einer herausnehmbaren Prothese habe sogar noch eine ganze Reihe von Vorteilen gegenüber dem festsitzenden Zahnersatz.
    Darüber hinaus macht die Bekl. geltend, dass gem. ihren Tarifen für einen Teil der abgerechneten Positionen lediglich 75 % zu ersetzen sind, statt der vom Kl. eingeklagten 100 %. 171,06 DM seien für Verbrauchsmaterialien berechnet, obwohl es hierfür keine rechtliche Grundlage gebe, da mit den Gebühren die Praxiskosten einschließlich der Kosten für Füllungsmaterialien und den Sprechstundenbedarf abgegolten seien (§ 4 III GOZ). Die geschätzten Material- und Laborkosten seien bei weitem übersetzt.
    Das Gericht hat Beweis erhoben zur Frage der medizinischen Notwendigkeit der vorgesehenen Behandlungsmaßnahme durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. E. J. Richter von der Universität Würzburg, der sein Gutachten mündlich erläutert hat und zu vorgelegten Parteigutachten darin Stellung genommen hat. Insoweit wird auf das schriftliche Gutachten (Bl. 75/84 d.A.) und die ergänzende mündliche Stellungnahme vom 29.5.2002 (Bl. 114/120 d.A.) verwiesen.
    Der Kl. hat die im Januar 2001 begonnenen Behandlungsmaßnahmen bisher von seinem Zahnarzt nicht fortführen lassen, da er sich außerstande sieht, die Behandlung ohne Versicherungsschutz zu finanzieren. Die Fortsetzung der Behandlung wurde daher nach Durchführung der chirurgischen Maßnahmen bis auf weiteres zurückgestellt.
    Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.
    E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
    Die Klage ist zulässig und großteils auch begründet. Die Bekl. ist verpflichtet, ihrem Versicherungsnehmer die Kosten des festsitzenden Zahnersatzes zu erstatten, da die implantologischen Leistungen gem. dem vereinbarten Tarif ZM 3 ausdrücklich zu 75 % erstattungsfähig sind und die Behandlungsmaßnahme aus Sicht des heutigen zahnmedizinischen Standards medizinisch notwendig ist.
    Nach Eintritt des Versicherungsfalles ist ein schutzwürdiges Interesse des Versicherungsnehmers an der Feststellung der medizinischen Notwendigkeit einer bestimmten Behandlungsmaßnahme gegeben, wenn der Versicherungsnehmer auf die Kostenerstattung der Versicherung angewiesen ist.
    I.
    Die Bekl. ist auf Grund des Versicherungsvertrages in Verbindung mit den Tarifbedingungen verpflichtet, dem Kl. die implantatgestützte prothetische Versorgung des Unterkiefers zu bezahlen. Die implantologischen Leistungen sind gem. Ziff. 2.1 der Tarife ZM 1 bis ZM 3 ausdrücklich zu 75 % erstattungsfähig. Dem gem. hat die Bekl. auch grundsätzlich solche Leistungen zu bezahlen. Soweit die Bekl. aus grundsätzlichen Erwägungen die Bezahlung von Implantaten ablehnt, verstößt sie gegen ihre vertraglich übernommenen Verpflichtungen, da die implantologischen Leistungen ausdrücklich von ihrem Leistungskatalog umfasst werden.
    Die Versorgung des Kl. mit implantatgestütztem Zahnersatz ist medizinisch notwendig. Es wurde wiederholt ausgesprochen, dass eine Behandlungsmaßnahme dann medizinisch notwendig ist, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, diese Behandlung als notwendig anzusehen. Diese muss in fundierter und nachvollziehbarer Weise das zugrundeliegende Leiden diagnostisch hinreichend erfassen und eine ihm adäquate, geeignete Therapie anwenden (OLG Köln VersR 98, 88 ff; OLG Köln VersR 95, 1177 ff; OLG Karlsruhe VersR 97, 562 ff). Diese Definition ist allerdings nur scheinbar geeignet, die Kriterien für die Eintrittspflicht der privaten Krankenversicherung zu konkretisieren. Es muss vertretbar sein, die Behandlungsmaßnahme als medizinisch notwendig anzusehen. Vertretbar ist eine Beurteilung in aller Regel dann, wenn sie nachvollziehbar begründet und nicht völlig abwegig ist. Demnach wäre eine Behandlungsmaßnahme schon dann als medizinisch notwendig anzusehen, wenn sie dem aktuellen medizinischen Standard entspricht um das konkrete Leiden erfolgversprechend zu therapieren. Nicht erfasst wären dann all diejenigen Maßnahmen, deren therapeutische Eignung objektiv nicht vorliegt.
    Legt man den Schwerpunkt auf das Kriterium der „Notwendigkeit“, so stellt sich alsbald die Frage der „zwingenden Notwendigkeit“. In dieser Richtung hat auch der Sachverständige Prof. Dr. Richter zunächst den Begriff ausgelegt. Indessen hat auch er erkannt, dass die zwingende Notwendigkeit ein kaum fassbares Kriterium ist. Zwingend notwendig sind Zähne für das Überleben des Menschen nicht. Andererseits sind sichtbare Zahnlücken oder gar die Zahnlosigkeit hierzulande ein erheblicher sozialer Makel, der alles andere als allgemein üblich ist. Nicht umsonst geht auch die Bekl. davon aus, dass die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Kau- und Sprechfunktion als medizinisch notwendig anzusehen ist.
    Das OLG Köln hat in seiner Entscheidung vom 13. 7. 95 (VersR 95, 1177 ff) ebenso wie das OLG Karlsruhe (VersR 97, 562 ff) entscheidend auf die Höhe der Behandlungskosten abgestellt. Bei dieser Kalkulation wurde - soweit ersichtlich - allerdings stets nur berücksichtigt, wie hoch die Kosten der ersten Eingliederung der Prothese sind, die längerfristige Kalkulation wurde außer Acht gelassen. Abgestellt wurde auf den unmittelbaren Behandlungserfolg nach Durchführung der zu bezahlenden Maßnahme. An der erforderlichen Adäquanz soll es einer Heilmaßnahme allerdings dann fehlen, wenn deren Kosten diejenigen einer zum gleichen Heilerfolg führenden Behandlung so erheblich übersteigen, dass die betreffende Behandlung als Luxus zu erachten ist (OLG Köln VersR 98, 880).
    Der Sachverständige Prof. Dr. Richter hat zur Überzeugung des Gerichts erläutert, dass es für die Behandlung des Kl. grundsätzlich mehrere Möglichkeiten gibt. Er hat - auch wenn dies in seinem schriftlichen Gutachten zunächst nicht zum Ausdruck kommt - der Implantatversorgung eindeutig den Vorzug eingeräumt. Er hat begründet, weshalb der festsitzende Zahnersatz beim Kl. Die bessere Lösung ist. In den Vordergrund stellte er, dass der Knochenatrophie durch die Einbringung von Implantaten entgegengewirkt werden kann. Der Verlust von Zähnen führt zu einem Knochenabbau des Kiefers, so dass bei stark fortgeschrittenem Prozess auch eine Implantation nicht mehr möglich ist. Bei seiner Erläuterung wurde deutlich, dass die Versorgung mit einer Teleskopprothese zwar für einen Zeitraum von ca. 5 bis 10 evtl. auch 15 Jahren durchaus eine adäquate Lösung sein kann, dass aber nach dem Verlust der Zähne, auf denen die Teleskopprothese verankert ist, dann wiederum nur eine Implantation möglich ist - soweit dann der Knochen nicht schon zu stark atrophiert ist. Zwar räumt er ein, dass es bisher nur eingeschränkte Studien zur Haltbarkeit von Implantatversorungen gibt, da diese Behandlungsmethode erst seit 10 bis 15 Jahren verbreitet ist. Das bedeutet aber nicht, dass diese Art der Versorgung keine längere Lebensdauer hätte, als die Versorgung mit einer teleskopgetragenen Modellgussprothese. Letzterer ist an das Vorhandensein eines Restbestandes von Zähnen gebunden, weshalb - so der Sachverständige - nach dem Verlust sämtlicher Zähne nur noch eine Implantatversorgung in Betracht kommt. Daraus ergibt sich, dass die Versorgung mit festsitzendem Zahnersatz grundsätzlich eher geeignet ist, langfristig die Kau- und Sprechfunktion zu sichern. Die Beurteilung des beratenden Zahnarztes der Bekl., des Dr. Hagen, stufte der Sachverständige als „antiquiert“ ein. Er brachte zum Ausdruck, dass die Teleskopversorgung vor 15 Jahren dem Standard entsprach, heute aber im Zuge des zahnmedizinischen Fortschrittes mehr und mehr durch implantatgetragenen Zahnersatz verdrängt wird. Als Vorteile des festsitzenden Zahnersatzes gegenüber der Teleskopprothese nannte der Sachverständige u. a. die höhere Kaufkraft, der geringere Nachsorgeaufwand, und nicht zuletzt der - zumindest von jüngeren Patienten empfundene - größere Tragekomfort. Gleichzeitig wies der Sachverständige allerdings auch darauf hin, dass der Behandlungserfolg entscheidend von der Mundhygiene des Patienten abhängig ist und dass auch subjektive Gesichtspunkte für den Patienten eine große Rolle spielen, ob er lieber festen oder herausnehmbaren Zahnersatz tragen möchte.
    Nicht zu folgen ist dem Argument der Bekl., zu erstatten sei von ihr nur, was medizinisch (unbedingt) notwendig ist - teure Behandlungsmöglichkeiten müssten aus prämienkalkulatorischen Gründen unberücksichtigt bleiben.
    Grundsätzlich hat der Versicherungsnehmer zwar die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung darzutun und auch zu beweisen, dass es nach den medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, diese als medizinisch notwendig durchzuführen, soweit die Bekl. allerdings geltend macht, die beim Kl. begonnene Heilbehandlung übersteige das medizinisch notwendige Maß, so ist sie nach § 5 II MB/KK berechtigt, ihre Leistung auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen. Bei dieser Regelung handelt es sich - entsprechend der Überschrift des § 5 MB/KK - um eine Einschränkung der Leistungspflicht des Versicherers. Für die tatsächlichen Voraussetzungen einer solchen Einschränkung der Leistungspflicht ist aber die Bekl. als Versicherer darlegungs- und beweisbelastet (vgl. BGH, NJW
    RR 1991, 1244 ff). Dass die Behandlung des Kl. das medizinisch notwendige Maß übersteigt, lässt sich indessen nicht ohne weiteres feststellen. Der Sachverständige hat zwar ausgeführt, die Lösung mit den sechs Implantaten sei ziemlich aufwendig, als Luxus hat er jedoch erst das Setzen von acht Implantaten bezeichnet.
    Zu berücksichtigen war auch die Stellungnahme von Dr. Dr. Manfred Wolf, ein von der Bezirkszahnärztekammer Stuttgart bestellter Privat- und Gerichtsgutachter, der insbesondere implantologische Fragen beurteilt. Er hat die beim Kl. begonnene Versorgung uneingeschränkt befürwortet und insbesondere im Hinblick auf den geringeren Nachsorgeaufwand die erhöhten primären Kosten für angemessen erachtet. Auch der Sachverständige Dr. Dr. Manfred Wolf ist dem Gericht aus einer ganzen Reihe von Verfahren als außerordentlich sachkundig und kompetent bekannt, weshalb auch seine Einschätzung durchaus von Bedeutung war. Demgegenüber erscheint die Argumentation des beratenden Zahnarztes der Bekl. Dr. Hagen dem heutigen medizinischen Standard nicht gerecht zu werden. Die Teleskopprothese ist heutzutage - dies war auch deutlich den Worten von Prof. Dr. Richter zu entnehmen - in vielen Fällen nur noch die zweitbeste Möglichkeit.
    Das Argument der Bekl., aus prämienkalkulatorischen Gründen könnten teure Behandlungsmöglichkeiten nicht erstattet werden, ist zwar grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen, die Versicherung kann jedoch nicht einerseits im Rahmen ihrer Tarife eine ausdrückliche Leistungszusage für implantologische Leistungen erteilen, andererseits bei deren Inanspruchnahme dann jedoch die Kostenerstattung aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen. Dieses Verhalten ist als treuwidrig einzuschätzen, da der Versicherungsnehmer bei Abschluss der Versicherung davon ausgeht, dass er grundsätzlich 75 % der implantologischen Leistungen erstattet erhält. Damit lässt es sich nicht vereinbaren, dass die Bekl. es grundsätzlich ablehnt, Implantatversorgungen zu bezahlen. Diese Haltung der Bekl. hat auch der Sachverständige angesprochen. Gerichtsbekannt ist, dass die privaten Krankenversicherer in aller Regel die Kosten implantologischer Leistungen zumindest teilweise übernehmen und dass mittlerweile auch die gesetzliche Krankenversicherung Kronen auf Einzelzahnimplantaten bezahlt (vgl. S. 7 des Protokolls vom 29.5.2002). Unter diesen Umständen muss die Bekl. entweder die implantologischen Leistungen aus ihrem Leistungskatalog streichen oder nur besonderen Tarifen vorbehalten oder sie muss es grundsätzlich akzeptieren, dass auch die Zahnmedizin sich fortentwickelt und neue Methoden sich durchsetzen. Bei einem 41-jährigen Patienten ist die Versorgung mit einem festen Zahnersatz trotz höherer Behandlungs- und Prothetikkosten als medizinisch notwendig anzusehen, wenn die zu erwartenden Folgekosten der teleskopgetragenen Modellgussprothese sich nach Jahren als ungleich höher erweisen, weil dann auf Grund der fortgeschrittenen Atrophie nur noch eine aufwendige implantologische Behandlung - u. U. nach Knochenaufbau - möglich ist.
    Zwar mag es richtig sein, bei zwei medizinisch gleichwertigen, kostenmäßig aber vielfach auseinanderliegenden Möglichkeiten der Behandlung der kostengünstigeren den Vorzug zu geben, im vorliegenden Falle kann von einer medizinischen Gleichwertigkeit jedoch nicht die Rede sein. Dies hat Prof. Dr. Richter bei seiner mündlichen Erläuterung ausdrücklich klargestellt. Diese Einschätzung teilt auch Dr. Dr. Wolf.
    Gleichwohl war dem Leistungsantrag des Kl. nicht in vollem Umfang stattzugeben. Vom Kl. Nicht berücksichtigt wurde, dass die Bekl. von den Kosten für Zahnersatz, implantologischen Leistungen und Material- und Laborkosten lediglich 75 % zu tragen hat. Insoweit waren 25 % in Abzug zu bringen.
    Die Kosten der Verbrauchsmaterialien erachtet das Gericht für erstattungsfähig. Gemäß § 4 III GOZ sind zwar mit den Gebühren die Praxiskosten einschließlich der Kosten für Füllungsmaterial und den Sprechstundenbedarf abgegolten, aus der Regelung ergibt sich jedoch nicht, dass Kosten für Medikamente und Nahtmaterial vom Zahnarzt selbst zu tragen sind. Unter „Praxiskosten“ versteht der allgemeine Sprachgebrauch die für Einrichtung und Betrieb der Praxis anfallenden Kosten wie z. B. Miete, Strom, Wasser, Personalkosten, Versicherungen usw.. Zum „Sprechstundenbedarf“ gehören nach der Begründung zu § 4 GOZ die für den täglichen Bedarf notwendigen Einmalsachen, Desinfektionsmittel und dgl.. Das sind Materialien, die regelmäßig bereits für die Diagnose vorgehalten werden. Dass hierunter auch Kosten aus Anlass der Behandlung im Einzelfall fallen sollen, ergibt sich hieraus jedenfalls nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit. Das Gericht schließt sich insoweit der Auffassung des VGH Baden-Württemberg an in seiner Entscheidung vom 21. 5. 1992 (VGH BW-LS 1992, Beilage 9, B 9).
    II.
    Der Feststellungsantrag des Kl. ist zulässig. Der Kl. hat ein gegenwärtiges, schutzwürdiges Interesse an der Feststellung, dass die Bekl. die bereits begonnenen Behandlungsmaßnahmen bezahlen muss. Eine bessere Rechtsschutzmöglichkeit hat er nicht. Die Klage auf Leistung ist derzeit nicht möglich und zumutbar, da es sich bei dem Endbetrag aus dem Heil- und Kostenplan lediglich um eine Schätzung handelt, die entgültigen Behandlungskosten stehen erst dann fest, wenn sämtliche Maßnahmen durchgeführt worden und abgerechnet sind. Der vorliegende Fall ist mit dem vom OLG Stuttgart am 19.12.96 entschiedenen (OLG R 98, 23 ff) nicht zu vergleichen. In diesem Falle war mit der Durchführung der Behandlung noch nicht begonnen, es stand auch nicht fest, ob diese überhaupt durchgeführt wird. In diesem Zusammenhang hat das OLG Stuttgart ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der medizinischen Notwendigkeit einer bestimmten Behandlungsmaßnahme nur in dem Fall als gegeben erachtet, wenn der Versicherungsnehmer geltend machen kann, er müsse auf die Durchführung der Behandlung verzichten, wenn er keine vorherige verbindliche Zusage seiner Krankenversicherung oder eine streitentscheidende gerichtliche Feststellung erhalte, weil er aus besonderen Gründen des Einzelfalles nicht das Risiko eingehen könne, diese Kosten ganz oder auch nur teilweise allein tragen zu müssen.
    Im vorliegenden Falle wurde die Behandlung bereits begonnen, der chirurgische Teil ist abgeschlossen. Die Implantate sind bereits im Unterkiefer des Kl. eingebracht. Unter diesen Umständen ist ein schutzwürdiges Interesse des Kl. zu bejahen, da ihm nicht zugemutet werden kann, die Behandlung fortsetzen zu lassen, um erst nach deren Durchführung die Kosten im Wege der Leistungsklage gegenüber der Bekl. geltend zu machen. Schließlich beruft sich der Kl. auch darauf, dass er auf Grund seiner eingeschränkten finanziellen Verhältnisse nicht in der Lage ist, die Behandlung zu bezahlen, wenn die Bekl. ihm nicht einen wesentlichen Teil erstattet. Aus diesem Grund wurde die Behandlung des Kl. bisher auch nicht fortgesetzt. Es geht hier also nicht um die abstrakte Frage, ob die Bekl. die Implantatversorgung des Unterkiefers bezahlen muss, sondern um die Feststellung der Kostentragungspflicht im konkreten, bereits eingetretenen Versicherungsfall.
    Die Erstattungspflicht der Bekl. war festzustellen - allerdings im Rahmen der tariflichen Bestimmungen. Außerdem war klarzustellen, dass der Bekl. gegenüber dem Kl. nicht sämtliche Einwendungen abgeschnitten sein sollen, die sich aus den allgemeinen Leistungsvoraussetzungen ergeben.
    III.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1, 2 ZPO.
    Streitwert: Ziff. 1 3.852,54 Euro;
    Ziff. 2 9.056,00 Euro;(80% der noch anfallenden Behandlungskosten -20% Abschlag wegen pos. Feststellungsklage)
    insgesamt 12.908,53 Euro.

    RechtsgebietGOZVorschriftenGOZ §4 Abs.3