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  • · Fachbeitrag · Vergütung

    Gutachten des ZVK Bayern: Jeder dritte Praxisinhaber verdient höchstens 13,20 Euro pro Stunde

    von Alexandra Buba M. A., Wirtschaftsjournalistin, Fuchsmühl

    | Nicht mehr als 13,20 Euro brutto pro Stunde verdient ein Drittel der Inhaber von physiotherapeutischen Praxen in Bayern. Unterhalb einer Umsatzgrenze von 170.000 Euro scheint gewinnbringendes Arbeiten nicht mehr möglich. Das legt zumindest die aktuelle Auflage der betriebswirtschaftlichen Analyse bayerischer Physiotherapiepraxen (PhysioPraX) des ZVK-Landesverbands Bayern nahe. Ein weiteres besorgniserregendes Ergebnis mit Blick auf den Jahresvergleich 2013 zu 2011 ist: Die Schere zwischen den Reinerträgen der großen und kleinen Praxen öffnet sich weiter. |

    Zwei Drittel machen 70.000 bis 270.000 Euro Umsatz

    Deutlich mehr Praxen als im Vorjahr beteiligten sich an der jüngsten PhysioPraX-Umfrage. Initiiert vom Landesverband Bayern e. V. im Deutschen Verband für Physiotherapie (ZVK) will die regelmäßige Untersuchung eine objektive Datengrundlage schaffen, die auch für die Verhandlungen mit den Kostenträgern verwendet werden kann. Denn noch immer bleibt die Vergütung der Therapeuten hinter der Kostenentwicklung zurück, die Gebührenverhandlungen mit den Kostenträgern gestalten sich schwierig, und der stetig steigende Verwaltungsaufwand führt zu hohen Opportunitätskosten (siehe auch Interview mit dem ZVK in PP 04/2017, Seite 8).

     

    Die aktuelle Auswertung ist die dritte ihrer Art. Sie umfasst Daten aus 77 teilnehmenden Praxen und bezieht sich auf die wirtschaftliche Situation des Jahres 2013. Die meisten Praxen, die sich beteiligten, befinden sich in Städten zwischen 10.000 und 50.000 Einwohnern. Rund ein Drittel der Teilnehmer erwirtschaftete im analysierten Jahr einen Umsatz zwischen 70.000 und 170.000 Euro; ein weiteres Drittel zwischen 170.000 und 270.000 Euro.

     

    • Beteiligung nach Umsatzklassen 2009, 2011 und 2013
    Umsatzklasse
    Jahresumsatz (Euro)
    Teilnehmer 2009
    Teilnehmer 2011
    Teilnehmer 2013

    I

    bis 70.000

    11

    < 4

    6

    II

    70.000 bis 170.000

    23

    17

    25

    III

    170.000 bis 270.000

    16

    14

    24

    IV

    270.000 bis 400.000

    16

    9

    10

    V

    über 400.000

    4

    11

    12

    Gesamt

    70

    < 55

    77

     

     

    Wichtig | In den folgenden Ausführungen werden Praxen der Umsatzklasse V nicht berücksichtigt. Nach Angaben des ZVK Bayern sind die Daten zu dieser Umsatzklasse nicht repräsentativ.

    Reinertrag gesunken

    Die Praxen mit einem Umsatz zwischen 70.000 und 170.000 Euro (Klasse II) erwirtschafteten im Durchschnitt einen Überschuss von 49.449 Euro, diejenigen mit einem Umsatz von bis 270.000 (Klasse III) hingegen 72.767 Euro. Verglichen mit den Daten aus dem Jahr 2011 fällt auf, dass die Überschüsse weiter gesunken sind - und zwar erheblich.

     

    So sind die Durchschnittsüberschüsse der Umsatzklasse II um 13 Prozent, die der Umsatzklasse III sogar um 22 Prozent gesunken. Allerdings geht aus der Umfrage nicht hervor, ob es sich um denselben Teilnehmerkreis handelt. Das relativiert die Zahlen zwar etwas, zeigt aber dennoch ein erschreckendes Gesamtbild: Nur Praxen, die weniger als 70.000 Euro (Klasse I) oder mehr als 270.000 Euro (Klasse IV) Umsatz erwirtschaften, konnten ihren Überschuss steigern. Das ist nur ein Drittel der teilnehmenden Praxen. Die Mehrheit jedoch muss mit empfindlichen Einbußen leben und aus den mageren Überschüssen etwa noch Sozialversicherungsbeiträge finanzieren.

     

    Arbeitsbelastung steigt weiter

    Die gesunkenen Überschüsse sind besonders bitter, weil gleichzeitig die Arbeitsbelastung gestiegen ist. So arbeiten Praxisinhaber für einen Überschuss von knapp 50.000 Euro im Durchschnitt 52,2 Stunden pro Woche, davon 39,4 Stunden am Patienten und 12,5 Stunden in der Verwaltung. Umgerechnet auf die Stunde verdienen sie damit 13,20 Euro brutto.

     

    Deutlich besser ist die Situation der Praxen zwischen 170.000 und 270.000 Euro: Deren Inhaber verdienen durchschnittlich rein rechnerisch 21,60 pro Stunde. Das liegt zum einen an dem höheren Gesamtüberschuss von über 70.000 Euro, zum anderen aber auch an einer geringeren Wochenarbeitszeit, die bei 45,6 Stunden liegt. Dramatisch ist dagegen die Situation der Praxen mit weniger als 70.000 Euro Umsatz: Deren Inhaber erwirtschaften nur 9,60 Euro pro Wochenarbeitsstunde - und sind 47,3 Stunden in der Praxis.

     

    GKV-Anteil an Erlösen

    Das zeigt, wie unterschiedlich sich die Praxen in Abhängigkeit von ihrer Größe derzeit entwickeln. Ein Indikator dafür ist auch der Anteil der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung an den Gesamterlösen einer Praxis. Während dieser in den Praxen von 70.000 bis 170.000 Euro (Klasse II) in den vergangenen Jahren zugunsten von Selbstzahlern und Privatpatienten auf zuletzt 67 Prozent gesunken ist, haben ihn die Praxen mit bis zu 270.000 Euro (Klasse III) auf bis zu 75 Prozent gesteigert.

     

    Diese Strategie scheint sie wirtschaftlich erfolgreicher zu machen. Einwohner- und Mitbewerberzahl hätten in den erhobenen Daten keinen statistisch nachweisbaren Einfluss auf den Praxisreinertrag - vielmehr nähmen der Umsatz und das Praxismanagement eine entscheidende Rolle ein, so das Gutachten. Beim größten Kostenblock, den Personalkosten, gab es für die Mehrheit der Praxen kaum Veränderungen. Diejenigen Praxen, die ihre Überschüsse steigern konnten, hätten dies über eine Reduktion des Aufwands bei gleichzeitiger Erhöhung der Erlöse erreicht, erklärt das Gutachten.

     

    Trotz dieser erschreckenden Zahlen gehen Experten von einem Aufwärtstrend in der jüngeren Vergangenheit aus. „Ich glaube, dass sich die wirtschaftliche Lage vieler Therapeutinnen und Therapeuten zuletzt verbessert hat, da der überwiegende Teil der GKV-Patienten in Bayern RVO-Patienten sind. Mit den RVO-Kassen haben wir hier in Bayern im letzten Jahr eine strukturelle Erhöhung von 4,9 Prozent verhandeln können - das hat sich sicherlich auch in den Praxis-Bilanzen in Bayern bemerkbar gemacht. Die Daten aus dem aktuellen PhysioPraX-Gutachten berücksichtigen allerdings diese neue Entwicklung noch nicht, sie beziehen sich auf das Erhebungsjahr 2013", sagt Markus Norys, zweiter Vorsitzender im Landesverband Bayern e. V. des ZVK.

    Neuer Index für Bürokratiezeit und Bürokratiekosten

    Unabhängig von einzelnen Jahren ist bei allen Praxen indes der Bürokratieaufwand erheblich gestiegen. In der diesjährigen Auflage des PhysioPraX-Gutachtens wurden daher ein Bürokratiezeit- und ein Bürokratiekostenindex neu eingefügt. „Es wird immer mehr Zeit für die nicht bezahlte Bürokratie, vor allem für die Rezeptprüfung, aufgewendet. Die einheitliche Checkliste hat zwar zu einer deutlichen Verbesserung geführt, diese wird aber im Moment durch die Umstellungsprobleme auf die zertifizierte Arztsoftware wieder zunichtegemacht. Letztere wird wahrscheinlich allein nicht ausreichen, um die Verwaltungskosten zu reduzieren“, erklärt Norys.

     

    Als Basisjahr für den Bürokratieindex wurde das Jahr 2009 verankert. Vier Jahre später musste jeder Praxisinhaber 22 Prozent mehr Zeit für Verwaltungstätigkeiten aufwenden. Verrechnet man diesen Zeitzuwachs nun mit dem gestiegenen Brutto-Stundenlohn, sind die Bürokratiekosten zwischen 2009 und 2013 sogar um 72 Prozent angewachsen. „Die Erhebung einer Verwaltungsgebühr scheint mir daher in Zukunft nicht unwahrscheinlich“, so Norys.

     

    Besonders stark ist der Anstieg des Bürokratieaufwands bei den kleinsten Praxen. Angesichts der betriebswirtschaftlich äußert schwachen Basis dieser Praxen - die errechneten Stundenlöhne liegen unter dem gesetzlichen Mindestlohn - sei nicht gewährleistet, dass mittelfristig eine angemessene flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung aufrechterhalten werden kann, da diese Praxen einen relativ großen Marktanteil haben.

     

    • Mehraufwand (in Prozent) für Bürokratie im Vergleich zum Jahr 2009
    Umsatzklasse
    Zeit
    Kosten

    I

    159

    330

    II

    133

    137

    III

    107

    172

    IV

    119

    184

    V

    86

    117,5

    Gesamt

    122

    172

     

    HHVG soll Wende bringen

    Markus Norys äußert sich trotz dieser Zahlen angesichts des kommenden Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes (HHVG; PP 04/2017, Seite 3) positiv: „Ich erwarte mir durch das Inkrafttreten des HHVG im April 2017 eine deutliche Verbesserung unserer wirtschaftlichen Lage in den Praxen. Die Physio-Verbände sind auf Bundes- und Landesebene in intensivster Vorbereitung für die anstehenden Verhandlungen. Einige Länder haben bereits im Vorgriff auf das Inkrafttreten des HHVG schon sehr gute Ergebnisse erreichen können“.

     

    WeiterführendeR Hinweis

    • Weitere Informationen zu dem Projekt und die Möglichkeit zur Teilnahme finden sich unter www.bwa-physioprax.de.
    Quelle: Ausgabe 04 / 2017 | Seite 4 | ID 44578091