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  • · Fachbeitrag · QM-Refresher

    Meckern erwünscht ‒ Beschwerden und Fehler erfolgreich managen

    von Jutta Oischinger, Qualitätsmanagement, Dachau, qm-oischinger.de

    | Beschwerde- und Fehlermanagement sind wichtige Parts des Qualitätsmanagements (QM). Ziel ist es, im Rahmen eines kontinuierlichen Prozesses Schwachstellen frühzeitig zu erkennen und diese dauerhaft zu minimieren. Denn nur wenn wir Beschwerden und Fehler wahrnehmen, identifizieren und analysieren, können wir sie künftig vermeiden. Um dauerhafte Qualität zu erreichen, ist deshalb ein konstruktives Beschwerde- und Fehlermanagement in der Praxis unabdingbar. |

    Durch professionelles Beschwerdemanagement zeigen Sie dem Patienten, dass Sie ihn ernst nehmen

    Beschwerdemanagement verfolgt ein Ziel: Sie möchten Ihre Patienten dazu bewegen, ihren Missmut zu äußern, bevor diese die Praxis verlassen. Sie möchten sie dazu ermuntern, Feedback zu geben und Ihnen damit die Option bieten, direkt vor Ort zu handeln, statt ihren Frust beim Ehepartner, beim Nachbarn und den Arbeitskollegen abzuladen. Bevor die 1-Stern-Bewertung Ihren Internetauftritt verhagelt.

     

    Aber wie kann dies gelingen? Ganz einfach, indem Sie mit Ihren Patienten im Gespräch bleiben. Indem Sie empathisch sind. Indem Sie authentisch kommunizieren und fragen, ob alles in Ordnung war. Sollte eine Beschwerde eingehen, bleiben Sie ruhig und professionell. Zeigen Sie, dass Sie die Beschwerde ernst nehmen und an einer Lösung interessiert sind. Bedanken Sie sich für das Feedback und überlegen Sie gemeinsam mit Ihrem Team, wie Sie Ihren Patienten wieder zufriedenstellen können.

    Beschwerde- und Fehlermanagement gehören zusammen

    Unser Ziel ist es, aus Fehlern zu lernen, damit diese kein zweites Mal geschehen. Folglich ist es naheliegend, aufgetretene Beschwerden, Fehler und vor allem auch Beinahefehler zu erfassen, sie regelmäßig im Team zu besprechen und gemeinsam zu überlegen, was getan werden muss, damit es nicht mehr dazu kommt.

     

    Gehen Sie als Praxisleitung viele Male mit gutem Beispiel voran. Lassen Sie Ihr Team spüren, dass Fehler passieren dürfen. Ein Mal. Allerdings sollten sie kein zweites Mal auftreten. Fehler sind dazu da, dass alle daraus lernen können. Es geht nie um „Wer war das?“ Vielmehr geht es um „Wie konnte dies passieren und wie können wir es in Zukunft besser machen?“

     

    Was braucht es für einen offenen Umgang mit Fehlern? Ein gutes Betriebsklima, die Möglichkeit, authentisch zu sein und sich nicht zu blamieren, wenn etwas schiefläuft. Die ersten 10 Fehler gehen auf den Chef. Anschließend wird sich der eine oder andere Mitarbeiter langsam aus der Deckung wagen und den einen oder anderen klitzekleinen Fehler zugeben. Wenn dann der „Kopf dranbleibt“, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich auch andere „aus der Deckung wagen“.

     

    Mit der Zeit entsteht etwas, das wir gemeinhin als offene Fehlerkultur bezeichnen. Ein anderes Wort dafür ist Gruppengewohnheit. Hier möchten Sie hin. Doch diese fällt nicht vom Himmel. Offene Fehlerkultur hat viel mit Vertrauen, Wohlfühlen im Team und dem Gefühl, sich nicht verstellen müssen, zu tun.

     

    Nur wer das Gefühl hat, dass sein Gegenüber berechenbar und dessen Reaktion erwartbar ist, wird sich früher oder später öffnen und (Beinahe-)Fehler preisgeben. Wer das Gefühl hat, sich zu blamieren oder bloßgestellt zu werden, wird tunlichst seinen Mund halten und den Fehler ggf. sogar vertuschen. Vertrauen ist hier unabdingbar. Es braucht gemeinsame Zeit und regelmäßige Interaktion, damit Vertrauen entstehen kann.

     

    Fehler entstehen in den seltensten Fällen absichtlich. Oft liegen die Ursachen in organisatorischen Schwächen oder der Mitarbeiter kann oder weiß es nicht besser. In diesen Situationen ist es wenig hilfreich, den Mitarbeiter anzuklagen. Vielmehr sollte sich die Führungskraft an die eigene Nasenspitze fassen und prüfen, wie der Mitarbeiter besser unterstützt werden kann.

    Werden Sie in vier Stufen zum Experten!

    Bis wir zum Experten werden, durchlaufen wir vier Stufen. Und bis dahin passieren nun mal Fehler.

     

    Stufe 1: Unbewusste Inkompetenz

    Das ist der Normalzustand, bevor Sie sich mit einem neuen Thema befassen. Nehmen wir das Beispiel Autofahren: Bevor Sie das erste Mal neben Ihrem Fahrlehrer sitzen, scheint es einfach nur kompliziert. Sie haben kein Know-how, wie das funktionieren soll.

     

    Stufe 2: Bewusste Inkompetenz

    Jemand erklärt Ihnen, wie es geht. Ihr Fahrlehrer erklärt, dass es Schaltung und Kupplung gibt. Dass Sie mit dem ersten Gang anfahren, die Kupplung langsam kommen lassen, dann in den nächsten Gang schalten …, dass es Verkehrsschilder zu beachten gibt etc.

     

    Stufe 3: Bewusste Kompetenz

    Hier können Sie Auto fahren, aber alles ist noch neu und Sie müssen sich enorm konzentrieren, damit Ihnen kein Fehler passiert. Fehler sind in dieser Stufe völlig normal. Sie treten aus Ihrer bisherigen Komfortzone heraus und lernen etwas völlig Neues. Hier geschieht Wachstum.

     

    Stufe 4: Unbewusste Kompetenz

    Hier möchten wir hin. Hier kommt die Routine ins Spiel. Sie sind tausende von Kilometern Auto gefahren. Sie können eine Sache aus dem Effeff. Sie sind Experte (oder nah dran).

     

    Die richtigen Antworten auf die entscheidenden Leitfragen führen Sie zum Ziel

    Die Fragen bezüglich Ihres Fehler- und Beschwerdemanagements sollten lauten:

     

    • „Wie schaffe ich niederschwellig die Möglichkeit, damit Fehler und Beschwerden angesprochen/gemeldet werden?“
    • Wie kann es gelingen, den Fokus gleich in die Zukunft zu lenken, also: „Wie können wir es künftig besser machen?“

     

    Das Ziel liegt klar darin, dauerhaft die Organisation zu verbessern und die Mitarbeiter besser auszubilden. Nicht mehr und nicht weniger möchte ein konstruktives Beschwerde- und Fehlermanagement bewirken.

     

    Sie können bei einem tropfenden Wasserhahn immer und immer wieder die Pfütze wegwischen oder Sie rufen den Installateur, damit der Wasserhahn endlich repariert wird.

    Erst sprechen, dann anpacken!

    Beschwerden und Anregungen, auf die nicht reagiert wird, führen zu nichts. Packen Sie es an! Fordern Sie von Ihrem Team für jede Beschwerde sofort einen Verbesserungsvorschlag. So lenken Sie den Fokus direkt in die Zukunft und halten alle Mitarbeiter an, mitzudenken. Wenn Ihr Team die Erfahrung macht, dass diese Verbesserungsvorschläge aufgegriffen und in die Tat umgesetzt werden, fördert dies die Selbstwirksamkeit und damit die Zufriedenheit am Arbeitsplatz. So kann z. B. aus dem unzufriedenen Beschwerdesteller ein zufriedener Mitarbeiter werden, der die Praxis weiterentwickelt und den Arbeitsplatz stetig verbessert.

     

    Des Weiteren fördert eine gesunde Offenheit das kollegiale Miteinander. Ein eingeschworenes Team ist auch in stressigen Situationen leistungswilliger und leistungsbereiter als eine Gruppe von Einzelgängern. Wer sich gegenseitig vertraut, hilft sich schneller gegenseitig aus. Quasi im Vorbeigehen. Wer sich gegenseitig kennt, fühlt sich eher in die Pflicht genommen als ein anonymer Mitarbeiter, der eben nur so mitläuft.

     

    Um diesen gegenseitigen Austausch zu fördern, schaffen Sie informelle Plätze und Gelegenheiten zum Austausch.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Erfolgskapital „Mitarbeiter“ ‒ das wertvollste Gut in Ihrer Praxis
    • Patienten-Feedback: So nutzen Sie dieses „Geschenk ans Team“ für Verbesserungen (PP 03/2023, Seite 13 ff.)
    Quelle: Ausgabe 01 / 2024 | Seite 14 | ID 49839615