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  • · Fachbeitrag · Restwert

    Die Restwertermittlung beim finanzierten Fahrzeug im Gegensatz zum geleasten Fahrzeug

    | Seit der Entscheidung des BGH zur Restwertermittlung beim verunfallten händlereigenen Vorführfahrzeug wollen Versicherer deren Ergebnis „Restwert auf dem Sondermarkt ermitteln“ auch auf Leasingfahrzeuge und auf finanzierte Fahrzeuge übertragen. So gibt es regelmäßig Streit um die Höhe des Restwerts. Leise hört man auch die Regressbomben zulasten der Schadengutachter ticken. Eine aktuelle Entscheidung des AG Bad Hersfeld gibt Anlass, das Thema noch einmal aufzuarbeiten. |

    Die Ausgangslage zur Restwertermittlung

    Der BGH (Urteil vom 25.06.2019, Az. VI ZR 358/18, Abruf-Nr. 210470) hat zwei Fallgruppen bei der Restwertermittlung gebildet, nämlich

    • die des „gewerblich mit dem An- und Verkauf von Fahrzeugen befassten Geschädigten“ und
    • die des „nicht gewerblich mit dem An- und Verkauf von Fahrzeugen befassten Geschädigten.“

     

    Sprich: Wer gewerblich Fahrzeuge vermarktet, müsse nicht im Hinblick auf die Möglichkeit der Inzahlunggabe des Unfallfahrzeugs beim Erwerb des Ersatzfahrzeugs beim örtlichen Händler geschützt werden. Das trifft auf den Autohändler als Geschädigten eindeutig zu. Weil der nun auch regelmäßig Unfallfahrzeuge an- und wieder verkauft, weiß er, wie man an die Restwertspezialisten als Hochpreiskäufer kommt. Dieses Sonderwissen muss er nutzen. Für finanzierte Fahrzeuge sowie für Leasingfahrzeuge heißt dies Folgendes:

    Das finanzierte Fahrzeug und die Restwertermittlung

    Zwar gehört das finanzierte Fahrzeug aufgrund des ihr regelmäßig im Finanzierungsvertrags eingeräumten Sicherungseigentums der Bank. Das ändert aber nichts daran, dass für die Restwertermittlung auf den örtlichen allgemeinen Markt abzustellen ist, entschied nun das AG Bad Hersfeld.

     

    Zum Unfallzeitpunkt valutierte das Darlehen noch mit 6.524,64 Euro. Der Geschädigte hat es mit einer entsprechenden Zahlung abgelöst. Damit war die Bank befriedigt. Sie überließ die Unfallschadenabwicklung dem Geschädigten, der ja nun kein Darlehensnehmer mehr war. Mit der Restzahlung erlischt das Sicherungseigentum. Der Geschädigte hat das Fahrzeug für den lokal ermittelten Restwert von 1.800 Euro verkauft.

     

    So gehe das nicht, meinte der Versicherer. Es sei auf die Verhältnisse zum Unfallzeitpunkt abzustellen. Die Bank sei Profi, deshalb hätte der Restwert unter Zuhilfenahme der Restwertbörsen ermittelt werden müssen. Einen von ihr auf diesem Markt ermittelten Restwert zog sie bei der Schadenregulierung ab. Die Differenz war Gegenstand der Klage.

     

    Das AG Bad Hersfeld arbeitet den Unterschied zwischen Leasing und Finanzierung deutlich heraus. Der Leasinggeber bleibt auch am Ende des Leasingvertrags der Eigentümer, er vermarktet das Fahrzeug. Demgegenüber verliert die finanzierende Bank mit der letzten Rate ihr Sicherungseigentum. Im Urteilsfall sei es so gewesen, dass das Fahrzeug wie bei einer Finanzierung üblich mit der Schlusszahlung an den Darlehensnehmer überging. Deshalb sei auf ihn abzustellen (AG Bad Hersfeld, Urteil vom 14.09.2022, Az. 10 C 190/22 (20), Abruf-Nr. 231365, eingesandt von Rechtsanwalt Norbert Schreck, Erlangen).

     

    Im Ergebnis gleich, aber mit etwas anderer Begründung, hat das AG Münster bereits entschieden. Es hat auf die Bank abgestellt. Anders als eine Leasinggesellschaft vermarkte die Bank aber im Regelfall die Fahrzeuge am Ende der Finanzierung nicht. Damit falle sie nicht in die Fallgruppe der gewerblich mit dem An- und Verkauf von Gebrauchtwagen befassten Geschädigten (AG Münster, Urteil vom 19.06.2020, Az. 61 C 225/19, Abruf-Nr. 216601).

     

    Hier wird man ergänzen müssen: Im Ausnahmefall des notleidenden Kredits mag es vorkommen, dass auch eine Bank das Sicherungseigentum aktiviert, das Fahrzeug sicherstellt und selbst vermarktet. Doch das ist die große Ausnahme. Denn vorher wird das Autohaus, das die Finanzierung vermittelt hat, eingeschaltet, das nicht selten dem Kunden das Fahrzeug mit Zustimmung der Bank abkauft und den offenen Darlehensbetrag aus dem Kaufpreis oder einem Teil davon im Namen des Kunden ablöst.

    Das geleaste Fahrzeug und die Restwertermittlung

    Das AG Bad Hersfeld hat erkennen lassen, dass es bei einem Leasingfahrzeug anders entschieden hätte. Als Grundlage verweist es auf die Restwertentscheidung des BGH vom 25.06.2019 (Az. VI ZR 358/18, Abruf-Nr. 210470). Danach darf derjenige, der kein typischer Inzahlunggeber ist, weil er sich auch mit der Verwertung von Gebrauchten befasst, den Restwert nicht nur am örtlichen Markt ermitteln lassen. In der BGH-Entscheidung ist deutlich dargelegt, dass das auf Leasinggesellschaften zutrifft. Denn ein Urteil des OLG Düsseldorf, wonach der Restwert beim Leasingfahrzeug am Sondermarkt ermittelt werden müsse, wird vom BGH positiv in Bezug genommen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.03.2018, Az. 1 U 55/17, Abruf-Nr. 202230). Entsprechend hat das LG Deggendorf mit Urteil vom 31.08.2020 (Az. 23 O 168/19, Abruf-Nr. 231366) für ein Leasingfahrzeug auf den Sondermarkt abgestellt.

     

    Das ist schlüssig. Denn am Ende eines jeden Leasingvertrags steht das Fahrzeug im Eigentum der Leasinggesellschaft, die es vermarktet. Einige Leasinggesellschaften betreiben dafür einen eigenen Fahrzeughandel. Andere verkaufen es ‒ manchmal gar im Voraus mit Abschluss des Leasingvertrags ‒ dem ausliefernden Händler. Leasinggesellschaften verkaufen Tag für Tag Gebrauchtwagen. Jedenfalls geben sie nie ein Fahrzeug in Zahlung. Damit entfällt der vom BGH als tragend herausgestellte Schutzgrund für den örtlichen Markt.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Überarbeiteter Textbaustein 502: Restwertermittlung bei finanziertem Fahrzeug (H) → Abruf-Nr. 4673963
    Quelle: Ausgabe 10 / 2022 | Seite 9 | ID 48591117