· Fernbehandlung
Rechtliche Aspekte der Telemedizin
von Anja Mehling, RAin und FAin für MedR, Hamburg
| Anfang des Jahres 2020 hätte die Verfasserin bezweifelt, dass es im Jahr 2021 zur Einführung der elektronischen Patientenakte kommt, und auch im Übrigen nicht von einer spürbaren fortschreitenden Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland gesprochen. Corona hat vieles geändert, manches zum Positiven. Die Telemedizin erlebt in dieser Zeit eine Hochkonjunktur. Die Angebote verschiedener IT-Dienstleister überschlagen sich. Behandlungen via E-Mail, Chat, App und Video werfen zahlreiche Rechtsfragen auf. |
Zur berufsrechtlichen Regelung der Tele-(zahn-)medizin
Bis 2018 war Ärzten eine Behandlung ‒ insbesondere auch eine Beratung ‒ ausschließlich über Kommunikationsmedien berufsrechtlich untersagt (§ 7 Abs. 4 Musterberufsordnung für Ärzte [MBO-Ä] a. F.). Auf dem 121. Deutschen Ärztetag vom 08.‒11.05.2018 in Erfurt wurde dieses Verbot gekippt. Die Neufassung des § 7 Abs. 4 S. 3 MBO-Ä (online unter iww.de/s3911) gestattet im Einzelfall die ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien.
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„Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.“ |
Danach lag und liegt es in den Händen der Landesärztekammern, entsprechende Regelungen umzusetzen, was überwiegend erfolgte. Tatsächlich existieren auf Landesebene anhaltend keine einheitlichen Regelungen, wenngleich Corona die Überarbeitung der Berufsordnungen beschleunigt und den Weg für eine Fernbehandlung weiter freigemacht hat.
Einsatzmöglichkeiten in der Zahnmedizin
Während mithin bei Ärzten die Rechtslage halbwegs geklärt scheint, schweigen sich die Berufsordnungen der Zahnärzte zu einer (un-)zulässigen Fernbehandlung aus. Das kann als Selbstverständnis einer modernen innovativen Zahnmedizin interpretiert werden. Es spricht allerdings mehr dafür, die fehlenden Regelungen so zu verstehen, dass Telemedizin lange Zeit überhaupt nicht als mögliche Behandlungsform bei Zahnärzten Beachtung fand und kein Bedarf gesehen worden ist. Indes gibt es auch im zahnärztlichen Bereich viele Einsatzmöglichkeiten einer digitalen Behandlung (PA 08/2020, Seite 13). In Betracht kommen per Videokonferenz Besprechungen von Heil- und Kostenplänen oder Kostenvoranschlägen, Aufklärungen oder Beratungen vor einem (chirurgischen) Eingriff, Konsultationen nach einem (chirurgischen) Eingriff sowie Telekonsile zwischen überweisenden und auf Überweisung handelnden Zahnärzten mit der Möglichkeit der Teilung des Bildschirms unter Vermeidung eines ungesicherten Versands von Röntgenunterlagen. Bei entsprechender technischer Lösung unter Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht und datenschutzrechtlicher Bestimmungen liegen Vorteile auch in der Zeitersparnis und der örtlichen Flexibilität bzw. Ortsungebundenheit.
Rechtliche Basis, Vertragsschluss und Aufklärung
Der Abschluss eines Fernbehandlungsvertrags ist grundsätzlich formfrei möglich, § 630a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Zu beachten bleibt die Pflicht zur Information über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform gem. § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB. Weitere Formvorschriften kommen ebenso wie üblich zur Anwendung, z. B., wenn der gesetzlich versicherte Patient außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung Privatleistungen in Anspruch nehmen möchte.
Der Zahnarzt ist auch ohne berufsrechtliche Regelung der telemedizinischen Versorgung verpflichtet, den Patienten umfassend aufzuklären, § 630e BGB. Das umfasst insbesondere die Erläuterung, welche Alternativen zur telemedizinischen Behandlung (persönlicher Kontakt) ggf. bestehen, und welche Vor- und Nachteile ggf. zu berücksichtigen sind bzw. warum die Entscheidung für die telemedizinische Behandlung ärztlich vertretbar ist. Die Tatsache allein, dass sich der Patient z. B. de facto durch die Teilnahme an einer Videosprechstunde zur Durchführung einer telemedizinischen Behandlung bzw. Beratung bereit erklärt haben mag, genügt zur Erfüllung der Aufklärungspflicht nicht.
PRAXISTIPP | Da Sie als Zahnarzt im Streitfall für eine solche Aufklärung darlegungs- und beweisbelastet sind, sollte die entsprechende Aufklärung, und dass der Patient nach Aufklärung eingewilligt hat, nicht nur dokumentiert sein. Idealerweise wird der Behandlungsabschnitt mit einer ‒ kurzen ‒ Information per E-Mail oder SMS unter Einhaltung der geltenden Datenschutzstandards abgeschlossen. |
Haftungsrechtliche Fragen
Haftungsrechtlich wirft die Telemedizin noch viele Fragen auf. Deren Klärung ist erst mit zunehmender Praxis zu erwarten. Während früher die Auffassung vertreten wurde, dass Fernbehandlungen dem persönlichen Kontakt weit unterlegen sind (persönlicher Kontakt ist „Goldstandard“, vgl. Beschlussprotokoll des 121. Deutschen Ärztetags, online unter iww.de/s3912), hat sich das Meinungsbild vor allem im Zuge von Corona stark gewandelt.
Nach wie vor ist ein direkter persönlicher Kontakt zwischen Patienten und Behandler zwar erwünscht, aber nicht zwingend erforderlich. Auch eine ausschließliche Fernbehandlung ohne vorherigen physischen Kontakt und ohne Präsenz eines Arztes ist grundsätzlich zulässig und wird aufgrund vieler Vorteile begrüßt. Die Fernbehandlung mithilfe moderner Telekommunikationsmittel (Telemedizin) ist daher weder als Verstoß gegen den medizinischen Standard noch als Standardunterschreitung zu werten. Selbstverständlich ist jedoch auch in der Telemedizin der Standard zu wahren (§ 630a Abs. 2 BGB).
Empfohlene Gebühren für tele-(zahn-)medizinische Leistungen
Für den vertragszahnärztlichen Bereich sind im BEMA bislang keine Gebührennummern vorhanden (vgl. Zielsetzung der Regelung telemedizinischer Leistungen für Pflegebedürftige sowie im Rahmen von Konsilien in § 87 Abs. 2k und 2l SGB V).
Die Erbringung telemedizinischer Leistungen kann daher vorläufig nur privat vereinbart und abgerechnet werden. Indes sind Fernbehandlungen bislang weder in der GOÄ noch in der GOZ hinreichend abgebildet. Ausschließlich bei den Beratungen und der wiederholten Ausstellung eines Rezepts bzw. einer Überweisung nach den Nrn. 1, 2 und 3 GOÄ enthält der Leistungstext den Hinweis „auch mittels Fernsprecher“.
PRAXISTIPP | Erbringen Sie auf privat-(zahn-)ärztlicher Basis telemedizinische Leistungen, dokumentieren Sie unbedingt, welches technische Mittel Sie wie lange angewendet haben. Nehmen Sie das in die Abrechnung auf und beschreiben Sie Einsatz und Nutzung der Telemedien dort klar und verständlich, z. B. mit dem Text „per E-Mail“ oder „im Rahmen einer Videosprechstunde“. |
Die Bundesärztekammer (BÄK) hat am 26.06.2020 u. a. die nachfolgenden Abrechnungsempfehlungen zur privaten Abrechnung telemedizinischer Leistungen veröffentlicht (vgl. Deutsches Ärzteblatt, Heft 26 vom 26.06.2020, A 1358). Daran können sich auch Zahnärzte orientieren, wobei gem. § 6 Abs. 1 GOZ primär eine Analogposition aus der GOZ heranzuziehen wäre. Wenden Sie sich bzgl. der regionalen Umsetzung an Ihre Landeszahnärztekammer (LZK).
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Leistungsinhalt: | GOÄ |
| Nr. 1 analog |
| Nr. 1, Nr. 3 *** |
| Nr. 5 analog |
| Nr. 2 analog |
| Nr. 70 analog |
| Nr. 76 analog |
| Nr. 60 originär |
| Nr. 60 analog |
*** Wichtig | Die Videoübertragung (z. B. Videosprechstunde) stellt eine besondere Ausführung der Beratung mittels Fernsprecher dar und berechtigt daher zur originären Berechnung der Ziffer.