· Fachbeitrag · Schadenabwicklung
Partnerwerkstätten: Konfliktpotenzial mit Kunden bei der Kooperation mit Versicherern
| Einige Versicherer akquirieren sehr erfolgreich Werkstätten als Partnerwerkstätten. Für das Versprechen, Reparaturaufträge zuzusteuern, verlangen sie nicht nur niedrigere Preise, sondern auch sonstiges „Wohlverhalten“. Das birgt Konfliktpotenzial für die Werkstatt, welches die folgende Leserfrage auslöste. Die Antwort von UE ist eine rechtliche, keine schadenpolitische. |
Frage: Wir sind Partnerwerkstatt eines Versicherers. Teil des Abkommens ist, dass wir nicht nur in den uns zugesteuerten Vorgängen, sondern in jedem Fall, den wir mit dem Versicherer abrechnen, keinen Schadengutachter empfehlen, sondern - auch bei höheren Haftpflichtschäden - einen Kostenvoranschlag erstellen. Teil des Abkommens ist es auch, dass wir den Kunden - und auch hier nicht nur den zugesteuerten, sondern allen, wenn der konkrete Versicherer auf der Gegenseite steht - in diesen Vorgängen entgegen unseren Gewohnheiten keine anwaltliche Unterstützung empfehlen.
Nun kommt es immer wieder vor, dass der Kunde von sich aus gutachterliche und anwaltliche Hilfe sucht. Das vielleicht auch, weil wir ihm das bei einem früheren Unfall mit einem anderen Versicherer auf der Gegenseite dringend ans Herz gelegt haben und er damit sehr gute Erfahrungen gemacht hat. Nun ergeben sich zwei Fragen, weil wir uns als zwischen allen Stühlen sitzend betrachten:
- 1. Darf der Geschädigte noch Anwalt und Gutachter in Anspruch nehmen, wenn die von ihm freiwillig gewählte Werkstatt eine Partnerwerkstatt des Versicherers ist und er das wegen der entsprechenden Beschilderung leicht erkennen kann?
- 2. Und umgekehrt: Wenn der Kunde später bemerkt, dass ihm Ansprüche (z. B. die Wertminderung) vorenthalten wurden, wenn er uns machen lässt, kann er dann gegen uns vorgehen?
Antwort: Vereinbarungen zwischen dem Versicherer, der für den Schaden des Geschädigten eintreten muss, und einer Werkstatt, die schadenrechtlich mit dem Fall nichts zu tun hat, können den Geschädigten nicht binden. Der hat seine vom Gesetz und der Rechtsprechung verbrieften Rechte. Ob er sie in Anspruch nimmt oder nicht, entscheidet nur er selbst.
Man kann nicht über die Rechte eines Dritten verfügen
Es ist rechtlich ohne Wirkung, wenn zwei Vertragsparteien ohne dessen Einbindung über Rechte eines Dritten verfügen („Vertrag zulasten Dritter“).
Ohne weiteres darf der Geschädigte also nach wie vor die Unterstützung des Schadengutachters und des Anwalts in Anspruch nehmen, der Schädiger bzw. sein Versicherer muss die Kosten dafür erstatten.
Wichtig | Das gilt nicht nur, wenn der Geschädigte ohne Rücksprache mit Ihnen die Experten mit ins Boot genommen hat. Es würde sogar dann noch gelten, wenn Sie auf Ihren Partnerwerkstattstatus ausdrücklich hingewiesen und versucht haben, dem Kunden diesen Weg auszureden.
Wir haben auch noch nicht erlebt, dass ein Haftpflichtversicherer die Kostenübernahme mit dem Argument zu versagen versucht hat, weil die Werkstatt Partnerwerkstatt sei, sei für den Geschädigten ja kein Regulierungshindernis zu befürchten gewesen. Allerdings wissen wir, dass Versicherer Druck auf die Partnerwerkstätten ausüben, da „erfolgreicher“ zu sein. Das umso mehr, wenn überdurchschnittlich viele Kunden einer Werkstatt die Waffengleichheit durch Schadengutachter und Rechtsanwalt suchen und der Eindruck entsteht, die Werkstatt würde das hinter vorgehaltener Hand diskret doch empfehlen.
Haftung der Werkstatt, wenn dem Kunden Ansprüche entgehen
Ob die Werkstatt in die Haftung dem Kunden gegenüber kommen kann, wenn der später bemerkt, dass ihm wegen der Kooperation Ansprüche entgangen sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Jedenfalls dann, wenn die Werkstatt ihre Leistung mit einer „Sie müssen sich um nichts kümmern, wir machen das schon“-Ansage angepriesen hat, ist das nicht ganz ohne Risiko. Wenn die Werkstatt verspricht, sich „um alles“ zu kümmern, muss sie das auch tun.
Dass das kein Gefälligkeitsverhältnis ist, sondern ein Verhältnis mit rechtlichen Konsequenzen, hat das LG Berlin zu Recht entschieden. Wenn eine Werkstatt für den Geschädigten die „komplette Schadenregulierung“ übernimmt, haftet sie im Grundsatz für dabei gemachte Fehler, die zu Verzögerungsschäden führen. Der gefährliche Satz aus dem Urteil der Berufungskammer lautet im Hinblick auf die beklagte Werkstatt: „Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin grundsätzlich gemäß § 280 Abs. 1 BGB für die von ihr im Hinblick auf den zwischen den Parteien abgeschlossenen Unfallregulierungs-Vertrag verursachte Verzögerung einzustehen.“ (AG Berlin-Wedding, Urteil vom 22.01.2014, Az. 6a C 130/13, Abruf-Nr. 143428 in Verbindung mit LG Berlin, Urteil vom 16.10.2014, Az. 51 S 15/14, Abruf-Nr. 143429)
Im Ergebnis wurde die Werkstatt im Berliner Fall nur deshalb nicht zum Schadenersatz verurteilt, weil der Kunde im Rechtsstreit gegen die Werkstatt völlig stümperhaft vorging. Es ging um den Vorwurf, dass der Werkstattmitarbeiter bei der Zentralrufabfrage ein falsches Kennzeichen angegeben hatte. Bis dann die richtige Versicherung ausfindig gemacht war, verging viel Zeit, in der der Geschädigte einen Mietwagen fuhr.
Überträgt man das auf Ihre Frage, bedeutet das: Wenn Sie die Regulierung mit dem Versicherer versprechen, müssen Sie auch dafür sorgen, dass der Kunde zum Beispiel die Wertminderung bekommt. Dass das ohne Gutachter wohl nichts wird, liegt auf der Hand.
Allerdings: Bemerkt der Kunde das vor Ablauf von drei Jahren seit dem Schadenfall, kann er ja Ansprüche beim Schädiger nachmelden. Das kann dann der rechtliche Ausweg sein.