· Fachbeitrag · Gesellschaftsrecht
Das Einzelunternehmen als Hemmnis bei der Unternehmensnachfolge
von RA Dr. Jochen Blöse, MBA, FA f. Handels- und Gesellschaftsrecht, Köln
| Es gibt viele gute Gründe, warum ein Gang in die Selbstständigkeit, der ohne Partner angetreten wird, in Form eines Einzelunternehmens erfolgt. Soll das Unternehmen übergeben werden, können jedoch erhebliche Hemmnisse auftreten, die bei der Übertragung von Anteilen an einer Gesellschaft nicht bestehen. Schlimmstenfalls kann dies dazu führen, dass eine Unternehmensnachfolge scheitert. |
1. Vorteile eines Einzelunternehmens
Der Gründungsaufwand ist bei einem Einzelunternehmen gegenüber der Gründung einer Gesellschaft deutlich geringer. Da für den allein tätigen Unternehmer als Gesellschaftsform nur eine Kapitalgesellschaft in Betracht kommt, weil die Gründung einer Personengesellschaft stets zwei Gesellschafter voraussetzt, erspart sich der Einzelunternehmer die Kosten der Errichtung eines Gesellschaftsvertrags, der der notariellen Beurkundung bedarf, und die Eintragungskosten für das Handelsregister. Aber auch nach der Unternehmensgründung bietet das Einzelunternehmen noch (Kosten-)Vorteile. So greifen die nach § 264 Abs. 1 S. 1 HGB bestehenden Verpflichtungen zur Erstellung eines Anhangs und eines Lageberichts nicht. Handelt es sich bei dem Einzelunternehmen nicht um ein kaufmännisches, sondern um ein freiberufliches, so besteht auch keine Verpflichtung zur Aufstellung eines Jahresabschlusses nach § 242 HGB.
2. Vermögenssphären des Einzelunternehmers
Unternehmensträger ist beim Einzelunternehmen der Unternehmer als natürliche Person. Insoweit ist die weit verbreitete Vorstellung, dass in rechtlicher Hinsicht eine Differenzierung zwischen Privat- und Betriebsvermögen besteht, unzutreffend. Zivilrechtlich besteht lediglich eine Vermögensmasse, die in vollem Umfang für durch den Unternehmer begründete Verbindlichkeiten haftet.
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U ist als Einzelunternehmer Inhaber eines Dachdeckerbetriebs. Der Materiallieferant L hat Forderungen in Höhe von 100.000 EUR. Da der Kunde K mit dem Ausgleich der Werklohnforderung des U in Verzug geraten ist, weist das für den Dachdeckerbetrieb unterhaltene Bankkonto keine ausreichende Deckung auf, um den Anspruch des L zu bedienen. U ist der Meinung, dass dies das Problem von L ist. An sein Privatkonto „komme L ja nicht heran“. |
Dies ist unzutreffend. Da ‒ wie vorstehend ausgeführt ‒ zivilrechtlich nicht zwischen dem privaten und dem betrieblichen Vermögen unterschieden wird, haftet U mit allem was er hat für die Verbindlichkeiten, die betrieblich verursacht wurden. Würde L seine Forderung titulieren lassen, könnte mit diesem Titel auch in das private Bankkonto von U vollstreckt werden.
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U hat für sich und seine Familie ein Wohnhaus erworben. Da er einen hohen Lebensstandard pflegt, kommt er mit der Bedienung von Zins und Tilgung für das zum Erwerb des Gebäudes aufgenommene Immobiliendarlehen in Verzug. Für den Dachdeckerbetrieb wird ein Lager geführt, das sich in einer Halle befindet, die im Eigentum des U steht. U meint, dass die Bank, die das Immobiliendarlehen gewährt hat, „schlimmstenfalls sein Privathaus pfänden könne“, die Lagerhalle hingegen sei dem Zugriff der Bank entzogen. |
Auch dies ist unzutreffend. Es gilt hier, ebenso wie in Beispiel 1, dass privates und betriebliches Vermögen eine einheitliche Haftungsmasse für die Verbindlichkeiten, die im privaten als auch im unternehmerischen Bereich begründet wurden, darstellen. Die das private Wohnhaus finanzierende Bank könnte bei Vorliegen der vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen demnach auch die Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung der zum Betriebsvermögen gehörenden Halle betreiben.
Beachten Sie | Diese Haftungsproblematik ist einer der wesentlichen Gründe dafür, dass die Unternehmensnachfolge in Einzelunternehmen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein kann.
3. Modalitäten der Unternehmensnachfolge
Der wesentliche Unterschied der Unternehmensnachfolge bei einerseits einem Einzelunternehmen und andererseits einer Gesellschaft liegt darin, dass bei einem Einzelunternehmen auf jeden Fall eine Einzelrechtsnachfolge bezüglich aller zum Betrieb gehörenden Vermögensgegenstände erforderlich ist, während dies bei einer Gesellschaft vermeidbar ist.
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A ist Alleingesellschafter der A-GmbH. Aus Altersgründen möchte er das von dieser Gesellschaft betriebene Unternehmen übertragen. N ist an der Unternehmensnachfolge interessiert. Die Übertragung des Unternehmens kann hier dergestalt erfolgen, dass A seine Geschäftsanteile an der A-GmbH auf N überträgt. Alle zum Unternehmen gehörende Einzelvermögensgegenstände, z. B. die Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie das Warenlager, gehen sozusagen mit über. Dabei liegt in rechtstechnischer Hinsicht noch nicht einmal ein Übergang vor, da Eigentümer der einzelnen Vermögensgegenstände die A-GmbH ist und sich an dieser Eigentümerstellung auch dadurch nichts ändert, dass bei der GmbH ein Gesellschafterwechsel stattfindet. In gleicher Weise bleiben im Grundsatz auch die bestehenden Vertragsbeziehungen der A-GmbH vom Gesellschafterwechsel unberührt ‒ ebenso wie langlaufende oder noch nicht vollständig erfüllte Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Lieferanten sowie Kunden. Zu achten ist allerdings darauf, ob in den entsprechenden Vertragsverhältnissen Kündigungsrechte für den Fall eines Gesellschafterwechsels vorgesehen sind. |
Bei einem Einzelunternehmen gestaltet sich die Rechtsnachfolge ganz anders. Da die natürliche Person des Einzelunternehmers Eigentümer des Betriebsvermögens ist, müssen sämtliche Vermögensgegenstände im Wege der Einzelrechtsnachfolge übertragen werden.
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U möchte seinen Dachdeckerbetrieb auf N übertragen. Zu diesem Zweck sind vertragliche Vereinbarungen zwischen U und N erforderlich, die den Anforderungen des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes genügen. Dies bedeutet, dass die übereigneten Gegenstände im Übereignungsvertrag durch einfache äußere Merkmale so bestimmt bezeichnet werden müssen, dass sich aus dem Vertrag selbst eine Unterscheidbarkeit zu anderen Vermögensgegenständen ergibt (Grüneberg-Herrler, BGB, 81. Aufl. 2022, § 930 Rn. 2). |
Werden z. B. in dem von U betriebenen Dachdeckerunternehmen verschiedene Fahrzeuge benutzt, so sind diese im Einzelnen so hinreichend zu beschreiben, dass die damit erforderliche Unterscheidbarkeit erreicht wird.
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Zu dem zu übertragenden Betrieb gehören insgesamt fünf Mercedes Pritschenwagen. U meint, es sei ausreichend, in den Kaufvertrag mit N das Baujahr und die Farbe der Fahrzeuge aufzunehmen. Dies ist mit Sicherheit unzutreffend, da durch diese Angaben keine ausreichende Unterscheidbarkeit zu anderen Fahrzeugen dieses Typs gewährleistet ist. Üblich ist vielmehr die Angabe der Fahrzeugidentifikationsnummer. |
Allerdings gelten gewisse Erleichterungen, die gerade bei Unternehmenskäufen hilfreich sind. So ist es bei Sachgesamtheiten ‒ z. B. einem Warenlager ‒ ausreichend, eine Sammelbezeichnung zu wählen, solange dadurch klargestellt ist, dass der Übereignungswille sich auf sämtliche Einzelgegenstände erstreckt, die unter die Sammelbezeichnung gefasst werden (BGH 13.1.92, II ZR 11/91, NJW 92, 1161 f.).
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Bei der Übertragung des Dachdeckerbetriebs von U auf N soll auch das Warenlager übergehen. Zu dessen wirksamer Übereignung ist es ausreichend, dass der Standort des Lagers hinreichend beschrieben bzw. ‒ wenn das Lager nur eine Teilfläche der Halle belegt ‒ die genaue Position in der Halle festgelegt wird. |
4. Vorbereitung der Übertragung eines Einzelunternehmens
Ein wesentliches Hemmnis für die Unternehmensnachfolge sind bei einem Einzelunternehmen also der größere Aufwand bei der Gestaltung des Übertragungsvertrags und die Haftungsproblematik. Hinzu kommen u. U. steuerliche Nachteile, da z. B. die aus § 34 EStG folgenden Vergünstigungen nur eingeschränkt in Anspruch genommen werden können. Will man diese Hemmnisse vermeiden, so ist zu überlegen, ob vor einer Übertragung des Unternehmens auf einen Nachfolger ein Rechtsformwechsel vollzogen wird. Grundsätzlich sind dazu zwei Wege geeignet: Zum einen kann das Einzelunternehmen im Wege der Sacheinlage in eine Gesellschaft eingebracht werden. Zum anderen kommt eine Ausgliederung i. S. d. §§ 152 ff. UmwG in Betracht.
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U möchte zur Vorbereitung einer Übertragung seines Unternehmens eine GmbH gründen. Angedacht ist dazu, dass das Betriebsvermögen in eine neu zu gründende Gesellschaft eingelegt wird. |
Dies ist ein gangbarer Weg, der jedoch genau mit den Nachteilen verbunden ist, die unter dem Gesichtspunkt des Aufwands bei der Übertragung eines Einzelunternehmens auf einen Nachfolger zu bedenken sind. Auch bei der Sacheinlage findet eine Einzelrechtsnachfolge statt, sodass der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten ist. Dem kann im Übrigen nicht entgegengehalten werden, dass doch im ersten Schritt alles in einer Hand bleibe, da eine Vermögensübertragung von U auf eine Gesellschaft stattfindet, deren Alleingesellschafter er zunächst ist. Da bei der Sachgründung das Registergericht zu prüfen hat, ob das Stammkapital wirksam aufgebracht wurde, sind die Abgrenzung des übertragenen Vermögens und dessen genaue Bezeichnung mit derselben Sorgfalt festzulegen, wie dies auch bei einer Übertragung auf einen Unternehmensnachfolger der Fall wäre.
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Nachdem U auf den beschriebenen Nachteil aufmerksam gemacht wurde, plant er, eine Ausgliederung vorzunehmen. |
Bei der Ausgliederung findet eine sogenannte partielle Gesamtrechtsnachfolge statt. Wie unter 2. dargestellt, ist bei U im zivilrechtlichen Sinne nur eine Vermögensmasse vorhanden, die sich aus seinem Privat- und dem Betriebsvermögen zusammensetzt. Bei der Ausgliederung wird der zum Betrieb gehörige Teil des Vermögens vom privaten Restvermögen des U separiert und auf eine neue Gesellschaft übertragen. Dabei muss das zu übertragende Vermögen ebenfalls definiert werden, d. h. auch hier müssen die auf die GmbH übergehenden Vermögensgegenstände bezeichnet werden. In der Praxis geschieht dies üblicherweise unter Bezugnahme auf die meist in der Buchhaltung des Unternehmens bereits vorhandenen Unterlagen, z. B. das Anlagenverzeichnis. Allerdings kommt eine Ausgliederung nur dann in Betracht, wenn das Einzelunternehmen in das Handelsregister eingetragen ist (§ 152 S. 1 UmwG). Eine Handelsregistereintragung setzt wiederum die Kaufmannseigenschaft voraus, die nicht bei jedem Einzelunternehmen gegeben ist.
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K betreibt eine Praxis für Krankengymnastik als Einzelunternehmen und sucht altersbedingt einen Nachfolger. Aufgrund der beschriebenen Schwierigkeiten bei der Übertragung eines Einzelunternehmens plant er, seine Praxis in eine GmbH zu überführen. Er fragt sich, ob dies im Wege der Ausgliederung möglich ist. |
Für K besteht diese Möglichkeit nicht. Als Krankengymnast übt er einen freien Beruf aus (siehe § 1 Abs. 2 PartGG und § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und ist daher kein Kaufmann. Daher kommt eine Handelsregistereintragung und somit auch eine Ausgliederung nicht in Betracht.
Ist die Übertragung des Vermögens auf eine Gesellschaft geschehen, haben sich die genannten Schwierigkeiten im Wesentlichen erledigt. Die Unternehmensnachfolge geschieht dann im Wege der Geschäftsanteilsübertragung und der Nachfolger erwirbt eine Gesellschaft, die von vornherein eine haftungsbeschränkende Wirkung hat. Diese Haftungsbeschränkung kann natürlich vom Nachfolger auch dadurch erzielt werden, dass er selbst eine Umwandlung in eine haftungsbeschränkte Rechtsform vornimmt. Dann ist jedoch dafür Sorge zu tragen, dass mit dem Erwerb des Geschäftsbetriebs keine Altverbindlichkeiten übergehen bzw. keine Haftung für Altverbindlichkeiten entsteht.
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Trotz Bedenken hat N sich entschlossen, den Dachdeckerbetrieb des U in der Rechtsform des Einzelunternehmens zu erwerben. Dieses Unternehmen trat unter der Firma „U Dachdeckerei und Spenglerei“ auf. Nach Erwerb des Betriebs setzt N dieser Firma „Nachfolger N“ hinzu. Lieferant L, der vor der Übertragung des Betriebs auf N Material geliefert hat, das noch nicht bezahlt ist, verlangt nun von N den Ausgleich seiner Forderungen. |
Im vorliegenden Fall kommt eine Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB in Betracht. Dies hat zur Konsequenz, dass N mit seinem gesamten ‒ d. h. auch dem seiner Privatsphäre zuzuordnenden ‒ Vermögen für die Altverbindlichkeit haftet. Diese Konsequenz kann sich schon im Grundsatz nicht ergeben, wenn das Betriebsvermögen im Wege der Sacheinlage oder einer Ausgliederung auf eine GmbH, die N sodann erwirbt, übertragen wird. Hier haftet zwar die GmbH für die vor der Übernahme durch N begründeten Verbindlichkeiten, ein Durchgriff auf das Privatvermögen des N findet allerdings nicht statt.
FAZIT | Folgende Punkte sind bei einem Einzelunternehmen zu beachten:
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Weiterführende Hinweise
- Anna Rehfeldt, Haftungsrisiken bei der Unternehmensnachfolge, BBP 21, 291