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  • · Fachbeitrag · Sachverständigenhonorar

    Bagatellgrenze für Gutachten: Manche Rechnungen sind Wasser auf den Mühlen der Versicherer

    | „UE“ schrieb im April 2014 (Seite 11): „Es gibt in der Branche einige wenige Gutachter, die hinsichtlich ihrer Preisgestaltung zur Übertreibung neigen. Denn das ist ja auf der schadenrechtlichen Schiene solange möglich, wie die geforderten Beträge den Geschädigten nicht zwingend aufhorchen lassen müssen. Motto: Wenn einsachtzig geht, kann man es doch auch mal mit zweizwanzig probieren. Und bei den Bildern passt dann noch eine Schüppe drauf. Verführerisch ist das ja, aber gefährlich wird das irgendwann auch.“ Zwei gegenläufige Urteile zur Bagatellgrenze zeigen die Brisanz. |

    Maßgebend sind nicht allein die Reparaturkosten

    Bei der Beurteilung, ob bei einem relativ niedrigen Schaden (hier: 886,54 Euro), ein Gutachten erforderlich ist, ist nicht allein auf die Reparaturkosten, sondern auf das Schadenbild abzustellen. Bleibt für den Laien ein Verdacht auf Schäden unter dem sichtbaren Schaden darf er einen Schadengutachter beauftragen (AG Ehingen, Urteil vom 6.10.2014, Az. 2 C 219/14; Abruf-Nr. 142965; eingesandt von Rechtsanwältin Birgit Schwarz, Weißenhorn).

     

    Besser, als es der Richter in dem (an anderer Stelle augenzwinkernd) lesenswerten Urteil getan hat, kann man das nicht zusammenfassen:

     

    „Sicherlich ist der Rechnungsbetrag bezüglich der Reparaturkosten bzw. der vom Sachverständigen ermittelte Kostenaufwand (beides ist vorliegend mit 886,45 Euro bzw. 843,44 Euro in etwa identisch) bei der Bestimmung, was noch Bagatelle ist und was nicht mehr, ein wesentliches Indiz, kann aber deshalb keine Ausschließlichkeit beanspruchen, da aus der in der Regel laienhaften Sicht eines Geschädigten vorab der Kostenaufwand kaum auch nur annähernd bestimmt werden kann.

     

    Vielmehr sind Unfallablauf, Art und Lage der Beschädigung(en) mit entscheidend für die Einschätzung eines Schadens als sehr geringfügig oder als nicht ganz unerheblich.

     

    Übertragen auf den vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, daß die objektive Schadenshöhe sicherlich im Grenzbereich liegt. Hinzu kommt aber, daß (wie aus der Schadensbeschreibung und den Lichtbildern ersichtlich ist) sich das Schadensbild als nicht nur oberflächlich z. B. in Form von Kratzern darstellt, sondern eine deutliche Eindellung als bleibende Verformung erkennbar ist, die den Austausch des hinteren Stoßfängers erforderlich macht.

     

    Allein der Umstand, daß die Erneuerung von Fahrzeugteilen erforderlich war, aber auch die Unklarheit, ob auch Befestigungselemente beaufschlagt worden sind, läßt den Schaden für einen Laien nicht als belanglos erscheinen.“

    Wo Licht ist, ist oft auch Schatten

    Ganz anders entschied das AG München. Das Urteil hat erkennbar einzelfallbezogene Hintergründe, und dennoch wird es verallgemeinert werden (AG München, Urteil vom 4.4.2014, Az. 331 C 34366/13; Abruf-Nr. 142486).

     

    Bei Reparaturkosten von 839,91 Euro hatte der Geschädigte im Münchener Fall ebenfalls ein Gutachten eingeholt. Die Rechnung für diese Expertise belief sich auf (das ist kein Schreibfehler!) 940,04 Euro. Mag der Sachverständige nun auch noch so inbrünstig der Auffassung sein, sein Aufwand wäre doch groß gewesen: Dass bei einer solchen Relation von Schaden zu Gutachtenkosten das Gericht nach Wegen sucht, nein zu sagen, überrascht und verwundert uns nicht.

     

    Das Gericht kramte ein Urteil der Berufungskammer des LG München I (Urteil vom 20.9.2001, Az. 19 S 10340/01) heraus, in dem die der Meinung war, die althergebrachte damalige 1.000 DM-Grenzziehung müsse angesichts der gestiegenen Reparaturkosten deutlich angehoben werden. Unter Reparaturkosten von 2.500 oder gar 3.000 DM müsse der Geschädigte im Einzelnen begründen, warum ein Schadengutachten erforderlich sein solle.

     

    Daran hat sich das AG München orientiert und die Klage auf Erstattung der Gutachtenkosten abgewiesen.

     

    Die alte Berufungsentscheidung war eigentlich schon „out“

    Die alte Berufungsentscheidung galt bisher durch das BGH-Urteil aus dem Jahr 2004 als überholt (BGH, Urteil vom 30.11.2004, Az. VI ZR 365/03; Abruf-Nr. 142486). Denn dort hatte der BGH einen Schaden von etwa 715 Euro für nicht zu niedrig gehalten. Auch das AG München war auf dem 700-Euro-Kurs, wie ein Urteil aus dem April 2013 zeigt (AG München, Urteil vom 26.4.2013, Az. 345 C 1626/13; Abruf-Nr. 131528; UE 6/2013, Seite 3)

     

    Hoffnung, dass das ein Ausreißer bleibt

    So besteht durchaus Anlass zu der Annahme, dass das neue Münchner Urteil nur eine einzelne Antwort auf die Rechnungshöhe war. Es bleibt aber auch zu hoffen, dass das Abrechnungsverhalten des Sachverständigen keine Schule macht.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „BGH nimmt abermals zum Sachverständigenhonorar und zu den Nebenkosten Stellung“. UE 4/2014, Seite 11
    • Beitrag „Bagatellgrenze bei 700 Euro erneut bestätigt“, UE 6/2013, Seite 3
    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 12 | ID 43005554