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Teambuilding-Maßnahmen, die wirklich etwas bewirken

von Katja Löffler, M.Sc. Wirtschaftspsychologie, Dipl. Kffr. (FH), PTA, Grasbrunn
| Ist die Stimmung im Team im Keller, greifen Arbeitgeber gerne auf Teambuilding-Maßnahmen wie den Besuch eines Kletterwalds, eine Raftingtour, Rallyes, Wanderungen, Events mit Pferden, Schafen o. Ä. oder neuerdings auch auf den Besuch von Escape Rooms zurück. Die Hoffnung ist groß, dass nach solchen Events aus dem „zerstrittenen Team“ ein motiviertes und engagiertes Team wird, das fleißig und ohne Streit zusammenarbeitet. Doch so einfach funktioniert Teamentwicklung nicht, denn gruppendynamische Prozesse sind sehr komplex. |
Problem vieler Teambuilding-Events
Viele Teambuilding-Events arbeiten mit Emotionen wie Nervenkitzel oder Spannung. Durch das gemeinsame Erfolgserlebnis sollen Problemlösefähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Vertrauen und Zusammenhalt gefördert werden. Allerdings lösen solche Events nicht nur positive, sondern bei einigen Teilnehmern auch negative Emotionen aus. So kann z. B. die in der Bevölkerung weitverbreitete Höhen- oder Platzangst bei einigen Mitarbeitern schon Tage vor der Veranstaltung zu Stress und Panikattacken führen. Bei unsportlichen Personen kann eine Sportveranstaltung Versagensängste oder Schamgefühle auslösen.
Wer, aus welchen Gründen auch immer, nicht an Teamevents teilnimmt, gilt schnell als „nicht teamfähig“, als Spielverderber oder Sonderling und erlebt sozialen Druck. Dabei gibt es zahlreiche Mitarbeiter, die einfach nur in Ruhe ihre Arbeit erledigen wollen und wenig von ihrer Gefühlswelt ‒ dazu zählen auch Ängste und Schamgefühle ‒ im Team preisgeben wollen. Andere wiederum brauchen die strikte Trennung von Beruf und Privatleben, um sich zu regenerieren und Stress abzubauen. Aus diesem Grund nehmen sie nur ungern an Veranstaltungen teil, die in ihrer Freizeit stattfinden. Das ist legitim und sollte respektiert werden.
PRAXISTIPP | Teambuilding-Events, die mit Spannung oder Nervenkitzel arbeiten oder negative Emotionen auslösen können, sollten nur dann durchgeführt werden, wenn im Team bereits ein hohes Maß an Zusammenhalt und Vertrauen besteht und sich alle Mitarbeiter mit dem geplanten Event anfreunden können. |
Verlassen der Komfortzone
Ein weiteres Ziel, das Praxisinhaber mit Teambuilding-Events erreichen wollen, ist das Verlassen der sogenannten Komfortzone. Diese wird in vielen Ratgebern als etwas Negatives dargestellt, das es zu überwinden gilt. Die Komfortzone beschreibt den Bereich, wo wir Menschen uns auskennen, der uns Normalität und Sicherheit gibt. Sicherheit wiederum ist ein menschliches Grundbedürfnis, das von Person zu Person unterschiedlich stark ausgeprägt ist. In der Komfortzone zu bleiben bedeutet nicht, ein bequemes, komfortables Leben zu führen. Sie dient vielmehr dazu, uns vor Überlastung zu schützen. Wer dagegen die Komfortzone verlässt, begibt sich auf unsicheres, gefährliches Terrain. Ab und zu diesen Sicherheitsbereich zu verlassen und Neues zu wagen, ist sicher hilfreich für die Weiterentwicklung. Zu häufiges oder dauerhaftes Verlassen der Komfortzone führt dagegen zu Stress und Überforderung.
MERKE | Die Komfortzone bzw. das Sicherheitsbedürfnis kann uns daran hindern, uns trotz Unzufriedenheit mit dem aktuellen Arbeitsplatz nach einem anderen Arbeitgeber umzusehen. Wer sich für eine Kündigung entscheidet, verlässt die eigene Komfortzone, da eine neue Stelle immer mit Unsicherheit verbunden ist: Andererseits kann das Verweilen in der Komfortzone bedeuten, dass Mitarbeiter z. B. zu jedem neuen Arbeitsauftrag oder jeder Aktion „Ja“ sagen, um es allen recht zu machen. Sie geraten dann leicht in eine Stressspirale. Die psychische Belastung steigt. Wer dagegen seine Komfortzone verlässt und auch mal „Nein“ sagt, eckt an, ist unbequem und deshalb bei vielen Führungskräften nicht gern gesehen. Das gilt auch für Mitarbeiter, die ihre eigene Meinung vertreten oder ihre Vorgesetzten kritisieren. |
Team oder Arbeitsgruppe?
In Physiopraxen lassen sich manche Aufgaben besser im Team und andere eher in einer Arbeitsgruppe erledigen. Deshalb ist es für die Mitarbeiter wichtig zu wissen, ob sie einem Team oder einer Arbeitsgruppe angehören. Das gilt insbesondere für Praxen bzw. Einrichtungen mit mehreren Standorten.
Ein Team wird auf Zeit für bestimmte Aufgaben zusammengestellt
Ein Team wird für spezielle Aufgaben zusammengestellt und arbeitet auf ein konkretes, gemeinsames Ziel hin, z. B. die Durchführung eines Aktionstags, die Etablierung eines Onlineshops für Hilfsmittel oder Sportartikel, die Einführung eines neuen Trainings oder Behandlungsangebots oder einer Eigenmarke, die Planung eines Mitarbeiterevents etc. Um die jeweilige Aufgabe erfolgreich abzuschließen, sind die einzelnen Teammitglieder aufeinander angewiesen und tragen gemeinsam zum Erfolg bei. Dazu kommunizieren und interagieren sie sehr intensiv miteinander. Ist die Aufgabe schließlich erledigt bzw. das Ziel erreicht, wird das Team meist wieder aufgelöst. Für die nächste Aufgabe wird ein neues Team mit einer neuen Zusammensetzung gebildet. Von der Bildung bis zur Auflösung verläuft die Teamentwicklung in mehreren Phasen. Teams bestehen i. d. R. aus etwa fünf bis sieben Mitgliedern, die meistens aus verschiedenen Unternehmensbereichen kommen und ganz unterschiedliche Kompetenzen mitbringen.
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Für die Planung und Umsetzung eines Aktionstags können Mitarbeiter aus verschiedenen Tätigkeitsfeldern in das Team eingebunden werden. Dabei wird darauf geachtet, dass diese unterschiedliche Kenntnisse und Erfahrungen mitbringen, z. B. aus den Bereichen Behandlung, Training/Übungsleitung, Beratung, Controlling, Marketing oder Werbung und PR. Darüber hinaus werden für diese Aufgabe unterschiedliche Fähigkeiten benötigt, z. B. in der Teamführung, der konkreten Umsetzung, der Kommunikation oder in der Kreativität. |
Mitglieder einer Arbeitsgruppe verfolgen eigene Ziele
Die einzelnen Mitglieder einer Arbeitsgruppe handeln eigenständig, arbeiten lose zusammen, haben individuelle Verantwortlichkeiten und verfolgen eigene Ziele. Dennoch haben sie gemeinsame Interessen und arbeiten gleichzeitig an einer Aufgabe oder in einer Abteilung, z. B. in der Beratung zu Selbstzahlerleistungen im Geschäftsfeld Medical Fitness. Ein Mitarbeiter ist verantwortlich für die Wartung und Instandhaltung des Geräteparks, ein anderer kümmert sich um die Integration neuer Übungen ins Trainingsprogramm und wieder ein anderer um den Verkauf von Hilfsmitteln. Nach Erledigung der Aufgabe löst sich die Arbeitsgruppe nicht auf, sondern besteht weiter. Arbeitsgruppen sind bei der Mitgliederzahl nicht begrenzt.
MERKE | Wenn in der Physiopraxis von einem Team gesprochen wird, z. B. dem Medical-Fitness-Team oder dem Wellness-Team handelt es sich in den meisten Fällen eher um eine Arbeitsgruppe als um ein echtes Team. |
So fördern Sie den Zusammenhalt in Arbeitsgruppen
Viele Praxisinhaber wollen den Zusammenhalt und das kollegiale Verhalten in der Arbeitsgruppe fördern sowie deren Leistung und Motivation steigern. Dazu ist es nicht unbedingt notwendig, echte Teams zu bilden und Teambuilding-Events durchzuführen.
Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe stärken
Wenn sich Mitarbeiter einer sozialen Gruppe zugehörig fühlen, entsteht eine Gruppenidentität. Diese ist die Basis dafür, dass gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden kann:
- Je besser die Beziehungen zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern sind, desto zufriedener sind sie und desto effektiver arbeiten sie zusammen.
- Je mehr sich die Mitarbeiter mit der Gruppe identifizieren, desto stärker entwickelt sich ein Wir-Gefühl.
Wichtig | Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe führt oft zu einer Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen. Beispiel: die Gruppe des Praxisstandorts X grenzt sich von der Gruppe des Praxisstandorts Y ab.
Damit sich die Mitarbeiter besser kennenlernen und ein Wir-Gefühl entstehen kann, gibt es verschiedene Maßnahmen:
- Offene und ehrliche Kommunikation fördern
- Bewusst private Gespräche zulassen oder fördern, z. B. in Kurzpausen, in der Mittagspause oder bei einem gemeinsamen Frühstück vor den Öffnungszeiten der Praxis.
- Mehrmals jährlich ein zwangloses Abendessen für die Mitarbeiter: Dieses sollte unabhängig von der offiziellen Weihnachtsfeier oder dem Sommerfest stattfinden. Hier haben die Kollegen die Möglichkeit, sich auch auf einer persönlichen Ebene kennenzulernen und Privates auszutauschen. Wenn jeder etwas von sich preisgibt, entsteht Vertrauen.
Häufigkeit von Interaktionen erhöhen
Eine wichtige Voraussetzung für das Zusammenwachsen in einer Gruppe sind häufige Kontakte und räumliche Nähe. Die Sozialpsychologie kennt dieses Phänomen als sogenannten Mere-Exposure-Effekt. Dieser besagt, dass Menschen andere Menschen umso sympathischer finden, je häufiger sie miteinander interagieren, sofern nicht von vornherein eine gegenseitige Abneigung besteht. Menschen, die wir gut kennen, vertrauen wir i. d. R. mehr als Menschen, die wir nicht oder nur flüchtig kennen.
Feedbackkultur etablieren
Wenn Führungskräfte und Praxismitarbeiter richtig Feedback geben und wissen, wie gutes bzw. schlechtes Feedback wirkt, können Probleme oder Konflikte besser bearbeitet werden. Dies fördert den wertschätzenden Umgang in der Praxis. Für die Etablierung einer positiven Feedbackkultur kann ein externer Moderator hinzugezogen werden.
So wird eine Arbeitsgruppe zum Team
Damit für eine konkrete Aufgabe aus den Mitgliedern einer losen Arbeitsgruppe ein effektiv arbeitendes Team werden kann, müssen die Teilnehmer erst zusammenwachsen. Das geschieht nicht von heute auf morgen. Teamentwicklung braucht Zeit. Zu Beginn des Entwicklungsprozesses sollten sich alle Teammitglieder, z. B. bei einem Workshop, besser kennenlernen, um Vertrauen aufzubauen. Das ist insbesondere sinnvoll, wenn sie aus unterschiedlichen Praxisstandorten kommen und noch nicht zusammengearbeitet haben.
Wichtig ist die Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel. Hier geben die Praxisinhaber die Richtung vor. Es ist ihre Aufgabe, den Mitarbeitern das übergeordnete Ziel zu kommunizieren. Für den Umgang innerhalb des Teams werden klare Regeln aufgestellt. Diese geben den Mitgliedern Orientierung:
- Die Erwartungen, die die Praxisführung an das Team hat, werden klar kommuniziert
- Aufgaben und Verantwortlichkeiten werden eindeutig zugewiesen und transparent kommuniziert
- Regeln für den Umgang miteinander werden festgelegt und eingehalten
- Art und Häufigkeit der Kommunikation werden festgelegt
- Es findet ein regelmäßiger Austausch und eine Analyse des Stands der laufenden Projekte statt
- Bei Konflikten wird so früh wie möglich gehandelt; ist der Konflikt erst einmal verhärtet, wird es umso schwieriger, gegenzusteuern
- Alle Mitglieder kennen ihre eigene Rolle und die Rollen der anderen
- Es wird eine Person, z. B. eine Teamleiterin, bestimmt, die den Fortschritt überwacht
FAZIT | Gibt es in einem Team oder einer Arbeitsgruppe Probleme in der Zusammenarbeit und fehlt das Vertrauen, kann ein einmaliges Teamevent diese Probleme nicht lösen. Wenn die Zusammenarbeit jedoch bereits gut funktioniert und das Team effizient arbeitet, kann es immer noch auf Bäume klettern, Schafe hüten oder sich in die Fluten stürzen. |