Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Fiktive Abrechnung/Reparaturkosten

    Fiktive Abrechnung trotz Reparatur möglich

    | Bei den Schadengutachtern und Anwälten unter den UE-Lesern ist die Frage tägliches Brot, und auch die Werkstätten können im Einzelfall betroffen sein: Kann der Geschädigte noch fiktiv abrechnen, wenn er vollständig und fachgerecht reparieren ließ? |

    Die Fälle, in denen das Thema hochkocht

    Das Thema wird immer dann relevant, wenn der Geschädigte für die Dauer der tatsächlichen Reparatur einen Ausfallschaden geltend macht. Er weist nach, dass das Fahrzeug reparaturbedingt ausgefallen ist, macht aber keine Angaben dazu, was ihn die Instandsetzung gekostet hat. Man kann ja daran fühlen, dass die Reparatur dann weniger gekostet hat, als fiktiv verlangt wird. Denn sonst würde das ja niemand so machen.

     

    Nun trägt der Versicherer vor, der Geschädigte sei bereichert. Wenn er die Rechnung nicht vorlege, dürfe der Versicherer vermuten, dass die Bereicherung mindestens die Höhe des nun geforderten Ausfallschadens habe. Deshalb rechne er die Überzahlung mit dem Ausfallschaden auf.

     

    Manchmal verweigern Versicherer die fiktive Abrechnung vollständig, wenn Anhaltspunkte für eine Reparatur vorliegen. Als Beleg für die Richtigkeit dieser Ansicht legen sie eine Entscheidung des OLG Schleswig vor. Und manchmal behaupten sie, die fiktive Abrechnung schließe aus, dass überhaupt Ausfallschaden geltend gemacht werden könne.

    Was ist davon zu halten?

    Fiktive Abrechnung und Ausfallschaden

    Dass die fiktive Abrechnung den Ausfallschaden nicht ausschließt, hat der BGH glasklar entschieden (BGH, Urteil vom 15.07.2003, Az. VI ZR 361/02, Abruf-Nr. 032372). Leitsatz b des Urteils lautet: „Verlangt der Geschädigte den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (fiktiv) auf Basis eines Sachverständigengutachtens, das eine bestimmte Art einer ordnungsgemäßen Reparatur vorsieht, so kann er grundsätzlich nur für die erforderliche Dauer dieser Reparatur Ersatz der Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges beanspruchen.“

     

    Also kann er den Ausfallschaden (Mietwagenkosten und Nutzungsausfallentschädigung unterscheiden sich insoweit in nichts) beanspruchen. Allerdings: Mag es länger gedauert haben, ist der Anspruch auf die Zeitverbrauchsprognose aus dem Gutachten begrenzt.

     

    Muss der Geschädigte Fakten zur Reparatur offenlegen?

    Der Geschädigte kann nach unserer Auffassung auch dann noch fiktiv abrechnen, wenn er vollständig hat reparieren lassen. Und er muss keine Einzelheiten offenlegen oder die Rechnung präsentieren.

     

    Die gegenteilige Entscheidung des OLG Schleswig ist mit der BGH-Rechtsprechung nicht in Übereinstimmung zu bringen. Insoweit kann auf die Entscheidung des BGH (Urteil vom 25.09.2019, Az. VI ZR 65/18, Abruf-Nr. 205554) verwiesen werden. Dort heißt es unter Rz. 6: „Nach der Rechtsprechung des Senats besteht in der Regel ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte das Fahrzeug tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt. Ziel des Schadensersatzes ist die Totalreparation und der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei.“

     

    Ergänzend ist auf die Entscheidung des BGH vom 17.09.2019 (Az. VI ZR 396/18, Abruf-Nr. 212266) hinzuweisen. Dort heißt es unter Rz. 9: „Der Geschädigte, der nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen, disponiert hier dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf einer objektiven Grundlage zufriedengibt.“

     

    Der Geschädigte, der trotz durchgeführter Reparatur fiktiv abrechnen möchte, ist also nicht verpflichtet, die Reparaturrechnung offenzulegen.

     

    Wer allerdings freiwillig die Rechnung offenlegt, zieht den Kürzeren

    Die Entscheidung des BGH vom 03.12.2013 spricht nicht gegen dieses Ergebnis. Da hatte der Geschädigte vollständig und fachgerecht, aber in einer Werkstatt mit niedrigeren Preisen reparieren lassen (kalkuliert waren die Kosten der Markenwerkstatt vor Ort, das Fahrzeug war jünger als drei Jahre). Die kalkulierten Kosten hatte der Versicherer bereits netto gezahlt. Und nun wollte der Geschädigte noch die Mehrwertsteuer aus der tatsächlich entstandenen Rechnung erstattet bekommen. Also hat er die niedrigere Rechnung präsentiert.

     

    So nicht, hat der BGH gesagt: Wenn der Geschädigte die Rechnung über die vollständige Reparatur vorlege, sei sein Anspruch auf die tatsächlich entstandenen Kosten begrenzt (BGH, Urteil vom 03.12.2013, Az. VI ZR 24/13, Abruf-Nr. 140151).

     

    Also war das, das klassische Eigentor aus der Kategorie „Gier frisst Hirn“. Doch es sind zwei völlig verschiedene paar Schuh, ob der Geschädigte die Rechnung über die tatsächlich entstandenen Kosten selbst vorlegt oder ob der Versicherer meint, den Geschädigten dazu zwingen zu können. Letzteres kann er nach der klaren Linie des BGH nicht.

     

    PRAXISTIPP | Wenn diese Fragestellung auf dem Tisch liegt, hilft nur noch anwaltliche Unterstützung. Dazu haben wir den Anwaltsbaustein „RA027: Fiktive Abrechnung trotz Reparatur (auch: Ausfallschaden) ‒ Klagebegründung bzw. Klageerwiderung“ → Abruf-Nr. 46567047 entworfen.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2020 | Seite 10 | ID 46567043