Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Transparent arbeiten

    Risiko- und Fehlermanagement in der Praxis

    von Bernd Hein, Fachjournalist Gesundheitswesen, München

    | Im Zuge der Umsetzung des Patientenrechtegesetzes (PRG) hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen, dass Praxen niedergelassener Ärzte ab April 2014 Systeme für das Management von Risiken und Fehlern einführen müssen. Damit erweitert sich das Aufgabenspektrum des seit langem etablierten Qualitätsmanagements erheblich. |

    Ziel: Mehr Struktur für mehr Sicherheit

    Die Verpflichtung zu einem systematischen Umgang mit Behandlungsrisiken sowie tatsächlich aufgetretenen Fehlern hat zwei Ziele

     

    • Sie soll vor allem die Sicherheit der Patienten verbessern, indem sie das Behandlungsteam für die Gefahren sensibilisiert, die aus täglichen Arbeitsabläufen entstehen.

     

    • Sie wirkt auch als Schutz für Ärzte und Fachpersonal selbst. Ein System zum Risiko- und Fehlermanagement entlastet als Handlungsrichtlinie die individuelle Verantwortung. Wenn es klar beschriebene Anweisungen gibt, wie unter bestimmten Umständen vorzugehen ist, entfällt die Notwendigkeit, jeweils neu darüber zu entscheiden.

    Risiken wirksam begegnen

    Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in der neu gefassten Qualitätsmanagement-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung (ÄQM-RL) in § 4 (Absatz g) skizziert, welche Schritte das Management von Risiken und sicherheitsrelevanten Ereignissen umfassen soll:

     

    • Erkennung. Die exakte Beschreibung möglicher oder tatsächlich bestehender Risiken bildet die Grundlage für das weitere Vorgehen.

     

    • Bewertung.Risiken können sich in ihrer Bedeutung für den Patienten erheblich unterscheiden. Obwohl grundsätzlich das „Null-Fehler-Prinzip“ gilt, erfordern potenziell lebensbedrohliche Umstände viel umfangreichere Sicherheitsmaßnahmen als solche, von denen diese Gefahr nicht ausgeht (siehe auch „Risikobewertung mithilfe der FMEA“, PPA 07/2014, Seite 7).

     

    • Bewältigung. Dieser Aspekt bezieht sich auf die Strategien, die im Team zu erarbeiten sind und sicherstellen sollen, dass ein Risiko nicht zu einem Fehler führt bzw. ein Fehler lediglich so geringe Wirkungen wie möglich entfaltet.

     

    • Überwachung. Die selbstkritische Beobachtung der Arbeitsabläufe etabliert ein lernendes System, das die Beteiligten fortlaufend an veränderliche Bedingungen anpassen und damit ständig verbessern.

     

    Geeignete Instrumente

    Für ein funktionierendes System des Risikomanagements genügt es nicht, dass sich ein Verantwortlicher mit dem Thema auseinandersetzt und anschließend die Ergebnisse seiner Überlegungen in Form einer Dienstanweisung verbindlich macht. Alle Bereiche der Qualitätssicherung lassen sich im Team viel effektiver bearbeiten. Deshalb ist es sinnvoll, die Kompetenzen aller Beteiligten zu nutzen - auch die der Patienten.

     

    Je nach der Größe des Praxisteams kann es sinnvoll sein, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die sich regelmäßig zusammensetzt, um alle relevanten Risiken zu benennen und darauf aufbauend detaillierte Verfahrensschritte zu entwickeln.

     

    • Beispiel

    Die Versorgung eines Patienten, der eine Antikoagulanzien-Therapie erhält, ist störanfällig. Wie die Risiken im Detail geartet sind, hängt auch von den individuellen Eigenschaften der Betroffenen ab. Wenn eine Praxis zum Beispiel viele Patienten mit Demenz behandelt, entstehen ganz andere Probleme als bei selbstständigen und allseits orientierten Menschen.

     

    Die persönliche Anwesenheit von Patienten in der Arbeitsgruppe ist nicht sinnvoll. Auf den Input, den sie liefern können, sollte ein Behandlungsteam jedoch keinesfalls verzichten. Fragebögen eignen sich gut, um die von außen kommende Sicht auf Praxisabläufe nutzbar zu machen. Im Internet sind Beispiele zu finden (siehe weiterführende Hinweise). Es kann aber auch sinnvoll sein, spezielle Aspekte mit individuell erstellten Formularen abzufragen (Lesen Sie dazu „Patientenzufriedenheit messbar machen“, PPA 06/2012, Seite 8).

     

    Dokumentation sicherstellen

    Wie in Krankenhäusern auch, kommt der Dokumentation in Arztpraxen überragende Bedeutung zu. Deshalb ist sie in § 4 (Absatz j) ÄQM-RL dezidiert gefordert. In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz: „Nur das, was dokumentiert ist, wurde tatsächlich geleistet.“ Das bezieht sich auf die unmittelbare Versorgung der Patienten ebenso wie auf die Arbeit an Systemen des Qualitätsmanagements.

     

    Deshalb ist es notwendig, schriftlich detailliert festzuhalten, wie die Qualitätsziele aussehen, welche Strategien dazu führen sollen, diese Ziele zu erreichen und wie die systematische und kontinuierliche Überprüfung der Maßnahmen sowie deren sachgerechte Anpassung an veränderte Bedingungen ausgestaltet sind. Die günstigste Form der Dokumentation ist ein Handbuch, wie Sie es von der Hygiene oder vom allgemeinen Qualitätsmanagement kennen.

    Fehler sinnvoll bearbeiten

    Das Fehlermanagement ist naturgemäß ein sehr schwieriger Bereich der Qualitätssicherung. Dabei sind psychologische Faktoren desjenigen zu beachten, dem der Fehler unterlaufen ist. Die haftungsrechtlichen Konsequenzen spielen eine erhebliche Rolle. Nicht zuletzt sind die Ansprüche des Patienten auf Unversehrtheit sowie auf sach- und fachgerechte Behandlung wesentlich.

     

    Offenheit und gegenseitiges Vertrauen

    Die einzig sinnvolle Strategie im Umgang mit Fehlern heißt Offenheit. Das gilt unter den Mitgliedern des Teams genauso wie in der zwingend erforderlichen Auseinandersetzung mit dem Betroffenen, also dem Patienten. Die Binnenstruktur eines Teams sollte von gegenseitigem Vertrauen geprägt sein. Unterstützend wirkt ein Fehlermanagement, das nicht auf individuelles Versagen abhebt, sondern Fehler als immanenten Teil der Arbeitsprozesse versteht und auf ihre Vermeidung zielt.

     

    Fehlermanagement schriftlich fixieren

    Deshalb ist es notwendig, schriftlich festzulegen, wie das Behandlungsteam nach dem Eintreten eines Fehlers vorgehen soll. Die Kommunikation eines solchen Zwischenfalls gegenüber dem Patienten muss ebenfalls klar geregelt sein - es ist sinnvoll, die Mitglieder des Teams entsprechend schulen zu lassen. Eine Richtlinie zum Fehlermanagement könnte etwa so aussehen wie die nachfolgende Checkliste.

     

    Checkliste / Konstruktiv auf Fehler reagieren

    • Unmittelbare Folgen für den Patienten so rasch wie möglich mildern oder verhindern.
    • Hergang der Situation sorgfältig und ohne Schuldzuweisungen rekonstruieren (und angemessen dokumentieren).
    • Aufklärung des Patienten bzw. seiner Angehörigen (Gesprächsdokumentation anfertigen; gegebenenfalls weitere Begleitung des Betroffenen sicherstellen sowie externe Hilfe und Folgebehandlung organisieren).
    • Falls notwendig, psychologische Unterstützung der auslösenden/beteiligten Personen sicherstellen.
    • Auslöser und Ursachen des Fehlers analysieren (gegebenenfalls defekte Gerätschaften begutachten lassen) und dokumentieren.
    • Mitarbeiter detailliert informieren.
    • Risikomanagement überprüfen und, falls erforderlich, anpassen.
    • Falls notwendig, Behörden, Versicherungen, Kostenträger und Rechtsanwalt umfassend informieren.
    • Gegebenenfalls Öffentlichkeit informieren.
     

    Es ist empfehlenswert, für alle Punkte dieser Checkliste, die die eigenen Kompetenzen übersteigen, externe Berater bzw. Ausführende zu engagieren. Dies gilt insbesondere, wenn ein aufgetretener Fehler oder ein Zwischenfall es erfordert, die Öffentlichkeit zu informieren.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Berichts- und Lernsystem der Deutschen Ärzteschaft für Kritische Ereignisse in der Medizin (Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin; Bundesärztekammer; Kassenärztliche Bundesvereinigung): www.cirsmedical.de 
    • Fehlerberichts- und Lernsystem für Hausarztpraxen (Institut für Allgemeinmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M.): www.jeder-fehler-zaehlt.de 
    • ZAP-Fragebogen der Medizinischen Hochschule Hannover (Zufriedenheit in der ambulanten Versorgung - Qualität aus Patientenperspektive): www.mh-hannover.de/pug_zap.htm
    • Unter ppa.iww.de finden Sie, wenn Sie in die Suchleiste den Begriff „Fehlermanagement“ eingeben, zahlreiche weitere Beiträge zu diesem Thema.
    Quelle: Seite 4 | ID 42725982