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  • · Nachricht · Leistungsrecht

    Keine Kostenerstattung für privatärztlich erbrachte CMD-Kieferorthopädie-Behandlung

    von RA, FA für MedR Dr. Paul Harneit, CausaConcilio, Rechtsanwälte, Notare, Kiel, www.causaconcilio.de

    | Eine gesetzlich versicherte Patientin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer privatärztlich erbrachten CMD-Kieferorthopädie-Behandlung gegen ihre Krankenkasse. Dies hat das Sozialgericht (SG) Aachen mit Urteil vom 8. Oktober 2013 entschieden (Az. S 13 KR 32/13, Abruf-Nr. 133773). |

    Der Fall

    Die Patientin litt an einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) - einer Erkrankung des Kau- und Schlucksystems. Nach zahlreichen erfolglosen Behandlungen seit 2006 durch verschiedene Zahnärzte und Therapeuten stellte sie sich im Jahre 2012 bei einem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnarzt vor. Dieser erstellte einen privatärztlichen Heil- und Kostenplan für die CMD-Kieferorthopädie-Behandlung. Im Juni 2012 beantragte die Patientin die Übernahme der Kosten für die geplante Behandlung. Die beklagte Krankenkasse lehnte den Antrag ab. Der Widerspruch der Patientin und die von ihr erhobene Klage blieben ohne Erfolg.

    Die Entscheidung

    Dem SG Aachen zufolge kommt § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V als einzige Anspruchsgrundlage zugunsten der Patientin in Betracht. Diese Vorschrift lautet: „Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war“. Nach Auffassung des SG waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt: Bei der Behandlung habe es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung (erste Tatbestandsalternative) gehandelt. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich war, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand. Dies sei bei der Patientin im Frühjahr 2012 nicht der Fall gewesen. Der Anlass ihrer Behandlung war nicht ein kurz zuvor aufgetretenes Ereignis; vielmehr hatten sich ihre Beschwerden seit 2006 über viele Jahre hinweg nach und nach entwickelt.

     

    Auch die Voraussetzungen der zweiten Tatbestandsalternative seien nicht erfüllt. Voraussetzung eines Kostenerstattungsanspruchs nach rechtswidriger Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse („zu Unrecht“) sei der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung der Krankenkasse und der Selbstbeschaffung („dadurch“). Daran fehle es, wenn die Kasse vor der Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre, und die Entscheidung der Krankenkasse nicht abgewartet wurde. Im entschiedenen Fall hatte die Patientin mit der Behandlung bereits begonnen, bevor die Kasse die Leistungserbringung mittels Bescheid abgelehnt hatte. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist im Regelfall die Aufstellung des kieferorthopädischen Behandlungsplans als Beginn der Behandlung anzusehen.

     

    Unabhängig von der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges seien die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs auch deshalb nicht erfüllt, weil die Krankenkasse die Leistungen nicht zu Unrecht abgelehnt habe. Denn die CMD unterfalle nicht den in den sogenannten Kieferorthopädie-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses aufgeführten Kieferanomalien, die den gesetzgeberischen Vorgaben entsprechen.

     

    Schließlich habe die Krankenkasse den Kostenübernahmeantrag auch deshalb nicht zu Unrecht abgelehnt, weil der behandelnde Arzt kein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Leistungserbringer sei. Gemäß § 76 Abs. 1 SGB V können Versicherte nur unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten und Zahnärzten frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs. 1 S. 2 SGB V). Ein Notfall lag jedoch - wie dargelegt h- nicht vor.

     

    FAZIT |   Die Entscheidung liegt auf der Linie der herrschenden Rechtsprechung. Danach kommt eine Kostenerstattung für die Inanspruchnahme nicht zugelassener Ärzte oder Zahnärzte nur unter ganz engen Voraussetzungen in Betracht.

    Quelle: ID 42471145