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  • · Fachbeitrag · Unternehmenswert

    Kein Hexenwerk: Steigerung des Unternehmenswerts bei Versicherungsmaklern

    von Dr. Peter Schmidt, Bernau

    | Versicherungsmakler befassen sich mit der Frage des Unternehmenswerts und den Möglichkeiten der Wertsteigerung häufig erst dann, wenn es um die Themen wirtschaftliche Schieflage des Unternehmens und um Nachfolge oder Verkauf geht. Zwei von drei Versicherungsmaklern haben nur einen Umsatz von bis zu 50.000 EUR und arbeiten allein oder mit maximal einem Mitarbeiter. Statt gezielter Wertsteigerung steht das wirtschaftliche Überleben im Mittelpunkt. Dabei gibt es einige Stellschrauben, die sich im Alltag auch neben Beratung und Verkauf wirksam nutzen lassen. |

    1. Inhaber als Hauptträger des Unternehmenswerts

    Wie bei anderen Einzelunternehmern und mittelständischen Unternehmen ist die Rolle des Inhabers als Hauptträger des Unternehmenswerts als feste Größe zu berücksichtigen. Liegt bei diesem das Monopol in Sachen Kenntnisse, Fähigkeiten und Netzwerk, wird dies bei einem möglichen Verkauf zu nachvollziebaren Bedenken bei den Käufern führen. Wertsteigernde Maßnahmen sind in diesem Fall Investitionen in die Qualifikation sowie die Weiterbildung des Inhabers, ein möglicher Mitarbeiteranbau und die geeignete Transformation des Know-hows.

     

    Direkt mit dem Inhaber verbunden sind dessen Netzwerk und Kundenzielgruppen, die zu Wertfaktoren werden. Ist der Unternehmer gut in der Region in Vereinen, Verbänden oder die Kommunalpolitik eingebunden, dann ist es leichter, für seine Zielgruppe(n) wertsteigernde Maßnahmen zu erkennen und umzusetzen. Konzentriert sich das Geschäft dagegen nur auf wenige und eng mit dem Inhaber verbundene Kunden, sind diese Art Top-Kunden für den Wertzuwachs eher ausgereizt und werden bei Firmenbewertungen häufig als wertsenkende Kumulrisiken angesehen. Bei solchen Konstellationen muss bei einer Übernahme viel in Neukundenakquise und Marketing investiert werden.

    2. Mitarbeiter, Kunden und „Lieferanten“ als Wertfaktoren

    Mitarbeiter können mit ihrem Know-how in Arbeitsteilung mit dem Chef wichtige werttragende Faktoren sein. Arbeitsteilung trägt zur Professionalisierung, Spezialisierung und besserem Kundenservice bei. Ist das Team von gut qualifizierten Mitarbeitern seit Jahren eingespielt, kann auf diese Ressourcen auch beim Brainstorming für gewünschte Verbesserungen und die Wertsteigerung gesetzt werden. Immer wieder ist festzustellen, dass Mitarbeiter Schwächen und Potenziale der Firma besser erkennen als der Chef.

     

    Wenig förderlich für eine Wertentwicklung sind Stillstand in der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter, höhere Fluktuationsraten und der Verzicht auf Neueinstellung von jungen Mitarbeitern. Das Investment in Mitarbeiterbindungs- und Qualifizierungsprogramme wirkt auf Dauer wertsteigernd. Für den Bereich der Finanz- und Versicherungsmakler hat sich in Fragen der fortlaufenden Qualifizierung positiv ausgewirkt, dass der Gesetzgeber ‒ wie in anderen Branchen auch ‒ eine Mindestweiterbildungspflicht von 15 Stunden pro Jahr auferlegt hat, die von den zuständigen IHKen kontrolliert wird.

     

    Allgemeine Wertfaktoren im Bereich der Kunden sind die Qualität und Dauer der Vertragsbeziehungen zu Kunden und die digitale Verwaltung der Kundendaten sowie der Beziehungen zu den Produktpartnern und „Lieferanten“. Letztere sind bei Finanz- und Versicherungsmaklern vor allem die Produkte liefernden Versicherungsunternehmen, Assekuradeure und Finanzdienstleister wie z. B. Fondsgesellschaften.

     

    In einer Zwischenstellung zwischen Kunden und Versicherer befinden sich Dienstleister, d. h. Maklerpools. Maklerpools sind meist keine Produktanbieter im herkömmlichen Sinne. Sie sind als Einkaufsgemeinschaften entstanden. Im Laufe der letzten 20 Jahre haben sich diese Pools zu wertvollen Dienstleistern für Makler und die Produktanbieter entwickelt, die Produkte zu Großhandelspreisen bei Versicherern „einkaufen“ und dann an Makler ausreichen. Außerdem werden Angebots- und Vergleichsrechner angeboten. Pools unterstützen Makler bei der technischen Kundenverwaltung und mit Angeboten bei der Weiterbildung. Zu den technischen Leistungen gehören auch Applikationen (Apps), die Makler und Kunden zu einer effektiveren Datenverwaltung und für Services nutzen können. Aktuell gibt es ca. 30 Maklerpools, wovon 23 in der jährlichen „Pool-Hitliste“ von Cash.ONLINE mit ihren Geschäftszahlen aufgeführt werden.

     

    Die nach Umsatz führenden Maklerpools Deutschlands haben inzwischen bei Provisionseinnahmen Volumina von über 100 Mio. EUR erreicht. Der umsatzstärkste Maklerpool ist die Fonds Finanz GmbH aus München mit ca. 160 Mio. EUR Umsatz 2018. Von den Provisionseinnahmen wird ein Anteil an die angebundenen und für den Pool vermittelnden Makler weitergereicht. Diese Anteile sind unterschiedlich hoch und betragen zwischen 80 und 100 %. Werden 100 % der von den Versicherern ausgezahlten Provision an den Makler ausgeschüttet, muss dieser eine Servicegebühr für die Nutzung der Infrastruktur des Pools bezahlen.

    3. Wertfaktoren Workflow, Infrastruktur und Organisation

    Wie bei allen Unternehmen tragen die Bereiche Workflow, Infrastruktur und Organisation maßgeblich zur Wertschöpfungskette bei. Je nach Ausgestaltung können sich starke Differenzierungen zum Markt und damit unterschiedliche Rentabilitäten ergeben. Allein schon der Grad der Digitalisierung und eine passende technische Infrastruktur gewinnen eine immer größere Bedeutung auch für Versicherungsmakler und für die Wertbestimmung vor einem Verkauf.

     

    3.1 (Digitaler) Workflow

    Ein optimal gestalteter digitaler Workflow mit Arbeitsteilung, Standardisierung und Spezialisierung trägt zum Wert und letztlich auch zum Ertrag des Unternehmens deutlich mehr bei als eine Arbeitsweise, die als analog, spontan und einzelfallbezogen zu charakterisieren ist.

     

    3.2 Infrastruktur

    Bei der Infrastruktur nehmen die IT sowie der Grad der Digitalisierung und Automatisierung einen bedeutenden Raum ein. Eine zeitgemäße IT-Basis eines Versicherungsmaklers kann so zusätzliche wertschöpfende Aspekte erbringen. Beispielsweise können damit Elemente der Kundenbetreuung und -verwaltung automatisiert werden und benötigen keinen größeren Einsatz von Mitarbeitern. Viele Möglichkeiten der mobilen Kundenberatung und -betreuung fördern den Kundenservice vor Ort und eine Arbeitsatmosphäre für die Mitarbeiter, die anspruchsvoll und förderlich für die wesentlichen Beratungsprozesse ist.

     

    • Beispiel: moderne Infrastruktur

    Große Maklerunternehmen betreuen viele tausend Kunden mit Versicherungsverträgen. So gibt es täglich zahlreiche Schadensmeldungen oder Wünsche auf Anpassung des Versicherungsschutzes. Dies bringt einen enormen Post- und E-Mail-Verkehr mit sich. Führende CRM-Systeme sind in der Lage, zu erkennen, welche Informationen auf diesen Wegen beim Makler ankommen. Moderne IT-Systeme können per intelligenter Texterkennung die Archivierung, Sortierung und Weiterleitung an die betreffende Stelle automatisch erledigen. Das spart Zeit und Kosten.

     

    3.3 Organisation

    Auch im Bereich Organisation liegen Stärken oder Schwächen für die Wertschöpfungskette. Klare Stellen- und Aufgabenbeschreibungen legen die Grundlage für die Vermeidung von Doppelarbeit und die Abgrenzung von Aufgabengebieten. Eindeutige Grundsätze für die Fixierung von Kundenwünschen und feste Regeln für die Dokumentation von erbrachten Leistungen (Beratungen) wirken wertmäßig positiv. Hinzu kommen Agreements zu Dienstleistungsgrundsätzen oder ‒ beim Makler ‒ speziellen Deckungskonzepten. Vielfach werden dazu auch entsprechende DIN-Normen als Handlungsanweisung genutzt, die bei der Vertriebsorganisation ihre Wirkung entfalten können.

     

    Die rechtliche Stellung des Versicherungsmaklers wurde in einem Urteil des BGH vom 22.5.85 herausgearbeitet und wird als „Sachwalterurteil“ (Iva ZR 190/83) bezeichnet. Darin wird ausgeführt: „Der Versicherungsmakler ist für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers dessen Sachwalter; deshalb trifft ihn die Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei vertragsgerechter Erfüllung seiner Aufklärungspflichten und Beratungspflichten eingetreten wäre.“ Daraus leitet sich ab, dass ein Versicherungsmakler für seine Kunden besondere Aufklärungs- und Beratungspflichten hat. Nimmt er diese ernst, muss er den organisatorischen Ablauf seiner Beratungen so gestalten, dass er die Situation und die Risiken beim einzelnen Kunden möglichst umfassend aufklären kann. Allein der Verkauf einer offensichtlich fehlenden Versicherung bei einem Kunden mit einem neuen Kfz genügt dann nicht. Mit dem Bedarf des Kunden im Zusammenhang stehende Aspekte sind abzufragen und bei den Empfehlungen zu berücksichtigen.

    4. Wertfaktoren sind nicht nur intern determiniert

    Das optimal ausgestaltete Unternehmen gewinnt seine Werthaltigkeit erst mit dem Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen, die die empfundenen oder tatsächlichen Bedürfnisse von Kunden treffen. Das bedeutet, dass der Markt bei der Realisierung des Werts gebraucht wird. Dafür sind aufseiten des Anbieters ein entsprechendes Leistungsprofil, das passende Image, Kompetenz, Nachfrage und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis notwendig.

     

    Versicherungsmaklern gelingt es immer weniger, sich durch Produkte und Produktpreise im Markt zu differenzieren. Besonders die Angebote von Vergleichsplattfomen holen die preissensitiven Kunden immer stärker ab und bieten mit entsprechender Logistik Alternativen zur Beratung durch Vermittler von Versicherungen und Finanzdienstleistungen. Deshalb ist es für Versicherungsmakler ein zukunftsweisender Weg, sich auf beratungsintensive Sachverhalte oder Spezialgebiete zu konzentrieren, z. B. Arbeitskraftsicherung. Man nennt dies auch Markterschließung „spitz statt breit“.

    5. Weitere Möglichkeiten der Wertsteigerung

    Betriebswirtschaftlich bedeutsam und damit wertbeeinflussend ist die Frage der Vergütung für den Versicherungsmakler selbst. Viele Makler haben Kunden mit einer Vertragsdichte von zwei bis vier Verträgen und sind damit zufrieden. In der Realität hat jeder durchschnittliche Kunde durchaus aber zehn oder mehr Versicherungsverträge, bedenkt man den konkreten Versicherungsbedarf: Private Haftpflichtversicherung, Hausratversicherung plus ggf. Glasversicherung, Kfz-Versicherung, Fahrradversicherung, Unfallversicherung, Auslandsreisekrankenversicherung, Krankenzusatzversicherung Zahn, Berufsunfähigkeitsversicherung, Altersvorsorge etc. Dazu können noch Versicherungen für das Haus, die Fotovoltaikanlage, Pferd, Hund oder Boot kommen ‒ je nach Lebens- und Einkommenssituation. Und diese Versicherungen kann der Makler komplett bei sich zur Betreuung konzentrieren. Diese Art „Vollkunden“ ermöglichen es dem Makler, seinen Umsatz und Ertrag pro Kunde in kurzer Zeit deutlich zu steigern.

     

    Viele Kunden mögen es, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Online-Angebote und Apps sind in und haben durch die Covic-19-Pandemie weiteren Aufschwung bekommen. Erkennt der Makler diesen Trend, kann er mit entsprechenden Angeboten auf seiner Homepage den Kunden bedienen und unterliegt nicht der Gefahr, dass dieser zu Mitbewerbern abwandert. Eine besondere Gefahr für Makler stellen die offensiv agierenden Vergleichsplattformen und InsureTechs dar, die Kundendaten sammeln und mit hoher Effizienz für zahlreiche weitere Geschäfte nutzen. Online-Angebote haben für Makler deshalb eine doppelte Wirkung: Der Makler spart Zeit für die Beratung der Kunden und kümmert sich nur um Vorgänge, die beratungsintensiv sind. Zudem sind Online-Abschlüsse gleich digital vorhanden und können zum Produktgeber automatisiert und fehlerfrei zur Verarbeitung weitergeleitet werden.

     

    FAZIT | Voraussetzung für alle Bemühungen um eine Wertsteigerung bei Versicherungsmaklern ist eine möglichst objektive Bestimmung des Status quo im Geschäftsmodell und im Kundenbestand. Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken erkennen ‒ das ist der Ausgangspunkt für einzuleitende Maßnahmen für eine rechtzeitige Strategie der Wertsteigerung.

     
    Quelle: ID 46350201