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  • · Fachbeitrag · Stundenverrechnungssätze

    Konkrete Reparatur und Verweis auf andere Werkstatt?

    | Aus dem Segment der fiktiven Abrechnung ist der Verweis auf andere Werkstätten und deren Konditionen bekannt. Der BGH hatte dazu entschieden: Fahrzeug nicht älter als drei Jahre oder älter als drei Jahre, aber bis dato durchgängig in der Markenwerkstatt gepflegt und gewartet, schließt einen Verweis auf eine Werkstatt außerhalb der Marke aus. In allen anderen Fällen geht es. Schon mehrfach flackerte auf, dass Versicherer das auch auf Fälle mit durchgeführter Reparatur anwenden wollen. Das ist offenbar wieder vermehrt der Fall. Und so erreichte UE dazu folgende Leserfrage: |

     

    Frage: Wir haben hier einen Haftpflichtschaden. Das Fahrzeug ist älter als drei Jahre und wurde die letzten zwei Jahre nicht in der Vertragswerkstatt gewartet. Unser Anwalt meint, dass wir im Reparaturfall nur die von der Versicherung angegebenen Verrechnungssätze der freien Werkstätten bekommen. Ich kenne diese Rechtsprechung allerdings nur bei fiktiver Abrechnung, der Anwalt aber sagt, es gebe ein BGH-Urteil auch bei tatsächlicher Reparatur. Nebenbei erwähnt: Der Reparaturauftrag wurde schon vor dem Anschreiben des Versicherers mit den besagten Verrechnungssätzen unterzeichnet. Können Sie mir da eine kurze Info zu geben?

     

    Antwort: In der Tat gibt es bisher nur Urteile zur fiktiven Abrechnung in diesem Sinne. Ein Verweis auf die Stundenverrechnungssätze freier Werkstätten steht dabei unter folgenden Voraussetzungen:

     

    • Es dürfen keine Stundenverrechnungssätze genannt werden, die der Geschädigte ohne die Unterstützung des Versicherers nicht bekommen kann.

     

    Dennoch hat Ihr Anwalt im Kern recht: Es gibt ja außer der Mehrwertsteuer hinsichtlich des Fahrzeugschadens keinen Unterschied zwischen fiktiver und konkreter Abrechnung. Und beim BGH ist dem Vernehmen nach so ein Verfahren für eine konkrete Abrechnung anhängig. Das wird nach Einschätzung von UE so enden, dass das alles auch bei konkreter Abrechnung gelten wird. Denn einen Unterschied zwischen den Verweismöglichkeiten bei den beiden Fallgruppen mag man sich wünschen. Rechtsdogmatisch begründen kann man ihn aber kaum.

     

    Die fiktive Abrechnung beruht nun einmal auf dem Gedanken, dass man sich die tatsächlich durchgeführte Reparatur vorstellt („Fiktion“) und sich ebenfalls vorstellt, was dann berechnet worden wäre. Anders gesagt: Die Rechtsprechung des BGH zum Verweis bei Fiktivabrechnungen setzt quasi voraus, dass das konkret auch so geht.

    Wie immer im Schadenrecht: Die Disposition wird geschützt

    Doch den Joker haben Sie gezogen: Wenn der Reparaturauftrag bereits erteilt war, als der Hinweis des Versicherers eintraf, hat Ihr Kunde bereits disponiert. Der Hinweis des Versicherers kam dann zu spät. Denn die Disposition des Geschädigten auf der Grundlage eines Schadengutachtens wird ja regelmäßig geschützt. Das bedeutet: Ähnlich wie beim Restwert wird auch hier ein Wettlauf starten.

     

    Wichtig | Die Qualität der Verweise ist oft auch unterirdisch. Zu weit weg, Versicherungspreise statt allgemein zugänglicher Preise, keine Hinweise zur Gleichwertigkeit. Und es gibt Gerichte, die ein echtes Angebot der Werkstatt verlangen statt eines Prüfberichts. Z. B.:

    Wie wäre es bei Kaskoschäden?

    Für Kaskoschäden hat der IV. Senat („Versicherungssenat“) des BGH die Rechtsprechung des VI. Senats („Schadensenat“) bekanntlich übernommen für den Fall, dass der Kaskovertrag keine klare Regelung zur Fiktivabrechnung enthält (BGH, Urteil vom 11.11.2015, Az. IV ZR 426/14, Abruf-Nr. 145782).

     

    Das Urteil enthält aber einen wichtigen Hinweis: Der BGH macht deutlich, dass es in der Kaskoversicherung für den Versicherungsnehmer einen weiteren Aspekt gibt, nämlich die Wahlmöglichkeit zwischen Tarifen mit und ohne Werkstattbindung:

     

    „Er (der Versicherungsnehmer, Anmerkung der Redaktion) wird sich in diesem Verständnis durch den Umstand bestärkt sehen, dass am Markt zunehmend Tarife mit Werkstattbindung angeboten werden, bei denen sich der Versicherungsnehmer verpflichtet, im Reparaturfall eine vom Versicherer ausgesuchte Werkstatt zu beauftragen, was von diesem mit einem niedrigeren Beitrag honoriert wird. Dies weckt beim Versicherungsnehmer die Erwartung, sein Fahrzeug gegebenenfalls auch in der teureren markengebundenen Werkstatt reparieren lassen zu dürfen, wenn er einen solchen Tarif gerade nicht gewählt und stattdessen eine höhere Prämie bezahlt hat.“

     

    Optimistisch betrachtet müsste das die Instanzrechtsprechung dazu bewegen, den Verweis auf andere Werkstätten in Kaskofällen zu verneinen, wenn der Versicherungsnehmer den Tarif ohne die Werkstattbindung gewählt hat.

     

    FAZIT | Die Fälle des Verweises bei konkreter Reparatur werden kommen. Wir werden die Entwicklung und die Rechtsprechung dazu beobachten und Sie auf dem Laufenden halten.

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2017 | Seite 14 | ID 44431146