04.12.2003 · IWW-Abrufnummer 032759
Bundesfinanzhof: Urteil vom 19.08.2003 – VIII R 67/02
Wird der Verkauf eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft (wesentliche Beteiligung i.S. von § 17 EStG) nach Übertragung des Anteils und vollständiger Bezahlung des Kaufpreises durch den Abschluss eines außergerichtlichen Vergleiches, mit dem die Vertragsparteien den Rechtsstreit über den Eintritt einer im Kaufvertrag vereinbarten auflösenden Bedingung beilegen, rückgängig gemacht, so ist dies ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung.
Gründe:
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war am Stammkapital der Y-GmbH (im Folgenden: GmbH) von 100 000 DM ab April 1986 mit 50 v.H. beteiligt. Nach einer Erhöhung des Stammkapitals auf 200 000 DM im August 1995 betrug ihr Anteil 50 000 DM, also 25 v.H. Weitere Gesellschafter der GmbH mit einer Beteiligung von jeweils 25 v.H. waren der Ehemann der Klägerin sowie dessen Bruder und Ehefrau.
Die vier Gesellschafter der GmbH (im Folgenden auch: Familie S) verkauften und übertrugen durch notariellen Vertrag vom 4. November 1997 (im Folgenden auch: Anteilskaufvertrag) einen Geschäftsanteil von jeweils 24 500 DM auf die X-GmbH (im Folgenden: X oder Erwerberin), so dass deren Anteil 98 000 DM betrug. Von dem Kaufpreis von insgesamt 11 732 700 DM entfiel auf jeden Gesellschafter ein Betrag von 2 933 175 DM. Die X hatte 3 732 000 DM bar zu zahlen. Der Restbetrag war durch Verrechnung bzw. Neugewährung und Abtretung von Darlehen zu erbringen: Die X trat eine Kaufpreisforderung von 2 Mio. DM, die ihr gegenüber der GmbH aus der Veräußerung von Maschinen zustand, an die Veräußerer ab und diese verpflichteten sich, die auf sie entfallenden Teilbeträge von jeweils 500 000 DM der GmbH als Gesellschafterdarlehen zur Verfügung zu stellen. Die X hatte außerdem Darlehensforderungen in Höhe von 3 Mio. DM gegen die GmbH. Ihren Rückzahlungsanspruch trat sie an die veräußernden Gesellschafter ab, die wiederum den jeweils auf sie entfallenden Anteil von 750 000 DM der GmbH als Darlehen zur Verfügung stellten. Darüber hinaus gewährte die X der GmbH ein neues Darlehen von 3 Mio. DM und trat die Rückzahlungsansprüche hieraus wiederum an die veräußernden Gesellschafter zu jeweiligen Anteilen von 750 000 DM ab. Diese stellten sie wiederum der GmbH als Gesellschafterdarlehen zur Verfügung.
Weiter verpflichtete sich die X, der GmbH ein Gesellschafterdarlehen von 740 000 DM zu gewähren, das zum 1. Januar 1999 um 2 260 000 DM auf 3 Mio. DM erhöht werden sollte. Die Gesellschafterdarlehen der Veräußerer sollten zu diesem Zeitpunkt um 2 260 000 DM verringert werden, so dass diese ab dem 1. Januar 1999 nur noch Darlehen von jeweils 1 435 000 DM zur Verfügung stellen mussten. Zum 30. Juni 2000 sollte die X ein weiteres Gesellschafterdarlehen von 1 370 000 DM gewähren und die Veräußerer ihr Darlehen entsprechend verringern, so dass ab diesem Zeitpunkt die X einerseits und die Familie S andererseits der GmbH Gesellschafterdarlehen über je 4,37 Mio. DM zu gewähren hatten.
Nach § 17 Nr. 2 des Anteilskaufvertrages standen die getroffenen Vereinbarungen unter verschiedenen auflösenden Bedingungen, u.a. auch der, dass die in dem Vertrag übernommenen Darlehensverbindlichkeiten nicht rechtswirksam und unwiderruflich durchgeführt würden.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1997 erklärte die Klägerin aus der Anteilsveräußerung gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen Gewinn von 2 884 158 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ einen entsprechenden, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid. Dagegen legte die Klägerin Einspruch mit der Begründung ein, dass über eine Rückabwicklung des Anteilskaufvertrages verhandelt werde.
Die X verkaufte die erworbenen Geschäftsanteile mit notariellem Vertrag vom 18. Dezember 1997 der Z, ihrer 100%igen Tochtergesellschaft, und übertrug sie auf diese. Sie trat alle Rechte und Pflichten, die ihr aus dem Anteilskaufvertrag vom 4. November 1997 zustanden bzw. oblagen, an ihre Tochtergesellschaft ab. Mit Urkunde vom ... Juni 1998 wurde die Z formwechselnd in eine Aktiengesellschaft (im Folgenden: M-AG) umgewandelt.
Am 30. März 2000 schlossen die GmbH und die M-AG zunächst einen notariell beurkundeten sogenannten Rahmenvertrag. Sie vereinbarten, dass zur Abwicklung von bisher umstrittenen Ansprüchen u.a. die M-AG an die GmbH einen Betrag von 2 389 149,91 DM zu zahlen hatte. Die Vertragspartner erklärten, dass dieser Rahmenvertrag nicht abgeschlossen worden wäre, wenn nicht auch der Rückabwicklungsvertrag hinsichtlich der erworbenen Geschäftsanteile zustande gekommen wäre.
Am selben Tag vereinbarten die M-AG und die X einerseits sowie die vier Gesellschafter der Familie S und die GmbH andererseits in einem notariell beurkundeten Vertrag die Rückabwicklung des Anteilskaufvertrages (im Folgenden: Rückabwicklungsvertrag). In der Vorbemerkung erklären sie, es bestehe zwischen den Parteien Streit darüber, ob ein Anwendungsfall des § 17 Nr. 2 des Anteilskaufvertrages vorliege. Zur Vermeidung der hierdurch begründeten Rechtsunsicherheit und zur Regelung anderer Differenzen seien die Vertragspartner übereingekommen, die Verträge über den Kauf und die Abtretung der GmbH-Anteile rückwirkend aufzuheben und die Verhältnisse vor Abschluss dieses Vertrags wiederherzustellen.
Die Vertragspartner erklärten die Aufhebung des Anteilskaufvertrages vom 4. November 1997 und verpflichteten sich, die jeweils in Erfüllung dieses Vertrages empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Rückgewährverpflichtung bezog sich auch auf die Gewinnbezugsrechte und alle sonstigen Rechte, die die X oder M-AG aufgrund der Beteiligung an der GmbH erworben hatte. Die M-AG trat ihre Anteile an die früheren Veräußerer ab. Die Haftung nach den §§ 433, 459 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie aus positiver Vertragsverletzung wurde ausgeschlossen. Die Gesellschafter der Familie S verpflichteten sich als Gesamtschuldner, den gezahlten Kaufpreis von 11 760 000 DM sowie Zinsen hieraus für die Zeit vom 4. November 1997 bis 31. März 2000 im Gesamtbetrag von 1 270 000 DM, also insgesamt 13 030 00 DM, an die M-AG zurückzugewähren. Die Rückabtretung der als Teil des Kaufpreises hingegebenen Forderungen im Nennbetrag von insgesamt 8 Mio. DM wurde gemäß § 364 Abs. 1 BGB (Leistung an Erfüllungs Statt) dadurch ersetzt, dass die vier Gesellschafter der Familie S einen Betrag von jeweils 2 Mio. DM, also insgesamt 8 Mio. DM, an die M-AG zahlten und ihre jeweiligen Darlehensforderungen behielten. Die sonstigen Kaufpreise in Höhe von 3 760 000 DM waren von dem jeweiligen Empfänger in voller Höhe an die M-AG zurückzuzahlen. Die Vertragspartner vereinbarten, dass die beim Landgericht ... anhängigen Rechtsstreitigkeiten gegenstandslos würden und erledigt seien.
Die Klägerin machte zur Begründung ihres Einspruchs geltend, aufgrund einer Auswechslung der Führungspositionen bei der M-AG hätten gegensätzliche Vorstellungen über die Firmenphilosophie bestanden. Die GmbH sei --nicht nur dadurch-- in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, was im Januar 1999 dazu geführt habe, dass die M-AG nicht das vereinbarte Gesellschafterdarlehen von 2 260 000 DM gewährt habe. Den Gesellschaftern der Familie S seien im Gegenzug finanzielle Unregelmäßigkeiten bei der Geschäftsführung der GmbH vorgeworfen worden. Wegen dieser Streitpunkte seien Klageverfahren anhängig gemacht worden.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Es vertrat die Auffassung, die als Rückabwicklungsvertrag bezeichnete Vereinbarung verwirkliche einen neuerlichen entgeltlichen Übertragungsvorgang; korrespondierend mit der Veräußerung durch die M-AG müsse bei den vier Gesellschaftern der Familie S eine Anschaffung vorliegen. Die Rückabwicklung sei auch nicht deckungsgleich gewesen, weil Gesellschafterdarlehen über 8 Mio. DM bei den Gesellschaftern der Familie S verblieben seien. Selbst wenn die im Anteilskaufvertrag vereinbarte auflösende Bedingung eingetreten wäre, könne dies nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurückwirken.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem Begehren, den ursprünglich erklärten Gewinn aus der Anteilsveräußerung außer Ansatz zu lassen, statt. Es sah den Rückabwicklungsvertrag vom 30. März 2000 als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) an.
Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision eine Verletzung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 i.V.m. § 17 EStG.
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Rückabwicklungsvertrag ein "rückwirkendes Ereignis" i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 i.V.m. § 17 EStG mit der Folge ist, dass im Einkommensteuerbescheid der Klägerin für das Streitjahr 1997 kein Veräußerungsgewinn zu erfassen ist.
1. Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
a) Der im Streitfall angefochtene Einkommensteuerbescheid vom 18. Oktober 2001, der gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens geworden ist, steht weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO 1977. Das FG hat zutreffend angenommen, dass § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977, der die Änderung bereits bestandskräftiger Bescheide regelt, sinngemäß für Bescheide gilt, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen oder rechtzeitig mit dem Einspruch angefochten worden sind. Denn ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung kann auch vorliegen, wenn der Steuer- oder Feststellungsbescheid, in dem der Vorgang zu berücksichtigen ist, überhaupt noch nicht ergangen ist; in diesem Fall ist das rückwirkende Ereignis beim erstmaligen Erlass des Steuer- oder Feststellungsbescheids zu berücksichtigen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Dezember 1994 X R 128/92, BFHE 176, 515, BStBl II 1995, 465, unter 3.a. der Gründe). Entsprechendes gilt, wenn der Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig und deshalb aufgrund eines Einspruchs zu ändern ist.
b) Was unter einem rückwirkenden Ereignis zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher beschrieben, sondern richtet sich nach allgemeiner Meinung nach dem im Einzelfall anzuwendenden materiellen Steuergesetz (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C. II. 1. c der Gründe; BFH-Urteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648; vgl. BTDrucks VI/1982, S. 155).
2. Im Streitfall ist die für die Besteuerung des Veräußerungsgewinns maßgebliche materiell-rechtliche Vorschrift § 17 Abs. 1 und 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG 1997; im Folgenden: EStG). Da die Klägerin innerhalb der letzten fünf Jahre vor Abschluss des Anteilskaufvertrages vom 4. November 1997 zu mehr als einem Viertel an der GmbH beteiligt war, hat der Abschluss dieses Vertrags zunächst zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn im Streitjahr 1997 geführt. Dies ist unstreitig. Umstritten ist allein, ob dieser Gewinn aufgrund des Rückabwicklungsvertrages mit steuerlicher Rückwirkung entfallen ist. Diese Streitfrage hat das FG zu Recht bejaht.
a) Der Große Senat des BFH hat sich in dem Beschluss in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, wann ein "rückwirkendes Ereignis" bei der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung eines Einzelunternehmens gemäß § 16 Abs. 1 und 2 EStG vorliegt. Er hat entschieden, der Ausfall einer gestundeten Kaufpreisforderung für die Veräußerung eines Gewerbebetriebes in einem späteren Veranlagungszeitraum sei ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Veräußerungszeitpunkt. Der Steuerbescheid, in dem der auf der Grundlage des vereinbarten Kaufpreises ermittelte Veräußerungsgewinn erfasst sei, sei gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 so zu ändern, als sei die Kaufpreisforderung bereits im Veräußerungszeitpunkt ausgefallen. Entscheidend sei, dass es sich bei der Betriebsveräußerung um ein einmaliges, punktuelles Ereignis handele, das in besonderer Weise, nämlich ermäßigt, besteuert werde. Nur der tatsächlich erzielte Gewinn könne Anknüpfungspunkt für die nach den §§ 16, 34 EStG begünstigte Besteuerung sein. Dies erfordere es, später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt habe. Dabei sei es unerheblich, welche Gründe rechtlicher oder tatsächlicher Art zur Änderung des Sachverhalts geführt hätten; denn § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 erfordere weder seinem Wortlaut noch seinem Bedeutungszusammenhang nach, dass das spätere Ereignis bereits "im Kern" im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt gewesen sei (unter C. II. 1. b der Gründe).
b) Der erkennende Senat hat in dem Urteil in BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648 entschieden und im Einzelnen begründet, dass die Grundsätze, die der Große Senat zu § 16 EStG aufgestellt hat, auch f ür die Besteuerung des Veräußerungsgewinns gemäß § 17 EStG gelten: Der Tatbestand dieser Vorschrift entspreche in seinem Aufbau und seiner systematischen Stellung innerhalb der Besteuerungstatbestände des EStG demjenigen des § 16 EStG; in beiden Fällen handele es sich um die Besteuerung des Gewinns aus einem einmaligen, punktuellen Ereignis.
Nach dem Urteil in BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648 liegt ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung in dem Fall vor, dass der gestundete Kaufpreis für die Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung wegen einer in einem späteren Veranlagungszeitraum geschlossenen Rücktrittsvereinbarung nicht mehr entrichtet wird. In dem Kaufvertrag war die jederzeitige Rücktrittsmöglichkeit vereinbart und der Kaufpreis war --wie in dem Fall, der der Entscheidung des Großen Senats zugrunde gelegen hat-- noch nicht entrichtet. Der Senat hat ein rückwirkendes Ereignis unabhängig davon bejaht, ob die Veräußerin das Rücktrittsrecht aus privaten und außerhalb des Vertragsverhältnisses liegenden Gründe ausgeübt haben sollte und ob die Rücktrittsgründe bereits "im Kern" im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt gewesen seien. Denn der Große Senat des BFH habe in dem Beschluss in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 entschieden, dass nur ein tatsächlich erzielter Veräußerungsgewinn besteuert werden solle. Werde ein solcher Gewinn nicht erzielt, fehle ein Merkmal des Tatbestands, an den das Gesetz die Besteuerung knüpfe. Deshalb fordere § 17 Abs. 2 EStG, dass jede nach der Veräußerung eintretende Veränderung beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis oder beim Veräußerungstatbestand so lange und so weit auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen sei, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises nicht erfülle. Es sei ohne Bedeutung, ob er seine Leistung aus tatsächlichen Gründen nicht erbringen könne oder sie aus rechtlichen Gründen nicht (mehr) zu erbringen brauche.
c) Der in den vorstehenden Entscheidungen aufgestellte Rechtssatz, jede nach der Veräußerung eintretende Veränderung beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis sei so lange und so weit auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises nicht erfülle, ist nicht isoliert zu sehen. Er ist vielmehr in seinem Kontext mit der weiteren Aussage zu verstehen, es komme nicht darauf an, ob die Rücktrittsgründe bereits "im Kern" im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt gewesen seien. Für den Sachverhalt, dass der Kaufpreis noch nicht beglichen und damit der Kaufvertrag noch nicht abgewickelt ist, soll es auf die Ursache der Störung bei der Vertragsabwicklung nicht ankommen. Der Große Senat und das Senatsurteil in BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648 setzen sich aber nicht mit der für die Entscheidung des Streitfalles erheblichen Frage auseinander --und lassen damit offen (vgl. HG, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1994, 1230 f.; Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1994, 602)--, ob auch ein nach der vollständigen Begleichung des Kaufpreises geschlossener Vergleich über eine Rückgewähr der jeweils empfangenen Leistungen ein "rückwirkendes Ereignis" i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 sein kann.
3. Diese Frage ist dann zu bejahen, wenn der bereits vereinnahmte Kaufpreis, der der Ermittlung des Veräußerungsgewinns gemäß § 17 Abs. 2 EStG zugrunde liegt, aus Gründen zurückzugewähren ist, die im Kaufvertrag selbst angelegt sind.
Für die Annahme, dass auch nach Begleichung des Kaufpreises Ereignisse eintreten können, denen eine steuerliche Rückwirkung beizumessen ist, spricht die Entstehungsgeschichte des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977. Danach verallgemeinert diese Vorschrift die Grundsätze des § 4 Abs. 2 und Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) und soll im Übrigen auch die Änderungsfälle des § 5 StAnpG erfassen. Die Gesetzesmaterialien (BTDrucks VI/1982, S. 155) stellen fest, dass die Vorschrift auch in den Fällen steuerlich wirksamer Steuerklauseln anwendbar sein soll, und verweisen ausdrücklich auf das BFH-Urteil vom 24. August 1961 IV 352/59 U (BFHE 74, 297, BStBl III 1962, 112), das einen derartigen Fall betrifft.
§ 4 Abs. 2 Satz 1 StAnpG bestimmte, dass dann, wenn eine Bedingung eintritt, unter der die Steuerschuld, die Steuerbefreiung, die Steuerermäßigung oder die sonstige Steuervergünstigung wegfällt, die Steuerfestsetzungen und Steuerfeststellungen, bei denen der Eintritt der Bedingung nicht berücksichtigt ist, zurückzunehmen oder zu ändern sind. Entsprechendes galt nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG, wenn ein Merkmal, dessen Vorliegen das Gesetz für eine Steuerschuld, für die Steuerbefreiung, für eine Steuerermäßigung oder für eine sonstige Steuervergünstigung fordert, nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen ist. Nach dem BFH-Urteil in BFHE 74, 297, BStBl III 1962, 112 handelt es sich um eine auflösende Bedingung i.S. des § 4 StAnpG, wenn nach der Vereinbarung der Parteien bei Abschluss eines Veräußerungsvertrages der Vertrag seine Wirksamkeit für den Fall verlieren soll, dass über die tarifliche Begünstigung des sich aus dem Veräußerungsgeschäft ergebenden Gewinns bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine die Vergünstigung bejahende rechtskräftige Entscheidung der dafür zuständigen Stelle nicht ergangen ist. Der BFH hat für die Verpflichtung zur Änderung der Steuerfestsetzung den Eintritt der auflösenden Bedingung unabhängig davon ausreichen lassen, ob der Kaufpreis entrichtet oder teilentrichtet und damit aufgrund des Bedingungseintritts zurückzugewähren war oder ob er noch in vollem Umfang geschuldet wurde. Er hat sich auch nicht daran gestört, dass der Eintritt der Bedingung zivilrechtlich keine rückwirkende Kraft hat (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 21. Mai 1953 - IV ZR 192/52, BGHZ 10, 69, 72).
Der Entstehungsgeschichte der Vorschrift entsprechend, ist auch in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass der Eintritt einer auflösenden Bedingung ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 sein kann (vgl. BFH-Urteile vom 26. August 1986 IX R 6/81, BFHE 148, 240, BStBl II 1987, 164, unter 2. der Gründe; vom 1. Juni 1994 X R 90/91, BFHE 175, 64, BStBl II 1994, 849, unter 3. der Gründe; vom 21. März 1996 XI R 36/95, BFHE 179, 563, BStBl II 1996, 399, unter II.2. der Gründe).
4. Im Streitfall stand der Anteilskaufvertrag nach seinem § 17 Nr. 2 unter verschiedenen auflösenden Bedingungen i.S. des § 158 Abs. 2 BGB. Unter anderem sollte der Vertrag aufgelöst werden, wenn die von der Erwerberin übernommenen Darlehensverpflichtungen nicht rechtswirksam und unwiderruflich durchgeführt werden. Nach § 4 Nr. 3 des Anteilskaufvertrages hatte die Erwerberin u.a. am 1. Januar 1999 ein bereits bestehendes Gesellschafterdarlehen um 2 260 000 DM zu erhöhen. Dadurch, dass die Vertragspartner einen Verstoß der Erwerberin gegen die Pflicht, der GmbH zu einem bestimmten Zeitpunkt ein weiteres Gesellschafterdarlehen zu gewähren, als Grund für die Auflösung des Vertrages vereinbart haben, haben sie dieser Verpflichtung ein Gewicht beigemessen, das derjenigen zur Zahlung des Kaufpreises vergleichbar ist.
Hätte die Erwerberin gegen ihre Verpflichtung zur Gewährung des Darlehens mit der Folge verstoßen, dass die auflösende Bedingung eingetreten wäre, so wären die Beteiligten zur Rückgewähr der jeweils empfangenen Leistungen verpflichtet gewesen. Denn soweit ein auflösend bedingter schuldrechtlicher Vertrag keine Regelungen über den Rückgewähranspruch enthält und sich auch der Parteiwille nicht im Wege der Auslegung ermitteln lässt, sind die bewirkten Leistungen nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzugewähren (BGH-Urteil vom 30. April 1959 VIII ZR 174/58, Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs --LM--, § 159 BGB Nr. 1; Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 62. Aufl., § 159 Anm. 1).
Das bedeutet, dass die Pflicht zur Rückgewähr des Kaufpreises durch die Klägerin die gesetzliche Rechtsfolge des Eintritts der auflösenden Bedingung gemäß § 158 Abs. 2 BGB und damit dann ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 17 EStG i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 wäre, wenn entweder zwischen den Vertragspartnern Einvernehmen darüber bestanden hätte, dass die auflösende Bedingung eingetreten ist, oder wenn in dem zwischen den Vertragspartnern anhängigen Zivilprozess ein entsprechendes Urteil ergangen wäre.
a) Der im Streitfall im Wege des Vergleichs geschlossene Rückabwicklungsvertrag ist nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz ebenso ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung, wie es der Eintritt der auflösenden Bedingung gewesen wäre, wenn dieser zwischen den Vertragspartnern unumstritten gewesen wäre. Denn in diesem Vertrag haben die Beteiligten zur Beilegung ihrer Meinungsverschiedenheiten einvernehmlich Verpflichtungen festgelegt, die sich auch dann hätten ergeben können, wenn die auflösende Bedingung unstreitig eingetreten wäre. Die veräußerten Geschäftsanteile waren zurückzuübertragen und der vereinnahmte Kaufpreis war unabhängig davon zurückzugewähren, ob sich --wie die Klägerin behauptet-- in der Zwischenzeit der Wert dieser Geschäftsanteile verringert hatte. Es besteht kein vernünftiger Grund, einem solchen Vergleich keine steuerliche Rückwirkung beizumessen und die Vertragspartner zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung oder der Fortführung eines bereits anhängigen Verfahrens zu zwingen, wenn die Rückabwicklung tatsächlich durchgeführt wird. Dass auch Absprachen, die im Wege des Vergleichs zwischen den Vertragspartnern getroffen worden sind, unter bestimmten Voraussetzungen Ereignisse mit steuerlicher Rückwirkung sein können, ist in der bisherigen Rechtsprechung des BFH anerkannt (vgl. BFH-Urteile vom 14. Oktober 1966 IV 61/64, BFHE 87, 387, BStBl III 1967, 175; vom 7. September 1972 IV 311/65, BFHE 107, 211, BStBl II 1973, 11; vom 23. April 1975 I R 234/74, BFHE 115, 488, BStBl II 1975, 603; vom 26. Juli 1984 IV R 10/83, BFHE 141, 488, BStBl II 1984, 786; vom 23. Juni 1988 IV R 84/86, BFHE 154, 85, BStBl II 1989, 41; vom 10. Februar 1994 IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564, unter 4.d der Gründe; vom 13. Februar 1997 IV R 15/96, BFHE 183, 39, BStBl II 1997, 535; BFH-Beschluss vom 9. September 1999 IV B 18/99, BFH/NV 2000, 313).
b) Der Auffassung, dass die im Wege eines Vergleichs vereinbarte Rückabwicklung ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 17 EStG sein kann, steht auch nicht das BFH-Urteil vom 21. Oktober 1999 I R 43, 44/98 (BFHE 190, 377, BStBl II 2000, 424) entgegen. Danach liegt in der Rückübertragung eine Veräußerung i.S. des § 17 EStG, wenn der Erwerber einer wesentlichen Beteiligung diese in der Folge auf den Veräußerer zurück überträgt, weil der Veräußerer ihn über den Wert der Beteiligung getäuscht hat. Der I. Senat hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese steuerliche Behandlung des Erwerbers, der die Beteiligung zurück überträgt, keine Bedeutung für die Besteuerung des ursprünglichen Veräußerers habe (vgl. unter II.2.b ee der Gründe).
Anknüpfungspunkt für die Besteuerung beider Vertragspartner nach § 17 EStG ist der tatsächliche Gewinn oder Verlust. Dementsprechend hat der I. Senat seine Entscheidung auch darauf gestützt, dass nicht erkennbar sei, wie die Rechtsprechung zur rückwirkenden steuerlichen Berücksichtigung von Leistungsstörungen auf die Situation des Erwerbers gestaltet werden könnte, der die erworbene Beteiligung zurück überträgt. Denn eine Rückbeziehung des Vermögensverlustes auf den Zeitpunkt des Erwerbs müsse steuerrechtlich schon deshalb ins Leere gehen, weil der Anteilserwerb für den Erwerber immer ein neutraler Vorgang sei. Ebenso, wie die Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung sich für die Vertragspartner steuerlich unterschiedlich auswirkt, ist die unterschiedliche steuerliche Auswirkung bei der Rückübertragung hinzunehmen. Entscheidend ist, dass aus der Sicht des jeweiligen Vertragspartners die Besteuerung entsprechend seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfolgt.
c) Nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz ist im Streitfall die Rückabwicklung auch tatsächlich durchgeführt worden.
Dafür ist entgegen der Rüge der Revision nicht erforderlich, dass vereinnahmte Geldbeträge auch in Geld zurückbezahlt werden. Wenn --wie im Streitfall-- die Vertragspartner anstelle der Rückzahlung eines vereinnahmten Geldbetrages die Abtretung einer Forderung in derselben Höhe gemäß § 364 Abs. 1 BGB an Erfüllungs Statt vereinbaren, wäre darin nur dann keine tats ächliche Rückabwicklung zu sehen, wenn diese Forderung nicht im vollen Umfang werthaltig und deshalb eine Rückabwicklung nur vorgetäuscht gewesen wäre. Für einen derartigen Sachverhalt liegen im Streitfall keine Anhaltspunkte vor.
Dass die Rückübertragung der Geschäftsanteile durch eine 100%ige Tochtergesellschaft der ursprünglichen Erwerberin vorzunehmen war, weil diese zwischenzeitlich Eigentümerin der Anteile geworden war, ist unerheblich, wenn --wie im Streitfall-- die Verpflichtung tatsächlich erfüllt worden ist.
Gegen eine tatsächliche Rückabwicklung spricht entgegen der Auffassung des FA auch nicht, dass die Klägerin nicht nur den an sie gezahlten Kaufpreis zurückgewährt hat, sondern dass außerdem eine Verzinsung vereinbart worden ist. Denn der zurückzugewährende Betrag wäre unabhängig davon zu verzinsen, ob die Rückabwicklung sich nach den Vorschriften über eine ungerechtfertigte Bereicherung oder den Rücktritt vom Vertrag richtet. Die Verpflichtung zur Rückgewähr des Kaufpreises erstreckt sich nach § 818 Abs. 1 BGB i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die gezogenen Nutzungen; zu den Nutzungen zählen auch Zinserträge und sonstige Erträge, die dem Bereicherungsschuldner aus einer kapitalmehrenden Anlage des erlangten Geldbetrages zugeflossen sind oder Zinszahlungen, die er erspart hat, weil er das Geld zur Tilgung von Schulden verwandt hat (vgl. BGH-Urteil vom 6. März 1998 V ZR 244/96, BGHZ 138, 160, 163). Nach § 347 Satz 3 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung ist bei einem Rücktritt eine Geldsumme von der Zeit des Empfanges an zu verzinsen.