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  • · Fachbeitrag · Patientenkommunikation

    Wie motiviere ich meine Patienten?

    von Mihrican Özdem, Diplompsychologin, Landau

    | Sie kennen es zur Genüge: Sie wollen Ihrem Patienten zu seiner Heilung verhelfen und auch den Erfolg Ihrer Behandlung sehen. Doch dazu kommt es oft nicht, weil der Patient nicht motiviert ist mitzuarbeiten. Sie müssen also neben Ihren therapeutischen Fähigkeiten auch die Fähigkeit zur Motivation haben. |

    Fehlende aktive Motivation als Krankmacher

    Einen Großteil der gesundheitlichen Probleme würde es erst gar nicht geben, wenn wir Menschen genug aktive Motivation hätten, uns gesundheitsbewusst zu verhalten. Aktive Motivation, das heißt so viel Motivation, dass wir unsere Vorsätze auch umsetzen. Wir verfügen über umfangreiches Wissen um Gesundheit und Krankheit. Hielten wir uns an eine gute Ernährung und würden wir uns genug bewegen, würden wir uns so manche Krankheiten und Beschwerden ersparen. Doch wider besseres Wissen verhalten wir uns gesundheitsschädlich.

     

    So ergeht es auch Ihren Patienten. Die meisten werden verstanden haben, dass sie zwischen den Behandlungen bestimmte Übungen ausführen müssen, damit eine Besserung eintritt. Aber es gibt so viele Gründe, die davon abhalten: keine Zeit, keine Ruhe, keine Ausdauer, der innere Schweinehund. Was können Sie tun, um Ihren Patienten einen Schub zu geben?

    Schritte zur Motivation

    Prüfen Sie einmal Ihre Einstellung dazu, dass Patienten die empfohlenen Übungen nicht ausführen. Ärgern Sie sich darüber? Auch wenn Sie dies zu verbergen versuchen, Ihr Patient wird spüren, dass Sie ihm das vorwerfen. Der Mensch ist eher gewillt, Ratschlägen zu folgen, wenn dies wohlwollend geschieht. Erfährt oder spürt er hingegen Autorität, baut er Widerstände auf. Oder er entwickelt Schuldgefühle, die ihn eher bedrücken als motivieren.

     

    Verständnis zeigen

    Ihren Patienten gegenüber sollten Sie daher eine Haltung der Akzeptanz haben. Der Patient ist selbst verantwortlich für seinen Körper. Ihre Aufgabe ist es, die therapeutische Behandlung durchzuführen, Ihr Fachwissen zu vermitteln und zu motivieren, nicht den Patienten zu erziehen und zu bevormunden. Zeigen Sie Verständnis für Schwierigkeiten des Patienten, die ihn zurzeit daran hindern, die Übungen auszuführen. Bewerten Sie sein Verhalten nicht.

    Zusammenhänge erklären

    Um zu einer Handlung motiviert zu sein, muss man natürlich zuerst wissen, welche Vorteile diese hat. Es ist Ihre Aufgabe, die Zusammenhänge der Beschwerden zu erklären und zu verdeutlichen, dass es nicht ausreicht, wenn die Übungen nur während des Termins ausgeführt werden und dass häufiges Wiederholen notwendig ist. Für die Patienten, denen dies neu ist und die von sich aus motiviert sind, wird die Erklärung genügen, um aktiv zu werden.

     

    Gründe erfragen

    Nun gibt es auch Patienten, die sehr wohl wissen, dass regelmäßiges Üben wichtig ist, sie setzen dieses Wissen aber nicht um. Fragen Sie Ihre Patienten, warum sie es nicht schaffen mitzuarbeiten. Fragen Sie nicht kontrollierend, sondern wohlwollend. Zeigen Sie bei der Frage Interesse am Patienten; vorwurfsvolles Fragen würde bedeuten, dass Sie im eigenen Interesse sprechen.

     

    Keine Zeit?

    Viele Patienten beklagen, dass sie gar keine Zeit haben für die Übungen. Überzeugen Sie diese Patienten mit folgenden Argumenten:

     

    • Die Zeit, die Sie in Zukunft für Ihre Gesundheit investieren, wird um ein Mehrfaches an Zeit ersparen, die Sie später für Folgeschäden investieren müssten. Sie verlieren nicht Zeit, in Wirklichkeit gewinnen Sie Zeit.

     

    • Mit einem gesunden Körper werden Sie Ihre Pflichten leichter und schneller erledigen und gewinnen dadurch Zeit.

     

    • Sich Zeit zu nehmen für etwas, ist eine Gewohnheitssache: Sie haben sich auch daran gewöhnt, täglich zu duschen und Ihre Zähne zu putzen. Ihre tägliche Hygiene vernachlässigen Sie schließlich nicht aus Zeitgründen. Nur der Anfang ist schwer. Wenn Sie einige Wochen durchhalten, werden die Übungen zum selbstverständlichen Teil Ihres Lebens.

     

    • Gehen Sie einmal Ihre täglichen Aktivitäten durch: Ist wirklich alles, was Sie tun, so wichtig? Können Sie nicht Dinge, die nicht existenziell sind, streichen und die ersparte Zeit für Ihre Gesundheit nutzen?

     

    • Welcher Typ sind Sie? Brauchen Sie mehr Struktur? Dann planen Sie feste Termine für die Übungen. Brauchen Sie mehr Flexibilität? Dann führen Sie die festgelegten Übungen aus, wie und wann Sie können und wollen.

     

    • Betrachten Sie die Übungen nicht als Pflicht. Für Pflichten investiert man nicht gern Zeit. Betrachten Sie sie vielmehr als etwas, das Sie sich selbst schenken. Sich für sich selbst Zeit zu nehmen, hat mit Selbstliebe zu tun. Sie geben Ihrem Körper und damit auch Ihrer Seele, was er braucht.

    Merke |

    Seit einiger Zeit hört man überall vom „Zeitmanagement“. Wenn Sie dieses Wort gebrauchen, erzeugen Sie eher Stress als Motivation. Vergleichen Sie einmal die folgenden beiden Sätze. Welche hören Sie lieber?

    • „Bemühen Sie sich um ein besseres Zeitmanagement.“

    • „Bemühen Sie sich, innezuhalten und sich etwas Gutes zu tun.“

     

    Den inneren Schweinehund überwinden

    Was tun bei Patienten, die durchaus Zeit haben, aber ihren inneren Schweinehund nicht überwinden können? Diese Blockade hat etwas damit zu tun, dass wir uns für Fernziele nicht leicht motivieren können. Meist aber werden die Vorteile des Übens erst nach längerer Zeit sichtbar, und für den Moment wollen wir uns lieber der Faulheit hingeben, als uns aufzuraffen. Drei Methoden der Motivation haben sich bewährt:

     

    • Eine gute Methode ist es, in dem Moment, in dem man aktiv werden soll oder spontan Zeit hat, sofort aktiv zu werden. Gar nicht erst darüber nachzudenken, ob man jetzt wirklich startet. Man gibt sich so nicht die Möglichkeit, es sich anders zu überlegen (zum Beispiel zu denken „Heute fällt es mir doch sehr schwer“). Mit dieser Nicht-darüber-nachdenken-Technik überlistet man sich selber und schafft den Sprung ins Handeln.

     

    • Nicht jeder Mensch tickt gleich. Den einen hilft es, nicht erst darüber nachzudenken, andere brauchen klare selbstmotivierende Ansagen. In dem Moment, in dem die Übungen gemacht werden sollen oder können, zählt Ihr Patient zwei, drei Vorteile auf, die das Üben hat. Er soll sich seinen Satz aufschreiben und ihn sich jedes Mal innerlich oder laut sagen, zum Beispiel (bei festgelegten Zeiten): „Es ist jetzt 17 Uhr und meine Übungen stehen an. Sie werden bewirken, dass ich bald keine Schmerzen mehr habe und meine Gartenarbeiten wieder bequem machen kann.“

     

    • Eine weitere Methode ist, sich etwas Schönes nur dann zu erlauben, wenn man die Übungen gemacht hat. Manche Menschen sind so gewissenhaft, dass sie sich daran halten, wenn sie sich einmal eine Bedingung auferlegt haben. Die Belohnung kann auch mit einer Ausgabe verbunden werden. Zum Beispiel könnte sich Ihr Patient eine teure Decke oder Matte kaufen, auf der er die Übungen macht. Die Übungen werden somit zum einen „aufgewertet“, zum anderen will man, dass sich die Investition „rentiert“. Dass die Luxusmatte ungenutzt in der Ecke liegt, tut weh.

     

    Vorsicht bei Depressiven patienten |

    Alles in diesem Beitrag Gesagte gilt nicht, wenn Ihr Patient unter einer Depression leidet. Es handelt sich dabei um eine ernsthafte psychische Erkrankung, die der Patient nicht willentlich steuern kann. Bei der Depression ist gerade die Motivation/der Antrieb gestört - der Mensch kann sich zu nichts mehr aufraffen.

    Natürlich gibt es Abstufungen in der Stärke der Depression. Bei einer eher milden Depression können Sie vielleicht sogar mit Ihrer wohlwollend formulierten Motivation dem Patienten zu einer Antriebssteigerung verhelfen - aber nie allein. Grundsätzlich gehört eine psychische Erkrankung in professionelle psychotherapeutische Hände!

    Wenn Sie Klagen von Ihrem Patienten hören, sich partout nicht aufraffen zu können, dass keine Methode hilft, und wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr Patient sehr niedergedrückt ist, dann fragen Sie vorsichtig, ob nicht eine Depression vorliegen könnte, und raten Sie zu einer Psychotherapie. Ihre Motivationsbemühungen werden nichts nutzen, wenn die Depression nicht behandelt wird.

     

    Quelle: Ausgabe 07 / 2011 | Seite 7 | ID 27498870