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  • 28.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131694

    Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen: Beschluss vom 23.04.2013 – 1 A 2617/12

    Der Durchführung eines Voranerkennungsverfahrens für Zahnimplantate bedarf es nach nordrhein-westfälischem Beihilferecht auch in Bezug auf die Indikation "Einzelzahnlücke".


    Oberverwaltungsgericht NRW

    1 A 2617/12

    Tenor:

    Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.

    Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis zu 600 Euro festgesetzt.

    G r ü n d e :

    Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen auf der Grundlage der – teilweise schon die hierfür geltenden Anforderungen verfehlenden – Darlegungen des Klägers nicht vor.

    1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

    Zweifel solcher Art sind begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt. Der die Zulassung der Berufung beantragende Beteiligte hat gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung (seiner Ansicht nach) zuzulassen ist. Darlegen in diesem Sinne bedeutet, unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fallbezogen zu erläutern, weshalb die Voraussetzungen des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes im Streitfall vorliegen sollen. Das Oberverwaltungsgericht soll allein aufgrund der Zulassungsbegründung die Zulassungsfrage beurteilen können, also keine weiteren aufwändigen Ermittlungen anstellen müssen.

    Vgl. etwa Beschluss des Senats vom 18. November 2010 – 1 A 185/09 –, juris, Rn. 16 f. = NRWE, Rn. 17 f.; ferner etwa Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124 a Rn. 186, 194.

    In Anwendung dieser Grundsätze ist die Berufung nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

    Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger deswegen keine weitere Beihilfe für seine Implantatbehandlung beanspruchen kann, weil er die Behandlung begonnen hat, ohne zuvor das nach § 4 Abs. 2 Buchstabe b Satz 7 BVO NRW vom 5. November 2009 in der (hier anzuwendenden) bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung vorgeschriebene Voranerkennungsverfahren durchzuführen. Die Zulassungsbegründung lässt zunächst nicht hinreichend hervortreten, ob der Kläger sich überhaupt gegen die Auffassung des Gerichts wenden will, bei der Einhaltung dieser Vorschrift handele es sich nicht um eine unerhebliche Formalie, sondern um eine sachlich-rechtliche Voraussetzung. Dies kann aber letztlich dahinstehen, weil es insoweit jedenfalls an jeglichen Gegenargumenten fehlt. Soweit der Kläger weiter meint, die oben genannte Vorschrift sei in dem angefochtenen Urteil unzutreffend ausgelegt worden, ist dem nicht zu folgen. Denn schon aufgrund der objektiven Fassung der Norm, insbesondere der Stellung im Satzgefüge, besteht kein Zweifel daran, dass sich der vom Kläger thematisierte Klammerzusatz ("dies gilt nicht für Satz 1 Nummer 5 und 6 und Satz 4") ausschließlich auf das Tatbestandsmerkmal bezieht, dass die Festsetzungsstelle ihre Entscheidung über die Vorabanerkennung "auf Grund eines Gutachtens des zuständigen Amtszahnarztes" treffen muss. Denn an die Formulierung dieses Merkmals ist der Klammerzusatz unmittelbar angehängt. Zwar meint der Kläger, mit Blick auf die sprachliche Verknüpfung mit "und" müsse sich der Klammerzusatz auch mit auf das Tatbestandsmerkmal der Vorlage eines Kostenvoranschlags bei der Festsetzungsstelle beziehen. Das überzeugt aber nicht. In diesem Fall würde es nämlich – die Fallgruppen des Klammerzusatzes betreffend – im Kern überhaupt an einer tauglichen Grundlage für die in der Vorschrift vorgesehene Voranerkennung der Notwendigkeit und Angemessenheit der Maßnahme fehlen, wohingegen die lediglich fehlende Einbeziehung des Amtszahnarztes in geeigneten Fällen durch eine ausreichende eigene Sachkunde der Festsetzungsstelle ersetzt bzw. ausgeglichen werden kann. Dafür, dass der Verordnungsgeber beabsichtigt hätte, in den im Klammerzusatz aufgeführten Fallgruppen auf das Voranerkennungsverfahren als solches vollständig zu verzichten, gibt es keinen objektiven Anhalt. Bei einer derartigen Absicht hätte es nämlich nahegelegen, die in Rede stehende Vorschrift anders zu fassen, etwa den Inhalt des Klammerzusatzes in die Gestalt eines eigenständigen Halbsatzes oder Satzes zu kleiden, welcher sich an die Gesamtregelung des Grundfalls des § 4 Abs. 2 Buchstabe b Satz 7 BVO NRW als Ausnahmeregelung anschließt. Dies berücksichtigend enthält das Zulassungsvorbringen keine Argumente von Substanz und Überzeugungskraft, welche eine Auslegung der Norm im Sinne der abweichenden Auffassung des Klägers nahelegen könnten. Der Durchführung des Vorabanerkennungsverfahrens bedurfte es vielmehr grundsätzlich auch bei der hier in Rede stehenden Indikation der Einzelzahnlücke nach Satz 1 Nummer 6. Dieses Ergebnis ist auch unter teleologischen Erwägungen nicht zu beanstanden. Denn die Vorabanerkennung als solche ist wegen der bei Zahnimplantatbehandlungen für den Beamten häufig entstehenden hohen Kosten– gerade auch zum Schutz des Beamten vor verbleibenden beachtlichen Eigenbelastungen – jedenfalls in all den Fällen sinnvoll, in denen die Beihilfefähigkeit davon abhängt, ob eine (nach den Umständen des konkreten Falles in Betracht kommende) medizinische Indikation im Sinne des § 4 Abs. 2 Buchstabe b Satz 1 BVO NRW vorliegt, und zusätzlich ggf. auch die Angemessenheit der dem Beamten von seinem Zahnarzt konkret veranschlagten Aufwendungen in Frage steht bzw. näherer Überprüfung bedarf.

    Die Frage, ob (ggf. in teleologischer Reduktion der die Voranerkennung regelnden Vorschrift) auch dann ein Voranerkennungsverfahren durchgeführt werden muss, wenn von vornherein klar ist, dass keine der Indikationen nach § 4 Abs. 2 Buchstabe b Satz 1 Nr. 1 bis 6 BVO NRW in Betracht kommt und deshalb nur die Zahlung einer fixen Pauschale pro Implantat nach § 4 Abs. 2 Buchstabe b Satz 4 erfolgen kann,

    vgl. – dies im Ergebnis verneinend – Mohr/Sabolewski, Beihilfenrecht Nordrhein-Westfalen, Loseblatt-Kommentar (Stand: November 2012), B I § 4 Anm. 14 (B 76/16).

    bedarf hier keiner Befassung, weil es ein derartiger Fall nicht im Streit steht.

    Dem Zulassungsvorbringen lässt sich schließlich nicht schlüssig entnehmen, dass hier ein Fall vorgelegen hätte, in dem die unstreitig fehlende Voranerkennung ausnahmsweise nach § 13 Abs. 9 Satz 1 BVO NRW entbehrlich gewesen ist. Nach dieser Vorschrift wird die Beihilfe dennoch gewährt, wenn eine nach dieser Verordnung erforderliche vorherige Anerkennung der Beihilfefähigkeit ohne Verschulden des Antragstellers unterblieben ist. Ein Verschulden in diesem Sinne liegt immer dann vor, wenn sich der Beihilfeberechtigte über das Erfordernis der vorherigen Anerkennung vorsätzlich oder fahrlässig hinwegsetzt, obwohl ihm die Einhaltung des Verfahrens zugemutet werden konnte. Eine Ausnahme gilt dann, wenn in besonders gelagerten Einzelfällen eine Behandlung aus medizinischen Gründen keinen Aufschub duldete. Allein die für die Beihilfefähigkeit erforderliche Notwendigkeit einer (alsbaldigen) Behandlung reicht dafür aber ebenso wenig aus wie z. B. das Verfallen eines reservierten Termins.

    Vgl. Beschluss des Senats vom 5. Februar 2013– 1 A 522/12 –, juris, Rn. 8 f. = NRWE, mit zahlreichen weiteren Nachweisen.

    Gemessen daran hat der Kläger keine besonderen Umstände dargetan, aus denen es ihm in dem betreffenden Einzelfall erkennbar nicht zuzumuten gewesen wäre, mit dem Beginn der Behandlung solange zu warten, bis das Vorabanerkennungsverfahren eingeleitet und durchgeführt war. Da nach dem Vorstehenden die einschlägige Bestimmung nicht unklar gefasst ist, kann sich der Kläger in diesem Zusammenhang zunächst nicht mit Erfolg darauf berufen, ein Voranerkennungsverfahren wegen fehlender Rechtskenntnis bzw. wegen Rechtsirrtums nicht eingeleitet zu haben. Auch ein etwaiges Mitverschulden der Bezirksregierung Düsseldorf (Festsetzungsstelle), auf das er sich sinngemäß beruft, kann ihm in diesem Zusammenhang nicht durchgreifend zugute kommen, zumal sich dem Antragsvorbringen ein Anhalt für ein massives, qualifiziertes behördliches Fehlverhalten nichts von Substanz entnehmen lässt. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang lediglich vorgetragen, die Bezirksregierung habe "zunächst den Eindruck vermittelt", dass das Anerkennungsverfahren nachgeholt werden könne. Das bleibt hinsichtlich der konkreten Abläufe inhaltlich vage und lässt sich im Übrigen auch anhand des Verwaltungsvorgangs nicht hinreichend verifizieren. So datiert das Schreiben der Bezirksregierung an den Kläger vom 15. Juli 2010, auf welches dieser sich insoweit sinngemäß stützen will, zeitlich deutlich nach der bereits im April 2010 erfolgten Implantation. Sein Inhalt kann sich demnach auf die unterbliebene Durchführung des Vorerkennungsverfahrens und die Frage, ob der Kläger dies im Sinne des § 13 Abs. 9 Satz 1 BVO NRW zu verschulden hat, nicht ausgewirkt haben. Das Schreiben lässt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht erkennen, die Festsetzungsstelle halte das Voranerkennungsverfahren für nachholbar. Vielmehr heißt es in diesem Schreiben unter dortiger Hervorhebung der entscheidenden Passage in Fettdruck: "Ich weise darauf hin, dass Voraussetzung für die Gewährung einer Beihilfe ist, dass der Festsetzungsstelle ein Kostenvoranschlag eingereicht wird und diese aufgrund des Gutachtens des zuständigen Amtsarzt vor Behandlungsbeginn die Notwendigkeit der beabsichtigten Maßnahme und die Angemessenheit der Kosten anerkannt hat." Dass die Festsetzungsstelle im Zusammenhang damit, "um abschließend über Ihren Widerspruch entscheiden zu können", gleichwohl noch die Abgabe einer Einverständniserklärung zwecks Überprüfung durch einen Amtsarzt erbeten und der Kläger dem nachfolgend auch entsprochen hat, mag mit Blick auf die spätere tragende Begründung des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2010, inkonsequent erscheinen, reicht aber nicht aus, allein deswegen einen Fall des § 13 Abs. 9 Satz 1 BVO NRW anzunehmen.

    2. Die Berufung kann auch nicht wegen der außerdem geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung des Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Ist die aufgeworfene Frage eine Rechtsfrage, so ist ihre Klärungsbedürftigkeit nicht schon allein deshalb zu bejahen, weil sie bislang nicht obergerichtlich oder höchstrichterlich entschieden ist. Nach der Zielsetzung des Zulassungsrechts ist vielmehr Voraussetzung, dass aus Gründen der Einheit oder Fortentwicklung des Rechts eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung geboten ist. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt deshalb, wenn sich die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts nach allgemeinen Auslegungsmethoden und auf der Basis der bereits vorliegenden Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten lässt.

    Vgl. Beschluss des Senats vom 13. Oktober 2011– 1 A 1925/09 –, juris, Rn. 31 m. w. N. = NRWE, Rn. 32.

    Insofern ist hier bereits fraglich, ob mit der Antragsbegründung die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage hinreichend konkret ausformuliert wurde. Aufgeworfen wurde die Frage,

    wie diese (zuvor im Text der Antragsbegründung wiedergegebene) Formulierung in § 4 Abs. 2 Buchstabe b der Beihilfenverordnung Nordrhein-Westfalen auszulegen ist.

    Selbst unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger in der sich auf den Zulassungsgrund beziehenden Begründung seines Antrags klarstellend angeführt hat, welche Auslegung er in diesem Zusammenhang für richtig hält, liegt aber kein Fall vor, der eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigt. Denn wie sich aus den obigen Ausführungen unter 1. dieses Beschlusses zum Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergibt, lässt sich die für klärungsbedürftig erachtete Rechtsfrage schon auf der Grundlage des Wortlauts und der Systematik der Vorschrift hinreichend klar beantworten, ohne dass es hierfür erst der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 und 3 GKG.

    Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

    RechtsgebietBVOVorschriftenBVO NRW §4 Abs. 2 Buchstabe b Satz 7