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Wenn Vereinbartes und tatsächliche Durchführung bei Altenteilsverträgen abweichen
| Es muss dem Abzug von Versorgungsleistungen nicht entgegenstehen, wenn eine vertraglich vereinbarte Erhöhung des bar zu zahlenden Teils der Altenteilsleistungen, die zum 65. Lebensjahr des Berechtigten vorgenommen werden soll, unterbleibt, weil sie schlicht vergessen wurde. Bei Versorgungsverträgen, deren Abänderbarkeit bereits aus der Rechtsnatur des Vertrags folgt, ist vielmehr entscheidend, ob eine Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen darauf hindeutet, dass es den Parteien an dem erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt (BFH 16.6.21, X R 3/20). |
Sachverhalt
Mit notariell beurkundetem „Hofübergabe- und Altenteilsvertrag und Erbverzichtsvertrag“ vom 7.8.09 übertrug M mit Rückwirkung zum Ablauf des 30.6.09 ihren Kommanditanteil und mit Wirkung zum 1.7.09 auch ihren land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz im Wege vorweggenommener Erbfolge auf den Steuerpflichtigen. Der Vertrag enthielt die Verpflichtung des Steuerpflichtigen zur Erbringung bestimmter Altenteilsleistungen an M und seinen Vater. Hierzu gehörte ein monatlicher Barbetrag von 200 EUR ab dem 1.7.09.
Ab dem 65. Lebensjahr des Altenteilers V erhöhte sich der monatliche Barbetrag auf 300 EUR. Der Barbetrag war in der Form wertgesichert, dass er um 10 % geändert werden sollte, sobald sich ein bestimmter Preisindex um 20 % ändert. Ferner hatte der Steuerpflichtige den Altenteilern ein lebenslanges Wohnungsrecht an den schon bisher von ihnen genutzten Räumen des Wohnhauses des Hofes einzuräumen und die damit verbundenen Kosten (Heizung, Strom, Wasser, Müllabfuhr usw.) zu tragen. Er hate den Altenteilern freie Telefonbenutzung zu gewähren, soweit nicht ein eigener Anschluss der Altenteiler bestand.
Ferner verpflichtete sich der Steuerpflichtige zur Hege und Pflege in alten und kranken Tagen, jedoch begrenzt auf Kosten bis zum Umfang der Pflegestufe 1, und zur Sorge für ein standesgemäßes christliches Begräbnis sowie zur Übernahme der Grabpflege. Von einem Bankkonto der Ehefrau wurden schon vor Abschluss des Übergabevertrags ‒ mindestens seit Februar 2007 ‒ monatlich 200 EUR an die Altenteiler überwiesen. Als Verwendungszweck wurden jeweils die Vornamen der beiden Steuerpflichtigen angegeben.
Die „ab dem 65. Lebensjahr“ des V vereinbarte Erhöhung der Barleistungen auf 300 EUR unterblieb zunächst. Erst ab Februar 2013 wurde der monatliche Betrag auf 350 EUR erhöht und seitdem von einem Bankkonto des Steuerpflichtigen gezahlt.
Erstmals im Rahmen einer Außenprüfung für die Streitjahre begehrten die Steuerpflichtigen den Abzug der baren Altenteilsleistungen als Sonderausgaben. Das FA lehnte dies ab, weil die vom Bankkonto der Ehefrau überwiesenen Beträge nicht als auf die Altenteilsverpflichtung des Steuerpflichtigen geleistet anzusehen seien und die vertraglich vereinbarte Erhöhung der Barzahlungen nicht durchgeführt worden sei.
Entscheidung
Nach erfolglosem Klageverfahren gab der BFH im Revisionsverfahren der Klage statt.
Für die Beurteilung, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen ertragsteuerrechtlich anzuerkennen sind, ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten maßgebend.
Beachten Sie | Zwar müssen die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Jedoch schließt nicht jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Vielmehr sind die einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob sie der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung entgegenstehen.
Dementsprechend geht der BFH bei Vermögensübergabe- und Versorgungsverträgen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Mindestbestand an bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen, der die Qualifikation als Versorgungsvertrag erst ermöglicht (Umfang des übertragenen Vermögens, Höhe der Versorgungsleistungen sowie Art und Weise ihrer Zahlung), klar und eindeutig vereinbart werden muss, ob eine festgestellte Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen darauf hindeutet, dass es den Parteien an dem erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt.
Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Vollzug der Vereinbarung durch willkürliche Aussetzung und anschließende Wiederaufnahme der Zahlungen, darüber hinaus aber auch durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind, gekennzeichnet ist. Demgegenüber beruhen Änderungen, die durch nachweisbare Umstände veranlasst sind, die nach Maßgabe des Vertragstextes oder nach der Rechtsnatur des Vertrags rechtserheblich sind, insbesondere aus einer ‒ in der Regel langfristig ‒ veränderten Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und/oder einer veränderten Bedarfslage des Berechtigten resultieren, gerade auf den Besonderheiten dieses Rechtsinstituts und sind daher ertragsteuerrechtlich nicht nur unschädlich, sondern zeigen gerade den Willen der Vertragsparteien an, sich an dieses Rechtsinstitut gebunden zu halten.
Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und Entscheidung an das FG zurück. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung wird das FG hinsichtlich der einzelnen Altenteilsleistungen zu prüfen haben, ob ein Rechtsbildungswille zur Zahlung von Versorgungsleistungen vorgelegen hat, insbesondere im Hinblick der Behauptungen der Steuerpflichtigen, sie hätten alle weiteren Altenteilsleistungen vertragsgemäß erbracht. Sollte sich diese Behauptung als zutreffend herausstellen, wäre dieser Umstand im Rahmen der Gesamtwürdigung zugunsten der Steuerpflichtigen zu berücksichtigen.
Außerdem ist zu beachten, dass für die ‒ anhand einer Gesamtbeurteilung zu beantwortende ‒ Frage, ob ein Versorgungsvertrag im Wesentlichen entsprechend der Vereinbarung durchgeführt worden ist, auch die tatsächliche Durchführung eines vereinbarten Wohnrechts mit dem entsprechenden Jahreswert heranzuziehen ist.
Bei Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen, für die § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der ab 2008 geltenden Fassung anzuwenden ist, reicht es jedenfalls aus, wenn das Pflegerisiko in einem Umfang übernommen wird, der bei Übergabeverträgen, die bis zum 31.12.07 abgeschlossen worden sind, zur Einordnung der Leistungen als dauernde Last führt.