· Fachbeitrag · Praxisbericht für Steuerberater
Stolperfallen beim Verkauf eines Handwerksunternehmens an einen strategischen Investor
von Ingo Claus, claus@kern-unternehmensnachfolge.com
| Im folgenden Artikel erläutern wir anhand eines konkreten Fallbeispiels ‒ dem Verkauf eines spezialisierten Elektrounternehmens ‒ wie der Prozess eines Unternehmensverkaufs abläuft, welche Herausforderungen dabei entstehen können und wie sich Stolperfallen umgehen lassen. Für Steuerberater bietet dieser Artikel wertvolle Einblicke in die Zusammenarbeit mit einem M & A-Berater und zeigt auf, wie diese beiden Rollen im Nachfolgeprozess komplementär agieren können. |
1. Phasen des Verkaufsprozesses
Der Beitrag basiert auf folgendem konkreten Beispiel:
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Spezialisierter Installationsbetrieb mit 15 MA
Herausforderung zielorientierte Moderation | |
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Phase 1: Verkaufsprozess beginnt ‒ Strategische Vorbereitung
In unserem Praxisfall ging es um den Verkauf eines spezialisierten Elektrounternehmens mit einem Jahresumsatz von etwa 2 Mio. EUR und zwölf Mitarbeitern. Der Eigentümer, der das Unternehmen über viele Jahre erfolgreich aufgebaut hatte, suchte aus Altersgründen nach einem Käufer. Das Unternehmen war regionaler Marktführer und hatte eine sehr gute Auftragslage. Die Geschäfte liefen konjunkturunabhängig und immer profitabel, und der Kundenstamm bestand fast ausschließlich aus Stamm- und Empfehlungskunden.
Der potenzielle Käufer war ein strategischer Investor aus derselben Branche mit einem Jahresumsatz von über 10 Mio. EUR. Er hatte das Ziel, durch Zukäufe in umsatzschwächeren Regionen zu expandieren. Für den Verkäufer war dies eine reizvolle Perspektive, da der Investor die Besonderheiten der Branche kannte und die zukünftige Unternehmensentwicklung durch eine stärkere regionale Präsenz und Synergieeffekte vorantreiben wollte. Dennoch lauerten bereits in dieser frühen Phase erste Stolperfallen.
Die erste Herausforderung bestand darin, die unterschiedlichen Preisvorstellungen in Einklang zu bringen. Gemeinsam mit dem Verkäufer erarbeiteten wir eine Unternehmensbewertung und entwickelten einen Kaufpreiskorridor, der sich an marktüblichen Konditionen realisierter Unternehmensverkäufe orientierte. Naturgemäß setzten wir mit unserem Verkäufer auf einen hohen Kaufpreis, während der Investor den Kaufpreis strategisch abwägte.
Das professionell vorbereitete indikative Angebot des Käufers lag nur zwei Wochen nach dem ersten Kennenlernen und dem Austausch von Vertraulichkeitserklärung und Exposé vor. Es lag etwa 15 % unter dem höchsten Mitbewerberangebot, was jedoch durch ein besseres Chancen-Risiken-Profil relativiert wurde. Hier half der M & A-Berater des Käufers, Zeit zu gewinnen und eine gute Verhandlungsposition zu erzielen.
Phase 2: Indikatives Angebot und Letter of Intent
Das indikative Angebot war nur der erste Schritt. Nach den ersten Verhandlungen wurde die Absichtserklärung, der sogenannte Letter of Intent (LoI) aufgesetzt. In diesem Dokument wurden die wesentlichen Eckpunkte der Transaktion festgelegt: Preis, Transaktionsstruktur und Zeitplan. Für beide Seiten war es wichtig, den Prozess klar zu definieren, um Missverständnisse zu vermeiden.
Auch bei der Formulierung der Absichtserklärung kann es zu Stolperfallen kommen. Ein häufiger Fehler ist die Formulierung von zu ambitionierten Erwartungen im LoI. Im vorliegenden Fall half der M & A-Berater des Käufers, die in der Absichtserklärung formulierten Ziele/Erwartungen auf ein realistisches Maß zu reduzieren und eine einfache Transaktionsstruktur zu wählen. So wurde sichergestellt, dass sowohl der Verkäufer als auch der Käufer von Anfang an ein gemeinsames Verständnis zur Transaktionsstruktur hatten.
Phase 3: Die Due Diligence
Der Due Diligence-Prozess ist häufig die größte Herausforderung bei Unternehmensverkäufen. Dabei wird das Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft, um potenzielle Risiken zu identifizieren. Im vorliegenden Fall begann die Due Diligence bereits drei Monate nach Projektstart und war ursprünglich auf vier Wochen angesetzt.
Um den Aufwand für die Due Diligence kalkulierbar zu machen, definierten die Berater von Verkäufer und Käufer zu Anfang einen projektangemessenen Fragenkatalog von rund 80 Fragen.
Doch dann passierte etwas, das die Dauer der Due Diligence von geplant einem Monat auf drei Monate verlängerte: Der Rechtsanwalt des Käufers stellte plötzlich über 600 zusätzliche Fragen, die teilweise völlig unpassend für ein regional tätiges Handwerksunternehmen waren. Fragen nach der Regelkonformität des Unternehmens mit amerikanischen Kapitalmarktregelungen, globalen Markenschutz- und IP-Rechten sowie Aufsichtsstrukturen verzögerten den Prozess erheblich.
Diese sprichwörtliche Überfrachtung einer Due Diligence mit Fragen, die nichts mit dem zum Verkauf stehenden Unternehmen zu tun haben, ist ein klassischer Stolperstein, der fast zum Abbruch der Verhandlungen führte.
PRAXISTIPP | Achten Sie darauf, dass der Due Diligence-Prozess projektangemessen gestaltet ist. Stellen Sie im Vorfeld sicher, dass die Fragenkataloge abgestimmt und unnötige Fragen gestrichen werden. Stimmen Sie klare Zeiträume ab, und versuchen Sie, eine wiederholte Erweiterung des Fragenumfangs nicht zuzulassen. |
Phase 4: Kaufvertragsverhandlungen
Nach Abschluss der Due Diligence begannen die Verhandlungen über den Kaufvertrag. Doch auch hier traten erneut Schwierigkeiten auf. Der Rechtsanwalt des Käufers, der keine Erfahrung mit Unternehmensverkäufen und im Gesellschaftsrecht hatte, präsentierte einen Vertragsentwurf, der weitreichende Garantien und eine Rücktrittsklausel enthielt. Diese aus dem Verbraucherrecht bekannte Klausel hätte es dem Käufer ermöglicht, den Vertrag noch 14 Tage nach der notariellen Beurkundung zu widerrufen ‒ ein gravierender Fehler, der das gesamte Projekt gefährdete.
Ein weiteres Problem waren die unklaren Kommunikationswege. Die Verhandlungen liefen nicht zentral über einen Ansprechpartner, sondern wurden parallel geführt, was zu Missverständnissen und Verzögerungen führte. Hier zahlte sich die Erfahrung des M & A-Beraters auf der Verkäuferseite aus, der versuchte, die Verhandlungen wieder zu kanalisieren und die Gefahr des Vertrauensverlusts und eines Projektabbruchs zu minimieren.
PRAXISTIPP | Für Steuerberater ist es wichtig, auf klare Kommunikationswege und eine zentrale Moderation zu achten. Unterstützend wirkt hier die Einbeziehung eines transaktionserfahrenen Verhandlungsbegleiters, der schon frühzeitig aufziehende Probleme erkennt und versucht, diese zu beseitigen. Parallele Kommunikation führt fast immer zu Missverständnissen und kann den gesamten Verkaufsprozess gefährden. |
Phase 5: Der Notartermin
Nach fast einem Jahr Verhandlungen war es endlich so weit: Der Notartermin stand an. Normalerweise ist dieser Termin nur eine Formsache, bei der die zuvor vereinbarten Vertragsdetails offiziell beurkundet werden. Doch auch hier drohte das Projekt kurz vor dem Abschluss zu scheitern. Der Käufer versuchte, noch im Notartermin über letzte Vertragsdetails zu verhandeln, was zu erheblichen Spannungen mit dem Verkäufer führte.
PRAXISTIPP | Für uns als M & A-Berater ist klar: Verhandlungen im Notartermin sind ein absolutes No-Go. Solche Diskussionen enden nicht selten in einem Abbruch der Verhandlungen. Hier müssen Steuerberater ihren Mandanten vorab umfassend beraten und im Vorfeld sicherstellen, dass bis zum Notartermin alle wesentlichen Punkte bereits vorab geklärt sind und der Vertrag zur Zufriedenheit beider Seiten vorbereitet ist. |
Phase 6: Post-Merger-Integration
Nachdem der Notartermin erfolgreich abgeschlossen wurde, begann die Phase der Post-Merger-Integration (PMI). Der Käufer musste das neu erworbene Unternehmen in seine bestehende Struktur integrieren, was nicht ohne Herausforderungen verlief. Der M & A-Berater des Käufers spielte hier erneut eine wichtige Rolle, indem er die Integration begleitete und für einen reibungslosen Übergang sorgte.
PRAXISTIPP | Viele Unternehmer unterschätzen, wie schwierig es sein kann, zwei Unternehmen miteinander zu verschmelzen. Steuerberater sollten ihre Mandanten darauf hinweisen, dass der Kaufabschluss nicht das Ende, sondern erst der Anfang eines neuen Prozesses ist. Gleichzeitig trägt eine erfolgreiche Post-Merger-Integration maßgeblich zum langfristigen Erfolg der Transaktion bei. |
2. Der Mehrwert eines M & A-Beraters für Steuerberater
Wie dieses Fallbeispiel zeigt, ist der Verkauf eines Handwerksunternehmens an einen strategischen Investor mit zahlreichen Stolperfallen verbunden. Steuerberater spielen in diesem Prozess eine wichtige Rolle, um die steuerlichen und wirtschaftlichen Interessen ihrer Mandanten zu schützen. Ergänzend unterstützt ein M & A-Berater die effiziente Steuerung des Verkaufsprozesses, erkennt aufziehende Probleme frühzeitig und trägt mit seiner Transaktionserfahrung und über die Vermittlung zwischen unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse zum erfolgreichen Abschluss der Unternehmensnachfolgen bei.
Ein erfahrener M & A-Berater bietet für einen Steuerberater drei wesentliche Ergänzungen als „Werkbankverlängerung“ zum bestehenden Beratungsangebot einer Steuerkanzlei:
2.1 Überregionales Netzwerk mit tiefer regionaler Verankerung
Auf den Unternehmensverkauf von Familienunternehmen fokussierte Spezialisten wie KERN-Unternehmensnachfolge betreuen konstant mehrere Hundert Verkaufsmandate und Investorengesuche. Hier verbindet sich ein überregionales Netzwerk mit der tiefen regionalen Verwurzelung einzelner M & A-Berater in ihren Heimatregionen. Für die Mehrheit der Steuerberater bedeutet dies eine überregionale Erweiterung ihrer zumeist regionalen Netzwerke. Denn Investoren für Unternehmensnachfolgen suchen und agieren zunehmend im gesamten deutschsprachigen Raum.
2.2 Käuferpool mit Kenntnis der Transaktionshistorie
Üblicherweise verfügt ein M & A-Berater über einen umfangreichen und überregionalen Pool von Tausenden potenziellen Käufern, die er aus unterschiedlichsten Transaktionen kennt. Die Kenntnis der Investorenprofile und Kapitalausstattung von strategischen Investoren, Privat-Equity-Häusern und Management-Buy-In-Kandidaten und das Wissen um deren konkrete Vorgehensweise verkürzt den zeit- und kostenaufwendigen Recherche- und Ansprache- und Verhandlungsprozess deutlich. Somit unterstützt ein M & A-Profi die schnelle und zielgerichtete Ansprache der richtigen Investoren.
Dies macht insbesondere in vielen Bereichen des Handwerks und des Dienstleistungssektors Sinn, die zum Teil von hohem Konsolidierungsdruck geprägt sind. Steuerberater können hier direkt auf die Transaktionserfahrungen und das Know-how der M & A-Berater zu aktuellen Entwicklungen und Transaktionserfahrungen in Einzelbranchen zurückgreifen.
2.3 Langjährige Prozesserfahrung
Durch die Vielzahl von Nachfolgemandaten verfügt ein M & A-Berater zumeist über eine langjährige Prozesserfahrung, um den Unternehmensverkauf gut vorzubereiten, Wertsteigerungspotenziale zu heben und Stolperfallen zu umgehen. Mit seiner Erfahrung und seinem Netzwerk unterstützt er den Steuerberater und hilft, den Verkaufsprozess schnell und erfolgreich zum Abschluss zu bringen.
FAZIT | Im Idealfall finden sich der verkaufende Unternehmer mit seinem Steuerberater und dem M & A-Berater zu einem Team zusammen. Die enge Zusammenarbeit zwischen Steuerberatern und M & A-Beratern ist der Schlüssel, um komplexe Unternehmensverkäufe und Nachfolgeprojekte erfolgreich zu managen und die Interessen seitens Verkäufer und Käufer zu wahren. |