03.03.2011 | Arbeitsrecht
Kündigung selbst nach grober Beleidigung nicht automatisch gerechtfertigt
von RA, FA Medizinrecht Dr. Tobias Eickmann, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de und Ass. jur. Tim D. Hesse, Münster
Der allgemein als „Götz-Zitat“ bekannte Ausspruch Goethes „Du kannst mich mal am ...“ ist grundsätzlich als grobe Beleidigung anzusehen und kann, sofern er im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgt, eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen. Bei der gebotenen Interessenabwägung im Einzelfall sind allerdings die als Auslöser der Beleidigung anzusehende Konfliktsituation, der Erregungszustand und eine Entschuldigung des Arbeitnehmers zu dessen Gunsten zu berücksichtigen. Dies entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (Urteil vom 18.6.10, Az: 10 Sa 307/10).
Sachverhalt
Ein Angestellter hatte gegen eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sowie auf Weiterbeschäftigung und Lohnfortzahlung geklagt. Der Entlassung lag eine verbale Auseinandersetzung des Angestellten mit seinem Vorgesetzten zugrunde. Dabei soll der Kläger seinen Chef lautstark mit der Äußerung „Du kannst mich mal am ...“ belegt haben. Die daraufhin ergangene Kündigung nach § 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) sah das LAG Köln wegen mangelnder sozialer Rechtfertigung als ungerechtfertigt an.
Entscheidungsgründe
Das Gericht sah zwar die Äußerung „Du kannst mich mal am ...“ als eine erhebliche Missachtung der Person und Funktion eines Geschäftsführer an - und dies besonders in Anwesenheit weiterer Mitarbeiter. Auch stellten derart grobe Beleidigungen und Bedrohungen einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten dar, die sogar eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen würden.
Aber: Trotz allem muss im Einzelfall berücksichtigt werden, ob eine Entschuldigung vor (!) Kündigungsausspruch erfolgte und ob eine Wiederholungsgefahr bestehe. Lassen zudem Konfliktsituation und Erregungszustand eine beleidigende Äußerung nicht als überlegte Handlung erscheinen, ist der Ausspruch einer Abmahnung als Sanktion ausreichend. Zumindest, wenn dem Arbeitnehmer keine weiteren Entgleisungen vorzuwerfen waren.
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