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  • · Fachbeitrag · Aktuelle Rechtsprechung

    OLG Frankfurt: Festpreis für professionelle Zahnreinigung und Bleaching unzulässig

    von RA Michael Lennartz, Rechtsanwälte, Bonn - Berlin - Baden-Baden

    | In einem wegweisenden Urteil vom 21.07.2016 hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main „Wildwuchs“ und wettbewerbswidriges Verhalten bei der zahnärztlichen Abrechnung eine deutliche Absage erteilt (Az. 6 U 136/15, Abruf-Nr. 188875). Das Urteil wurde von der Landeszahnärztekammer Hessen erstritten. Es zeigt, dass die Preisregeln der GOZ verbindlich sind und von ihnen auch bei PZR und Bleaching nicht abgewichen werden darf. |

    Der Fall

    Eine Zahnarztpraxis bot über ein Internetportal kosmetische Zahnreinigungen zum Einzelpreis von 29,90 Euro bzw. kosmetisches Bleaching zum Einzelpreis von 149,90 Euro an. Kunden können in dem Portal über das Angebot sogenannter „Deals“ Gutscheine zu Festpreisen erwerben, die bei verschiedenen Anbietern (z. B. für Restaurantbesuche, Reisen) eingelöst werden können. Diese „Deals“ laufen über einen begrenzten Zeitraum, was dem Interessenten über einen rückwärts laufenden „Countdown“ zugleich mit einer Angabe der bereits verkauften Anzahl von Gutscheinen angezeigt wird.

    Die Entscheidung

    In seinem Berufungsurteil kommt das OLG Frankfurt zum Ergebnis, dass es unzulässig ist, zahnmedizinisch notwendige und auch zahnmedizinisch nicht veranlasste Behandlungen zu pauschal kalkulierten Festpreisen anzubieten.

     

    Bei der GOZ handele es sich um ein für alle Zahnärzte geltendes zwingendes Preisrecht. Dies sei verfassungsrechtlich unbedenklich und verletze insbesondere weder die Kompetenzordnung des Grundgesetzes noch die Berufsfreiheit der Zahnärzte. Die Gebührenordnung diene dazu, Transparenz bei der Abrechnung zahnärztlicher Leistungen zu schaffen und eine angemessene und leistungsgerechte Vergütung herzustellen.

     

    Das Angebot einer PZR zu einem im Vorhinein festgelegten Preis müsse an den Bestimmungen der §§ 1, 2, 5 Abs. 2 GOZ gemessen werden. Ein Zahnarzt dürfe Vergütungen grundsätzlich nur für solche Leistungen berechnen, die für eine zahnmedizinisch notwendige zahnärztliche Versorgung erforderlich sind. Darüber hinausgehende Leistungen - zu denen beispielsweise auch das kosmetische Bleaching gehöre - dürfe er als Verlangensleistung nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind.

     

    § 5 Abs. 1 GOZ schreibe vor, dass die Höhe der einzelnen Gebühr - soweit nicht im Gesetz anderweitig geregelt - nach dem Einfachen bis 3,5-Fachen des Gebührensatzes zu bemessen ist. § 5 Abs. 2 S. 1 GOZ verlange, dass innerhalb des Gebührenrahmens die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen sind. Das Angebot für die kosmetische Zahnreinigung werde unstreitig durch die GOZ-Nr. 1040 erfasst.

     

    Kein Ermessen für PZR-Pauschale

    Anders als die Vorinstanz (LG Frankfurt a. M. vom 01.07.2015, Az. 2-6 O 45/15, Abruf-Nr. 188876) sieht das OLG Frankfurt nicht die Möglichkeit, dass ein Zahnarzt im Rahmen des ihm zugebilligten Ermessens für eine professionelle Zahnreinigung eine Pauschale festlegen kann. Die PZR umfasse das Entfernen der supragingivalen bzw. gingivalen Beläge auf Zahn- und Wurzeloberflächen einschließlich der Reinigung der Zahnzwischenräume, das Entfernen des Biofilms, der Oberflächenpolitur und geeigneter Fluoridierungsmaßnahmen je Zahn oder Implantat oder Brückenglied. Die Gebührenspanne belaufe sich von 1,0-fach (1,57 Euro) über 2,3-fach (3,62 Euro) bis zu 3,5-fach (5,51 Euro) je Zahn. Bei einer üblichen Abrechnung mit dem 2,3-fachen Satz entstünde daher bei der Zahnreinigung eines vollständigen Gebisses mit 28 Zähnen ein Honorar von 101,36 Euro. Das sei - verglichen mit anderen alltäglichen zahnärztlichen Leistungen - kein geringes Honorar.

     

    Rabattierte Festpreise contra Patienteninteresse

    Wenn man rabattierte Festpreise zulassen würde, bestünde die Gefahr, dass Patienten, die eine vergleichsweise einfach durchzuführende Behandlung benötigen, diejenigen Patienten „quersubventionieren“, bei denen wegen ihrer gesundheitlichen Konstitution eine aufwendige Behandlung notwendig werde. Umgekehrt bestünde bei solchen Patienten die Gefahr, dass die Behandlung wegen des vorgegebenen Kostenrahmens und der festgelegten Gebühr in einem zahnmedizinisch nicht vertretbaren Maß verkürzt werde. Beides sei mit dem Bedürfnis der Patienten an einer transparenten Honorarbildung und einer an ihrem Gesundheitszustand orientierten Behandlung nicht zu vereinbaren.

     

    Festpreis Bleaching contra GOZ-Vorschriften

    Diese Grundsätze würden auch für das Bleaching gelten. Zahnverfärbungen seien unabhängig von ihrer Ursache als abweichende Erscheinungen im Bereich der Zähne und damit als Krankheit im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 2 ZHG anzusehen. Sogenannte „Verlangensleistungen“, die nicht in der GOZ durch eine Gebührenziffer geregelt sind, könnten nur dann abgerechnet werden, wenn eine schriftliche Vereinbarung des Zahnarztes mit dem Patienten in einem Heil- und Kostenplan getroffen wurde (§ 2 Abs. 3 S. 1 GOZ). Dieser Plan müsse erstellt worden sein, bevor der Preis festgesetzt wurde. Das verlange eine vorangehende Untersuchung des Patienten. Da Ausnahmen im Hinblick auf die Konstitution der Patienten möglich seien und da individuelle Besonderheiten mit Rücksicht auf den Zustand der Zähne sowie eine mögliche Gefährdung der Gesundheit des Patienten berücksichtigt werden müssten, sei eine generelle und vorab erklärte Festpreisangabe mit der GOZ nicht vereinbar.

     

    Im Urteil kommt das OLG Frankfurt zum Ergebnis, dass das Angebot von PZR- und Bleaching-Leistungen durch einen Zahnarzt zu einem Pauschalpreis unlauter gegen die preisrechtlichen Vorschriften der GOZ verstößt. Gründe für eine Zulassung der Revision sind für das Gericht nicht ersichtlich.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2016 | Seite 1 | ID 44285015