Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Schadenabwicklung

    Versicherer schreibt Kunden an, die Forderungen der Werkstatt seien überhöht

    | Mehrere Kfz-Werkstätten haben UE auf Folgendes aufmerksam gemacht: Ein Versicherer schreibt - unterschiedslos bei Kasko- und Haftpflichtschäden - Werkstattkunden an, die bei Kaskoschäden ja auch Kunde des Versicherers sind. Er behauptet unter Bezug auf einen Prüfbericht, die Abrechnung sei überhöht. Sie weiche von Herstellervorgaben ab. Der Kunde solle nur den vom Versicherer an ihn gezahlten gekürzten Betrag an die Werkstatt weiterleiten. Verlange die Werkstatt von ihm die Differenz, werde der Versicherer sich darum kümmern. Das wirft viele Fragen auf. |

    Ein Strauß von Fragen

    Bisher haben die Versicherer regelmäßig gegenüber den Werkstätten behauptet, deren Forderungen seien überhöht. Warum bezieht der Versicherer die Kunden ein? Darf der Versicherer das? Was ist die Gegenstrategie?

    Hier sind die Antworten

    Warum bezieht der Versicherer die Kunden ein?

    Zum einen möchte der Versicherer Stimmung machen, einen Keil zwischen Werkstatt und Kunden treiben. Zum anderen möchte er aber den Streit auf die werkvertragliche Ebene zwischen Werkstatt und Kunden ziehen. Denn jedenfalls beim Haftpflichtschaden ist der Geschädigte ja gegenüber dem Versicherer durch das Schadengutachten geschützt.

     

    Darf der Versicherer das?

    Dass der Kaskoversicherer seinen eigenen Kunden anschreiben darf, liegt auf der Hand. Ebenso darf der Haftpflichtversicherer mit dem Geschädigten Kontakt aufnehmen. Allerdings muss das, was der Versicherer schreibt, auch der Wahrheit entsprechen, soweit es sich auf Tatsachenbehauptungen bezieht. Würde er schreiben, „Wir sind der Meinung, dass die Werkstatt überhöht abrechnet“, wäre das nur eine Meinungsäußerung.

     

    UE liegen aber Fälle vor, in denen der Versicherer den Kunden von Markenwerkstätten anschreibt und behauptet, dass die Werkstatt bei der Abrechnung gegen Herstellervorgaben verstoße. Das ist eine Tatsachenbehauptung.

     

    Dem Schreiben ist dann ein Prüfbericht beigelegt. Schaut man näher hin, sind darin z. B. die Verbringungskosten gekürzt. Herstellervorgaben zu Verbringungskosten sind UE unbekannt. Also ist die Behauptung, es werde gegen eine Herstellervorgabe verstoßen, offensichtlich unwahr. Im gleichen Prüfbericht wird die Position „Musterblech“ von 4 auf 2 AW gekürzt, was der Prüfberichtersteller mit „Branchenüblichkeit“ begründet. Daraus wird dann im Schreiben des Versicherers an den Kunden ein Verstoß gegen eine Herstellervorgabe. Das ist ebenso offensichtlich unwahr, und es ist jeweils keine Meinungsäußerung, sondern eine unwahre Tatsachenbehauptung.

     

    Es ist geschäftsschädigend, dem Kunden einer Markenwerkstatt gegenüber zu behaupten, die Werkstatt verstoße gegen Herstellervorgaben. Die Wiederholungsgefahr ist ebenfalls gegeben. Die Werkstatt kann daher vom Versicherer verlangen, dass er das geschäftsschädigende Verhalten unterlässt.

     

    PRAXISHINWEIS | Verwenden Sie dazu den Textbaustein 436 „Versicherer schwärzt Werkstatt bei Kunden an (H/K)“. Schauen Sie aber genau in den Prüfbericht, ob der Textbaustein darauf passt.

     

    Was ist die Gegenstrategie?

    Die Frage nach der Gegenstrategie ist gleichzeitig die Frage, ob sich der Kunde notfalls von der Werkstatt verklagen lassen muss. Das muss er sicher nicht. Für Haftpflichtschäden sagt z. B. das AG Regensburg: „Es ist, wenn wie hier dem Geschädigten kein Auswahlverschulden zur Last fällt, grundsätzlich nicht seine Sache, sich nach Beauftragung einer Werkstatt mit der Schadenbeseitigung wegen der Höhe der Rechnung mit dieser auseinander zu setzen.“ (AG Regensburg, Urteil vom 11.08.2016, Az. 3 C 824/16, Abruf-Nr. 188479).

     

    Der Versicherer kann ihn wohl auch nicht mit einer entsprechenden Aufforderung dazu verpflichten. Doch was nützt das, wenn er es dennoch versucht?

     

    • Die Antwort bei Haftpflichtschäden ist einfach. Die Werkstatt klagt sofort die Differenz aus abgetretenem Recht beim Versicherer ein.

     

    • Bei Kaskoschäden ist die Antwort schwieriger. Eine Klage der Werkstatt gegen den Kaskoversicherer stößt auf viele Hindernisse. Prüfen Sie mit einem Profi-Anwalt unter Vorlage der UE-Beiträge (siehe unten unter „Weiterführende Hinweise“), ob dazu die Möglichkeit besteht.

     

    Ansonsten ist es unmöglich, sich gegenüber dem Versicherer durchzusetzen, ohne den Kunden zu belasten:

     

    • Wenn der Kunde sportlich genug ist, eine Klage gegen ihn als eine Klage „eigentlich“ gegen den Versicherer zu betrachten, wäre die Klage gegen den Kunden ein gangbarer Weg. Das wird aber selten der Fall sein.

     

    • Wenn der Kunde bereit ist, selbst den Kaskoversicherer zu verklagen, ist es auch gut. Vielleicht kann seine Bereitschaft dazu gefördert werden, wenn der Versicherer zuvor eine Unterlassungserklärung oder eine Richtigstellung hinsichtlich seiner unwahren Behauptungen aus dem oberen Teil dieses Beitrags vorgenommen hat.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „Abtretung im Kaskofall wirksam, wenn der VN Kaufmann ist?“ UE 4/2017, Seite 6 → Abruf-Nr. 44590598
    • Beitrag „Abtretung durch Zahlung an die Werkstatt genehmigt“, UE 2/2016, Seite 3 → Abruf-Nr. 43816856
    • Beitrag „Abtretung durch Kommunikation mit der Werkstatt genehmigt“, UE 8/2015, Seite 7 o→ Abruf-Nr. 43524563
    Quelle: Ausgabe 05 / 2017 | Seite 14 | ID 44654430