29.08.2013 · IWW-Abrufnummer 133086
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 25.07.2013 – 6 K 1122/11
1. An der grundsätzlichen
medizinischen Ayurveda-Qualifikation im Sinne einer Heilbehandlung
im Bereich der Humanmedizin besteht kein Zweifel.
2. Das enthebt das FG nicht von der Verpflichtung,
das Vorliegen von Heilbehandlungen im konkreten Streitfall festzustellen
(hier: Massagen nach Ayurveda – Einholung eines Sachverständigengutachtens).
3. Auch der Subunternehmer muss den Nachweis
der Qualifikation (Befähigungsnachweis) erbringen (Anschluss
an BFH-Rspr.).
4. Der vorgenannte Nachweis kann weder durch
eine ärztliche Bescheinigung noch durch Bescheinigungen über
die Teilnahme von Kursen geführt werden. Er kann sich vielmehr
für die nicht unter die Katalogberufe fallenden Unternehmer
ergeben aus berufsrechtlichen Regelungen oder auch aus einer „regelmäßigen” Kostentragung
durch Sozialversicherungsträger; beides war im Streitfall
nicht gegeben.
Tatbestand
Streitig ist, ob Massageleistungen, die die Klägerin
an Privatpatienten als freie Mitarbeiterin auf Anordnung und unter
Aufsicht einer Ärztin in deren Praxis erbracht und dieser
gegenüber abgerechnet hat, nach § 4 Nr. 14 UStG
steuerfrei sind. Das ursprünglich auch wegen USt 2008 anhängige
Klageverfahren ist mit Beschluss vom 25. Juli 2013 abgetrennt worden.
Die Klägerin ist als selbständige Unternehmerin
im Bereich des Ayurveda tätig. Sie erbringt Massageleistungen
in angemieteten Räumen sowie an Hotelgäste im
Waldhaus E GmbH ... in G. Daneben führt sie – hier
streitbefangen - Ayurveda Massagen als freie Mitarbeiterin in der
Privatpraxis für asiatische Medizin der Frau S in B durch;
die Abrechnung der Klägerin in den Jahren 2007 und 2008
erfolgte mit Frau S, die ihrerseits diese Massageleistungen mit
den Privatpatienten abrechnete gemäß Gebührenordnung
für Ärzte. Die gesamten Bruttoumsätze
seit Gründung des Unternehmens in 2005 belaufen sich auf:
2005 | 14.714,00 € | ||
2006 | 23.478,00 € | ||
2007 | 16.060,00 € | ||
2008 | 14.538,00 € |
Umsatzsteuererklärung ein, in der sie die Umsätze
in Zeile 24 (Angaben zur Besteuerung der Kleinunternehmer - § 19
Abs. 1 UStG -) erfasste. Für die Folgejahre wurden Umsatzsteuererklärungen
nicht mehr abgegeben. Im Zuge der Veranlagung für das Jahr
2008 gelangte der Beklagte zu der Auffassung, dass die Einnahmen
aus der Tätigkeit der Klägerin der Umsatzsteuer
zu unterwerfen seien und forderte diese auf, Umsatzsteuererklärungen
für die Jahre 2007 und 2008 einzureichen. Die Klägerin
kam dieser Aufforderung nicht nach. Zur Begründung trug
sie vor, dass die von ihr erzielten Umsätze vom Regelungsbereich
des § 4 Nr. 14 UStG erfasst seien. Insofern liege eine
den Katalogberufen nach Abschnitt 90 der Umsatzsteuerrichtlinien
(UStR) „ähnliche heilberufliche Tätigkeit” vor.
Die Patienten kämen auf Anraten verschiedener Ärzte
zu ihr in Behandlung. Sie führe dann Ayurveda-Reikiverfahren
eigenständig durch, deren Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen
würden. Hierzu legte die Klägerin eine Aufstellung
der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege ...
vor, in der eine Abgrenzung der beschriebenen Tätigkeiten
von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) vorgenommen wurde.
Den Umstand, dass Ayurveda in dieser Aufstellung enthalten war,
wertete die Klägerin als Indiz für das Vorliegen
einer heilberuflichen Tätigkeit.
In der Folgezeit legte sie diverse Zertifikate über
die Teilnahme an Ayurveda- und Reikikursen vor. Außerdem
bescheinigte Frau S, dass sie von 2002 bis 2004 eine zweijährige
Ausbildung zur Ayurveda-Massage-Therapeutin bei ihr absolviert habe,
in der die Grundlagen der Philosophie des Ayurveda und der Kräuterheilkunde,
die Ernährungslehre nach den Tridoshas, gesunde Lebensführung
sowie Untersuchungs- und Massagetechniken vermittelt worden seien.
Die Klägerin verwies des weiteren auf Urteile des Landgerichts
bzw. Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, wonach den Krankenkassen
die Übernahme von Krankheitskosten auferlegt wurde. Zum
einen handelte es sich um die Aufwendungen für eine medizinisch
notwendige Behandlung wegen Neurodermitis, Allergien und Asthma,
die von der Maharishi Foundation International in Rechnung gestellt
wurden. In dem anderen Fall ging es um die Kosten einer chronischen
Entzündung der Nasennebenhöhlen sowie rezidivierenden
Durchfall.
Nach Auffassung des Beklagten rechtfertigten die von der Klägerin
vorgetragenen Argumente die Steuerbefreiung nicht. Da sie die angeforderten
Umsatzsteuererklärungen auch in der Folge nicht einreichte,
schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162
AO. Dabei wurden die Umsätze und Vorsteuerbeträge
wie folgt erfasst:
2007 | 2008 | ||
Umsatz zu 19 v.H. | 18.000,00 € | 17.000,00 € | |
Vorsteuerbeträge | 1.000,00 € | 780,00 € |
nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
auf 2.420,00 € für 2007 und auf 2.450,00 € für
2008 festgesetzt. Im Erläuterungsteil der Bescheide wurde
ausdrücklich auf die erfolgte Schätzung sowie
auf die weiterhin bestehende Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuererklärungen
hingewiesen.
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin form- und fristgerecht
Einspruch ein mit der Begründung, es handele sich bei den
Leistungen um steuerfreie Umsätze, da sie ausschließlich
eine steuerfreie heilberufliche Tätigkeit i.S. des § 4
Nr. 14 UStG ausübe.
Zu Beginn ihrer selbständigen Tätigkeit habe
sie beim Beklagten vorgesprochen und ihre Tätigkeit ausführlich
dargelegt. Der zuständige Sachbearbeiter habe ihr daraufhin
eine freie Berufstätigkeit ohne Umsatzsteuerpflicht bestätigt. Folgerichtig
habe sie keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben.
Auf die Aufforderung, die Übernahme der Kosten durch
die Krankenkassen an Hand entsprechender Einnahmebelege nachzuweisen,
teilte die Antragstellerin mit, dass sie als freie Mitarbeiterin
in der Praxis von Frau S Massagen durchführe, deren Kosten
die Praxisinhaberin mit den Krankenkassen abrechne.
Die Einnahmebelege der Streitjahre weisen Bruttoerlöse
aus der Praxis S in Höhe von 9.116,00 € für
2007 und von 5.576,69 € für 2008 aus. Die einzelnen Leistungen
wurden dabei wie folgt in Rechnung gestellt: Nasya, Ganzkörpermassage,
Kosmetikbehandlung, Abhyanga, Shirodara, Öl- Salzmassage,
Shirodara, Kräuterstempelmassage, Reiki, Fußmassage,
Abhyanga, Padabhyanga, Bauchmassage, Rückenmassage, Tibetische
Honig- Buttermilchmassage, Kopf-, Nackenmassage, Gesichtsmassage,
Honigmassage, Facial Harmony, Gesichtsbehandlung, Klangschalenmassage,
Facelifting.
Ein Teil der Erlöse wurde in bar (ohne Belege) vereinnahmt
(2007: 4.795,00 €; 2008: 2.032,00 €). Die Erlöse
aus der Waldhaus E GmbH in G beliefen sich auf 9.965,60 € für
2007 und auf 10.476,68 € für 2008. Vorgelegt wurden
nur die Provisionsrechnungen mit Angabe der Rechnungsnummer und
der Namen der Kunden. Im Internet wirbt die Waldhaus E GmbH unter
der Rubrik „Wellness und mehr” damit, dass sich
der Gast bei einer belebenden Ayurveda Massage entspannen oder sich
einmal eine Reiki Behandlung von dem professionellen Team um die
Antragstellerin gönnen soll.
Nach ihren Angaben in den Einkommensteuererklärungen
war die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum
14. August 2003 als Angestellte im E-Sport-Hotel nicht selbständig
tätig, wozu sie täglich ins 24 km entfernte G
fuhr. Am 15. August 2003 erlitt sie einen Herzinfarkt und war bis
zum 22. Dezember 2003 erkrankt. Für das Jahr 2004 erzielte
sie einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 6.136 € (Arbeitsstätte
in G). Im Zeitraum vom 1. März 2004 bis zum 31. Dezember
2004 bezog sie Arbeitslosengeld.
Mit Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 2010 wies der Beklagte
den Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide 2007und 2008 vom 28.
Mai 2010 als unbegründet zurück. Der Vorbehalt
der Nachprüfung blieb bestehen.
Am 29.10.2010 reichte die Kl ägerin Umsatzsteuererklärungen
für die Jahre 2007 und 2008 ein, in denen sie folgende
Erklärungen abgab:
Umsätze zu 19 % | Vorsteuern | ||
2007: 16.060,00 € | 1.202,68 € | ||
2008: 14.538,00 € | 863,76 € |
Beklagte am 18.11.2010 geänderte Umsatzsteuerbescheide.
Die Änderungen stützte es auf § 164 Abs.
2 AO, der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 22.11.2010
Einspruch ein und beantragte, die Einnahmen aus der Praxis der Frau
S in Höhe von 9.116,00 € (Veranlagungszeit – VZ
- 2007) und 5.576,69 € (VZ 2008) umsatzsteuerfrei zu belassen.
Zur Begründung trug sie vor, dass die auf sie übertragenen
Behandlungen von medizinischer Notwendigkeit gewesen seien. Dies
ergebe sich aus dem anliegenden Schreiben der Frau S vom 18.11.2010.
Damit seien die Voraussetzungen der Anforderungen des BFH im Urteil
vom 30.04.2009 - V
R 6/07 - BStBl II 2009, 679 erfüllt.
Insbesondere sei nicht erforderlich, dass sie selbst Ärztin,
Heilpraktikerin oder dergleichen sei. Denn im besagten Urteil reiche
eine Rückenschulleiterlizenz aus, die eine Diplom-Sportlehrerin
erworben habe.
Im Schreiben der Frau S vom 18.11.2010, das bereits im Zuge
des Einspruchsverfahrens gegen die Umsatzsteuerbescheide 2007 und
2008 vom 28.05.2010 eingereicht worden war, heißt es:
„Frau A. P. (die Klägerin) hat bei mir von
2002 bis 2004 eine zweijährige Ausbildung zur Ayurveda-Massage-Therapeutin
absolviert. Zur Ausbildung gehörten die Grundlagen und
Philosophie des Ayurveda, Grundlagen der Kräuterheilkunde,
Ernährungslehre nach den Tridoshas, gesunde Lebensführung
sowie Untersuchungs- und Massagetechniken.
Bei dem aus Indien stammenden Ayurveda handelt es sich um die älteste
Ganzheitsmedizin der Menschheit. Sie wird heute auch in vielen westlichen
Kliniken wie z.B. der Habichtswaldklinik in Kassel oder der Uniklinik
Essen angewendet.
Frau P. führt in meiner Praxis als freie Mitarbeiterin
die medizinischen Ayurveda-Massagen durch.”
Das Schreiben enthält gegenüber der ursprünglichen
Fassung folgenden Zusatz:
„Die von ihr in meiner Praxis durchgeführten
Behandlungen sind von medizinischer Notwendigkeit.”
Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2011 wies der Beklagte
den Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 vom
18. November 2010 als unbegründet zurück und verwies
zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung vom 21.10.2010.
Darüber hinaus greife auch der Hinweis auf die BFH-Entscheidung
vom 30.04.2009 (V
R 6/07) nicht durch. Der dortige Fall unterscheide
sich vom vorliegenden Sachverhalt, als die Leistungen der Klägerin
als Heilbehandlungen für den Fall zu qualifizieren gewesen
seien, dass die geleiteten Kurse auf der Gesamtvereinbarung über den
Rehabilitationssport und das Funktionstraining (§ 5 Abs.
6 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur
Rehabilitation) beruhten. Im Streitfall sei nicht nachgewiesen,
dass die durchgeführten Behandlungen im Sinne der Rechtsprechung
medizinisch indiziert waren. Der nachträglich angebrachte Zusatz
der Frau S im Schreiben vom 18.11.2010 reiche als Nachweis einer medizinischen
Notwendigkeit nicht aus. Die ärztliche Notwendigkeit hätte
vielmehr in jedem Einzelfall verordnet werden müssen.
Zu den Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehörten
auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht würden.
Dienten die Maßnahmen aber lediglich dazu, den allgemeinen
Gesundheitszustand zu verbessern, stellten sie keine Heilbehandlungsleistungen
dar (BFH, Urteil vom 30.04.2009 V R 6/07). Bei der Behandlung
Abhyanga handele es sich um eine Ganzkörpermassage, bei
der der Körper mit wohltemperiertem Sesamöl übergossen
und sanft massiert wird. Die Massage erzeuge ein Gefühl von
Geborgenheit und Wohlbefinden und wirke entschlackend, entgiftend
und verjüngend. Die Facial Harmony aktiviere dagegen die
individuelle Schönheit im Gesicht und belebe durch einfühlsame
Berührung. Diese Behandlungen erlaubten, ebenso wie die übrigen
mit Frau S abgerechneten Leistungen keinen eindeutigen Rückschluss
auf eine Heilbehandlung. Sie seien vielmehr in den Bereich der persönlichen
Lebensführung einzuordnen, deren therapeutischer Nutzung
nicht nachgewiesen sei. Dabei werde nicht bezweifelt, dass einzelne Behandlungen
den allgemeinen Gesundheitszustand der Patienten verbessert haben
könnten. Insgesamt hätten die durchgeführten
Behandlungen der Antragstellerin aber keinen unmittelbaren Krankheitsbezug
und stellten keine Heilbehandlungsleistung i. S. d. § 4
Nr. 14 UStG dar.
Unter dem 6. Januar 2011 lehnte der Beklagte die beantragte Aussetzung
der Vollziehung der angefochtenen Bescheide ab. Dem sodann bei Gericht
gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (6 V 1070/11)
gab der Senat mit Beschluss vom 19. April 2011 statt.
Mit ihrer form- und fristgerecht erhobenen Klage führt
die Klägerin zur Begründung im Wesentlichen aus:
Da die Steuerbeträge fällig seien, habe sie bislang
lediglich einen Abschlag in Höhe 1.500 € auf die
Steuerschuld über insgesamt 3.990,46 € gezahlt.
Richtigerweise seien im Jahr 2007 9.116 € von der Umsatzsteuer
freizustellen, also 1.732,04 €. Für das Jahr 2008
seien 5.576 € von der Umsatzsteuer freizustellen, also
1.059,44 €.
Der Sachverhalt sei eigentlich einfach. Würde die Ärztin
eine Mitarbeiterin mit ayurvedischer Behandlung beauftragen, wären
die Leistungen von der Ärztin in Rechnung gestellt worden
und als umsatzsteuerfrei angesehen worden. Nichts anderes könne
gelten, wenn sie eine freie Mitarbeiterin beauftrage, diese Tätigkeiten
an ihrer Stelle oder anstelle eigenen Personals auszuführen.
Inwieweit spezielle Ausbildungen vorliegen müssten, könne
nicht entscheidend sein. Schon gar nicht sei eine spezielle medizinische
Ausbildung erforderlich. Hierauf habe bereits der BFH im Urteil
vom 30.04.2009 (V
R 6/07) hingewiesen. Selbst wenn eine Arzthelferin
die erforderliche Tätigkeit wahrnehme, stelle der Arzt
diese Leistung in Rechnung, ohne Umsatzsteuer. Man denke an die
einfachen Tätigkeiten, wie Überwachung eines EKGs oder
Dokumentation während der ärztlichen körperlichen
Untersuchung.
Die streitbefangenen Massageleistungen seien ausschließlich
auf ärztliche Anordnung und unter ärztlicher Aufsicht
der Frau S erfolgt. Die Ärztin habe diese Leistungen ihren
Privatpatienten in Rechnung gestellt und hier gemäß der Gebührenordnung
für Patienten abgerechnet. Es könne daher nicht
darauf ankommen, dass die Klägerin den Katalogberuf erfülle.
Die berufliche Befähigung werde indiziert.
Im Übrigen sei die Klägerin seit dem Jahr 2002
als Therapeutin im Bereich von Ayurveda tätig. Entsprechende
Lehrgangszertifikate seien vorgelegt worden.
Zwar habe der BFH im Verfahren V R 47/09 mit Urteil vom 2. September
2010 entschieden, dass eine steuerfreie Heilbehandlung durch einen
Subunternehmer ohne eigenständigen Befähigungsnachweis nicht
in Betracht komme. Die Entscheidungsgründe könnten
aber nicht überzeugen. Der BFH stelle maßgeblich
auf die berufliche Qualifikation ab. Zudem sei die Kostentragung
durch die gesetzliche Krankenkasse kein Indiz für den Befähigungsnachweis.
Der EuGH habe nunmehr im Verfahren C-156/09 mit Urteil vom 18. November
2010 entschieden, es sei nicht notwendig, dass jeder Aspekt einer
therapeutischen Behandlung von medizinischem Personal durchgeführt
werde.
Die Klägerin beantragt,
den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 18. November
2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2011,
dahingehend abzuändern, dass für das Jahr 2007
ein Betrag von 9.116 € von der Umsatzsteuer freigestellt
wird
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte tritt der Klage entgegen und führt zunächst
aus, dass die von der Klägerin dargestellten Umsätze
aus der Praxis S fehlerhaft dargestellt worden seien. Bei den Beträgen
in Höhe von 9.116 € (2007) und 5.576,69 € (2008) handle
es sich nicht um Nettoumsätze, sondern um Bruttoumsätze,
aus denen die USt herauszurechnen sei, nämlich ein Betrag
von 1.455,59 € in 2007 und 890,34 € in 2008 (zur
Berechnung s. Bl. 37 PA).
In der Sache erwidert der Beklagte, bloße Maßnahmen
zur Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens seien keine Heilbehandlungen
im Sinne der Befreiungsvorschrift, selbst wenn sie von Angehörigen
eines Heilberufs angeleitet würden (BFH-Beschluss vom 28.09.2007
- V B 7/06 - BFH/NV
2008, 122). Aus diesem Grund seien die Behandlungen der
Klägerin nicht vergleichbar mit der Überwachung
eines EKG's oder Dokumentation während einer ärztlichen
körperlichen Untersuchung.
In der im Internet aufrufbaren Seite der Klägerin werde
der Umfang der angebotenen Leistungen, die der Frau S in Rechnung
gestellt worden seien, ausf ührlich dargelegt. Nach diesen
Beschreibungen seien die angebotenen Leistungen eindeutig dem Wellnessbereich
zuzuordnen. Ob Frau S in dem Zusammenhang bestätige, Behandlungen
nur bei medizinischer Notwendigkeit durchführen zu lassen,
spiele dabei keine Rolle.
Dass ayurvedische Behandlungsmethoden durchaus als Heilbehandlung
im Bereich der Humanmedizin anzuerkennen seien, werde nicht bestritten.
Aber gerade im Grenzbereich zwischen möglicher Heilbehandlung
und Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens - greife § 4
Nr. 14 UStG nur bei Maßnahmen ein, die aufgrund ärztlicher
Indikation nach ärztlicher Verordnung durchgeführt würden
(BFH-Urteil vom 30.01.2008 - XI R 53/06 - BStBl. II 2008,
647 und BFH-Beschluss vom 06.06.2008 - XI B 11/08 - BFH/NV
2008, 1547).
Leistungen, die ohne ärztliche Indikation ausschließlich
zur Vorbeugung gesundheitlicher Störungen durchgeführt
würden, seien keine Heilbehandlungsleistungen, da sie lediglich
den allgemeinen Gesundheitszustand verbesserten und damit keinen
unmittelbaren Krankheitsbezug hätten. Aus diesem Grund
fielen Massageleistungen, die von einem Physiotherapeuten ohne vorherige ärztliche
Anordnung lediglich aus kosmetischen Gründen oder zur Verbesserung
des Wohlbefindens („wellness”) durchgeführt
würden, nicht unter die Steuerbefreiung des § 4
Nr. 14 UStG (BFH-Beschluss vom 28.09.2007 - V B 7/06 -
BFH/NV, 122).
Für eine Heilbehandlung wäre hiernach in jedem
Einzelfall eine ärztliche Verordnung erforderlich gewesen.
Nicht schädlich sei es in dem Zusammenhang, dass die Klägerin
ihre Leistungen gegenüber einem Arzt erbracht habe.
Es sei auch darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der steuerlichen
Neutralität es verbiete, gleichartige und deshalb in Wettbewerb
stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich
zu behandeln. Insofern könne es nicht sein, dass die Leistungen,
die die Klägerin im Hotel Waldhaus E in G oder zu Hause
auf eigene Rechnung erbringe, dem Regelsteuersatz unterlägen, während
die gleichen Leistungen in der Praxis der Frau S steuerfrei sein
sollen.
Darüber hinaus fehle es der Klägerin auch an
der erforderlichen Berufsqualifikation.
Der Nachweis dieser Qualifikation könne sich aus berufsrechtlichen
Regelungen oder aus einer Kostentragung durch die gesetzlichen Krankenkassen
als Sozialversicherungsträger ergeben (BFH-Urteil vom 30.01.2008
- XI R 53/06 -
a.a.O.). Dieser Nachweis liege vor, wenn der jeweilige Unternehmer
oder seine Berufsgruppe nach § 124 Abs. 2 SGB V durch die
zuständigen Stellen der gesetzlichen Sozialversicherung
zugelassen seien (BFH-Urteil vom 23.08.2007 - V R 34/02 - BStBl. II 2005,
316). Daran fehle es im Streitfall. Weder die Klägerin
noch Frau S seien nach § 124 Abs. 2 SGB V zugelassen.
Die Bescheinigung der Frau S könne das Erfordernis eines
berufsbezogenen Qualifikationsnachweises nicht ersetzen.
Sofern die Klägerin zur Begründung ihrer Klage
vortrage, dass der vorliegende Sachverhalt den Anforderungen des
BFH-Urteils vom 30.04.2009 - V R 6/07 - a.a.O. entspreche,
könne dem nicht gefolgt werden. Die Feststellungen des
vorinstanzlichen Finanzgerichts erlaubten keine abschließende
Entscheidung darüber, ob die Leistungen der Klägerin über
den für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG
erforderlichen Heilbehandlungscharakter verfügt hätten.
Der Fall sei vom BFH an das Finanzgericht zurückverwiesen
worden, weil nicht festgestellt worden sei, ob die geleiteten Kurse
als ergänzende Leistungen zur Rehabilitation auf der Gesamtvereinbarung über den
Rehabilitationssport und das Funktionstraining (§ 5 Abs.
6 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur
Rehabilitation) beruht und damit von den Krankenkassen im Falle
einer ärztlichen Verordnung gefördert hätten
werden können.
In einer Replik führt die Klägerin dazu aus,
dass zunächst klargestellt werden müsse, dass
es sich bei Ayurveda um eine anerkannte Heilbehandlung handele. Insbesondere
werde in der Praxis der Ärztin Frau S nicht die Steigerung
des allgemeinen Wohlbefindens, sondern die Therapie von Krankheitsbildern
durchgeführt. Die Zeugin S habe in der Email vom
05.04.2011 anschaulich erklärt, wie ein Therapieplan
bezüglich einer Ayurveda-Behandlung aussehe. Die Therapie
bestehe demnach aus mehreren wahrzunehmenden Behandlungsterminen.
Es würden spezielle Massagetechniken angewendet, die zu
dem jeweiligen Krankheitsbild passen und zwar speziell nur nach
Anweisung des Ayurveda-Arztes.
Es müsse des Weiteren klargestellt werden, dass es sich
bei der Massage durch die Klägerin nicht um die Hauptbehandlung
handele. Vielmehr stelle die Massage nur einen Teil der Therapie
dar. Da die ayurvedische Behandlung in den Räumen der Ärztin
stattfinde, komme eine ärztliche Verordnung hierfür
nicht in Betracht. Die Massage dauere ca. eine Stunde. Die Ärztin
sei nicht in der Lage, die Zeit für die Massage höchstpersönlich
aufzubringen. Nach dem Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz
(6 K 2763/07
bei juris, dort Rz. 13) komme es auf einen Befähigungsnachweis
der Antragstellerin grundsätzlich nicht an, wenn die Heilbehandlungen
von den Sozialversicherungsträgern finanziert würden.
Damit werde die berufliche Befähigung schon indiziert.
Die Ärztin stelle die Leistungen ihren Privatpatienten
in Rechnung und rechne hier gemäß der Gebührenordnung
für Ärzte ab.
Zwar habe der BFH mit Urteil vom 02.09.2010 (V R 47/09)
das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz aufgehoben. Indes überzeugten
die Gründe nicht. Der BFH stelle in diesem Urteil maßgeblich
auf die berufliche Qualifikation ab. Zudem sei die Kostentragung
durch die gesetzliche Krankenkasse kein Indiz für den Befähigungsnachweis.
Mit Urteil vom 18.11.2010 habe jedoch der Europäische
Gerichtshof (C-156/09)
einen ähnlich gelagerten Fall entschieden. Der Fall sei
dem hier zu verhandelnden Rechtsfall insofern ähnlich,
als die Dienstleistung eines Labors nur den Teil einer therapeutischen
Behandlung dargestellt habe. In den Gründen unter Nummer
28 heiße es dort: „Es ist in dieser Hinsicht ohne
Bedeutung, dass diese Dienstleistungen von Laborpersonal erbracht
werden, das nicht aus qualifizierten Ärzten besteht, da
es nicht notwendig ist, dass jeder Aspekt einer therapeutischen
Behandlung von medizinischem Personal durchgeführt wird.” Einen
Verstoß gegen den Grundsatz der Steuerneutralität erkenne
der EuGH ebenfalls nicht. Denn die Einstufung einer Dienstleistung
als Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin sei nur von ihrem
eigenen Charakter abhängig, ohne dass die Verfügbarkeit
einer pharmazeutischen Alternative erheblich wäre. Letztlich
führe der EuGH unter Nummer 23 aus: „Die Auslegung
dieser Begriffe (Heilbehandlung) muss jedoch mit den Zielen in Einklang
stehen, die mit den Umsatzsteuerbefreiungen verfolgt werden, um
den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität
zu entsprechen.” Daher entspräche es nicht dem
Sinn dieser Regel einer engen Auslegung, wenn die zur Umschreibung
der in Artikel 13 genannten Befreiungen verwendeten Begriffe so
ausgelegt werden, dass sie den Befreiungen ihre Wirkung nehmen. Genau
dieses Ergebnis würde die Rechtsansicht der Beklagten darstellen.
Nach der 6. Richtlinie, Artikel 13 Teil A Buchstabe C, werde der
Begriff der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin als alle
Leistungen erfasst, die zur Diagnose, Behandlung und, soweit wie
möglich, Heilung von Krankheiten und Gesundheitsstörungen
dienten. Der EuGH verweise hier auf das Urteil CopyGene, Randnummer
28.”
Mit Beweisbeschluss des Senats vom 15. Mai 2012 bzw. vom 18.
Dezember 2012 ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens
angeordnet worden zu der Frage, ob die streitbefangenen Massageleistungen
der Klägerin in den Streitjahren 2007 und 2008 eigenständige
Einzelleistungen darstellen oder in ein Gesamtverfahren mit therapeutischem
Zweck im Sinne einer Heilbehandlung (Gegensatz: Wellnessbehandlung)
der Praxis der Frau Iris S eingebunden ist. Mit Gutachtenerstellung
ist Herr Dr. C.K. vom ...-Krankenhaus (Abteilung Naturheilkunde)
beauftragt worden.
Unter dem 4. Mai 2013 hat Herr Dr. K sein Gutachten nebst Anhängen
vorgelegt (Bl. 90 – 108 PA).
Die Beteiligten haben zu den gutachterlichen Ausführungen
Stellung genommen und halten an ihren jeweiligen Anträgen
und den entsprechenden Begründungen fest.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin
eine weitere Bestätigung der Frau S vom 24. Juli 2013 betreffend
ihre „Ausbildung zur Ayurveda-Massagetherapeutin” vorgelegt.
Gründe
Die zulässige Klage führt in der Sache nicht
zum Erfolg. Der angefochtene Änderungsbescheid ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte
hat zu Recht die Steuerfreiheit des streitbefangenen Umsatzes verneint.
I.
1. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG in der für das
Streitjahr geltenden Fassung sind steuerfrei die Umsätze
aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut
(Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen
Tätigkeit und aus der Tätigkeit als klinischer
Chemiker.
Diese Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der
Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG),
wonach „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die
im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat
definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe
erbracht werden”, steuerfrei sind. § 4 Nr. 14 UStG
ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) entsprechend Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie
77/388/EWG auszulegen. Daher setzt die Steuerfreiheit
voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der
Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche
Leistungen erbringt und die dafür erforderliche Qualifikation
besitzt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. April 2009 V R 6/07, BFHE 225, 248, BStBl II 2009,
679; zur erforderlichen Berufsqualifikation s. zuletzt
auch BFH-Urteil vom 29. Juni 2011 XI R 52/07, BFH/NV
2011, 1806).
a. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dienen der Diagnose, Behandlung
und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen.
Sie müssen einen therapeutischen Zweck haben. Zu den Heilbehandlungen
im Bereich der Humanmedizin gehören auch Leistungen, die
zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende Untersuchungen und ärztliche
Maßnahmen an Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung
leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz einschließlich
der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit
erbracht werden. Keine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin
sind „ärztliche Leistungen”, „Maßnahmen” oder „medizinische
Eingriffe”, die zu anderen Zwecken erfolgen (vgl. nur BFH-Urteil
vom 18. August 2011 V
R 27/10, BFH/NV 2011, 2214 m.w.N.
zur Rspr.).
Nicht unter die Befreiung fallen danach Tätigkeiten,
die nicht Teil eines konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung,
Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen
dienenden Leistungskonzeptes sind (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 - V R 23/04, BFHE 211, 69, BStBl II 2005,
904,BFH/NV
2005, 2142, vom 10. März 2005 - V R 54/04, BFHE 210, 151, BStBl II 2005,
669) oder etwa von einem Chirurgen durchgeführte
Schönheitsoperationen oder Massagen, die von einem Physiotherapeuten
ohne vorherige ärztliche Anordnung lediglich aus kosmetischen
Gründen oder zur Verbesserung des Wohlbefindens („wellness”)
durchgeführt werden (BFH-Beschluss vom 28. September 2007
- V B 7/06, BFH/NV
2008, 122, m.w.N.).
b. Neben dem Tatbestandsmerkmal der Heilbehandlung im vorgenannten
Sinne muss die entsprechende Befähigung des Unternehmers
bzw. Subunternehmers vorliegen.
Allerdings war fraglich, ob ein solcher Befähigungsnachweis
auch im Falle der Einschaltung eines Subunternehmers auf dessen
Ebene immer vorliegen muss.
aa. Der erkennende Senat hatte mit Urteil vom 14. Mai 2009 (6 K 2763/07, EFG 2010, 271)
entschieden, dass die von einer Kosmetikerin gegenüber
einem (Haut-)Arzt durch die Vornahme von Aknebehandlungen an dessen
Patienten erbrachten, pauschal vergüteten Leistungen, welche
dieser seinen privat versicherten Patienten gem. GOÄ in
Rechnung stellt, als heilberufliche Tätigkeit i.S.d. § 4
Nr. 14 Satz 1 UStG umsatzsteuerfrei sind, wenn die gesetzlichen Krankenkassen
die Kosten dieser Leistungen übernommen hätten,
wären sie gegenüber gesetzlich Versicherten erbracht
worden.
bb. Der BFH (Urteil vom 2. September 2010 V R 47/09, BStBl II 2011,
195) hob diese Entscheidung auf mit der Begründung,
die Klägerin verfüge nicht über den hierfür
erforderlichen Befähigungsnachweis.
Zwar stehe der Steuerfreiheit der durch die Klägerin
erbrachten Leistungen nicht bereits entgegen, dass sie ihre Leistungen
gegenüber einem Arzt erbrachte. Auch Subunternehmer eines
Arztes können diesem gegenüber eine steuerfreie
Heilbehandlungsleistung erbringen (EuGH-Urteil vom 8. Juni 2006 C-106/05,
L. u. P. GmbH, BFH/NV Beilage 2006, 442 Rdnrn. 37 f.; BFH-Urteile
vom 25. November 2004 V
R 44/02, BFHE 208, 80, BStBl II 2005,
190, unter II.1.; vom 1. Februar 2007 V R 64/05, BFH/NV
2007, 1203, unter II.1.a, und vom 15. März 2007 V R 55/03, BFHE 217, 48, BStBl II 2008,
31, unter II.1.b). Dies beruhe darauf, dass es für
die Steuerfreiheit nicht auf die Person des Leistungsempfängers
ankomme, sondern sich die personenbezogene Voraussetzung der Steuerfreiheit
auf den Leistenden beziehe, der Träger eines ärztlichen
oder arztähnlichen Berufs sein müsse (BFH-Urteile
vom 12. Oktober 2004 V
R 54/03, BFHE 207, 558, BStBl II 2005,
106, unter 4.; vom 10. März 2005 V R 54/04, BFHE 210, 151, BStBl II 2005,
669, unter II.1., und vom 7. Juli 2005 V R 23/04, BFHE 211, 69, BStBl II 2005,
904, unter II.1.a).
Die Klägerin verfüge aber nicht über
den erforderlichen Befähigungsnachweis. Die Klägerin
gehöre als Kosmetikerin keiner Berufsgruppe an, die zur
Behandlung von Aknepatienten befähigt sei. Insoweit könne
zwar nach den Umständen des Einzelfalles auch eine berufsbezogene
Ausbildungs- und Prüfungsordnung ausreichen (BFH-Urteil
vom 18. Januar 2005 V
R 99/01, BFH/NV 2005, 1392, unter II.2.c),
wobei im Streitfall zu berücksichtigen sei, dass für
Kosmetiker mit der Verordnung über die Berufsausbildung
zum Kosmetiker/zur Kosmetikerin --KosmAusbV-- (BGBl I 2002,
417) eine Ausbildungs- und Prüfungsordnung bestehe.
Das Ausbildungsberufsbild nach § 4 KosmAusbV, zu dem insbesondere
Beurteilen und Reinigen der Haut, Pflegende Kosmetik und Dekorative
Kosmetik gehörten, beziehe sich jedoch nicht spezifisch
auf die Behandlung von Aknepatienten und eigne sich daher nicht
als Befähigungsnachweis. Die von der Klägerin
in einer Chemisch-Pharmazeutischen Fabrik absolvierte Zusatzausbildung
in Dermatologie sei gleichfalls kein berufsrechtlicher Befähigungsnachweis
für Aknebehandlungen. Schließlich könne
die Bescheinigung des Arztes Dr. G das Erfordernis eines berufsbezogenen
Qualifikationsnachweises nicht ersetzen.
Darüber hinaus sei auch die Kostentragung durch gesetzliche
Krankenkassen im Streitfall entgegen dem FG-Urteil kein Indiz für
den Befähigungsnachweis. Hieraus könne nicht auf
die erforderliche Befähigung der Klägerin geschlossen werden.
Denn aus nach dem SGB V einem Arzt für dessen Heilbehandlungsleistungen
geschuldeten Zahlungen einer Krankenkasse ergebe sich nicht, dass der
vom Arzt eingeschaltete Subunternehmer - hier die Klägerin
- über die erforderliche berufliche Befähigung
zur Durchführung einer Heilbehandlungsmaßnahme
verfüge. Gegenteiliges folge auch nicht aus dem Grundsatz
der steuerlichen Neutralität, da Heilbehandlungen im Bereich
der Humanmedizin nur insoweit gleichartig sind, als sie für
die Behandelten eine gleichwertige Qualität aufweisen.
Dies treffe auf Leistungen eines Arztes und einer Kosmetikerin nicht
zu.
cc. Eine im Anschluss daran erfolgte EuGH-Entscheidung (Urteil
vom 18. November 2010 C-156/09 Verigen
Transplantation Service International AG, Slg 2010, I-11733 = UR 2011, 215)
ließ Zweifel aufkommen an der generellen Anwendung der BFH-Entscheidung V R 47/09 (aaO)
auf alle Subunternehmerfälle.
Der EuGH entschied im dortigen Klageverfahren, dass sie spezifischen
von der Verigen Transplantation Service International AG (VTSI,
Subunternehmerin) erbrachten Dienstleistungen zwar nur einen Teil
dieses Gesamtverfahrens bildeten. Sie seien jedoch ein unerlässlicher,
fester und untrennbarer Bestandteil des Verfahrens, dessen einzelne
Abschnitte sinnvoller Weise nicht isoliert voneinander durchgeführt
werden könnten. Daraus ergebe sich, dass das Herauslösen
von Gelenkknorpelzellen aus dem einem Menschen entnommenen Knorpelmaterial
und ihre anschließende Vermehrung zur Reimplantation aus therapeutischen
Zwecken unter den Begriff der „Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin” i.S.v. Art. 13 Teil A lit. c der Sechsten
Richtlinie 77/388/EW (gemeinschaftsrechtliche
Grundlage für § 4 Nr. 14 lit. a UStG) fielen.
Eine solche Auslegung stehe im Übrigen im Einklang mit
dem Zweck dieser Bestimmung, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen
zu senken. Es sei in dieser Hinsicht nach Auffassung ohne Bedeutung,
dass diese Dienstleistungen von Laborpersonal erbracht werden, das
nicht aus qualifizierten Ärzten besteht, da es nicht notwendig
ist, dass jeder Aspekt einer therapeutischen Behandlung von medizinischem
Personal durchgeführt werde.
In der Literatur (Ketteler-Eising, jurisPR-MedizinR 1/2011
Anm. 4) wurde im Anschluss daran die Auffassung vertreten, dass
diese Rechtsprechung des EuGH den Schluss zulassen könne,
dass ein Subunternehmer, der in ein Gesamtverfahren mit therapeutischem
Zweck eingebunden sei, nicht in allen Fällen über
den erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweis verfügen müsse.
Die VTSI sei selbstständiger Unternehmer und wird als „Subunternehmer” für
den Leistungsempfänger (Ärzte oder Kliniken) tätig.
Die Leistungen seien offenbar von Laborpersonal erbracht worden,
welches nicht über einen entsprechenden arztähnlichen
Befähigungsnachweis verfügt habe. Dennoch habe
der EuGH im Tenor entschieden, dass Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. c
der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG dahin gehend
auszulegen sei, dass das Herauslösen von Gelenkknorpelzellen
aus dem einem Menschen entnommenen Knorpelmaterial und ihre anschließende
Vermehrung zur Reimplantation aus therapeutischen Zwecken eine „Heilbehandlung
im Bereich der Humanmedizin” im Sinne dieser Bestimmung
sei.
Der erkennende Senat hat im Hinblick darauf mit Beschluss vom
19. April 2011 im Eilverfahren 6 V 1070/11 die Vollziehung der
Bescheide ausgesetzt bzw. die Vollziehung aufgehoben.
dd. Im Verfahren der VTSI entschied sodann der BFH mit Urteil
vom 29. Juni 2011 (XI
R 52/07, BFH/NV 2011, 1806) unter
Aufhebung der FG-Entscheidung und Zurückverweisung, dass
noch keine Feststellungen zum Befähigungsnachweis getroffen
worden seien. Er führte dazu aus (aaO unter II.2.b):
„Im Streitfall hat das FG --von seiner Rechtsauffassung
ausgehend zu Recht-- noch keine tatsächlichen Feststellungen
zu der beruflichen Qualifikation der Mitarbeiter der Klägerin
getroffen. Es wird dies im zweiten Rechtsgang nachzuholen und unter
Berücksichtigung der Grundsätze des BFH-Urteils
in BFHE 185,
287, BStBl
II 1998, 453 zu entscheiden haben, ob danach die Steuerbefreiung
zu gewähren ist.”
Der BFH geht mithin, worauf der Beklagte zu Recht hinweist, davon
aus, dass der Subunternehmer bzw. die in das Verfahren involvierten
Bediensteten des Subunternehmers (weiterhin) den Nachweis der beruflichen
Qualifikation w– den Befähigungsnachweis – erbringen
müssen. Es gelten mithin die allgemeinen Grundsätze,
nach denen Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nach Art.
132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL nur steuerfrei sind, wenn sie von
Personen erbracht werden, die die hierfür erforderlichen „beruflichen
Befähigungsnachweise” (Urteil des Gerichtshofs
der Europäischen Union --EuGH-- vom 10. September 2002 C-141/00,
Kügler, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV
2003, 30, Beilage 1 Rdnr. 27) und damit die erforderlichen „beruflichen
Qualifikationen” besitzen, damit die Heilbehandlungen unter
Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der Behandelnden
eine ausreichende Qualität aufweisen (EuGH-Urteil vom 27.
April 2006 C-443/04 und C-444/04,
Solleveld u.a., Slg. 2006, I-3617, BFH/NV
2006, 299, Beilage 3 Rdnr. 37; BFH-Urteil in BFHE 231, 326, BStBl II 2011,
195, unter II.2.).
Der Nachweis der Qualifikation kann sich nach ständiger
Rechtsprechung des BFH für die nicht unter die Katalogberufe
fallenden Unternehmer ergeben
insbesondere aus berufsrechtlichen Regelungen
(vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 30. April 2009 V R 6/07, BFHE 225, 248, BStBl II 2009,
679)
oder auch aus einer g„regelmäßigen” Kostentragung
durch Sozialversicherungsträger folgen, wobei eine derartige
Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen nach der Rechtsprechung
des Senats nur dann von Bedeutung ist, wenn sie den Charakter eines
Bef ähigungsnachweises hat (BFH-Urteil vom 2. September
2010 V R 47/09, BStBl II 2011,
195). Die Kostentragung kann sich im Einzelfall aus den
Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nach dem
Vierten Kapitel des SGB V und damit aus den §§ 69
ff. SGB V ergeben. So ist z.B. die Aufnahme der betreffenden Leistungen
in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92
SGB V, der Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 111
SGB V oder die Zulassung des Unternehmers oder seiner Berufsgruppe
nach § 124 SGB V als Indiz für das Vorliegen der
erforderlichen Berufsqualifikation anzusehen (BFH-Urteil vom 30.
April 2009 V R 6/07, BFHE 225, 248, BStBl II 2009,
679 m.w.N.; zum Ganzen s. auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil
vom 28. Juni 2012 6
K 1911/11, EFG 2012, 1789 und nach BFH-Urteil
vom 7. Februar 2013 V
R 22/12, BFH/NV 2013, 880).
II.
Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze, denen
der Senat folgt, führt die Klage nicht zum Erfolg.
1. Heilbehandlung im Bereich der
Humanmedizin
a. An der grundsätzlichen medizinischen Ayurveda-Qualifikation
im Sinne einer Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin besteht
kein Zweifel. Ayurveda ist eine traditionelle indische Heilkunst.
Wörtlich übersetzt bedeutet Ayurveda Lebensweisheit
oder Lebenswissenschaft. Der Begriff stammt aus dem indischen Sanskrit
und setzt sich aus den Wörtern Ayus (Leben) und Veda (Wissen)
zusammen. Ayurveda ist eine Kombination aus Erfahrungswerten und
Philosophie, die sich auf die für menschliche Gesundheit
und Krankheit wichtigen physischen, mentalen, emotionalen und spirituellen Aspekte
konzentriert. Dadurch hat Ayurveda einen ganzheitlichen Anspruch.
Die Qualifikation als Heilbehandlung hat auch der Gutachter nachvollziehbar
und widerspruchsfrei dargelegt. Er führt nach eingehender
Auseinandersetzung mit den medizinischen Aspekten zusammenfassend
dazu aus:
„Vor diesem Hintergrund und mit Bezugnahme auf die EuGH-Entscheidung vom
18. November 2010 (C-156/09)
entspricht ärztlich-therapeutisch praktizierte bzw. ärztlicherseits
angeordnete / delegierte Ayurveda-Therapie auf der Basis
medizinischer Indikationen vollumfänglich ‚Heilbehandlungen
im Bereich der Humanmedizin’, die Leistungen beinhalten, ‚die
zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung
von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen’.
Darüber hinaus hat Ayurveda-Medizin in diesem Sinne a priori
nichts mit reinen Wellness-Behandlungen zu tun, die in Hotels, Spas
oder Fitnessclubs als ‚ayurvedisch’ angeboten
werden.”
Die Ayurveda-Medizin wird seit mehr als 3 Jahrzehnten in Deutschland
von Ärzten in Kliniken und Praxen praktiziert mit steigender
Nachfrage; sie wird im Inland etwa eingesetzt an mehreren großen
Kliniken, darunter auch Universitätskliniken (Nachweise
im Gutachten vom 4. Mai 2013 unter Ziffer 3 – „Ayurveda
als Medizinsystem in Deutschland” (= Bl. 92 ff.
PA).
b. Die vorgenannten – grundsätzlichen - Feststellungen
entheben den erkennenden Senat nicht von der Verpflichtung, das
Vorliegen von Heilbehandlungen im vorliegenden Streitfall konkret
festzustellen. Bezogen darauf ist der Gutachter (Seite 15 des Gutachtens = Bl.
103 PA) zu folgender Feststellung gelangt:
„Vorbehaltlich der Tatsache, dass aus Ermangelung an
Patientenakteneinsichtsmöglichkeiten über die
Authentität (1) des ayurvedischen Tätigkeitsfeldes
von Frau P im Rahmen ihrer Tätigkeiten für Frau
S und (2) den dafür zugrundeliegenden gesamttherapeutischen
ayurvedischen (und integrativmedizinischen) Rahmen nur spekuliert
werden kann, ist, die gegebenen (und im Grunde unzureichenden Informationen)
als Grundlage vorausgesetzt, Folgendes zu sagen: Bei den von Frau
S geschilderten medizinischen Sachverhalten und Beispielen handelt
es sich zweifelsohne vollumfänglich um komplexe Gesamtverfahren
mit therapeutischem Zweck im Sinne einer Heilbehandlung, basierend
auf medizinischen Indikationen. Mit Bezug auf den Hauptgegenstand
des Gutachtens ist insbesondere zu erwähnen, dass die in
diesem Kontext von Frau S angeordneten/delegierten Ayurveda-Massagen von
Frau P entsprechend Ayurveda lege artis durchgeführt wurden
und auch aus konventioneller Perspektive medizinisch sinnvoll erscheinen.
Die geschilderten Ayurveda-Therapiebestandteile wirken insgesamt
professionell und zeugen von Expertise im Bereich Ayurveda-Medizin
(zumindest von Frau S, im Bezug auf Frau P kann hier nur in diesem
Sinne gemutmaßt werden).”
Das führt den Gutachter zu folgender Conclusio:
„Vor dem Hintergrund des hiermit vorliegenden Gutachtens
ist deshalb davon auszugehen, dass die streitbefangenen Massageleistungen
von Frau P in den Streitjahren 2007 und 2008 nicht eigenständige
Einzelleistungen dargestellt haben, sondern in ein Gesamtverfahren
mit therapeutischem Zweck im Sinne einer Heilbehandlung der Praxis
der Frau S eingebunden waren, wobei vor dem Hintergrund mangelnder
Informationen über die medizinischen und berufsausbildungsbezogenen
Sachverhalte eine nicht unerhebliche Restunsicherheit verbleibt.
Es sei jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass
auf einer abstrakten und von diesem Fall losgelösten Ebene
Ayurveda-Massagen als Teil gesamttherapeutischer Strategien und
die Ayurveda-Medizin im Allgemeinen, lege artis angewandt und ärztlich
durchgeführt, aus medizinischer Sicht grundsätzlich
als komplexe Gesamtverfahren mit therapeutischem Zweck im Sinne
einer Heilbehandlung zu bewerten sind und sicher nicht als Wellness-Behandlung.”
Nach Maßgabe dieser schlüssigen, nachvollziehbaren
und widerspruchsfreien Ausführungen hat der Gutachter letztlich
nicht eindeutig feststellen können, ob die streitbefangenen
Massageleistungen Heilbehandlungen im Sinne der dargestellten höchstrichterlichen
Rechtsprechung sind. Er hat dies unmissverständlich mit
dem Hinweis auf die verbleibende „nicht unerhebliche Restunsicherheit” zum
Ausdruck gebracht. Diese Restunsicherheit resultiert u.a. aus mangelnden
Informationen „über die medizinischen ... Sachverhalte”.
Da die Klägerin selbst keinerlei Angaben gemacht hatte,
war die Ärztin hinsichtlich der zu begutachtenden Ayurveda-Tätigkeiten
von Seiten des Gutachters gebeten worden, pars pro toto einige anonymisierte kopierte
Auszüge aus Krankenakten ihrer Patienten zukommen zu lassen, die
von ihr – unter Beteiligung der Klägerin – ayurvedisch
(mit-) behandelt worden waren. Solche Auszüge aus Patientenakten
wurden von der Ärztin dem Gutachter nicht vorgelegt, stattdessen
lediglich Einzelfallbeschreibungen gefertigt. Dies hat dem Gutachter
nicht ausgereicht, um die erforderlichen Feststellungen zum Vorliegen
einer Heilbehandlung vorbehaltlos mit dem erforderlichen Maß an Überzeugung
treffen zu können. Unter Zugrundelegung der freien Beweiswürdigung
(§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) folgt der Senat diesen Zweifeln.
Wie der BFH bereits im Urteil vom 26. Januar 1988 VIII R 29/87 (BFH/NV
1988, 788) entschieden hat, hat das Gericht Gutachten gerichtlich
bestellter Sachverständiger sorgfältig und kritisch
zu würdigen; Unvollständigkeiten, Unklarheiten
und Zweifel sind von Amts wegen - soweit möglich - auszuräumen.
Erforderlichenfalls ist der Gutachter zu einer Ergänzung
seines schriftlichen Gutachtens zu veranlassen und in der mündlichen
Verhandlung zu befragen (s. auch BFH-Beschluss vom 4. Juli 2007 IV B 72/06).
Vor diesem Hintergrund hat sich für den Senat die Frage
gestellt, ob der Gutachter mit einer Ergänzung seines Gutachtens – mit nochmaliger
Aufforderung der Klägerin bzw. der Ärztin zur
Vorlage anonymisierter Patientenunterlagen – zu beauftragen
war.
Angesichts der bereits erfolgten eindeutigen Aufforderung des
Gutachters zur Vorlage anonymisierter Patientenunterlagen (s. 6.2.
des Gutachtens, erster Absatz = Bl. 101 PA) hält
der Senat eine nochmalige Aufforderung nicht für angezeigt.
Nur der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang darauf
hinzuweisen, dass die Klägerin selbst dem Gutachter keine
Informationen gegeben hat. Die Klägerin ist in der mündlichen
Verhandlung dazu angehört worden. Sie hat dazu vorgetragen,
dass sie damals anlässlich des Telefonats davon ausgegangen
sei, dass Frau S die Fragen des Gutachters besser beantworten könne,
weil diese Ärztin sei.
2. Nachweis der Qualifikation (Befähigungsnachweis)
Die Klägerin hat den Nachweis der Qualifikation nicht
geführt, den sie als selbständige (Sub-)Unternehmerin
zu erbringen hat.
a. Sie verfügt nicht über einen berufsrechtlichen
Befähigungsnachweis. Die Klägerin beruft sich
in diesem Zusammenhang auf eine Bescheinigung der Frau S vom 18.
November 2011 (Bl. 55 USt-Akte 2008) bzw. vom 27. Mai 2010 (Bl.
66 USt-Akte 2007). Dort wird ausgeführt, dass die Klägerin
bei ihr im Zeitraum von 2002 bis 2004 eine zweijährige
Ausbildung zur Aryuveda-Massage-Therapeutin absolviert habe; zur
Ausbildung hätten die Grundlagen und Philosophie des Ayurveda,
Grundlagen der Kräuterheilkunde, Ernährungslehre
nach Tridoshras, gesunde Lebensführung sowie Untersuchungs-
und Massagetechniken gehört.
Eine solche ärztliche Bescheinigung kann das Erfordernis
eines berufsbezogenen Qualifikationsnachweises nicht ersetzen (zur
Bedeutung einer ärztlichen Bescheinigung für den
Qualifikationsnachweis s. auch BFH-Urteil vom 2. September 2010 V R 47/09, BStBl II 2011, 195).
Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die benannte „Ausbildung” auf
der Grundlage berufsrechtlicher Regelungen mit abschließender
staatlicher Prüfung stattgefunden hat (s dazu den Beispielsfall
der Ausbildung eines Podologen nach dem PodG FG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 28. Juni 2012 6 K 1911/11, EFG 2012, 1789,
insoweit bestätigt durch BFH-Urteil vom 7. Februar 2013 V R 22/12, BFH/NV
2013, 880).
Die vorgenannten Ausführungen gelten in gleicher Weise
für die von der Klägerin vorgelegten „Zertifikate” bzw.
Seminar-Teilnahmebescheinigungen (Bl. 42 ff. USt-Akte 2007).
b. Der Nachweis der Qualifikation ergibt sich auch nicht aus
einer „regelmäßigen” Kostentragung
durch die gesetzlichen Krankenkassen als Sozialversicherungsträger.
Aryuveda-Massagen sind nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen
(§ 92 SBG V) aufgenommen; es handelt sich nicht um verordnungsfähige
Leistungen (s. Stellungnahme der AOK Rheinland-Pfalz vom 17. Juni
2013, Bl. 122 PA). Folgerichtig führt Frau S in einer e-mail vom
19. Februar 2013 an den Gutachter (Anhang zum Gutachten = Bl.
107 PA) u.a. aus: „Viele Patienten kommen auf Empfehlung
ihrer Haus- oder Fachärzte. Eine Überweisung für
Patienten der gesetzlichen Krankenkassen ist ja leider nicht möglich,
wie Sie ja selbst wissen.” Nur der Vollständigkeit halber
weist der Senat darauf hin, dass die noch im Verwaltungsverfahren vorgetragene
Behauptung, es finde eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen
Krankenkassen statt (vgl. etwa Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten
vom 5. Mai 2010, Bl. 10 USt-Akte 2007), unzutreffend ist. Im Klageverfahren
hat die Klägerin – nunmehr zutreffend – dargelegt,
dass Frau S eine Privatpraxis betreibe und gegenüber ihren
Patienten privat nach der Gebührenordnung für Ärzte
abrechne. Die Klägerin selbst hat immer nur mit Frau S
abgerechnet. Weder die Klägerin noch ihre Auftraggeberin
haben die streitbefangenen Leistungen mit den gesetzlichen Krankenkassen
abgerechnet.
Im Übrigen sind weder Frau S noch die Klägerin
zugelassene Leistungserbringer nach § 124 SGB V. Auch ein
Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V ist insoweit nicht
geschlossen worden.
c. Der vergleichende Hinweis der Klägerin auf die Behandlungen
von angestelltem Personal in ärztlichen Praxen vermag nicht
durchzugreifen. Das Umsatzsteuerrecht knüpft an die Unternehmereigenschaft
an, die in § 2 UStG näher geregelt ist. Dass die
Klägerin Unternehmerin ist und insoweit gemäß § 1
UStG steuerbare Umsätze erzielt, wird auch von der Klägerin nicht
bestritten. Der Hinweis auf die Arbeitsleistung angestellter Arbeitnehmer,
die selbst keine Unternehmer sind, und die Abrechnung dieser Arbeitsleistungen
durch den behandelnden Arzt, geht fehl. Es handelt sich aus umsatzsteuerlicher
Sicht um einen nicht vergleichbaren Sachverhalt.
III.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 135
Abs. 1 FGO abzuweisen. Gründe für eine Zulassung
der Revision sind nicht ersichtlich, nachdem die den Streitfall
betreffenden Streitfragen durch EuGH und BFH geklärt sind.