02.06.2008 | Steuerstrafrecht
Steuerhinterziehung und -verkürzung sind in keinem Fall Kavaliersdelikte!
Hohe steuerliche Belastungen und die häufig schwierigen finanziellen Verhältnissen von Physiotherapeuten lassen es verlockend erscheinen, ab und zu bar bezahlte Selbstzahlerleistungen nicht anzugeben oder Teile von Zuzahlungen nicht regelmäßig ins Kassenbuch einzutragen. Wer so handelt, sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass es sich hierbei um Steuerstraftaten handelt, die die Finanzbehörde verfolgen muss und die sehr unangenehme Folgen haben können. „Praxisführung professionell“ stellt im folgenden Beitrag die wichtigsten Tatbestände der Steuerhinterziehung und der Steuerverkürzung anhand von Beispielen dar. In einem zweiten Beitrag erfahren Sie, aus welchen Gründen es zu der Einleitung von Steuerstrafverfahren und Steuerfahndungsverfahren kommen kann und wie Sie darauf reagieren können. Im letzten Beitrag der Reihe werden die Rechtsfolgen und die Strafzumessungsregelungen im Steuerstrafrecht erläutert sowie mögliche Verteidigungsstrategien im Steuerstrafverfahren erläutert.
Steuerhinterziehung und leichtfertige Steuerverkürzung
Die Unterscheidung zwischen der Steuerhinterziehung und der leichtfertigen Steuerverkürzung ist von entscheidender Bedeutung für das Steuerstrafrecht:
- Bei der vorsätzlichen Steuerhinterziehung handelt es sich um eine Straftat, bei der ein Gericht die Strafe festsetzt.
- Die leichtfertige Steuerverkürzung hingegen ist eine Steuerordnungswidrigkeit. Hier entscheidet das Finanzamt (die Straf- und Bußgeldstelle) über die Festsetzung einer Geldbuße, die keinen Eintrag in das Zentralregister nach sich zieht. Ein Gericht wird in diesem Verfahren nicht eingeschaltet.
Steuerhinterziehung: § 370 Abgabenordnung (Auszug)
Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
Der Versuch ist strafbar. Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. |
Leichtfertige Steuerverkürzung: § 378 Abgabenordnung (Auszug)
Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei der Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 bezeichneten Taten leichtfertig begeht. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden. |
Sechs Beispielfälle
1. Bürobedarf: Bei der Erstellung der Einnahmen-Überschussrechnung werden unter der Position „Bürobedarf“ Kosten für Hefte und Stifte geltend gemacht, die die schulpflichtigen Kinder in der Schule verwenden. 2. Mini-Job: In Ihrer Praxis wird formal der Ehegatte mit einem 400-Euro-Job angestellt. Der Vertrag entspricht dem, was üblich ist, auch werden die entsprechenden Sozialabgaben abgeführt. Nur arbeitet der Ehegatte zu keinem Zeitpunkt in der Praxis. 3. Fahrtenbuch: Sie führen ordnungsgemäß ein Fahrtenbuch für betriebliche und private Fahrten. Leider fehlen auf einmal drei Seiten. Da aber sowieso immer mehr oder weniger die gleichen Fahrten vorliegen, ergänzen Sie das Fahrtenbuch – auch um Stress mit dem Steuerberater zu vermeiden – um Daten aus dem Vorjahr. 4. Zuzahlung: Die Mitarbeiterin vergisst, die Zuzahlung eines Kassenpatienten in das Kassenbuch einzutragen. 5. Privatpatient: Mit dem Geld einer bar bezahlten Selbstzahlerleistung wird sofort eine neue Druckerpatrone gekauft. Der Aus- gabenbeleg wird ordnungsgemäß verbucht. 6. Freie Mitarbeiter: Der 30-prozentige Honoraranteil, der von den freien Mitarbeitern einbehalten wird, beträgt im Kalenderjahr 18.000 Euro. Eine Umsatzsteuererklärung wird zwar abgegeben. Die Honoraranteile der freien Mitarbeiter werden aber nicht als umsatzsteuerpflichtig deklariert, da fälschlicherweise davon ausgegangen wird, dass der freie Mitarbeiter Heilbehandlungen erbringt und damit eine Steuerfreiheit gemäß § 4 Nummer 14 des Umsatzsteuergesetzes vorliegt. |
Der Tatbestand der Steuerhinterziehung
Unter dem Begriff „Tatbestand“ sind die einzelnen Umstände einer Tat zu verstehen. Der Tatbestand der Steuerhinterziehung greift, wenn alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind: Es muss eine Tathandlung vorliegen (1.), es muss ein Taterfolg eingetreten sein (2.) und die Tathandlung muss vorsätzlich erfolgt sein (3.).
1. Tathandlung
Der Steuerpflichtige hat unrichtige/unvollständige Angaben über steuerrechtlich erhebliche Tatsachen gemacht.
Anwendung auf die Beispielfälle
Beispiel 1: Hier werden unrichtige Angaben über steuerrechtlich erhebliche Tatsachen gemacht, da es sich nicht um Betriebsausgaben, sondern um Ausgaben der privaten Lebensführung handelt, die steuerrechtlich nicht geltend gemacht werden dürfen. Beispiel 2: Auch wenn formal alles in Ordnung ist, handelt es sich hierbei um unrichtige Angaben über steuerrechtlich erhebliche Tatsachen, da der Ehegatte gar nicht in der Praxis arbeitet und deshalb diese Betriebsausgaben den Gewinn nicht mindern dürfen. Beispiel 3: Auch in diesem Fall werden Betriebsausgaben angeführt, die möglicherweise so gar nicht entstanden sind. Beispiel 6: Da die Angabe der umsatzsteuerpflichtigen Teile der freien Mitarbeiter in der Umsatzsteuererklärung fehlte, wurden auch hier unvollständige Angaben gemacht. |
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