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  • · Fachbeitrag · Verbringungskosten

    Verbringungskosten 2.0: Jetzt sollen es statt 80 Euro nur noch 37,50 Euro bzw. 59,98 Euro sein

    | Die Verbringungskosten sind und bleiben die Schadenposition der Saison. Kleinvieh macht auch Mist, und zwar auf der einen wie auf der anderen Seite. Wenn das Stichwort „80 Euro“ fällt, weiß die ganze Branche, welcher Versicherer am Werk ist. Doch der wird jetzt offenbar in der Rolle des Radikalen abgelöst. Ein großer Versicherer kürzt die Erstattung der Verbringungskosten auf 37,50 Euro, ein zweiter auf 59,98 Euro. Zurecht? Nein! |

    37,50 Euro bzw. 59,98 Euro sind die neuen 80 Euro

    Auffällig dabei: Die Werkstatt, die mittelbar betroffen ist, hat sich offenbar bereits an die erste Welle der Verbringungskostenattacke angepasst. Berechnet waren 80 Euro netto. Gestützt auf einen „Prüfbericht“ eines kleineren Dienstleisters reduzierte der Versicherer sie auf 37,50 Euro.

     

    Im Prüfbericht heißt es: „Darüber hinausgehende Aufwendungen sind zu begründen und entsprechend nachzuweisen, zum Beispiel durch Vorlage einer Rechnung über die angefallenen Verbringungskosten.“

     

    Ein anderer Versicherer schreibt: „Die Verbringungskosten zum Vermessen des Fahrzeugs übernehmen wir ohne Präjudiz in Höhe von brutto 59,98 Euro. Einen höheren Aufwand stellen wir anheim zu belegen.“

     

    Das ist - freundlich formuliert - originell: Es liegt doch eine Rechnung über die Verbringungskosten vor, nämlich die der Werkstatt.

     

    Beide Versicherer übersehen wie immer: Der Versicherer ist nicht der Vertragspartner des Reparaturvertrags. Das ist der Geschädigte. Dem wurden die Verbringungskosten von der Werkstatt berechnet. Der Versicherer muss dem Geschädigten den Schaden ersetzen. Punkt. Dazu haben wir für Sie bereits viele Urteile veröffentlicht, und hier folgen weitere:

    Die These „Der Lackierer holt und bringt kostenlos“

    Das AG Duisburg-Ruhrort wurde vom Versicherer mit der These konfrontiert, die reparierende Werkstatt lasse doch durch die Lackiererei XY lackieren. Die sei dafür bekannt, die Fahrzeuge kostenlos bei der Werkstatt abzuholen und nach Fertigstellung ebenso kostenlos zurückzubringen.

     

    Darauf ist das Gericht gar nicht eingestiegen. Denn das sei erstens nicht erwiesen und zweitens allenfalls eine Frage des Innenverhältnisses zwischen der Werkstatt und dem Lackierbetrieb. Der Geschädigte habe jedoch nicht die Möglichkeit, über die geschäftlichen Strukturen der Werkstatt Auskunft zu verlangen. So wurde der Versicherer verurteilt, die in Rechnung gestellten Verbringungskosten an den Geschädigten zu erstatten (AG Duisburg-Ruhrort, Urteil vom 25.01.2017, Az. 8 C 140/15, Abruf-Nr. 191624, eingesandt von Rechtsanwalt Oliver Güldenberg, Duisburg).

     

    PRAXISHINWEIS | Es kommt gar nicht darauf an, ob der Reparaturbetrieb bringt oder der Lackierer holt. Denn der Reparaturbetrieb stellt nach außen die Rechnung über die gesamte Leistung - obwohl er ja auch nicht selbst lackiert hat.

     

    Die These des Versicherers lautet immer wieder, für die Lackierung müsse der Reparaturbetrieb ja einen Betrag an den Lackierer bezahlen, für den Transport aber nicht. Das ist sachlich falsch: Die Transportkosten sind in den Lackierkosten enthalten. Sie sind also lediglich nicht gesondert berechnet.

     

    In dieser Frage wird es wohl in absehbarer Zeit zu Auseinandersetzungen strafrechtlicher Natur kommen. Ein großer Versicherer bearbeitet gerade diverse Lackierbetriebe, sie mögen ihm bestätigen und eidesstattlich versichern, dass der Preis für die Lackierung kein anderer wäre, wenn der Transportvorgang entfiele. Also sei der Transport doch kostenlos.

     

    Das lässt sich wohl damit kontern, dass der Lackierer den Auftrag gar nicht bekäme, wenn er bei entfallender Transportnotwendigkeit den Gesamtpreis nicht senken würde. Betriebswirtschaftlich kann es keinen Gratistransport geben, sondern nur einen eingepreisten Transport. Wer nämlich seinen diesbezüglichen Aufwand nicht umlegt und dennoch Kampfpreise macht, wird nicht lange Freude daran haben.

    Behauptungen an der Wahrheit vorbei

    Vor dem AG Leverkusen hat der Versicherer behauptet, aus dem Internetauftritt der Reparaturwerkstatt ergebe sich, dass dort eine eigene Lackiererei vorgehalten werde und von daher nichts zu verbringen sei. Ein Blick des Richters in den Internetauftritt genügte, um festzustellen, dass das schlicht nicht stimmt. Also: Wenn die Werkstatt in Übereinstimmung mit dem Schadengutachten Verbringungskosten berechnet, sind sie in dieser Höhe zu erstatten (AG Leverkusen, Urteil vom 19.01.2017, Az. 26 C 382/16, Abruf-Nr. 191616, eingesandt von Rechtsanwalt Andreas Bruchhausen, Burscheid).

     

    Auf gleicher Linie liegt das AG Tettnang. Auch das stellt auf das Schadengutachten und auf die Rechnung ab. Das Urteil eignet sich wegen seiner schnörkellosen Geradlinigkeit gut zur Vorlage bei Versicherern und vor allem bei Gerichten (AG Tettnang, Urteil vom 27.01.2017, Az. 8 C 909/16, Abruf-Nr. 191614, eingesandt von Rechtsanwalt Jürgen Hohl, Langenargen).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Sonderausgabe „Verbringungs- und Lackierkosten: Willkürliche Kürzungen erfolgreichabwehren“ → Abruf-Nr. 44228626
    • Beitrag „Strafanzeigen wegen Verbringungskosten“, UE 6/2016, Seite 2 → Abruf-Nr. 44045575
    Quelle: Ausgabe 03 / 2017 | Seite 8 | ID 44508236