· Fachbeitrag · Entsorgungskosten
Entsorgungskosten für verunfalltes Fahrzeug
| Einige Versicherer haben anscheinend die Altfahrzeug-Verordnung (AltfahrzeugV) als Argument entdeckt, den Werkstätten die Entsorgungskosten für bei der Reparatur übriggebliebene beschädigte Teile und für Fahrzeuge ohne Restwert nicht erstatten zu müssen. Was ist da dran? |
Das ganze Fahrzeug statt nur einzelner Teile
In der Ausgabe 10/2017 (Seite 9) hatte UE über Entsorgungskosten für bei der Reparatur übriggebliebene beschädigte Teile vor dem Hintergrund der AltfahrzeugV berichtet. Ein Versicherer hatte behauptet, für die Entsorgung der Teile dürfe die Werkstatt nichts berechnen, weil die AltfahrzeugV in § 6 Abs. 3 regle, dass der Vertreiber von Fahrzeugteilen (eine Werkstatt gehört dazu) die Teile umweltgerecht entsorgen müsse. Doch anders, als der Versicherer behauptet, sieht § 6 Abs. 3 AltfahrzeugV keine Kostenlosigkeit vor.
Nun liegt uns ein Vorgang vor, bei dem ein totalbeschädigtes Fahrzeug entsorgt wurde, weil es keinen Restwert mehr aufwies. Die Werkstatt, die das Fahrzeug zur Entsorgung übernommen hatte, hat dafür Kosten berechnet. Nun schreibt der Versicherer:
Sehr geehrte Damen und Herren! Bzgl. der Entsorgungskosten halten wir an unserer Ablehnung fest. Im Rahmen der Produktverantwortung (§ 3 Rücknahmeverpflichtung) hat sich die Autoindustrie verpflichtet, die ausgedienten Fahrzeuge kostenfrei zurückzunehmen. Entsorgungskosten können wir aus diesem Grund nicht erstatten. |
Gemeint ist wohl § 3 AltfahrzeugV mit der Überschrift „Rücknahmepflichten“.
Verpflichtet ist der Hersteller, nicht die Werkstatt
Die Rücknahme ganzer Fahrzeuge ist in § 3 Abs. 1 AltfahrzeugV geregelt:
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(1) Hersteller von Fahrzeugen sind verpflichtet, alle Altfahrzeuge ihrer Marke vom Letzthalter zurückzunehmen. Die Hersteller von Fahrzeugen müssen die in Satz 1 bezeichneten Altfahrzeuge ab Überlassung an eine anerkannte Rücknahmestelle oder einen von einem Hersteller hierzu bestimmten anerkannten Demontagebetrieb unentgeltlich zurücknehmen. |
In der Tat, die Hersteller müssen die Fahrzeuge unentgeltlich zurücknehmen. Der Geschädigte hat das Fahrzeug aber nicht beim Hersteller abgegeben, sondern bei einer Werkstatt. Die ist nach dem Verordnungstext nicht zur kostenlosen Rücknahme verpflichtet, jedenfalls nicht, wenn sie keine Niederlassung des Herstellers ist.
Wie immer geht es um die Pflichten des Geschädigten
Im Schadenersatzrecht ist wie immer auf den Geschädigten abzustellen. Selbst wenn der die Regelung aus § 3 Abs. 1 AltfahrzeugV kennen würde, stünde er vor dem folgenden Problem: Die Hersteller von Fahrzeugen müssen die in Satz 1 bezeichneten Altfahrzeuge ja erst ab Überlassung an eine anerkannte Rücknahmestelle oder einen von einem Hersteller hierzu bestimmten anerkannten Demontagebetrieb unentgeltlich zurücknehmen.
Wie soll der Geschädigte das Fahrzeug zum Hersteller bringen?
Dort muss der Geschädigte das Fahrzeug hinschaffen. Ist es nicht mehr fahrfähig, was bei Fahrzeugen, für die niemand mehr etwas bietet, naheliegend ist, braucht er dazu Hilfe.
Er kann auch den Schädiger auffordern, für ihn das Fahrzeug zum Hersteller zu schaffen. Bis der dann tätig wird, wogegen er sich erfahrungsgemäß zunächst sträuben wird, sind täglich Standkosten zu verzeichnen.
Er könnte also einen Abschleppunternehmer mit dem Transport beauftragen. Diese Kosten gingen zulasten des Schädigers bzw. dessen Versicherers. Er kann ebenso gut das Fahrzeug in der Werkstatt seines Vertrauens abgeben, damit die es zum Verwerter bringt. Für diese Mühewaltung darf die Werkstatt ohne Zweifel einen angemessenen Betrag berechnen.
Was ist mit fahrfähigen und verkehrssicheren Fahrzeugen?
Sollte das Fahrzeug nach dem Unfall noch fahrfähig und verkehrssicher sein, stellt sich die Frage, ob der Geschädigte es selbst zu einer anerkannten Rücknahmestelle bringen muss.
Rechtsprechung dazu kennen wir nicht. Doch haben wir große Zweifel, ob vorausgesetzt werden kann, dass ein Geschädigter die Regelung aus § 3 AltfahrzeugV kennt und richtig einordnen kann. Immerhin hat sogar der Sachbearbeiter des Versicherers nicht verstanden, dass die Kostenlosigkeit der Rücknahmeverpflichtung nicht ab der Unfallstelle oder dem Standort des verunfallten Fahrzeugs gilt, sondern erst ab Ablieferung an einer anerkannten Rücknahmestelle.
Wichtig | Wir können uns kaum vorstellen, dass es als Verstoß gegen die Pflichten des Geschädigten gewertet würde, wenn er das Naheliegende tut und das Fahrzeug in der ihm vertrauten Werkstatt abgibt. Eine Beratungspflicht der Werkstatt dahingehend, den Geschädigten zu einer Rücknahmestelle zu schicken, erscheint auch fernliegend.
Gleichwohl sind Urteile dazu inhaltlich schwer vorhersehbar, weil das Thema auch für die Gerichte Neuland sein dürfte. Denn gäbe es bereits Urteile, hätte der Versicherer sich darauf berufen.
PRAXISTIPP | Den Textbaustein 418 „Entsorgungskosten ‒ mehrere Facetten (H/K)“ → Abruf-Nr. 44225791 haben wir um die Variante „Entsorgungskosten für verunfalltes Fahrzeug“ ergänzt. |