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  • 01.08.2006 | Kommunikationspsychologie

    Sympathie oder Antipathie – So nehmen Sie Ihre Patienten positiv wahr

    von Dipl.-Pädagoge Christian Bremer, Dortmund

    Sympathie und Antipathie sind Formen kommunikativer Wahrnehmungen, bei denen subjektive Emotionen positive oder negative Assoziationen auslösen. „Praxisführung professionell“ widmet sich in zwei Beiträgen der gezielten Steuerung solcher Kommunikationsebenen – in diesem Beitrag mit dem Fokus auf die Ihre Wahrnehmung von unsympathischen Patienten und in Ausgabe 09/2006 mit Blick auf die Wahrnehmung Ihrer Praxis aus Sicht der Patienten.  

     

    Sympathie ist positiv besetzt: Wenn Sie Ihren Patienten sympathisch sind, werden diese auch zufriedener sein, als andere. Zufriedene Patienten sind zudem eher bereit, beispielsweise zusätzlich angebotene Leistungen oder Produkte anzunehmen. Zudem können Sie durch die nachfolgend vermittelten Techniken die Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter erhöhen.  

    Umgang mit unsympathisch empfundenen Patienten

    In der Physiotherapiepraxis spielt der Umgang mit unsympathischen Patienten eine wichtige Rolle. Es ist durchaus normal, dass Ihnen oder Ihren Mitarbeitern bestimmte Patienten unsympathisch sind, weil sich die Kommunikationspartner auf unterschiedlichen Wellenlängen befinden. Das führt dazu, dass dem Mitarbeiter die Behandlung dieses Patienten kaum Freude bereitet. Es kann sogar vorkommen, dass der Mitarbeiter nicht sein ganzes Können bei der Behandlung abruft.  

     

    Sympathie versus Antipathie

    Drei besonders wichtige Phänomene der menschlichen Wahrnehmung sind  

    1. der Erste Eindruck,
    2. der so genannte Halo-Effekt und
    3. die Übertragung.

     

    1. Der Erste Eindruck

    Der Erste Eindruck sorgt dafür, dass innerhalb weniger Millisekunden aus Bruchstücken der Wahrnehmung ein Gesamtbild des Gegenübers konstruiert wird. Dabei werden die entdeckten Eigenschaften mit anderen verknüpft, zum Beispiel gehen viele Menschen davon aus, dass höfliche Menschen eher als unhöfliche Menschen helfen. Untersuchungen können das jedoch nicht zweifelsfrei bestätigen.  

     

    Beim Ersten Eindruck besteht die Gefahr, dass unbewusst ein Bild entsteht, das nicht den Tatsachen entspricht.  

     

    2. Der Halo-Effekt

    Der so genannte „Halo-Effekt“ sorgt dafür, dass einmal positiv (oder negativ) wahrgenommene Eigenschaften auf andere Eigenschaften abfärben und diese auch wahrgenommen werden, obwohl sie objektiv nicht zu sehen sind. Dies wird besonders deutlich bei gut aussehenden Menschen: Sie werden im Verkauf mehr Vertrauen von Kunden erhalten, vor Gericht milder beurteilt, erhalten für gleiche Leistungen bessere Noten und in Vorstellungsgesprächen werden ihnen kaum skeptische Fragen gestellt. Im Sinne des Halo-Effektes werden sie sehr häufig als vertrauenswürdiger, sozialer, klüger, leistungsorientierter und gewissenhafter wahrgenommen – ohne dass in der Situation Anzeichen für diese Eigenschaften deutlich werden.  

     

    3. Die Übertragung

    Das Gedächtnis kann neue Informationen am besten aufnehmen, wenn sie an vorhandene Verknüpfungen angedockt werden können. Genau dies tut das Phänomen „Übertragung“: Erlebnisse und Erfahrungen mit anderen Menschen werden aus der Vergangenheit oder aus der eigenen Person heraus aufgerufen und mit dem aktuell wahrgenommenen Menschen verknüpft. Wenn Sie in der Stadt einem unbekannten Menschen begegnen, der Sie „an irgendjemand“ erinnert, so sind damit fast immer positive oder negative Gefühle verbunden. Diese verknüpft man dann automatisch mit der im Augenblick wahrgenommenen Person und findet sie bei positiven Erinnerungen eher anziehend und bei negativen Erinnerungen eher abstoßend. Doch was kann die Person dafür, dass Sie durch sie an eine andere Person erinnert werden, mit der Sie schlechte Erfahrungen gemacht haben?  

     

    Dieses Wissen bietet eine wertvolle Chance: Weil wir Menschen subjektiv wahrnehmen und nichts in Stein gemeißelt ist, lässt sich das Bild unsympathischer Menschen relativ leicht umwandeln. Voraussetzungen sind neben etwas Übung vor allem Ihre persönliche Bereitschaft, unsympathische Menschen sympathisch erscheinen zu lassen.  

     

    Anwendung am Beispiel unsympathischer Patienten

    • Erster Schritt: Zunächst listen Sie sämtliche negative Eigenschaften der unsympathischen Person auf. Dies geht gedanklich oder in Papierform in der Pause. Als nächstes überlegen Sie sich die positiven Eigenschaften. Die positiven Eigenschaften sollten Sie für Ihre interessierte und wertschätzenden Haltung gegenüber diesen Patienten nutzen. Bedenken Sie: Diesen Sinneswandel spürt der Patient. Sie haben damit die Chance einer verstärkten Patientenbindung, denn bei Ihnen wird er das erste Mal seit geraumer Zeit seinen Vorstellungen gemäß behandelt.

     

    • Zweiter Schritt: Denken Sie einmal an sich selbst: Besitzen auch Sie gelegentlich diese entdeckten negativen Eigenschaften? Hätten Sie auch gerne die eine oder andere positive Eigenschaft, die Sie erkannt haben? Auf diese Weise erkennen Sie den Hintergrund für Ihre negativen Gefühle – eventuell sogar vorhandener Neid gegenüber der als unsympathisch empfundenen Person.

    Anwendung am Beispiel unsympathischer Patienten (Fortsetzung)

    • Dritter Schritt: Überlegen Sie, ob Sie die negative Einstellung deshalb haben, weil Sie diese Person an jemanden erinnert, der für Sie negativ besetzt ist. Überlegen Sie dann, ob Sie hier eine Situation auf eine andere übertragen. Prüfen Sie auch, ob Ihnen die Person nicht einen Spiegel mit Ihren eigenen Eigenschaften vorhält: Eigenschaften, die man selbst auch besitzt, wirken meist nicht störend.

     

    • Vierter Schritt: Analysieren Sie, ob Sie Eigenschaften ins Positive umdeuten und so in ihrer Bedeutung relativieren können: aus skeptisch wird prüfend, aus herrisch selbstbewusst etc.

     

    • Fünfter Schritt: Prüfen Sie, ob die negative Ausprägung der Eigenschaften nicht auch noch stärker (schlimmer) sein könnte. In vielen Fällen ist das so.

     

    • Sechster Schritt: Versuchen Sie sich vorzustellen, dass dieser Mensch Freunde hat. Was würden diese an ihm mögen, schätzen? Auf welche positiven Eigenschaften an ihm würden die Freunde auf gar keinen Fall verzichten wollen? Es ist möglich, dass Sie selbst genau diese Eigenschaften gerne hätten, aber nicht haben. Der unsympathische Mensch führt Ihnen auf diese Weise ein Bild Ihrer selbst vor Augen, das wie alle Bilder aller Menschen unvollkommen ist.

     

    • Als „letzte Chance“ könnten Sie daran denken, dass der Patient Ihnen Ihr Gehalt bezahlt, Sie im Leben immer wieder mit unsympathischen Menschen zu tun haben werden und möglichst frühzeitig lernen sollten, mit diesen umzugehen.

    Praxistipp

    Probieren Sie diese Techniken aus: im Alltag mit Einzelpersonen, in Miniworkshops mit beispielhaften unsympathischen Patientengruppen (Beispiel-Motto: „Wie gehen wir mit arroganten Patienten um, damit uns diese weiterempfehlen?“). Sie werden erkennen, dass es ganz leicht ist, seine Vorstellungen von anderen Menschen zu verändern.  

     

    Handeln Sie ruhig aus einem gewissen Eigennutz heraus, weil Sie sich durch Ihre Einstellungsänderung Ihren Alltag noch schöner werden lassen: Sie haben es mit weniger unsympathischen Patienten zu tun!  

     

    Selbstverständlich bieten sich diese Techniken auch an, wenn Sie Antipathien gegenüber einem Kollegen empfinden oder wenn zwei Ihrer Mitarbeiter sich nicht sympathisch sind. Nutzen Sie in diesem Fall das erworbene Wissen, um Ihre und die Leistungsfähigkeit Ihres Teams nicht durch unnötige emotionale Vorbehalte zu bremsen.  

     

    Ausblick

    Im zweiten Beitragsteil in der Septemberausgabe lesen Sie, wie Sie Ihre eigene sympathische Ausstrahlung auf andere erhöhen können.  

    Quelle: Ausgabe 08 / 2006 | Seite 13 | ID 89934