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  • 25.07.2023 · IWW-Abrufnummer 236438

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 09.02.2023 – 7 K 1362/21

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Köln


    Tenor:

    Unter Änderung des zuletzt geänderten Erbschaftsteuerbescheids vom 09.05.2021 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 31.05.2021 wird die Erbschaftsteuer unter der Maßgabe herabgesetzt, dass weitere persönlich vom Kläger zu tragende Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von ... € steuermindernd anerkannt werden.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Berechnung der neu festzusetzenden Erbschaftsteuer wird dem Beklagten nach Maßgabe der Gründe der Entscheidung auferlegt.

    Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 10 % und der Beklagte zu 90 %.

    Die Revision wird zugelassen.

    Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

    1
    Tatbestand

    2
    Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung von Rechtsberatungskosten im Zusammenhang mit der Erbauseinandersetzung als Nachlassverbindlichkeiten streitig.

    3
    Der Kläger ist zusammen mit seinem Bruder, Z1, Miterbe nach seinem am ....2010 verstorbenen Vater, Z. Zum Nachlass gehörte umfangreiches Grundvermögen, wie die in Y belegenen Mietwohngrundstücke X-Straße a und b, W-Straße ... sowie V-Straße c und d, Betriebsvermögen, inländische und ausländische Wertpapierdepots und diverse Kapitalforderungen gegenüber Banken. Im Einzelnen wird auf die als Anlage zum Schreiben des Beklagten vom 17.03.2020 an den Kläger übersandte Nachlasswertermittlung Bezug genommen (s. ErbSt-Akte unter Fach „Rb-Verfahren“). Nach dem Tod des Erblassers zog sich der Kläger gänzlich aus dem Leben zurück, so dass er über einen langen Zeitraum seine Post nicht öffnete und für kaum jemanden zu erreichen war. Gesundheitlich war der Kläger in dieser Zeit stark beeinträchtigt. Vom Umfang des Nachlasses hatte der Kläger - im Gegensatz zu seinem Bruder - in weiten Teilen keine Kenntnis. Erst später - im Rahmen der Ermittlungen der Finanzverwaltung und der Erbauseinandersetzung - wurden ihm die Einzelheiten klar. Da das persönliche Verhältnis des Klägers zu seinem Bruder nach dem Tod des Vaters zerrüttet war, führten der Kläger und sein Bruder diverse Rechtsstreitigkeiten u.a. über die Auflösung der Mietkonten vor dem Landgericht Y (Az. ... und ...). Zudem wurden Teilungsversteigerungsverfahren zur Auflösung der Erbengemeinschaft hinsichtlich der Objekte X-Straße a und b (Az. ... und ...), W-Straße ... (Az. ...) und V-Straße c und d (Az. ... und ...) geführt. Für die Beratung und Begleitung während der Erbauseinandersetzung und in den Teilungsversteigerungsangelegenheiten beauftragte der Kläger die Kanzlei U und schloss vier Vergütungsvereinbarungen ab (Vereinbarungen vom ...2012 und 3 x vom .2018; Anlagen K 1 bis 4 zur Klagebegründung - Bl. 51 ff. d. elektronischen Gerichtsakte).

    4
    Aus diesen Teilungsversteigerungsverfahren resultierten folgende (Teil-) Honorarrechnungen für die Jahre 2016 und 2018 (Bl. 60 ff. d. elektronischen Gerichtsakte):

    5
    2016

    6
    ... €              (Honorarrechnung v. ...2016 - Rechtsstreit Auflösung Mietkonten,

    7
    Az. ...)

    8
    2018

    9
    a.              ... €                            (Honorarrechnung v. ...2018 - Zwangsversteigerung)

    10
    b.               ... €                            (Honorarrechnung v. ...2018 - Zwangsversteigerung)

    11
    c.              ... €                            (Honorarrechnung v. ...2018 - Zwangsversteigerung)

    12
    d.              ... €                            (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu ...)

    13
                  ... €

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    Nach einer vom Bruder des Klägers eingereichten, vom Kläger nicht unterschriebenen Erbschaftsteuererklärung schätzte der Beklagte zunächst mit Bescheid vom ...2011 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Besteuerungsgrundlagen für den Kläger und setzte die Erbschaftsteuer auf ... € fest (s. ErbSt-Akte d. Bekl.). Nachdem weiteres ausländisches Kapitalvermögen (Guthaben T-Bank und S AG) dem Beklagten bekannt wurde, änderte dieser am 16.09.2019 den Erbschaftsteuerbescheid wegen neuer Tatsachen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO - und setzte die Erbschaftsteuer auf ... € herauf. Während des hiergegen geführten Einspruchsverfahrens änderte der Beklagte die Erbschaftsteuerfestsetzung mit Bescheiden vom 27.05.2020 (wegen geänderter Werte des ausländischen Kapitalvermögens) und zuletzt vom 09.05.2021. Er berücksichtigte darin persönlich zu tragende Kosten in Höhe von ... € steuermindernd und setzte die Erbschaftsteuer zuletzt auf ... € (steuerpflichtiger Erwerb: ... €, Steuersatz 19 %) herab. Weitere im Einspruchsverfahren geltend gemachte Rechtsanwaltskosten und Aufwendungen im Zusammenhang mit gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren im Rahmen der Erbauseinandersetzung aus den Jahren 2016 und 2018 in Höhe von insgesamt ... € (s.o.) erkannte der Beklagte nicht als Nachlassverbindlichkeiten an, so dass er den Einspruch mit Entscheidung vom 31.05.2021 als unbegründet zurückwies.

    15
    Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass diese Kosten nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erfüllung des Erblasserwillens stünden. Dies gelte insbesondere für die Kosten der Zwangsversteigerung für die Objekte X-Straße a und b (Az. ... und ...) und W-Straße ... (Az. ...). Mit dem Merkmal der „Unmittelbarkeit“ i.S.d. Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG mache der Gesetzgeber deutlich, dass eine bloße Kausalität mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder zur Erlangung des Erwerbs allein nicht ausreiche, um eine Nachlassverbindlichkeit zu begründen. Der Begriff der Nachlassabwicklungskosten werde inhaltlich weit ausgelegt. Er soll dem Grunde nach Kosten der Eröffnung des Testaments, der Erteilung des Erbscheins, der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses und dessen Wertes, der Kosten zur Umschreibung des Grundbuches, die Kosten der Testamentsvollstreckung oder Kosten durch die Auflösung der Erbengemeinschaft umfassen. Aufwendungen, die auf einem eigenen Willensentschluss des Erben beruhen würden, seien hingegen keine Nachlassregelungskosten. Als Erwerbskosten zur Erlangung des Erbes würden diejenige Kosten verstanden, die der Erbe aufwenden müsse, um rechtlich das Erbe antreten zu können (z.B. Erbenermittlungskosten, Prozess- oder Beratungskosten im Prozess gegen eine sich als vermeintlichen Erben gerierende Person). Dies gelte auch in Bezug auf Aufwendungen, die der Erwerber zu Lebzeiten des Erblassers an diesen als Gegenleistung für eine vertraglich vereinbarte Erbeinsetzung erbracht habe. Das Kriterium der Unmittelbarkeit, das einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zur Abwicklung, Regelung, Verteilung oder Erlangung des Erwerbs verlange, sei von der Regelung des Satzes 3 der Vorschrift abzugrenzen, nach der die Kosten der Verwaltung des Nachlasses nicht als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden dürften. Habe der Erbe bzw. die Erbengemeinschaft ihre rechtliche Herrschaftsmacht über die zum Nachlassvermögen gehörenden Gegenstände erlangt und sei der Wert der Gegenstände weder im Verhältnis zu den einzelnen Mitgliedern der Erbengemeinschaft noch zu den Finanzbehörden streitig, bilde dies eine Zäsur, die den engen sachlichen Zusammenhang zu den berücksichtigungsfähigen Nachlasskosten unterbreche (vgl. Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 18.12.2014 7 K 1377/14, EFG 2015, 658). Zudem müssten Nachlassregelungskosten einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen aufweisen. Insoweit könne, auch wenn Kosten dem Grunde nach Nachlassregelungskosten darstellen würden, der Abzug der Höhe nach begrenzt werden, da die Kosten nur anteilig den engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen aufweisen würden.

    16
    Soweit der Kläger zur Begründung seines Einspruchs auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 09.12.2009 (Az. II R 37/08, BFHE 228, 172, BStBl II 2010, 489) verwiesen habe, hält der Beklagte ihm entgegen, dass der vom BFH entschiedene Fall nicht mit dem Streitfall vergleichbar sei, da in dem vom BFH entschiedenen Fall keine Zwangsversteigerung zur Auflösung der Erbengemeinschaft eingeleitet worden sei.

    17
    Darüber hinaus seien Kosten zur Verwaltung des Nachlasses vom Abzug nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG vom Wortlaut her bereits ausgeschlossen.

    18
    Mit seiner am 24.06.2021 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiter. Zu den abzugsfähigen Nachlassregelungskosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG würden alle Kosten gehören, die einem Erben hinsichtlich des Nachlasses im Zuge des Erwerbs und der Inbesitznahme oder aufgrund einer nachfolgenden Erbauseinandersetzung unmittelbar erwachsen würden. Zu den Kosten der Erbauseinandersetzung (Nachlassverteilung) zählten auch die (gerichtlichen und außergerichtlichen) Kosten einer Auseinandersetzungsklage oder eines Rechtsstreits zwischen den Miterben über die Erbquoten und die Nachlassteilung, sowie Kosten der „Versilberung“ des Nachlasses in den Fällen des § 2042 Abs. 2 i.V.m. § 753 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -. Selbst vergebliche Rechtsverfolgungskosten seien abzugsfähig. Unter Erbauseinandersetzung sei die Verteilung der Nachlassgegenstände unter den Miterben nach Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten zu verstehen. Dadurch werde die Gemeinschaft zur gesamten Hand (§ 2032 Abs. 1 BGB) aufgehoben und Alleineigentum eines jeden Miterben an den ihm bei der Verteilung zugewiesenen Vermögensgegenständen begründet. Die Erbauseinandersetzung umfasse sowohl die mit ihr verbundenen schuldrechtlichen Vereinbarungen als auch deren dinglichen Vollzug. Komme eine einvernehmliche Verständigung zwischen mehreren Erben nicht zustande, könne jeder Erbe grundsätzlich jederzeit eine sog. Auseinandersetzungsklage vor Gericht erheben. In einem solchen Verfahren werde das ersetzt, was die Erben auf einvernehmliche Weise nicht geschafft haben. Sofern die Miterben sich nicht auf den freihändigen Verkauf eines zur Erbmasse gehörenden Grundstücks einigen können, der Erblasser keine andere Anordnung getroffen habe und auch die Auseinandersetzungsklage keine Einigung herbeiführen konnte, könne die Verwertung des Grundstücks nur durch die Zwangsversteigerung nach §§ 2042 Abs. 2, 749 Abs. 2 und 3 und 750 bis 758 BGB erfolgen. Nach § 753 Abs. 1 Satz 1 BGB erfolge die Aufhebung der Gemeinschaft durch Verkauf des gemeinschaftlichen Gegenstandes nach den Vorschriften über den Pfandverkauf, bei Grundstücken somit durch Zwangsversteigerung und Teilung des Erlöses. Danach stünden die bislang nicht anerkannten Rechtsberatungskosten im Zusammenhang mit der Erbauseinandersetzung, da die Zwangsversteigerung die Folge der Erbauseinandersetzung der beiden Brüder gewesen sei. Sie hätten sich nicht auf einen freihändigen Verkauf einigen können und der Erblasser habe keine andere Anordnung getroffen. Somit sei für die Auseinandersetzung nur noch die Zwangsversteigerung, die sog. Teilungsversteigerung, verblieben. Hierfür sei der Kläger auf die Rechtsberatung angewiesen gewesen. Die Zwangsversteigerung habe letztlich die Erbauseinandersetzung abgeschlossen, nicht erst - so wie der Beklagte meine - herbeigeführt. Es lasse sich weder § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG noch der BFH-Rechtsprechung entnehmen, dass Kosten, die auf einem eigenen Willensentschluss des Erben zur Erbauseinandersetzung beruhten, nicht als Nachlassregelungskosten abziehbar seien. Das vom Beklagten angeführte Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg sei auf den Streitfall nicht anwendbar, da es sich mit Kosten für eine Räumung der hinterlassenen Eigentumswohnung des Erblassers befasse. Im Streitfall gehe es jedoch nicht um die Zwangsräumung, bei der es um die Erhaltung oder Verbesserung des Nachlassgegenstandes gehe.

    19
    Eine Berücksichtigung der Kosten scheitere auch nicht an der - nach Ansicht des Beklagten - fehlenden „Unmittelbarkeit“. Diese sei anzunehmen, wenn die Aufwendungen erforderlich seien, um die Alleineigentumsstellung des Erben zu erlangen oder zu behalten. Hierfür reiche Kausalität aus. Um eine Ausuferung zu vermeiden, sei es lediglich erforderlich, dass die Kosten im Zusammenhang mit der Nachlassregelung und der -abwicklung entstünden. Bis zur Teilungsversteigerung habe der Kläger mangels Alleineigentums noch nicht die rechtliche Herrschaftsmacht über den Nachlass erlangt. Diese habe erst durch die Versteigerung herbeigeführt werden müssen. Daher stünden die Kosten in einem unmittelbaren Zusammenhang und dürften nicht künstlich aufgespalten werden.

    20
    Der Kläger beantragt,

    21
    unter Änderung des zuletzt geänderten Erbschaftsteuerbescheids vom 09.05.2021 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 31.05.2021 die Erbschaftsteuer unter der Maßgabe herabzusetzen, dass weitere Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von ... € steuermindernd anerkannt werden,

    22
    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    23
    Der Beklagte beantragt,

    24
    die Klage abzuweisen

    25
    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    26
    Ergänzend zu seinen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung trägt der Beklagte vor, dass die Zwangsversteigerung des Grundvermögens zur Auflösung der Erbengemeinschaft nur aufgrund von langjährigen Streitigkeiten zwischen den Erben erfolgt sei und somit auf einem eigenen Willensentschluss der Erben beruhen würde.

    27
    Entscheidungsgründe

    28
    Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

    29
    Der Erbschaftsteuerbescheid vom 09.05.2021 und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 31.05.2021 sind teilweise rechtswidrig und verletzten insoweit den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -. Zu Unrecht hat der Beklagte die vom Kläger persönlich getragenen Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Erbauseinandersetzung und den Teilungsversteigerungsverfahren nicht als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG berücksichtigt. Hingegen sind die Kosten der Rechtsvertretung im Zusammenhang mit der Aufteilung der Mietkonten in zutreffender Weise nicht als Nachlassverbindlichkeiten in Abzug gebracht worden.

    30
    I. Soweit sich aus § 10 Abs. 6 bis 9 ErbStG nicht etwas anderes ergibt, sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten vom Erwerb abzugsfähig u.a. die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Kosten für die Verwaltung des Nachlasses sind nicht abzugsfähig, § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG.

    31
    1. Im Streitfall handelt es sich bei den vom Kläger persönlich getragenen Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Erbauseinandersetzung und den Teilungsversteigerungsverfahren um nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abzugsfähige Kosten der Verteilung des Nachlasses unter den beiden Miterben. Unter „Verteilung des Nachlasses“ sind insbesondere die Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft gemäß § 2042 BGB zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 09.12.2009 II R 37/08 BFHE 228, 172, BStBl II 2010, 489 unter II.1.). Nach § 2042 Abs. 1 BGB kann jeder Miterbe jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen, soweit sich nicht aus den §§ 2043 bis 2045 BGB ein anderes ergibt, da die Erbengemeinschaft nicht auf Dauer angelegt, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet ist (vgl. BFH-Urteil vom 09.12.2009 II R 37/08 BFHE 228, 172, BStBl II 2010, 489 unter II.1. unter Hinweis auf Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.09.2002 XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389 und BGH-Beschluss vom 17.10.2006 VIII ZB 94/05, NJW 2006, 3715). Die Auseinandersetzung der Erbengemeinscheint entspricht damit der nach dem Gesetz ordnungsgemäßen Abwicklung des Nachlasses (vgl. BFH-Urteil vom 09.12.2009 II R 37/08 BFHE 228, 172, BStBl II 2010, 489 unter II.1.). Für die Auseinandersetzung gelten nach § 2042 Abs. 2 BGB die Vorschriften des § 749 Abs. 2, 3 BGB und der §§ 750 bis 758 BGB zur Aufhebung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts entsprechend. Danach sind zunächst die Nachlassverbindlichkeiten aus dem Nachlass nach § 2046 Abs. 1 BGB zu begleichen, sodann ist der verbleibende Nachlass - soweit möglich - in Natur zu teilen oder falls dies nicht durchführbar ist, nach Verkauf der gemeinschaftlichen Gegenstände durch Teilung des Erlöses zu bewirken, § 753 Abs. 1 BGB. Der Verkauf eines Nachlassgegenstandes dient im Rahmen der Auseinandersetzung zunächst der Vorbereitung des Vollzugs, da ein teilbarer Erlös an die Stelle eines unteilbaren Gegenstandes gesetzt wird (vgl. Staudinger/Löhnig (2020) BGB § 2042 Rn. 35 m.w.N.). Die gesamthänderische Bindung besteht an dem Erlös bis zur endgültigen Verteilung fort (§ 2041 Satz 1 BGB).

    32
    Der Verkauf eines Nachlassgegenstandes erfolgt im Rahmen der Erbauseinandersetzung nach den Regelungen des Pfandverkaufs, bei Grundstücken nach §§ 180ff. Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung - ZVG - durch Zwangsversteigerung, wenn sich die Miterben nicht auf einen freihändigen Verkauf einigen können. Den Antrag auf Zwangsversteigerung eines Grundstückes zum Zwecke der Auseinandersetzung kann jeder der einzelnen Miterben - auch gegen den Willen der übrigen Miterben - stellen (vgl. Staudinger/Löhnig (2020) BGB § 2042 Rn. 36).

    33
    Letztlich wird durch die Verteilung des Nachlasses das Alleineigentum eines jeden Miterben an den ihm bei der Verteilung zugewiesenen Vermögensgegenständen begründet. Die Auseinandersetzung ist daher endgültig erst vollzogen und die Gemeinschaft zur gesamten Hand (§ 2032 Abs. 1 BGB) aufgehoben, wenn alle Nachlassgegenstände an die Bedachten übertragen worden sind (vgl. Staudinger/Löhnig (2020) BGB § 2042 Rn. 93).

    34
    Zu den demgemäß zu berücksichtigenden unmittelbaren Kosten der Erbauseinandersetzung zählen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BFH insbesondere die Aufwendungen für die durch einen Sachverständigen vorgenommene Bewertung der Nachlassgegenstände, wenn diese auf der Grundlage der Bewertung in das Alleineigentum einzelner Miterben übertragen werden sollen, ferner die für die Übertragung der Nachlassgegenstände, insbesondere von Grundbesitz, auf die Miterben entstandenen Notariats- und Gerichtskosten, die Aufwendungen für die anwaltliche Beratung und außergerichtliche und gerichtliche Vertretung der Miterben bei der Erbauseinandersetzung sowie die bei einem etwaigen Rechtsstreit der Miterben über die Auseinandersetzung angefallenen Gerichtskosten (vgl. BFH-Urteil vom 09.12.2009 II R 37/08 BFHE 228, 172, BStBl II 2010, 489 unter II.1.). Gleiches gilt für die Anwaltskosten in diesem Zusammenhang.

    35
    Von den Kosten der „Verteilung des Nachlasses“ abzugrenzen sind die Kosten der Nachlassregelung. Letztere umfassen u.a. die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses sowie alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um den oder die Erben zunächst in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen (vgl. BFH-Urteil vom 06.11.2019 II R 29/16, BFHE 267, 433, BStBl II 2020, 505 unter 1.a. m.w.N.). Zu den Nachlassregelungskosten können danach auch Kosten zählen, die dem Erben durch die gerichtliche Geltendmachung von (vermeintlichen) zum Nachlass gehörenden Ansprüchen des Erblassers entstehen. Herrscht hingegen Gewissheit über Umfang und Zusammensetzung des Nachlasses und hat der Erbe die Nachlassgegenstände in Besitz genommen, endet der sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb. Kosten, die dem Erben in der Folgezeit zum Zwecke der Erhaltung, Mehrung, Nutzung oder Verwertung des Nachlassvermögens entstehen, sind keine Nachlassregelungskosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG mehr, sondern nicht abzugsfähige Nachlassverwaltungskosten (vgl. BFH-Urteil vom 06.11.2019 II R 29/16, BFHE 267, 433, BStBl II 2020, 505 unter 1.b.aa.). Diese zeitliche Zäsur bezieht sich jedoch nach der Rechtsprechung des BFH, die der Senat für zutreffend hält und der er folgt, auf die Abgrenzung von unmittelbaren Nachlassregelungskosten zu den nichtabzugsfähigen Nachlassverwaltungskosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG (vgl. BFH-Urteil vom 06.11.2019 II R 29/16, BFHE 267, 433, BStBl II 2020, 505 unter 1.b.aa.). Demnach wurden vom BFH Kosten der Auflösung des Haushalts des Erblassers und damit verbundener Räumung der Wohnung als Kosten der Nachlassregelung angesehen (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2020 II R 30/19, BFHE 272, 93, BStBl II 2022, 216 unter 4.b.bb.; s. aber FG Baden-Württemberg vom 18.12.2014 7 K 1377/14, EFG 2015, 658 unter I. reine Entmüllungskosten als Nachlassverwaltungskosten), ebenso wie Abfindungszahlungen an den weichenden Erbprätendenten (vgl. BFH-Urteil vom 15.06.2016 II R 24/15, BFHE 254, 60, BStBl II 2017, 128); hingegen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Erfüllung laufender Verpflichtungen als Nachlassverwaltungskosten eingeordnet (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2020 II R 30/19, BFHE 272, 93, BStBl II 2022, 216 unter 3.c.aa. m.w.N.).

    36
    Unabhängig davon beginnt mit dem (späteren) Verlangen eines Miterben, die Erbengemeinschaft auseinanderzusetzen, die Phase der Erbauseinandersetzung, in deren Rahmen weitere berücksichtigungsfähige Kosten nunmehr im unmittelbaren Zusammenhang mit der Verteilung des Nachlasses auf die Erben anfallen können.

    37
    Die Abgrenzung zwischen Kosten der Nachlassregelung, Kosten der Nachlassverteilung und Kosten der Nachlassverwaltung richtet sich im Rahmen einer Gesamtschau nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls.

    38
    2.a. Im Streitfall befand sich die Erbengemeinschaft 2016 und 2018 in der Phase der Erbauseinandersetzung, nachdem ein Miterbe die Auseinandersetzung verlangt und die Anträge auf Teilungsversteigerung der im Nachlass befindlichen Grundstücke gestellt hat. Die in der Folgezeit daraus resultierenden streitgegenständlichen Kosten der Rechtsberatung und -vertretung in unmittelbarem Zusammenhang mit den Teilungsversteigerungsverfahren für die Objekte X-Straße a und b (Az. ... und ...), W-Straße ... (Az. ...) und V-Straße c und d (Az. ... und ...) und mit der Beratung während der Erbauseinandersetzung stellen nach den zuvor dargelegten Grundsätzen daher unmittelbare Kosten der Nachlassverteilung dar. Dabei ist es - entgegen der Ansicht des Beklagten - unerheblich, dass der Kläger mit seinem Bruder zerstritten war und es wahrscheinlich aus diesem Grund zu den Teilungsversteigerungsverfahren und nicht zu einem freihändigen Verkauf der Grundstücke gekommen ist. Der Kläger und sein Bruder haben letztlich von dem gesetzlich vorgesehenen Verfahren gemäß § 2042 Abs. 2 BGB i.V.m. § 749 Abs. 2 und 3 BGB und §§ 750 bis 758 BGB zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zulässigerweise Gebrauch gemacht. Dabei müssen sie sich nicht vorhalten lassen, dass die Kosten bei einer einvernehmlichen Auflösung der Erbengemeinschaft aller Wahrscheinlichkeit nach geringer ausgefallen wären. Auch die Möglichkeit der einvernehmlichen, dauerhaften Fortführung der Erbengemeinschaft ist keine Option, auf die sich der Kläger verweisen lassen muss. Auf welche Art und Weise und zu welchem Zeitpunkt die Erben die Erbengemeinschaft auseinandersetzen, steht ihnen frei. Für die Abziehbarkeit der unmittelbar mit der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft im Zusammenhang stehenden Kosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG spielt es keine Rolle, ob der Erblasser nach § 2048 BGB Teilungsanordnungen verfügt hat oder ob die Erbauseinandersetzung auf einer Vereinbarung beruht oder Ergebnis eines Rechtsstreits der Miterben ist. Für eine Unterscheidung dieser Fallgruppen bietet § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG keine Grundlage. Diese Vorschrift macht die Abziehbarkeit der Kosten nur davon abhängig, dass sie dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Verteilung des Nachlasses entstehen (vgl. BFH-Urteil vom 09.12.2009 II R 37/08, BFHE 228, 172, BStBl II 2010, 489 unter II.1.).

    39
    b. Hingegen stellen die Kosten der Rechtsberatung im Zusammenhang mit den Rechtsstreitigkeiten zur Aufteilung der Mietkonten (Az. ... und ...) nicht abzugsfähige Nachlassverwaltungskosten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG dar. Kosten der Nachlassverwaltung sind solche, die dem Erben in der Folgezeit - nach Inbesitznahme der Nachlassgegenstände - zum Zwecke der Erhaltung, Mehrung, Nutzung oder Verwertung entstanden sind.

    40
    Die Rechnung vom ...2016 über ... € betraf - nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers - einen Rechtsstreit vor dem Landgericht Y zwischen den Brüdern über die Auflösung der Mietkonten (Aktenzeichen ...). Aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zum Verfahren Az. ... war der Kläger verpflichtet ... € auf der Grundlage des Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Y vom ...2018 zu zahlen. Auch dieser Rechtsstreit betraf - nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers - ein Verfahren über die Auflösung der Mietkonten.

    41
    Die Vermietung der o.g. drei Objekte durch die Erbengemeinschaft während des Bestehens der Erbengemeinschaft fällt in die Phase der Verwaltung der Nachlassgegenstände, da durch die Weitervermietung die laufenden Früchte aus dem geerbten Vermögen gezogen wurden. Diese sind erst nach dem Erbfall durch die Nutzung der Nachlassgegenstände entstanden. Kommt es in diesem Zusammenhang zu Rechtsstreitigkeiten, z.B. mit den Mietern oder zwischen den Erben, stehen die daraus resultierenden Kosten ebenfalls im Zusammenhang mit der Nachlassverwaltung. Nichts anders gilt, wenn die durch die Verwaltung aufgefüllten Mietkonten später bei einem Verkauf des Mietobjektes unter den Erben aufgeteilt werden müssen. Diese Verteilung stellt in diesen Fällen den letzten Teil der Nachlassverwaltung dar und beendet diese letztlich. Rechtsstreitigkeiten in diesem Rahmen müssen konsequenterweise ebenfalls als Teil der Nachlassverwaltung qualifiziert werden.

    42
    III. Demnach sind folgende Kosten als weitere persönlich vom Kläger getragene Nachlassverbindlichkeiten in voller Höhe steuermindernd bei der Ermittlung des Wertes des Erwerbs in Abzug zu bringen:

    43
    a.              ... €                            (Honorarrechnung v. ...2018, Bl. 62)

    44
    b.               ... €                            (Honorarrechnung v. ...2018, Bl. 63)

    45
    c.              ... €                            (Honorarrechnung v. ...2018, Bl. 64)

    46
                  ... €

    47
    Es ergibt sich folgende Berechnung des Wertes des Erwerbs:

    48
    Erwerb durch Erbanfall                                                        ... €

    49
    zuzüglich Kürzung Schuldenabzug                            ... €

    50
    abzüglich persönlich zu tragender Kosten              ... €                            (bisher: ... €)

    51
    Wert des Erwerbs                                                                      ... €

    52
    Die Berechnung der neu festzusetzenden Erbschaftsteuer war dem Beklagten ermessensgerecht gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung aufzuerlegen.

    53
    IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.

    54
    V. Die Revision wird im Hinblick auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 09.12.2009 (Az. II R 37/08, BFHE 228, 172, BStBl II 2010, 489) und das anhängige Revisionsverfahren II R 43/22 zur Fortbildung des Rechts zugelassen, § 115 Abs. 2 FGO.

    55
    VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.