· Fachbeitrag · Schadenabwicklung
Sollen wir künftig die Rechnung auf den Versicherer ausstellen und die SB des Kunden nennen?
| Eine Kfz-Werkstatt wurde von einem Versicherer aufgefordert, die Reparaturrechnungen künftig auf den Versicherer auszustellen und die Höhe der Selbstbeteiligung (SB) des Kunden auf der RKÜ zu vermerken. Sie möchte nun wissen, ob sie diesen Aufforderungen nachkommen soll. |
Frage: Heute erhielt ich einen merkwürdigen Anruf von einem großen Versicherer. Wir haben einen Vollkaskoschaden abgerechnet und die Rechnung auf unseren Kunden ausgestellt, wie immer. Nun behauptet die Sachbearbeiterin, dass die Rechnung auf den Versicherer ausgestellt werden muss. Das wäre so üblich, und das machen auch andere Werkstätten, da der Versicherer ja auch die Rechnung zahlen würde. Stimmt es tatsächlich, dass die Reparaturrechnung auf den Versicherer ausgestellt werden muss? Bezüglich der Selbstbeteiligung wurde gesagt, dass die Kundin ja eine habe, wir das auf dem RKÜ-Formular aber nicht vermerkt hätten. Zu dem Zeitpunkt der Abwicklung hatte unsere Kundin uns nicht sagen können wie hoch die SB ist. Dies teilte ich auch dem Versicherer mit. Man nannte mir dann die Höhe der SB und teilte mir mit, man werde die Rechnung ausnahmsweise zahlen. Ich bat - man weiß ja nie, was noch kommt - die Sachbearbeiterin um eine schriftliche Mitteilung, dass die Rechnungen in Zukunft auf den Versicherer ausgestellt werden solle. Ob wir das dann gegebenenfalls befolgen werden, hängt von Ihrer Antwort ab.
Unsere Antwort: Das sind bei Licht besehen zwei Fragen.
SB-Notiz auf RKÜ als nette Geste
Zunächst die einfacher zu beantwortende: Es mag eine nette Geste sein, die SB auf der RKÜ-Anfrage zu notieren. Zwingend ist es nicht. Der Versicherer bestätigt ja ohnehin nur, dass er im Rahmen seiner kaskovertraglichen Verpflichtung zahlen wird, also unter Abzug der SB. Es kann aber sein, dass Versicherer mit dem Beharren auf einer SB-Notiz in irgendeiner Weise absichern wollen, dass die SB auch tatsächlich durch die Werkstatt beim Kunden kassiert wird (siehe UE 6/2013, Seite 15). Wir werden das weiter beobachten.
Keine Rechnung ohne Leistungsaustausch
Der Kern Ihrer Frage ist die Rechnungstellung. Eine Rechnung muss aus fiskalischen Gründen zwingend auf den Leistungsempfänger ausgestellt werden. Alles andere bereitet insbesondere bei der Umsatzsteuer Probleme. Der Empfänger der Leistung „Reparatur“ ist der Kunde, aber nicht der Versicherer.
Der Versicherer zahlt nicht Ihre Rechnung
Es ist auch falsch, wenn die Sachbearbeiterin des Versicherers meint, der Versicherer bezahle die Rechnung ja auch.
Der Versicherer bezahlt nie Ihre Rechnung. Wie immer muss man sich das Grundprinzip der Schadenerstattung klar machen: Ihr Kunde zahlt an Sie in voller Höhe, danach lässt er sich vom Versicherer den ihm zustehenden Betrag erstatten. Der muss nicht die gleiche Höhe haben. Die Umsatzsteuer beim Unternehmer, Mitverschuldensanteile oder Kürzungen wegen grober Fahrlässigkeit, die Selbstbeteiligung, gegebenenfalls ein Neu für Alt-Abzug: Alles das kann der Versicherer je nach Lage der Dinge anrechnen.
Geldfluss an Sie ist nur eine Abkürzung
Dass der Versicherer direkt an Sie leistet, basiert auf der Abtretung bzw. der RKÜ. Das ist aber keine Leistung auf Ihre Rechnung, sondern die Umlenkung des Erstattungsanspruchs Ihres Kunden gegen den Versicherer auf Ihr Konto. Dass der Versicherer nicht „Ihre Rechnung bezahlt“, sieht man schon daran, dass er eben nun Ihnen gegenüber die oben genannten Positionen anrechnet.
Es gibt also einen Leistungsaustausch zwischen Ihnen und Ihrem Kunden (Reparatur gegen Geld) und einen zwischen Ihrem Kunden und dem Kaskoversicherer (Erstattungsleistung gegen Prämienzahlung). Mangels Leistungsaustauschs zwischen Ihnen und dem Versicherer dürfen Sie dem Versicherer also keine Rechnung schreiben, schon gar keine mit ausgewiesener Mehrwertsteuer.
Dummheit eines Einzelnen oder Strategie des Hauses?
Es verwundert, dass ein Versicherer Sie offen auffordert, die Rechnung an ihn zu adressieren. Denn er verschafft sich dabei Nachteile:
- Wenn er sich selbst ernst nimmt, muss er dann auch jeweils in voller Höhe bezahlen. Also kein Mehrwertsteuerabzug, kein Abzug der Selbstbeteiligung usw.
- Zum anderen gelten in nahezu allen Großunternehmen heute strenge Compliance-Regeln. Vor diesem Hintergrund Schadenbeteiligte offen zu einer unzulässigen Rechnungsstellung aufzufordern, ist haarsträubend.
Deshalb erscheint uns der Vorgang, über den Sie berichten, auf den ersten Blick als abwegiger Gedanke eines Sachbearbeiters, der die Dinge nicht überblickt. Oder es steckt eine Strategie dahinter, die für uns auf den ersten Blick nicht sicher einzuordnen ist. Daher unsere Bitte an alle Leser: Teilen Sie uns per E-Mail (ue@iww.de) mit, ob die anfragende Leserin einen Einzelfall berichtet oder ob Ihnen diese Aufforderung auch schon begegnet ist.
PRAXISHINWEIS | Einstweilen stellen wir Ihnen den Textbaustein 353 zur Verfügung, mit dem Sie sich gegen solche Aufforderungen wehren können. |
Weiterführender Hinweis
- Textbaustein 353: Rechnungsausstellung nur auf Leistungsempfänger