11.09.2024 · IWW-Abrufnummer 243732
Amtsgericht Hamburg: Urteil vom 11.07.2024 – 49 C 410/23
Nach § 259 Abs. 1 BGB schuldet der Vermieter entsprechend den den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Abrechnung die Belegeinsicht als Teil der Abrechnung. Daher hat er diese zu ermöglichen und an einer Terminsfindung mitzuwirken. Der Mieter, der sein Erscheinen ankündigt, ohne etwas von der Verwaltung zu hören, kann keinesfalls damit rechnen, eine Belegeinsicht auch tatsächlich zu erhalten. Bei einer Hamburger Mietwohnung besteht keine Verpflichtung der Mieterseite, für die Belegeinsicht nach Leipzig zu fahren. Insoweit besteht auch kein Anspruch auf Kostenerstattung der Beklagtenseite. Vielmehr ist es Aufgabe der Vermieterin eine etwaige Belegeinsicht in Hamburg zu ermöglichen. Hierzu hat sie die Originalunterlagen nebst der erforderlichen Belege (die den Rechnungen zu Grunde liegenden Verträge einschließlich der Leistungsverzeichnisse, die Überweisungsträger - einschließlich einer etwaigen Prüfbarkeit bei Sammelüberweisungen - sowie die Flächen- und Verbrauchsdaten der anderen Wohnungen im Haus bein einer Umlage von Heizkosten) heraussuchen und in ihr Hamburger Büro zu verbringen. Bei einer Teilerledigung durch Aufrechnung des Kautionsrückzahlungsanspruchs mit berechtigten Forderungen trifft die Kostenlast die Vermieterseite, wenn sie vorgerichtlich wiederholt zur Kautionsabrechnung bzw. Auszahlung aufgefordert worden ist, ohne die entsprechenden Forderungen gegenüber der Mieterin oder den anderen Erben geltend zu machen.
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte
gegen
- Beklagter -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte
erkennt das Amtsgericht Hamburg - Abteilung 49 - durch den Richter am Amtsgericht Dr. XXX am 11.07.2024 auf Grund des Sachstands vom 05.06.2024 für Recht:
Tenor:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.159,65 € (eintausendeinhundertneunundfünfzig 65/100 EURO) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit dem 20.12.2023 zu zahlen.
2.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Beschluss:
Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.565,45 € mit Ausnahme des Streitwertes, der für die anwaltlichen Terminsgebühren maßgeblich ist, der auf 1.559,65 € festgesetzt wird.
Tatbestand
Mit der Klage begehrt die Klägerin als Erbin sowie aus einer Abtretung der weiteren Erben die Rückzahlung einer Mietkaution.
Die Klägerin war als eines von drei Kindern Erbin der am 11.05.2022 verstorbenen Frau [...] und des am 19.10.2021 verstorbenen Herrn [...]. Die Beklagte war Vermieterin der Verstorbenen der Wohnung auf dem Grundstück [...] in 22527 Hamburg, dort Wohnung [...]. Die Mietsicherheit des zum 15.09.2020 geschlossenen Vertrages belief sich auf 2.565,45 €. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der mietvertraglichen Vereinbarung wird ergänzend Bezug genommen auf die Anlage K 1.
Nach dem Tod der Mutter der Klägerin kündigte diese das Mietverhältnis zum 31.08.2022, was die Beklagte mit Schreiben vom 25.05.2022 bestätigte. Mietzinszahlungen erfolgten für die Wohnung bis einschließlich August 2022. Die Wohnungsabnahme erfolgte am 31.08.2022, wobei das Übergabeprotokoll keine Beanstandungen der Mietsache aufwies. Es wird insoweit ergänzend Bezug genommen auf die Anlage K 6.
Die Klägerin forderte die Beklagte mit E-Mail vom 08.02.2023 zur Rückzahlung bzw. Abrechnung der Mietsicherheit nebst Zinsen auf. Nach Ablauf der gesetzten Frist mandatierte die Klägerin ihren späteren Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Tätigkeit. Dieser forderte die Beklagte mit Schreiben vom 31.03.2023 und 03.05.2023 zur Zahlung bzw. Abrechnung auf. Es wird insoweit ergänzend Bezug genommen auf die Anlagen K 7 und K 8. Hinsichtlich der weiteren Erben beruft sich die Klägerin auf einen Abtretungsvertrag vom 26.04.2023 (vgl. Anlage K 9). Hinsichtlich der Betriebs- und Heizkostenabrechnung des Jahres 2021, die mit einer Nachforderung von 1.560,31 € endete, erhob die Klägerin mit Schreiben vom 31.03.2023 verschiedene Einwendungen und forderte die Beklagte zur Gewährung einer vollständigen Belegeinsicht auf. Bis zum Zugang der Belege bzw. zur Gewährung der Einsichtnahme in die Originalbelege machte die Klägerin von dem Zurückbehaltungsrecht an dem Nachzahlungsbetrag Gebrauch. Es wird insoweit ergänzend Bezug genommen auf die Anlage K 7.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr ein Rückzahlungsanspruch aus abgetretenem Recht zustehe.
Nachdem die Beklagte mit Klagerwiderung vom 16.01.2024 die Aufrechnung bezüglich einer Nachforderung aus Betriebskosten für das Jahr 2020 in Höhe von 407,86 € sowie aus einer Weiterbelastungsrechnung für Stromkosten in Höhe von 597,94 € erklärte, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, so dass die Klägerin nunmehr beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.559,65 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass ein Zurückbehaltungsrecht der Klägerin im Bezug auf eine etwaige Belegeinsicht nicht bestehe, da es sich um eine formal ordnungsgemäße Abrechnung handele, die den Anforderungen des § 259 BGB entspreche. Zudem ist die Beklagte der Auffassung, dass es sich bei der Belegeinsicht nicht um eine Bringschuld der Vermieterseite handele und insoweit das bloße Schweigen auf eine begehrte Belegeinsicht keine Verweigerung derselben sei und insoweit kein Zurückbehaltungsrecht begründe. Insoweit beruft sich die Beklagte auf eine Entscheidung der Zivilkammer 63 des Landgerichtes Berlin (vgl. LG Berlin Urteil v. 14.06.2019 zum Az.: 63 S 255/18). Insoweit ist sie der Auffassung, dass die Klägerin in Hamburg zu den üblichen Geschäftszeiten Einsicht in die Belege in den Geschäftsräumen der Beklagten nehmen müsse. Zudem gäbe es einen Anspruch auf Übersendung von Belegkopien nur Zug um Zug gegen Kostenerstattung. Ferner bestreitet die Beklagte ungeachtet der Anlagen K 9 und K 11 die Abtretung. Schließlich ist die Beklagte auch der Auffassung, dass die Klägerin die Kosten der Teilerledigung zu tragen habe, dies ergebe sich aus der Rückwirkung der Aufrechnungserklärung.
Ergänzend wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist vollen Umfanges begründet, soweit sie nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.
Ein Anspruch der Klägerin folgt aus § 551 BGB in Verbindung mit dem Mietvertrag und dem Entfallen des Sicherungszweckes mit der Beendigung des Mietvertrages sowie in Verbindung mit § 398 BGB.
Die Aktivlegitimation der Klägerin ist durch die Anlagen K 9 bis K 11 zur Überzeugung des Gerichtes nachgewiesen worden, das Bestreiten der Beklagten ist insoweit substanzlos ins Blaue hinein. Insoweit ist die Aktivlegitimation als unstreitig anzusehen.
Es besteht kein aufrechenbarer Gegenanspruch der Beklagten über 1.560,31 € aus der Nebenkostenabrechnung 2021, da der Klägerin insoweit ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Nichtgewährung der Belegeinsicht zusteht.
Die Beklagte ist nach den §§ 556, 259 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Mietvertrag zur Abrechnung der Betriebskosten verpflichtet. Gemäß § 259 Abs. 1 BGB hat der zur Rechenschaft Verpflichtete dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und der Ausgaben enthaltene Rechnung mitzuteilen und Belege vorzulegen, soweit diese erteilt zu werden pflegen. Ein Mieter kann dabei im Rahmen der bei einer Betriebskostenabrechnung geschuldeten Belegvorlage vom Vermieter die Einsichtnahme in die zur Erstellung der Abrechnung erforderlichen Unterlagen beanspruchen, um sich etwa Klarheit zu verschaffen, ob bei einer verbrauchsabhängigen Abrechnung der Gesamtverbrauchswert mit der Summe der Verbrauchsdaten der anderen Wohnungen übereinstimmt, ob die Werte zutreffend sind, oder ob es anderweitige Bedenken gibt. Der Darlegung eines besonderen Interesses an der Belegvorlage bedarf es nicht (BGH NJW 2019, 1599 [BGH 24.01.2019 - I ZR 160/17]). Ein Mieter ist zur Leistung von Betriebskostennachzahlungen daher nicht verpflichtet, solange und soweit der Vermieter einem berechtigten Verlangen nach Belegvorlage nicht nachgekommen ist (BGH NJW 2018, 1599). Insoweit gehört es auch noch zu der vom Vermieter vorzunehmenden ordnungsgemäßen Abrechnung, dass er im Anschluss an die Mitteilung der die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthaltene Rechnung dem Mieter auf dessen Verlangen zusätzlich die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen durch deren Vorlage ermöglicht, soweit dies etwa zur sachgerechten Überprüfung der Nebenkostenabrechnung oder zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen erforderlich ist (vgl. BGH NJW 2018, 1599 [BGH 07.02.2018 - VIII ZR 189/17]; BGH NJW 2013, 3234 [BGH 03.07.2013 - VIII ZR 322/12]; BGH WuM 2012, 276 [BGH 22.11.2011 - VIII ZR 38/11], Rn. 2 zitiert nach juris).
Soweit die Beklagte demgegenüber meint, die Mieterseite müsse bei einer Nichtreaktion die Vermieterseite zu den üblichen Geschäftszeiten aufsuchen, widerspricht diese Auffassung der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Abrechnung nach § 259 Abs. 1 BGB. Schuldet der Vermieter die Belegeinsicht als Teil der Abrechnung, hat er diese zu ermöglichen und damit an einer Terminsfindung mitzuwirken. Dies bestätigt auch der Umfang der geschuldeten Belegeinsicht, der neben Rechnungen auch die den Rechnungen zu Grunde liegenden Verträge einschließlich der Leistungsverzeichnisse beinhaltet, das Heraussuchen der Überweisungsträger - einschließlich einer etwaigen Prüfbarkeit bei Sammelüberweisungen - sowie die Flächen- und Verbrauchsdaten der anderen Wohnungen im Haus, soweit - wie im vorliegenden Fall - Heizkostenabrechnungen betreffen. Eine Belegeinsicht ist mithin von der Vermieterseite mit einem nicht unerheblichen Arbeitsaufwand vorzubereiten. Der Mieter, der sein Erscheinen ankündigt, ohne etwas von der Verwaltung zu hören, kann demgemäß in keiner Weise erwarten, eine Belegeinsicht auch tatsächlich zu erhalten. Dementsprechend wird die klägerseitig genannte Rechtsprechung auch im Wohnraummietrecht von keinem anderen Gericht, auch nicht in Berlin vertreten. Auch die Zivilkammer 63 des Landgerichtes Berlin dürfte in ihrer gegenwärtigen Besetzung an dieser Rechtsauffassung nicht festhalten, da sie offensichtlich unzutreffend ist.
Hinzukommt, dass die Abrechnung des Jahres 2021 (Anlage B 3) ausweislich des Briefkopfes in Leipzig erstellt worden ist. Bei einer Hamburger Mietwohnung besteht keine Verpflichtung der Mieterseite, für die Belegeinsicht nach Leipzig zu fahren. Insoweit besteht auch kein Anspruch auf Kostenerstattung der Beklagtenseite. Vielmehr ist es Aufgabe der Beklagten eine etwaige Belegeinsicht in Hamburg zu ermöglichen. Hierzu wird sie die Originalunterlagen nebst der oben bereits genannten Belege heraussuchen und in ihr Hamburger Büro verbringen müssen. Auch dies bestätigt im Übrigen, dass die Abrechnungsverpflichtung aus § 259 Abs. 1 BGB im Bezug auf die dort enthaltene Belegeinsicht ein Tätigwerden der Vermieterseite im Hinblick auf die Ermöglichung der Belegeinsicht erfordert. Die Beklagte verhält sich mit ihrem Schweigen auf das berechtigte Einsichtbegehren schlicht vertragswidrig, die Mieterseite wird insoweit durch ein Zurückbehaltungsrecht geschützt, § 273 BGB.
Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288, 291 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 91 a ZPO.
Hierbei sind der Beklagten auch die Kosten der übereinstimmenden Erledigungserklärung aufzuerlegen. Erklärt die Beklagte nach Klagzustellung in einer bereits vor Klagerhebung der Klagforderung aufrechenbar gegenüberstehenden Forderungen gegen diese die Aufrechnung, so ist trotz der materiell-rechtlichen Rückwirkung der Aufrechnung (§ 389 BGB) erst die Aufrechnungserklärung das "erledigende Ereignis" für eine bis dahin zulässige und begründete Klage (vgl. BGH NJW 2003, 3134). Ist die Erledigung der Hauptsache durch Erklärung der Aufrechnung im Prozess eingetreten, erlaubt es die bei übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien gemäß § 91 a ZPO nach billigem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung, bei der Verteilung der Kostenlast zu berücksichtigen, ob und ggf. welcher Partei es billigerweise zumutbar war, die Aufrechnung bereits vorgerichtlich zu erklären (vgl. BGH NJW 2003, 3134 [BGH 17.07.2003 - IX ZR 268/02], Rn. 23 bei Juris). Danach trifft die Kostenlast die Beklagte, die vorgerichtlich wiederholt zur Kautionsabrechnung bzw. Auszahlung aufgefordert worden ist, ohne die entsprechenden Forderungen gegenüber der Klägerin oder den anderen Erben geltend zu machen.
Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 709 ZPO.
Der Streitwert ergibt sich aus der Klagforderung in der Hauptsache, wobei hinsichtlich der anwaltlichen Terminsgebühren die übereinstimmende Teilerledigung zu berücksichtigen ist.