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  • · Fachbeitrag · NW-Handel

    Rechtsprechungsreport ‒ Die wichtigsten Urteile des Jahres 2018 zum NW-Handel auf einen Blick

    | Wie schon 2017 stand auch das Gerichtsjahr 2018 ganz im Zeichen von Dieselgate, allerdings auf einer höheren Ebene. In einer Vielzahl von Entscheidungen haben sich die Oberlandesgerichte zu Wort gemeldet. Mal so, mal so. Der BGH wartet noch immer auf die erste Dieselsache; eine für den 08.01.2019 geplante Verhandlung wurde wegen Rücknahme der Revision abgesagt. Doch neben den Dieselgate-Verfahren mussten die Gerichte auch normale NW-Streitigkeiten entscheiden. Und da hat das Jahr 2018 einiges an interessanten Urteilen zu bieten. Diese fassen wir für Sie zusammen. |

    Käuferfreundliche Entscheidungen

    In den folgenden Fällen haben die Gerichte einen Sachmangel bejaht:

     

    • Ein Neufahrzeug (hier: BMW X3) ist nicht frei von Sachmängeln, wenn die Software der Kupplungsüberhitzungsanzeige eine Warnmeldung einblendet, die den Fahrer zum Anhalten auffordert, um die Kupplung abkühlen zu lassen, obwohl dies auch bei Fortsetzung der Fahrt möglich ist (BGH, Urteil vom 24.10.2018, Az. VIII ZR 66/17, Abruf-Nr. 205329).

     

    • An der Beurteilung als Sachmangel ändert es nichts, wenn der Verkäufer dem Käufer einige Zeit nach Auslieferung des Fahrzeugs mitteilt, es sei nicht notwendig, die irreführende Warnmeldung zu beachten. Dies gilt auch dann, wenn der Verkäufer zugleich der Hersteller des Fahrzeugs ist (hier: BMW AG), so der BGH in dem vorerwähnten Urteil.

     

     

    • Bei Unebenheiten („Verwerfungen“) der Außenhaut eines Wohnmobils handelt es sich um einen Sachmangel (OLG Stuttgart, Urteil vom 11.07.2018, Az. 3 U 71/17, Abruf-Nr. 202736).

    Händler- bzw. herstellerfreundliche Entscheidungen

    Entweder scheiterten die Käufer daran, dass sie einen Sachmangel nicht plausibel begründen bzw. nachweisen konnten. Oder sie blieben mit ihrem Rücktritt an der Hürde „Bagatellgrenze“ hängen.

     

    • Kein Sachmangel liegt vor, wenn das Fahrassistenzsystem „Drive-Pilot“ in einem MB E 200d nicht so funktioniert wie bei einer Steuerung durch Menschenhand (AG Dortmund, Urteil vom 07.08.2018, Az. 425 C 9453/17, Abruf-Nr. 204275).

     

    • Ein nur unerheblicher, nicht zum Rücktritt berechtigender Bagatellmangel ist bei Unebenheiten der Außenhaut eines neuen Wohnmobils anzunehmen (OLG Stuttgart, Urteil vom 11.07.2018, Az. 3 U 71/17, Abruf-Nr. 202736).

     

    • Für falsch hält der BGH die Ansicht des OLG Stuttgart, Mangelhaftigkeit eines Neuwagens (hier: 100.000-Euro-Mercedes) liege bereits im Verdacht bzw. in der Befürchtung, es mit einem „Montagsauto“ zu tun zu haben. Eine spezifische Fehleranfälligkeit des Fahrzeugs könne allerdings einen eigenständigen Sachmangel begründen, was der Richter aber ohne sachverständige Beratung nicht feststellen könne (BGH, Urteil vom 09.05.2018, Az. VIII ZR 26/17, Abruf-Nr. 201147).

    Nacherfüllungsprobleme ‒ immer noch kein Ende in Sicht

    Die Top-Entscheidung des Jahres 2018 hat der BGH zum Dauerbrenner Nacherfüllung gefällt. Mit einem XXL-Urteil hat er gleich fünf Streitfragen auf einen Schlag geklärt (BGH, Urteil vom 24.10.2018, Az. VIII ZR 66/17, Abruf-Nr. 205329). Drei davon sind für den Handel besonders wichtig, nämlich:

     

    • 1 Wahl zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung: Die meisten NW-Käufer, auch Verbraucher, verlangen bei einer Reklamation als Erstes Nachbesserung. So auch der Käufer eines neuen BMW X3. Wegen Problemen mit der Kupplung und der Elektronik brachte er den Wagen mehrfach in die örtliche BMW-Niederlassung. Nachdem die Warnmeldung „Kupplungstemperatur, vorsichtig anhalten …“ erneut aufgetreten war, verlangte der Käufer nicht weitere Nachbesserung, sondern Lieferung eines neuen, mangelfreien X3. War dieser Wechsel zulässig? Ja, sagt der BGH. Nur unter besonderen Umständen sei die grundsätzlich freie Wahl zwischen den beiden Nacherfüllungsvarianten nach Treu und Glauben eingeschränkt. Ein solcher Fall liege nicht vor, wenn der Händler die vom Käufer zunächst gewählte Nachbesserung nicht fachgerecht zuwege gebracht habe.

     

    • 2. Ersatzlieferung auch dann noch, wenn der Mangel behoben ist? Auch diese Frage hat der BGH zugunsten des Käufers entschieden. Dazu muss man wissen, dass die BMW-Niederlassung ein den Mangel beseitigendes Software-Update während des Prozesses bei einer Inspektion ohne Einverständnis des Kunden aufgespielt hatte. Die bloße Hinnahme der Softwareaktualisierung durch den Käufer, war dem BGH zu wenig, um dessen Einverständnis annehmen zu können.

     

    • 3. Der Einwand des Verkäufers, die Kosten der Ersatzlieferung seien unverhältnismäßig hoch: Dieser Einwand hat seine Grundlage in § 439 Abs. 4 BGB in der seit dem 01.01.2018 geltenden Fassung (bis dahin § 439 Abs. 3 BGB). Dass der Händler ihn auch noch während des laufenden Prozesses bringen kann, sagt der BGH nicht zum ersten Mal. Doch wann greift der Einwand inhaltlich? Das ist derart kompliziert, dass selbst versierte Autohaus-Anwälte bisher ziemlich ratlos waren. Ein Großteil der Streitfragen ist jetzt geklärt. Bei dem X3 hat die BMW AG vor dem BGH Erfolg gehabt, aber nur vorläufig. Vor dem OLG Nürnberg geht der Streit um den Zu-teuer-Einwand weiter.

     

    Wann ist eine Nachbesserung fehlgeschlagen?

    Eine Nachbesserung ist in der Regel nach dem zweiten Fehlversuch fehlgeschlagen. So steht es im Gesetz (§ 440 BGB). Was aber, wenn der Kunde auch nach dem dritten Versuch mit dem gleichen Problem in die Werkstatt kommt und der Händler den Verdacht hat, dass der Kunde selbst für den gerügten Mangel verantwortlich ist?

     

    Das OLG Bamberg hat sich zulasten des Händlers positioniert. Er habe ausreichend Gelegenheit gehabt, die Ursache des Problems zu klären. Es ging um den Schließ- und Öffnungsmechanismus eines Cabrio-Verdecks (OLG Bamberg, Beschluss vom 16.05.2018, Az. 3 U 54/18, Abruf-Nr. 202192).

    Nachbesserungsversuche und Verjährung

    Wegen Elektronikproblemen war der Käufer eines neuen Ferrari 430 Spider F1 wiederholt in der Werkstatt des Händlers. Welche Auswirkung das auf den Lauf der zweijährigen Verjährung seiner Gewährleistungsansprüche hat, musste das OLG Karlsruhe prüfen. Das Ergebnis war händlergünstig. Die Ansprüche waren verjährt.

     

    Knackpunkt war, ob mit den Arbeiten in der Werkstatt ein „konkludentes Anerkenntnis“ der Händler-Gewährleistung verbunden war. Wenn ja, wäre die Verjährungsfrist neu gestartet worden. Im Entscheidungsfall lag kein Anerkenntnis vor. Denn die Werkstatt hätte ja auch wegen der parallel laufenden Werksgarantie von Ferrari tätig gewesen sein können, also nicht zwingend wegen der Händler-Gewährleistung (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.01.2018, Az. 9 U 83/16, Abruf-Nr. 202738).

    Wechsel des Gestaltungsrechts durch Käufer

    Kann der Käufer nach erklärter Minderung auf Rücktritt springen? Diese Frage beantwortete der BGH Verkäufer-freundlich: Ein Kfz-Käufer kann nicht im Wege des „großen Schadenersatzes“ die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen, wenn er vorher bereits die Minderung des Kaufpreises wegen desselben Sachmangels erklärt hat (BGH, Urteil vom 09.05.2018, Az. VIII ZR 26/17, Abruf-Nr. 201147). Auch der Rücktritt ist geblockt.

     

    Wichtig | Das gilt nicht, wenn der Käufer einen neuen Mangel rügt. Nimmt der Verkäufer diesen nicht ernst und beseitigt ihn, kann der Käufer ggf. wegen des neuen Mangels vom Kauf zurücktreten.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Beitrag „Keine Rückabwicklung des Kaufs nach zuvor erklärter Minderung wegen desselben Mangels“, ASR 6/2018, Seite 14 → Abruf-Nr. 45299002
    Quelle: Ausgabe 01 / 2019 | Seite 12 | ID 45631427